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  Walkerpfeiler - Grandes Jorasses Nordwand (VI+ / VI- A1 / 1200 mH) 11.07.15
Geschrieben von: Tobias - 14.07.2015, 22:11 - Forum: Frankreich - Antworten (4)

„Kein Zweifel mehr: Der Walkerpfeiler ist auch heute noch das begehrteste Ziel für alle Bergsteiger unter den Extremkletterern. … . Hier ist ein wahrer Pfeiler aus Urgestein, der als kolossale Säule auf breiter Basis aus den Eisdecken des Leschauxgletschers bricht, um in eindeutig gerader Linie, nach oben immer schlanker werdend, zum höchsten Punkt der schwarzen Riesenmauer aufzusteigen. Welch ein Bild!“

„Wie sonst keiner in den Alpen wirkt der gewaltige Pfeiler bestürzend und begeistern hoch, mächtig, drohend – unmittelbar über seinen Rücken drängt eine klare Führe ohne Umwege zur Gipfelwächte. Es ist die große, die klassische Granit-Eis-Führe…“


aus: Walter Pause - im extremen Fels.


„unvergleichbare Einsamkeit, düsteres, jede Form von Leben abweisendes Gelände aus Fels und Eis, das einen erschüttert. Lediglich unser Handlungsdrang und das Feuer unserer Jugend sind stärker als das Abschreckende einer solch öden und von der Sonne fast gänzlich unberührten Gegend“

aus: Riccardo Cassin – Erster am Seil.


„Ich spreche aus Erfahrung, wenn ich behaupte, daß die Bezwingung der Nordwand der Grandes Jorasses über den Nordpfeiler der Pointe Walker die Erfüllung eines der schönsten Bergsteigerträume ist. Aber wenn das Erlebnis dem Traum ebenbürtig sein soll, so muss der Bergsteiger auch hier anspruchsvoll bleiben gegen sich selbst!“

aus: Gaston Rébuffat. 100 Idealtouren im Montblanc-Massiv


    das Ziel unserer Träume

Grandes Jorasses – Nordwand „Walkerpfeiler“!!!
Der Nimbus und Ruhm dieser Tour ist wohl nicht zu überbieten und reicht weit über die Grenzen der Alpen hinaus. Ein Grandes Courses der absoluten Extraklasse, ein Highlight im Tourenbuch und zudem einer der ganz großen Pausepunkte. Zusammen mit Jürgen, Florian und Paul starte ich in das Abenteuer Walkerpfeiler und es ging an einem Tag ohne Biwak bis zum Boccalattebiwak auf der italienischen Südseite des Berges. Ein großer Traum sollte mit dieser Begehung des Walkerpfeilers in Erfüllung gehen…

Schon seit 2-3 Jahren haben wir auf die Gunst der Stunde und halbwegs annehmbare Sommerverhältnisse gewartet. Nun Mitte Juli 2015 nach fast 2 wöchiger Hitzeperiode fanden wir nicht nur halbwegs annehmbare Verhältnisse, sondern sogar ideale Verhältnisse ohne Vereisung vor und das bei megastabilem Hochdruckwetter. Vom Ende des Wandsockels bis zur Gipfelwächte konnten wir alles in Kletterschuhen klettern! Der Haken an solchen Verhältnissen ist fast gezwungener Maßen der Steinschlag. Denn den Walkerpfeiler ohne Vereisung wird es nur bei heißen Temperaturen geben und dann wird sich an diesem Berg auch immer Steinschlag lösen. Mal mehr, mal weniger und ganz unabhängig vom ausgelösten Steinschlag vorauskletternder Seilschaften, den es auch immer geben wird. Bei uns lag der Steinschlag noch im „erträglichen“ Rahmen war aber definitiv auch auf dem Pfeiler vorhanden. In den Rinnen und Flanken rechts und links des Pfeilers krachte und schepperte es eh den ganzen Tag über recht häufig. Als im Vorfeld erste positive Signale von der Leschauxhütte über möglicherweise gute Verhältnisse zu vernehmen waren, gab es kein Halten mehr und alle Hebel wurden in Bewegung gesetzt um den Traum zu verwirklichen. Doch die Gunst der Stunde am Walkerpfeiler galt es mit vielen anderen zu Teilen. Am Tag vor uns sind gar 9 Seilschaften (!) eingestiegen, bei uns waren es insgesamt 5 Seilschaften. In Kombination mit langsameren und/oder biwakierenden Seilschaften von den Vortagen ergaben sich ganz beträchtliche Wartezeiten und des Öfteren war Stau. So ergab sich am Ende des Tages 16 h Kletterzeit. Gegen 20:00 Uhr standen wir aber überglücklich auf dem Gipfel der Point Walker (4208m), dem höchsten Punkt der Grandes Jorasses.

    die Grandes Jorasses (4208m) von Montenvers aus
    Nahaufnahme des obersten Walkerpfeilers

Noch ein Wort zu Florian und Paul. Die beiden waren schon seit zwei Wochen beim Bergführerlehrgang in Chamonix. Am Freitag standen noch letzte Ausbildungstouren auf dem Programm (Lachenal Überschreitung + Cosmiquegrat) und sie mussten zwingend an der Abschlussbesprechung am Freitagabend teilnehmen. So verpassten sie die letzte Bahn nach Montenvers. Ein Verzicht bei diesen Verhältnissen und dem perfekten Wetter stand aber schlichtweg nicht zur Debatte und so marschierten die beiden zu Fuß am Abend und in der Nacht von Chamonix (1064m) nach Montenvers (1906m) und weiter über das Mer de Glace und den Leschauxgletscher an den Fuß der Leschauxhütte! Jürgen und ich übernachteten auf der Leschauxhütte (2431m) und so trafen wir die beiden, wie vereinbart, um 01:30 Uhr mitten in der Nacht auf dem Leschauxgletscher und die Unternehmung Walkerpfeiler konnte beginnen. Somit war dies bei den beiden der Walkerpfeiler zu Fuß von Chamonix bis zum Boccalattebiwak, wohlgemerkt an einem Stück!!!

    im Zustieg zur Leschauxhütte (2431m)
    im Zustieg zur Leschauxhütte (2431m)
    Leschauxhütte (2431m)


Tourenbericht:

Der Zustieg von der Leschauxhütte bis zum Wandfuß gestaltete sich recht gutmütig, da Spuren vorhanden waren und wir am Morgen nicht die erste Seilschaft waren. Vom tiefsten Punkt des Walkerpfeilers ging es zunächst rechts noch gut 80 Hm über Eis und eine steile, verworrene Spaltenzone nach oben. Es gilt nun an einfachster Stelle vom Eis nach links auf den eigentlichen Sporn des Wandsockels zu kommen. Wir beginnen mit der Kletterei, es ist ca. 04:00 Uhr und noch stockdunkle Nacht. Die Seilschaften haben hier teils unterschiedliche Wege eingeschlagen und es gibt prinzipiell auch mehrere Möglichkeiten. Am einfachsten dürfte ein von rechts nach links ziehende kurze Rampe sein. Der nun folgende Wandsockel kann so ziemlich überall geklettert werden. Überall ca. III+(Stellen IV-) und überall ziemlicher Bruch. Wir klettern hier natürlich noch mit Bergschuhen.

    Kletterei am Wandsockel
    Kletterei am Wandsockel
    Kletterei am Wandsockel

Drei Seillängen unterhalb der Rébuffat-Verschneidung geht die eigentliche Kletterei los. Das Schuhwerk wird auf Kletterschuhe gewechselt und die ganze Felsausrüstung angelegt. In drei Seillängen (IV-V) geht es nun bis zum Beginn der ersten schweren Seillänge, der berühmten Rébuffat-Verschneidung (VI- A1). Wobei man eigentlich nicht mehr die gesamte Rébuffat-verschneidung klettert sondern nach einigen Metern nach rechts in die Allain-Verschneidung wechselt. Wie auch immer jedenfalls ist hier gleichmal Stau angesagt. Es ist 06:30 Uhr. 2 Seilschaften stehen schon auf dem leidlichen Sitz-Biwakplatz am Fuße der Verschneidung und 1 Seilschaft ist vogelwild am Werken. Es wird mit 5m langen Seilschwänzen gearbeitet und ein nachgezogener Rucksack bombt plötzlich waagrecht durch die Luft und knallt lautstark gegen die Verschneidungswand. Eine der Seilschaften davon hat hier biwakiert und kommt erst jetzt in die Gänge, wenn schon fünf Seilschaften von unten kommend anrücken. Mein Gott, das kann ja noch heiter werden hier…
Nun gut, Jürgen schaut sich das chaotische Treiben nicht lange an, packt sein Kletterkönnen aus, und quert einfach ganz unten am Fuße der Rébuffat -Verschneidung schon nach rechts und setzt somit zum Überholmanöver von 3 Seilschaften auf einmal an. Beim Gedanke an meinen Nachstieg dieses zunächst plattig erscheinenden Querganges und die wenigen Sicherungspunkte wird mir eher Mau in der Magengegend. Alles löst sich aber super auf und das Ganze war nicht schwerer wie VI. Ich frage mich nun eher warum dass nicht immer so gemacht wird, anstatt hier technisch aufwendig in der Rébuffat -Verschneidung herum zu Werken?

    am Fuße der Rébuffat-Verschneidung – Jürgen setzt zum Überhohlmanöver an
    der Tag erwacht über dem Leschauxbecken

In den nun folgenden 2-3 „leichteren“ Längen bis an den Beginn der 75m Verschneidung galt es einen kurzen, ca. 2m breite, Eisstreifen zu queren. Mit Kletterschuhen an den Füßen erfolgte das A0 an einer Eischraube. Auf diesen Längen zeigte sich aber vor allem, dass die anderen Seilschaften im leichteren Gelände auch ein ordentliches Tempo draufhatten und sofort zum Gegenüberhohlmanöver ansetzten und so teilweise 3 Seilschaften parallel, gleichzeitig und irgendwie chaotisch in einander herumkletterten. Ist ja auch klar, denn wer in den Walkerpfeiler einsteigt sollte sich seiner Sache schon sehr sicher sein und mindestens in den „leichten“ Seillängen ein sehr schnelles Tempo an den Tag legen können. Bis zum Beginn der 75m Verschneidung hatte sich die Reihenfolge aber etwas eingependelt und in der Folge lief alles in etwas geregelteren Bahnen. Auch wenn sich das Ganze nach Streit und Stress anhört, muss ich sagen, war es mit den ausschließlich französischsprachigen anderen Seilschaften ein angenehmes, gemeinsames miteinander und nicht ein gegeneinander.

    in den leichteren Längen zwischen Rébuffat- und 75m Verschneidung
    noch liegt ein verdammt weiter Weg vor uns
    Querung an den Beginn der 75m Verschneidung

Die nun folgenden berühmte 75m Verschneidung, war viel steiler wie wir es von Bildern her erwartet hätten. Folglich ist die ganze Verschneidung und speziell die erste Seillänge davon ganz schön kraftraubend und es muss ordentlich zugepackt werden (V A1). Insbesondere in diesen steilen Seillängen ist der Rucksack deutlich zu spüren. Die Biwakmöglichkeiten am Fuße der 75m Verschneidung erschienen mir so am vorbeiklettern eher mager und sie sind vor allem völlig ungeschützt, vor Steinschlag!


    am Fuß der 75m Verschneidung
    die 75m Verschneidung in voller Pracht

In 2-3 leichteren aber teils auch recht brüchigen Seillängen erreicht man die 10 m Abseilstelle. Um den Abseilstand zu erreichen quert man aus einer Verschneidung recht plattig nach rechts. Ein Fixseil kann diese plattige Querung erleichtern. Um Zeit zu sparen, empfiehlt es sich, hier gleich gegenseitig abzulassen und nicht lange Stand am Abseilpunkt zu machen.

   
    Jürgen auf dem Weg zur 10m Abseilstelle
    Quergang mit Fixseil zur 10m Abseilstelle

Nach dem Abseilen/Ablassen folgt ein weiterer plattiger Quergang nach rechts mit weiteren Fixseilen. Nach dem Quergang folgt eine kurze aber knackige Rampfstelle an einer Verengung.

    Jürgen am plattigen Quergang nach der Abseilstelle
    Rückblick auf die Abseilstelle / Paul am Seil hängend / im Hintergrund die Petites Jorasses und die Aiguille de Leschaux
    Florian kurz nach der knackigen Rampfstelle

Es folgen die „Grauen Platten“ unterhalb des Grauen Turms und somit anhaltend schweres V A0 Gelände. Die „Grauen Platten“ sind echt sehr kompakt, steil und nicht ganz ohne zu klettern. Hier dürfte der Unterschied zwischen Kletterschuhen und Bergschuhen extrem sein. 4 Seillängen gilt es in den „Grauen Platten“ zu klettern bevor man auf einer steilen Rampe unter dem Grauen Turm hindurchklettert.

    in den „Grauen Platten“
    in den „Grauen Platten“

Auf der Rampe darf man sich keinesfalls zu weit nach rechts in scheinbar einfacheres Gelände (Richtung Colton MacIntyre) verleiten lassen. Über 1-2 steile, knackige aber wunderschöne Seillängen (V+/ A1) geht es von der Rampe nach links auf den eigentlichen Pfeiler. Guter Biwakplatz am Fuße dieser Seillänge. Vor dieser schwereren Seillänge gab es mal wieder Stau.

    mal wieder Stau am Walkerpfeiler / im Hintergrund die Aiguilles von Chamonix
    zwei kurze steile Seillängen leiten wieder auf den eigentlichen Pfeiler
    zwei kurze steile Seillängen leiten wieder auf den eigentlichen Pfeiler

Auf dem Pfeilerrücken angekommen folgen zur Abwechslung mal ein paar wirklich deutlich einfachere Seillängen und man kommt etwas vom Fleck. Ca. 7-8 Seillängen im III-IV Grat unterbrochen von einer V er Stellen bringen einen zum „dreieckigen Firnfeld“/“névé triangular“ und somit an den Fuß des berüchtigten „Roten Kamin“. In diesen Seillängen können wir zum Glück nochmal eine Seilschaft aus Grenoble überholen und somit etwas Zeit gut machen. Zum richtig Gas geben fehlt aber auch bei uns inzwischen etwas der Dampf und es ist noch immer verdammt weit bis zum Gipfel. Es ist inzwischen schon ca. 15:30 Uhr, wir sind über 11h am Klettern, man hat dort ca. 900 Hm Walkerpfeiler hinter sich und man ist auf knapp 4000m.

    leichtere Seillängen am Pfeilerrücken unterhalb des „Dreieckigen Firnfeld“
    das „Dreieckige Firnfeld“ und der „Rote Kamin“ in Sicht

Das sich etwas in den Weg stellende „Dreieckige Firnfeld“ umgehen wir im Fels links. Hier gilt es zwar eine kurze knackige Kletterstelle (V+) an einer Art Wulst zu überwinden, aber somit sparen wir uns das zeitaufwendige Anlegen von Bergschuhen und Steigeisen. Manche Seilschaften haben dies aber dennoch gemacht. Nun ist der Blick in den berühmt berüchtigten „Roten Kamin“ (V+) frei und es ist einem gleich klar was einem hier blüht. Anspruchsvolle, steile Kletterei in teilweise kapitalem, rotem Granitbruch. Hier geht es nochmal echt ans Eingemachte und zu mindestens einer in der Seilschaft sollte noch ordentlich Power und eine gute Vorstiegsmoral an den Tag legen können. Diverse uralte Fixseile wild herumhängend zeugen hier davon das wohl schon der ein oder andere mit der Verzweiflung zu kämpfen hatte und sich gewisse Dramen abgespielt haben. Die Fixseile waren jedenfalls teilweise so stark beschädigt das ich es nicht mit ansehen konnte und habe eines davon abgeschlagen. Wenn einen hier ein Gewitter oder ein Wettersturz erwischt, dann gute Nacht…

    der berühmt berüchtigte „Rote Kamin“
    der berühmt berüchtigte „Rote Kamin“
    am Ende des „Roten Kamin“ geht es unterhalb des „Roten Turm“ nach rechts hinaus.
    Florian und Paul am Ende des „Roten Kamin“ / Happy diesen anspruchsvollen Teil hinter sich zu haben
   

In zwei weiteren knackigen, aber deutlich festeren, V er Seillängen quert man unter dem „Roten Turm“ nach rechts und verlässt somit die schweren Felsseillängen.

    nach rechts unter dem „Roten Turm“ ins leichtere Gelände
    nach rechts unter dem „Roten Turm“ ins leichtere Gelände

Nun liegen zwar die großen Schwierigkeiten hinter einem, aber noch immer sind es fast 200 Hm über klassisches Ausstiegsgelände bis zum Gipfel. 8-9 Seillängen III-IV. Wir haben zu beißen. Flo und Paul völlig übernächtigt vom langen Zustieg von Chamonix aus, Jürgen und ich völlig unakklimatisiert. Der gute Akklimatisierungszustand vom
Cho Oyu
ist bei mir leider auch schon längst wieder verflogen…

    Ausstiegsgelände nach dem „Roten Turm“
    Ausstiegsgelände nach dem „Roten Turm“
    gewaltige Tiefblicke auf das Mer de Glace
   
    Blick auf die letzten zwei Seillängen am Walkerpfeiler
    Ausstieg aus dem Walkerpfeiler gegen 20.00 Uhr

Überglücklich, Happy und zutiefst zufrieden steigen wir gegen 20:00 Uhr aus dem Walkerpfeiler aus. Wenig später stehen wir auf der Point Walker (4208m) dem höchsten Punkt der Grandes Jorasses. Was für ein Gefühl, was für ein tolles 4er Team!

    Ausstieg aus dem Walkerpfeiler
    Ausstieg aus dem Walkerpfeiler
    Point Walker (4208m)
    Ausstieg aus dem Walkerpfeiler
    Point Walker (4208m)

Bekanntlich ist die Tour am Gipfel noch lange nicht zu Ende. Ein anspruchsvoller Abstieg wartet. Gegen 20:30 Uhr brechen wir vom Gipfel auf und machen uns an den langen Abstiegsweg über den Normalweg. Abklettern ins Firnbecken unter dem Gipfel, unter dem Grandes Jorasses Serac hindurch, rüber zu den „Rochers Whymper„. Bis jetzt war der Abstieg begleitet von einer wunderschönen Abendstimmung. An den „Rochers Whymper“ holt uns die Nacht aber endgültig ein. Unteranderem aufgrund dessen das sowohl Jürgen wie Florian den Abstieg bereits kannten ging es weiter durch die Nacht zum Boccalattebiwak (2805m). Jürgen hat letzten Spätsommer die
Colton MacIntyre
geklettert und Flo vor ein paar Jahren den Crozpfeiler (im Rahmen einer
Cappuccino-Runde
: sprich von Chamonix über den Crozpfeiler nach Italien – Cappuccino trinken – und direkt im Anschluss über den Gran Pilier d´Angle und den Mont Blanc wieder zurück nach Chamonix)

    Abstieg von der Grandes Jorasses
    Abklettern ins Firnbecken unter dem Gipfel entlang des Normalweges
    Blick auf das Abstiegsgelände
    Abendstimmung am Mont Blanc
    Abendstimmung an der Aiguille du Midi

Über die „Rochers Whymper„ ein paar Mal Abseilen ins steile Firnbecken unterhalb der Point Croz. Danach rüberqueren zu den „Rocher du Reposoir“. Bevor man den felsigen Teil der „Rocher du Reposoir“ erreicht gilt es den kurzen Gletscherbruch am oberen Ende der „Rocher du Reposoir“ zu überwinden. In unserem Fall abseilend an vorhandenen Abalakovs. Nun die schier endlos langen „Rocher du Reposoir“ hinab kraxeln und gegen Ende einige Male Abseilen. Im Anschluss daran gilt es den ordentlich spaltigen Glacier de Planpincieux hinab zu laufen und das Boccalattebiwak (2805m) zu finden. Nachdem es nun eh schon längst Dunkel war haben wir uns für den weiteren Abstieg viel Zeit gelassen und immer wieder Pausen eingelegt. So erreichen wir mitten in der Nacht gegen 02:30 Uhr und 25 Stunden nach dem Start an der Leschauxhütte das Boccalattebiwak (2805m).

    Abseilen im Gletscherbruch oberhalb der „Rocher du Reposoir“
    Nachts um 02:30 Uhr am Boccalattebiwak (2805m) – vom Walkerpfeiler gezeichnet


Dass das Boccalattebiwak (2805m) leider recht versifft ist und die Betten teilweise extrem von Mäusen und anderem Getier verschissen sind, ist zwar traurig, war uns aber in dem Moment völlig Wurst. Das ehemalige Refugio Boccalatte ist inzwischen weder bewirtet noch bewartet und gleicht so einer großen Biwakschachtel in typisch italienischem Zustand.
Am nächsten Morgen ging es zum Deckeltaschen Restefrühstück zügig aus dem versifften Loch heraus in die Sonne und bald weiter hinab ins Val Ferret nach Planpincieux (1580m). Dort galt es den Bus nach Courmayeur und von dort weiter nach Chamonix zu erwischen.

    Boccalattebiwak (2805m)
   
    Frühstück nach dem Walkerpfeiler
    Warten auf den Bus im Val Ferret – vom Walkerpfeiler gezeichnet
    Blick von Planpincieux (1580m) auf die Grandes Jorasses (4208m)

Die Pizza in Courmayeur hat nach solch einer Tour natürlich ganz besonders gut geschmeckt und wenig später sitzen wir auch schon im Bus nach Chamonix und eine großartige Unternehmung geht langsam zu Ende.

Was eine Tour…!



Grandes Jorasses (4208 m) - Nordwand „Walkerpfeiler“:
- Erstbegehung: Ricardo Cassin, Luigi Esposito und Ugo Tizzoni 04.-06.08.1938
- 2.Begehung: Gaston Rébuffat und Ravanel Frendo 1945
- 1. Winterbegehung: Walter Bonatti und Cosimo Zappelli 1963
- 1. Solobegehung: Alessandro Gogna 1968
- Schwierigkeit: VI+ oder VI-/A1, sehr anhaltend V
- Felsqualität: Mehrheitlich eher brüchiger Granit. Grandioser und absolut fester Granit ist nur an ausgewählten Stellen zu finden. Besonders brüchig im Roten Kamin
- Absicherung: Die Absicherung ist für so eine große Wand sehr gut. Viele Normalhaken. Sowohl Stand- wie Zwischenhaken. Sollte mal keine fixe Absicherung vorhanden sein ist dies fast immer problemlos mit Cams und Keilen zu bewerkstelligen.
- Wandhöhe: 1200 mH
- Kletterzeit: laut AV-Führer 1-2 Tage


unser zeitlicher Tagesverlauf:
01:00 Uhr – Aufstehen Leschauxhütte (2431m)
01:30 Uhr – Abmarsch auf dem Leschauxgletscher
03:30 Uhr – am tiefsten Punkt des Walkerpfeilers
04:00 Uhr – wir betreten vom Eis den Sporn des Wandsockels und die Kletterei geht los
06:00 Uhr – drei Seillängen unterhalb der Rébuffat-Verschneidung/die Kletterei beginnt richtig
06:30 Uhr – Rébuffat-Verschneidung
08:30 Uhr – 75m-Verschneidung
10.00 Uhr – Abseilstelle
12:30 Uhr – Querung unter dem Grauen Turm
16:00 Uhr – Roter Kamin
17:45 Uhr – Querung unter dem Roten Turm
20:00 Uhr – Grandes Jorasses Point Walker (4208m)
21:30 Uhr – Rochers Whymper
23:30 Uhr – Rocher du Reposoir
02:30 Uhr – Boccalattebiwak (2805m)


Materialempfehlung:
- 50 m Doppelseil
- 10 Exen
- 6-8 Bandschlingen
- 1 Satz Cams: 0.3 bis 2 + zwei kleinere wie der 0.3er
- kleines Set Keile
- kleines Hakensortiment
- das sonstige, übliche Stand- und Abseilmaterial
-1 Paar Steigeisen
-1 Eisgerät
-1 Eischraube


unser minimalistisches Not-Biwakmaterial für 4 Personen:
- 2 halbe Z-Lite´s
- 1 Schlafsack (500g)
- 2 Bivi´s
- 1 Mini Kocher + Gas (kein schwerer Jetboil o.ä.)
-2 Tütensuppen


Kletterführer / Topos:
AV-Führer Mont-Blanc-Gruppe
10. Auflage 2005
Bergverlag Rother, München
Hartmut Eberlein

Mont-Blanc - Die schönsten Touren in Fels, Eis und Schnee
1. Auflage 2013
Delius Klasing
Philippe Batoux

Grandes Jorasses Face Nord
1. Auflage 2013
JMEditions
Julien Désécures

Im extremen Fels
2. Auflage 1977
Walter Pause, Jürgen Winkler

Die 100 Idealtouren im Montblanc-Massiv
Deutsche Ausgabe 1975
Gaston Rébuffat

Diverse weitere gute und weniger gute Topos und Wandbilder sind im Internet zu finden.


IGN-Karten:
1:25000: 3630 OT, Chamonix Massif du Mont Blanc


Viele Grüße
Florian, Paul, Jürgen und Tobias

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  Norwegen (im Umkreis Oslo)
Geschrieben von: Kletterfreunde-Sarah - 12.07.2015, 00:03 - Forum: andere Region - Keine Antworten

Zu dritt (Simon, Dani und ich) sind wir am 10.7.15 nach Oslo aufgebrochen, um Stian zu besuchen. Stian haben wir in der Rocksports-Boulderdachkammer kennengelernt, als er letzten Herbst in Deutschland auf Geschäftsreise war. So viel zum Vorgeplänkel, jetzt zu den Fakten...

1. Tag: Klettern am See HAUKTJERN (so heißt auch das Klettergebiet). Ein Areal bei dem man vom Parkplatz erst eine kleine Wanderung macht (ca. 3/4 bis 1h). Die vielen dazugehörigen Kletterfelsen erstrecken sich geschätzt über 1km, morgens/vormittags Sonne, dann alles im Schatten. Teils hohe Wände bis 35m, viele Routen 20-25m. Der Sektor Hauktjern Hovedfeltet Høyre hat die höchsten Routen. Von der Absicherung ist es gemischt: komplett geboltet mit über 14 Haken, teils mixed und teils clean. Felsqualitãt ist toll, gute Reibung, kein Schlonz! Schwierigkeitsgrad liegt oft zwischen 6 und 7 (man bedenke norwegische Skala). Soviel zu Tag 1...

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  Hohes Kreuz, Kreuzkante VI+, 14SL, Totes Gebirge
Geschrieben von: Tomaselli - 05.07.2015, 17:08 - Forum: Österreich - Keine Antworten

Hohes Kreuz, Kreuzkante, VI+ (oder VI-,A0), Totes Gebirge

   

Nachdem die letzten Tage sehr warm waren, sind wir auf unserer Suche nach einer West – Nordwand auf die Kreuzkante am Hohen Kreuz gestoßen. Der Berg liegt im Toten Gebirge und ist von der Welser Hütte gut zu erreichen. Für den Zustieg zur Welser Hütte benötigt man von der Almtalerhütte (mit dem Auto erreichbar) ca. 2,5Std. Die Welser Hütte liegt nordseitig des Hohen Priels in herrlich alpiner Lage. Um von der Hütte zum Einstieg zu gelangen muss man ca. 200Hm den Anstiegs weg von der Hütte absteigen und dann ca. 10min über Schotter rechts zum Einstieg queren. Die Kante liegt bis zum Mittag im Schatten. Die Bewertung mit 6+ fand ich hart – ab und zu A0 geht aber. Die Route wurde mit Bohrhaken nachgerüstet - ist aber alpin. Zur Orientierung: Im unteren Teil führt die Tour eher links der Kante und oben rechts der Kante und hatte für uns 14SL (manchmal war der Seilzug zu stark), Dauer 4-5 Std. Der Fels ist bombenfest, an den Bändern manchmal etwas schuttig. Der Abstieg zur Hütte ist in 30 min machbar.

Zustieg zur Welser Hütte

   

In der 6. SL der Route (schön im Schatten!!)

   

Quergang in der 7. Seillänge

   

In der Ausstiegsseillänge (nochmals eine Stelle VI+ im Quergang)

   

Die Anstiegsskizze aus dem Internet


.pdf   kreuzkante(1).pdf (Größe: 842,9 KB / Downloads: 1116)

Gruss Thomas

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  Varden (700m), Stortinden (731m) / Lofoten, Norwegen 07.06.15
Geschrieben von: Tobias - 02.07.2015, 12:16 - Forum: andere Region - Keine Antworten

Nach drei tollen Tagen auf der
Insel Senja
ging es weiter über die Vesteralen auf die Lofoten. Auf den Lofoten verbrachten wir sechs wunderschöne Tage. Neben mehreren Klettertagen ging sich bei mir auch noch eine kurze Frühjahrsskitour aus. Nach bewährtem Muster starte ich sehr früh am Morgen, bin zum Frühstück wieder zurück am Wohnwagen um in diesem Fall gleich weiter ins Sportklettergebiet Finvika (Bericht folgt) zu können.

    Varden (700m) und Stortinden (731m)

Insbesondere der Varden (700m) ist ein großer Skitourenklassiker auf den Lofoten und wird im Winter sehr häufig bestiegen. Er lässt sich über ideales Skigelände sowohl von Westen vom Olderfjord wie auch von Osten von Kabelvag aus besteigen. Der Stortinden ist doch etwas steiler und der Aufstieg durch die Nordflanke oft lawinengefährdet und sein NO Grat ist vermutlich häufig stark überwechtet. Im Frühjahr war dies nun kein Problem mehr.

Die Schlüsselstelle des Tages erfolgte jedoch völlig unerwartet bereits im Zustieg noch mit dem Ski am Rucksack. Was norwegische Feuchtwiesen bedeuten können hatte ich komplett unterschätzt! Wer das folgende Bild sieht wird sich denken: Easy, bequeme Wiese und dann leichter Wald bis zum Beginn der Schneefelder. Doch diese völlig unscheinbare „Wiese“ entpuppte sich als Handfestes Feuchtgebiet. Das vorwärtskommen zeigte sich also nicht so einfach, will man hier nicht als Moorleiche enden. Mein erster Ansatz war, den physikalischen Gesetzten folgend, das Laufen auf den minimal höhergelegenen Bereichen. Doch wie sich rausstellte brachte das keinerlei Vorteil und das viele Wasser scheint hier anderen Gesetzen zu folgen, oder diese Böden habe eine enorm größere Wasserspeicherkapazität im Vergleich zu den von uns gewohnten Erdschichten. So bleib nur vorsichtiges vorwärtstasten, um die tiefsten Stellen zu umgehen. So kam ich mir etwas vor wie auf einem Gletscher wenn man mit den Stöcken nach Spalten sondiert.

    diese unscheinbare „Wiese“ entpuppte sich als handfestes Feuchtgebiet

Endlich wieder auf dem Schnee lief es dann wie am Schnürchen und über perfekten tragenden Frühjahrsfirn ging es höher. Zunächst in den Sattel zwischen Varden und seinem rechterhand liegenden kleinen Nebengipfel. Zunächst ging ich nach links auf den Hauptgipfel und wenig später noch auf den kleinen Nebengipfel.

    Varden Hauptgipfel (links) und sein kleiner Nebengipfel (rechts)
    der leichte Gipfelaufbau des Varden
    traumhafte Lofoten

Nach dem Varden Nebengipfel geht es weiter zum Stortinden. Zunächst etwas bergab und dann direkt durch die Nordflanke zum Gipfel. Auch von dort traumhaftes Lofoten Panorama.

    das nächste Ziel: der Stortinden
    traumhafte Lofoten
    traumhafte Lofoten / hier der Blick auf den Vagakallen
    Abfahrt vom Stortinden

Wie schon beim Aufstieg musste ich das Feuchtgebiet natürlich auch bei Rückweg wieder durchqueren. Doch nun wusste ich ja immerhin schon dass es geht und wo es geht. So navigiere ich gezielt um die moorigsten Stellen herum. Auch bin ich nicht mehr ganz so erschrocken wenn die Fußsohle beim Belasten plötzlich mal wieder 15 cm im Moorwasser verschwindet.

   
    das sieht hier so unscheinbar aus…
    … doch beim Blick nach unten sieht es etwas anders aus
    … doch beim Blick nach unten sieht es etwas anders aus

Nach dieser vermutlich letzten Skitour der Wintersaison 14/15 waren wir am Nachmittag noch im tollen Sportklettergebiet Finvika. Traumhafter Granit und zur Abwechslung sogar mal Bohrhaken. Bericht folgt…


Führer / Beschreibungen zu Skitouren in Norwegen und auf den Lofoten
Toppturer I Norge
3. Auflage 2011
FRIFLYT

Lofoten - Skiing in the Magic Islands
1. Auflage 2013
Nord Norsk Klatreskole
Jonas Dahlstrup, Thorbjorn Enevold


Karten:
1:100 000: Turkart Lofoten / Nr.2549
1:50 000: Turkart Vagan / Nr.2671


Viele Grüße
Tobias

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  Store Hesten (874m), Storfjellet (835m), Litlehesten(679m) / Senja, Norwegen 31.05.15
Geschrieben von: Tobias - 02.07.2015, 09:39 - Forum: andere Region - Keine Antworten

Nach der
Skitour auf den Bogefjell in den Lyngenalps
ging es noch am selben Tag weiter auf die wunderbare und schöne Insel Senja. Hier ist alles nicht sehr touristisch, es ist bei weitem nicht so viel Los und es handelt sich um einen Geheimtipp. Die Bergwelt und die landschaftliche Schönheit kann es jedenfalls ohne Frage mit den Lofoten aufnehmen. Noch am Abend besuchen wir in Mefjordvaer Bent Vidar Eilertsen, den Lead Guide von Senja und Besitzer der großartigen
Senja Mountain Lodge
.

Wir genießen drei wunderschöne Tage auf Senja und übernachten in unserem Wohnwagen beim Ort Ersfjord, am wunderschönen Sandstrand. So ein Sandstrand in Mitten einer tollen Bergwelt, das hat schon was…

    Store Hesten und Litlehesten, zwei von drei Zielen meiner Skitourenrunde oberhalb des Mefjord

Bei bestem Wetter starte ich eine klasse 3-Gipfel-Frühjahrsskitour. Store Hesten(874m) Nordcouloir, Storfjellet(835m) und Litlehesten(679m) waren die Ziele oberhalb des Mefjord. Bereits um 03:30 Uhr bin ich unterwegs zum Ausgangspunkt. Gegen 04:00 Uhr sind die Ski am Rucksack geschulter und es geht los. Nach nur gut 100 Hm kann ich die Ski anlegen. Nachdem die Sonne um diese Jahreszeit in diesen Breitengraden nicht mehr untergeht kann ich schon zu dieser frühen Stunde die Sonne voll genießen. Dem Gipfel komme ich bei besten Skitouren Bedingungen zügig näher und schon im Aufstieg ist mir das Store Hesten Nordcouloir ins Auge gestochen. Vom Gipfel gibt es herrliche Blicke in die umliegende Bergwelt von Senja.

    Sonne pur um 04:30 Uhr
    Gipfelaufbau Store Hesten
    die traumhafte Bergwelt von Senja
    die traumhafte Bergwelt von Senja
    die traumhafte Bergwelt von Senja
    am Gipfel des Store Hesten (874 m)

Vom Gipfel des Store Hesten mache ich aber zunächst noch einen kurzen Abstecher zum sanften Gipfel des Storfjellet (835m). Danach wieder zurück zum Store Hesten und weiter Richtung Nordcouloir.

    die nächsten Ziele: Storfjellet
    die nächsten Ziele: Litlehesten oberhalb des noch zugefrorenen See „Lille Hestvatnet“

Um die Einfahrt in das Nordcouloir zu erreichen muss man ca. 150 Hm vom Gipfel über den NW-Grat abklettern (I-II). Das Couloir beginnt in einer schmalen Scharte. Die obersten 15m waren um diese Jahreszeit schon komplett ausgeapert und darunter kam recht grobbrüchiges gelände zum Vorschein. Durch einen gebohrten Stand etwas oberhalb der Scharte hätte man auch problemlos Abseilen können. Aber natürlich nur mit Seil…
Das Couloir selber war weit weniger steil (40-45°) wie zunächst angenommen und somit richtiger Genuss mit ständigem Blick auf das Meer und das Mefjord.

    Einfahrtscharte ins Store Hesten Nordcouloir
    es kann losgehen
    der oberste Teil
    Ausfahrt aus dem Couloir

Nach dieser tollen Abfahrt geht es weiter Richtung Litlehesten. Zunächst am noch zugefrorenen See „Lille Hestvatnet“ entlang bis unter die Südflanke des Litlehesten. In vielen, vielen Spitzkehren bin ich direkt durch die Südflanke aufgestiegen. Am Ende galt es dann noch über einige Meter dem Grat entlang zum Gipfel zu klettern (II). Der Fels war hier teilweise mit 10cm dicken Moosschichten überzogen. Wodurch mit Skischuhen an den Füßen höchste Konzentration nötig war.

    Tiefblick über die Litlehesten Südflanke
    Blick auf das Store Hesten Nordcouloir und den Storfjellet
    das war’s mit den Abfahrtsfreuden

Über die Südflanke ging es wieder zurück zum noch zugefrorenen See „Lille Hestvatnet“, am See entlang und kurzer Gegenanstieg in den breiten Sattel zwischen Litlehesten und Store Hesten. Vom Sattel über traumhaften Firn zurück Richtung Auto am Mefjord. Die letzten 100 Hm wieder mit den Ski am Rucksack. Gegen 08:00 Uhr bin ich wieder am Auto und wenig später wieder in Ersfjord am Wohnwagen.


Weitere Bilder von der Insel Senja:

Die Senja Mountain Lodge bietet sowohl im Sommer wie im Winter einen idealen Ausgangspunkt für sämtliche Bergaktivitäten auf der Insel Senja. Skitouren, Eisklettern, Alpinklettern, Bergsteigen, Wandern alles ist von hier aus möglich. Auch
Ines Papert
war 2013 hier auf Senja beim Eis- und Mixedklettern und konnte einige Erstbegehungen verbuchen.

   
Senja Mountain Lodge

   
Senja Mountain Lodge



Mit den folgenden vier Bildern möchte ich etwas das Bergsportliche Potential dieser Insel zeigen:

    die Bergwelt von Senja
    die Bergwelt von Senja
    die Bergwelt von Senja
    die Bergwelt von Senja


Auch Wassersport und Familienfreundlichkeit kommt hier auf Senja nicht zu kurz:

    am Ersfjord
    herrlicher Sandstrand am Ersfjord
    herrlicher Sandstrand am Ersfjord mitten in den Bergen
    Mitternachtssonne am Ersfjord


Führer / Beschreibungen zu Skitouren in Norwegen und auf Senja:
Toppturer I Norge
3. Auflage 2011
FRIFLYT


Karten:
1:50000: Turkart Senja Nord


Viele Grüße
Tobias

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  Bogefjell (1089m) / Lyngenalps, Norwegen 29.05.15
Geschrieben von: Tobias - 01.07.2015, 18:52 - Forum: andere Region - Keine Antworten

Direkt im Anschluss an die
abgebrochenen Cho Oyu (8201m) Expedition
starteten wir als kleine Familie Mitte Mai zu dritt auf einen wunderschönen vierwöchigen Skandinavien Rund Trip mit Auto und Wohnwagen. Mit der Fähre ging es von Kiel nach Göteborg und dann eine Woche lang durch ganz Schweden in den Hohen Norden Lapplands und weiter bis zum Nordkap, dem „nördlichsten“ Punkt Europas. Nachdem Nordkap touren wir drei Wochen lang durch Norwegen langsam wieder in den Süden zurück um schließlich mit der Fähre von Oslo wieder Kiel zu erreichen. Insgesamt waren das in vier Wochen knapp 8000 km.

Im letzten Augenblick vor der Abreise habe ich von Christoph noch einen ganzen Schwung Karten und Führer von Schweden und Norwegen bekommen und vor allem den Tipp auf jeden Fall die Ski mal noch irgendwo im Wohnwagen zu verstauen. Vielen Dank dafür, Christoph!!! Eigentlich war ich ja auf einen schönen Familien Sommerurlaub in Skandinavien eingestellt mit überwiegend Wandern und Sportklettern. Doch manchmal braucht es eine kleine Anregung und es fällt einem wie Schuppen von den Augen. Klar warum also nicht noch coole Frühjahrsskitouren integrieren? Um das Ganze familienfreundlich gestalten zu können habe ich einfach das 24h Tageslicht voll ausgenutzt, bin Mitten in der Nacht los, schnell hoch schnell runter und war zum Frühstück wieder am Wohnwagen.

Wenn man vom Nordkap kommend in Norwegen die E6 wieder Richtung Süden fährt kommt man direkt am Lyngenfjord entlang und man hat beste Blicke auf die berühmten Lyngenalps. Bei der Fahrt entlang des Lyngenfjord fiel mir plötzlich der eigentlich eher unscheinbare Bogefjell in die Augen. Im Skitourenführer war er nicht zu finden und so reizte er mich gleich irgendwie noch mehr. So starte ich am nächsten Tag einfach der Nase nach und mit der Landkarte im Rucksack zum Bogefjell (1089m) in der Nähe von Oteren/Kileng. Eine nette etwas steilere Abfahrtvariante (kurz 45°) konnte auch noch eingebaut werden.

    Bogefjell, gesehen vom Ostufer des Lyngenfjord
    Bogefjell, Aufstieg (rot) und steile Abfahrtsvariante (grün)

Zunächst mal startete die Aktion wie auch bei uns bei Frühjahrsskitouren oft üblich mit den Ski am Rucksack. Die Höhe des Ausgangspunktes betrug 8 m.ü.NN. Nach ca. 300 Höhenmetern durch überwiegend lichten Birkenwald begann der Schnee.

    Frühjahrskitouren… wo ist der Schnee?
    300 Hm galt es die Ski zutragen

Ab dann ging es zügig in die Höhe und nach 1,5 h waren die knapp 1100 Höhenmeter überwunden ich stehe auf dem Gipfel des Bogefjell (1089m). Der Blick ins Gipfelbuch bestätigte die Annahme, dass dies ein sehr selten besuchter Gipfel der Lyngenalps ist. Im Winter 14/15 gerademal fünf Einträge. In den Jahren zuvor meist noch weniger.

    über dem Lyngenfjord
    Bogefjell (1089m)
    Blick über die Lyngenalps

In der Abfahrt wählte ich noch eine kleine Abfahrtsvariante welche mir im Aufstieg aufgefallen ist. So gab es noch einige steile schöne Schwünge in einer leicht felsdurchsetzten Flanke (kurz 45°).

    Blick in die Abfahrtsvariante

Um ein besseres Bild von der Abfahrtvariante machen zu können fahre ich deutlich nach links und plötzlich erblicke ich „zwei“ Rentiergeweihe auf einer ausgeaperten Stelle. Super ich freu mich schon über die zwei Geweihe. Doch als ich es rausziehe habe ich plötzlich ein zusammenhängendes riesiges Rentiergeweih in Händen.
Wink

Wink

Wink

Auf den Rucksackgebunden hängte das große Geweih rechts und links überall heraus und ich kam mir vor wie ein Großwildjäger. Insbesondere in den Birkenwäldern weiter unten galt es vorsichtig Ski zufahren.

    das gefundene Rentiergeweih
    das gefundene Rentiergeweih, im Hintergrund der Lyngenfjord
    diesem Bild habe ich das Rentiergeweih zu verdanken
    um 08:00 Uhr zum Frühstück wieder am Wohnwagen
    am Lyngenfjord
    schöne Berge am Lyngenfjord

Wenn man nun so in unseren Gefilden von Skitouren in Norwegen hört, könnte man meinen es gibt nur die berühmten Lyngenalps, denn alle rennen dort hin. Doch es gibt noch viele, viele andere mindestens genauso schöne und coole Skitourengebiete in Norwegen. Eines davon ist die wunderschöne und eindrückliche Insel Senja südwestlich von Tromsö, eine absoluter Geheimtipp. Senja war dann sogleich auch unser nächster Reisestopp, denn hier ist es nicht nur zum
Skitouren
und
Eisklettern (Ines Papert)
genial…

    Blick von der Insel Senja nach Osten
    Blick von der Insel Senja nach Osten


Führer / Beschreibungen zu Skitouren in Norwegen und den Lyngenalps (ohne Bogefjell):
Toppturer I Norge
3. Auflage 2011
FRIFLYT

Toppturer I Troms
1. Auflage 2010
Espen Nordahl
FRIFLYT


Karten:
1:50000: Turkart Lyngenhalvoya


Viele Grüße
Tobias

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  Höllentorkopf - Weg der Freundschaft
Geschrieben von: burainer - 27.06.2015, 11:46 - Forum: Deutschland - Antworten (4)

Hier die Geschichte unserer Begehung des "Weg der Freundschaft" am 16.06.1996


[Bild: friends.gif]


[Bild: mountain.gif]

Schon seit Tagen war das Wetter gut. Es war warm, sonnig und nicht allzu schwül. Wir konnten also davon ausgehen, nicht von einem Gewitter überrascht zu werden. Auch als wir am Samstagabend im Biergarten saßen und die Route für den nächsten Tag besprachen, war es angenehm warm gewesen. In unserer Blödellaune, die wir nach einer Maß Radler hatten, überlegten wir, ob wir nicht ein Handy auf unsere Klettertour mitnehmen sollten; beschlossen aber, daß wir das sowieso nicht bräuchten.

Als ich auf den Parkplatz fuhr, war Luis schon da, obwohl es erst 7:25 war. Ich war überrascht, wie pünktlich er war. Wir hatten uns an diesem Sonntagmorgen um ? 8 Uhr verabredet - für die zweite alpine Tour in dieser Saison.

Die Autobahn nach Garmisch war leer. Wie immer, wenn wir mit Luis' Auto fuhren, war der Tank natürlich auch fast leer, so daß wir unsere Fahrt an der nächsten Tankstelle unterbrechen mußten. Als wir weiterfuhren, sahen wir Heißluftballone am Himmel, und Alpspitze und Zugspitze grüßten uns mit einer kleinen Wolkenmütze. Es schien ein wunderschöner Tag zu werden. Ideal zum Klettern.

Vom Wetter her hatten wir also nichts zu befürchten auf dem "Weg der Freundschaft", der Route, die wir uns für heute vorgenommen hatten. Laut Kletterführer sollten es fünf Seillängen sein, in überwiegend festem Gestein, mit Stand- und Zwischenhaken der Erstbegeher abgesichert (das Datum der Erstbegehung war, wie wir einige Tage später erfuhren 1968 und die Route war seitdem selten wiederholt worden). Die Schlüsselstelle mit einer Schwierigkeit von VI+ entsprach dem, was jeder von uns sich zutraute, der Rest wäre einfache Genußkletterei im Schwierigkeitsgrad IV bis V.

Kühler, als wir es uns vorgestellt hatten, war es am Parkplatz der Osterfeldbahn, wo wir unser Material sortierten: Klemmkeile, Friends, Expreßschlingen, usw.. Den Felshammer und die Haken, die ich mir neu gekauft hatte, nahm ich natürlich auch mit, obwohl Luis meinte, daß das überflüssiges Gewicht wäre und daß wir die Haken sicherlich nicht bräuchten. Er ist eben ein typischer Sportkletterer, dem jedes Gramm zuviel am Gurt, als unerträglicher und behindernder Ballast vorkommt.

Wir gingen davon aus, daß es sehr warm werden würde - die Route befindet sich an der Südwestseite des Höllentorkopfes - und Luis, der wie immer keinen Rucksack mitnehmen wollte, steckte nur eine dünne lange Hose in meinen Rucksack. Mit insgesamt 2,5 Liter Getränken, diversen Schokoriegeln, Brotzeitdose, der Bergapotheke, meiner Goretex-Jacke und meiner Regenüberhose hatte der Rucksack ein gutes Gewicht, und wir beschlossen, daß jeweils der Nachsteiger, den Rucksack tragen sollte. Ohne die letzten drei Dinge hatte ich noch nie eine Bergtour gemacht, egal wie immer das Wetter auch aussah, und ich wollte auch diesmal, obwohl das Wetter stabil aussah, nicht darauf verzichten.

Kalt schlug uns der Wind entgegen, als wir an der Bergstation ins Freie traten. Nur noch 30 Minuten bis zum Einstieg. Wir waren beide richtig heiß aufs Klettern. Wollten nach der langen Zeit in Hallen und Klettergärten endlich mal wieder echten Fels unter den Fingern und Schuhen spüren. Vor einigen Wochen waren wir zwar schon einmal an der Kampenwand gewesen, doch seitdem hatte das Wetter weiteren Felswochenenden einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Der Weg führte steil über Geröll und Schroffen bis unter die Wand - wie gut, daß wir unsere Bergstiefel angezogen hatten. In Turnschuhen oder gar in Kletterschuhen, wäre der Weg zum Einstieg schon ein lebensgefährliches Abenteuer gewesen. Auf dem Weg zur Wand trafen wir eine andere Seilschaft, die wie wir mit einem Führer in der Hand nach dem "Weg der Freundschaft" suchte. Luis und ich überlegten, ob wir nicht eine andere Tour gehen sollten, doch als die Anderen uns den "Weg der Freundschaft" überließen, weil sie sich nicht ganz sicher waren, wo der Einstieg sein sollte, stiegen wir über IIer bis IIIer Gelände ohne Seil bis zu einem kleinen Absatz, von wo aus wir in die Wand einsteigen wollten.

Ich führte die erste Seillänge, hatte aber, nachdem ich eine kleinere Kante überwunden hatte und mich in einem Geröllfeld wiederfand, keine Ahnung, wo die Route weitergehen sollte. Ich verglich die Skizze aus dem Buch, die ich mir eingeprägt hatte, mit dem Gelände, das ich sah und fand schließlich die Verschneidung, die den Beginn der zweiten Seillänge markieren sollte. In dem Geröll fand ich zwei alte verwitterte Bandschlingen, die ich als Bestätigung meiner Annahme, daß dies der richtige Weg sei, betrachtete. Auf der Suche nach einem geeigneten Standplatz trat ich mehrere Hundert Kilo Geröll los, die in Luis' Richtung ins Tal prasselten. Der erste Standplatz bestand schließlich aus einer um eine Felsschuppe gelegten Bandschlinge, die zusammen mit einem mehr oder weniger fest sitzenden Friend zu einem Kräftedreieck verbunden war. Zur Sicherheit war das Ganze nach unten hin mit einem 2er Klemmkeil abgespannt. Wohl wissend, daß dieser Standplatz keine harten Fangstöße halten würde, sicherte ich Luis mit dem HMS an meinem Gurt und vertraute mich selbst dem Standplatz an.

Als Luis, der noch den Seilsack und seine Bergstiefel im Rucksack verstauen mußte, zu mir hochkam, stellten wir fest, daß wir für diese erste Seillänge bereits über eine Stunde gebraucht hatten - und das in relativ einfachem IIIer Gelände; wie würde es dann erst an der Schlüsselstelle werden?

Luis übernahm das Sicherungsmaterial und stieg die Verschneidung hoch. Immer noch auf der Suche nach dem richtigen Routenverlauf machte er unterhalb eines großen Überhangs Halt und baute einen recht wackeligen Standplatz aus einer Bandschlinge und einem Friend.

Bis zu dieser zweiten Seillänge hatten wir noch keinen der im Führer erwähnten Stand- und Zwischenhaken entdeckt. Wir schauten uns das Gelände an, verglichen wieder und wieder mit der Skizze in unserem Buch und kamen zu dem Schluß, daß die einzige vernünftige Möglichkeit für die Route weiter links unterhalb des Überhangs führen müßte. Luis wollte nur mal schauen, wie es hinter dem nächsten Absatz aussieht und fand schließlich, nachdem er fast 30 m ohne Zwischensicherung hochgestiegen war, den ersten Haken dieser Tour. Daß wir damit unsere geplante Route, den "Weg der Freundschaft", verlassen hatten und uns auf der "Westkante" befanden, stellten wir erst Wochen später fest, nachdem wir das in einem anderen Kletterführer abgebildete Wandfoto genau angeschaut hatten.

Doch wir waren froh über den Haken und gingen davon aus, in der richtigen Route zu sein. Was wäre wohl passiert, wenn Luis bei seinem "Herumschauen" auf einen der vielen lockeren Steine getreten wäre? Jetzt, wo ich dies schreibe, glaube ich, daß ich einen Sturz von ihm an diesem Standplatz nicht hätte halten können, zumal die Konstruktion nicht nach unten abgesichert war. Doch darüber machte ich mir damals keine Gedanken. Ich kenne Luis lange genug, um seine Risikobereitschaft, sein klettertechnisches Können und sein Sicherheitsbewußtsein einschätzen zu können. Ich glaube, daß er sich angesichts des sehr brüchigen Gesteins der Gefahr eines Sturzes durchaus bewußt war und ich sah an seinen sehr vorsichtigen Bewegungen, daß er auf keinen Fall einen Sturz riskieren wollte.

Luis war sich nicht sicher, ob der Haken, den er gefunden hatte, stabil genug für einen Standplatz war und wählte als zweiten Fixpunkt einen Friend in einem wie dafür vorgesehenen Loch. Angesichts der nun folgenden Schlüsselseillänge, ein überhängender Riß mit einer Schwierigkeit von VI+, wollte er sich offensichtlich auf einen stabilen Standplatz verlassen können.


[Bild: key.gif]

Dieser befand sich an ausgesetzter Position oberhalb eines ca. 30 Meter hohen Steilabsturzes. Als ich Luis beobachtete, wie er sich vorsichtig durch die mit 5 wackeligen, rostigen Haken gesicherte Schlüsselstelle kämpfte, wurde mir der Abgrund unter mir deutlich bewußt. Jedesmal wenn er an einem der Haken kurz rastete und ich das Seil straff in die Sicherung nahm, sah ich, daß der von ihm gelegte Friend lediglich mit 3 seiner 4 Segmente satt am Felsen auflag. Mir wurde klar, daß auch dieser Standplatz einen Sturz von Luis höchstwahrscheinlich nicht halten würde.

Und als ich sah, wie schwierig die Stelle war, die ich gleich mit dem schweren Rucksack nachsteigen sollte, machte ich mir Gedanken darüber, ob es nicht besser wäre den Rückzug anzutreten. Doch keinem unserer bisherigen Standplätze hätte ich soviel Vertrauen geschenkt, um mich daran abzuseilen. Also, weiter nach oben - die Flucht nach vorne antreten. Luis erzählte mir Tage später, daß er in dieser Situation wohl auch mit dem Gedanken an Rückzug gespielt hatte, sich aber nicht vorstellen konnte, daß ich darauf eingegangen wäre und deshalb weiter gegangen war. Offensichtlich kennen wir uns doch noch nicht gut genug, um genau zu wissen, wie der andere in Extremsituationen denkt, fühlt und handelt.

Ich hatte volles Vertrauen in Luis, daß er diese schwierige Stelle meistern würde, daß wir beide gemeinsam den Gipfel erreichen würden. Als ich mich dann durch die Schlüsselstelle kämpfte, eigentlich mehr an den Expreßschlingen hangelnd als sauber am Fels kletternd, sah ich, wie wackelig und rostig jeder einzelne Haken war, und daß wahrscheinlich bei einem Sturz von Luis die ganze Kette wie ein Reißverschluß aufgegangen wäre.

Keuchend erreichte ich den nächsten Standplatz, der mir recht sicher erschien. "Warum mache ich das eigentlich hier" war meine erste Frage als ich wieder halbwegs zu Atem gekommen war. Aber ich kannte die Antwort ja und sie trat mir auch sofort gegenüber, in diesem befriedigenden Gefühl, eine große Schwierigkeit gemeistert zu haben. Gemeinsam mit einem Partner ein Hindernis überwunden zu haben im gegenseitigem absoluten und unbedingten Vertrauen auf die Fähigkeiten und Entscheidungen des Anderen. Der "Weg der Freundschaft" hatte uns nach dieser Schlüsselstelle wieder etwas mehr zusammen gebracht. Unser Team war weiter zusammengewachsen.

Jetzt - es war vielleicht 13:00 oder 13:30 Uhr - würden wir den Rest auch noch schaffen. Wir wußten, wir waren in der richtigen Route und die Schlüsselstelle lag hinter uns. Das einzige was uns jetzt noch bedrängte, war ein immer kälter werdender Wind und langsam sich verdichtende Wolken über der Alpspitze. Wir hatten bisher weder etwas gegessen, noch etwas getrunken. Die Sonne schien bei weitem nicht so stark, wie wir es uns vorgestellt hatten. Wir nahmen uns vor, die restlichen 3 bis 4 Seillängen zügig durchzusteigen und freuten uns schon auf einen heißen Milchkaffee in der Bergstation.

Ich führte die nächste Seillänge. Die Route folgte hier in logischer Linie der Südwestkante hoch zum Gipfel des Höllentorkopfes. Es war eine schöne Genußkletterei, ausgesetzt über den Grat in IV+ bis V- Gelände. Ich stieg zügig hoch, da mir und Luis, der lediglich eine kurze Hose anhatte, mittlerweile kalt geworden war. Der Wind war stärker geworden und auch die Sonne kam nur noch selten durch die Wolken über der Alpspitze hindurch.

Ich fand genügend - wenn auch nicht besonders gute - Haken für Zwischensicherungen und als nach 40 Metern die Seilreibung zu stark wurde, baute ich in einer ausgesetzten Scharte einen Standplatz, der lediglich aus einer Reihenschaltung von zwei ca. 2,5 Meter entfernt liegenden Haken bestand. Luis kam schnell nach, übernahm das Sicherungsmaterial und folgte dem Grat weiter nach oben. Nach ca. 30 Metern rief er "Stand" und ich folgte ihm, froh endlich aus dem kalten Wind zu kommen, der mich mittlerweile ausgekühlt hatte.

Bald war ich bei Luis am nächsten Standplatz - zwei solide aussehende Felshaken zu einem Kräftedreieck verbunden -, der einen recht vertrauenerweckenden Eindruck machte. Mir war kalt und ich wollte schnell auf den Gipfel, sah ihn schon zum Greifen nah. Nur noch diese eine Seillänge, dann würde ich mir etwas Warmes anziehen können, dann würden wir etwas essen und trinken und unseren "Weg der Freundschaft" feiern können.

Luis hatte bereits 4 Seillängen geführt, ich erst 2, und ich wollte die nun folgende Seillänge, die Gipfelseillänge unbedingt führen. Ich hatte die letzte Seillänge im Nachstieg trotz Rucksack gut und ohne Probleme bewältigt und fühlte mich sicher und stark genug, den Rest bis zum Gipfel auch mit Rucksack führen zu können. Ich sagte Luis, daß ich den Rucksack behalten würde, damit ich am Gipfel meine Goretex-Jacke anziehen könne und stieg weiter.

Es folgte ein kleiner Absatz, der mit einem Haken abgesichert war. Als ich oberhalb des Hakens weiter steigen wollte, sah ich zunächst keine weiteren Haken. Ich spürte das ziehende Gewicht des Rucksacks. Der Grat war hier noch einmal recht steil und ausgesetzt und ich wollte kein Risiko mehr eingehen - so kurz vor dem Gipfel. Ich dachte für einen Moment daran, zu Luis abzuklettern, um ihm den Rucksack zu überlassen, doch da bemerkte ich rechts ein kleines Felsband, das um die steile Kante herumführte. Ich wollte mittels eines Seilzugquergangs auf dieses Felsband und das darauf folgende leichte Gelände gelangen.

Ich schaute noch einmal kurz hinter mir nach unten und sah die ungefähr 80 Grad steil abfallende Flanke des Südwestgrats, die nach 40 Metern in einen senkrechten Abfall überging. Mir fiel auch der scharfe Rand einer großen, leicht von der Wand abstehenden Felsschuppe auf und ich dachte: "Wenn du da drauf stürzt, das wäre nicht gut". Also arbeitete ich mich langsam und vorsichtig auf das Felsband vor. 15 Meter links unterhalb von mir stand Luis, das Seil straff haltend. Ich griff mit der rechten Hand nach einer Felsschuppe, zog meinen rechten Fuß nach und -

s t ü r z t e a b .

Unter mir war nichts mehr. Im allerersten Moment war es wie jeder andere Sturz im Klettergarten oder in der Halle. Bei all diesen Stürzen war immer die Gewißheit da, nach maximal 1 Sekunde im Seil zu hängen. Doch diesmal war es dramatisch anders.

Ich spürte, wie ich aufschlug, spürte, wie ich mich mehrfach überschlug, wie ich immer schneller wurde. Wie ich mit dem Rucksack auf meinem Rücken gegen Felsen schlug, wie mein Helm hart an der Wand entlang scheuerte. Ich schaute nach oben und sah, wie etwas aus der Wand gerissen wurde. Aus irgendeinem Grund war es für mich sofort klar, daß das Seil gerissen war und ich dachte:
"Jetzt ist es vorbei. Nur noch 40 Meter bis zur Kante, dann ca. 200 Meter freier Fall und noch ein letzter Aufschlag. So ist das also, wenn man abstürzt. Das war's dann wohl. Ich will doch noch nicht sterben, aber ich kann offensichtlich nichts mehr dagegen tun; bin diesen brutalen Kräften, die mich tiefer reißen und immer wieder gegen den Fels schlagen, hilflos ausgeliefert."
Ich dachte an Moni, der ich morgens noch in ihre besorgten Augen versprochen hatte, daß ich aufpassen würde, daß uns nichts passieren würde. In diesem Moment dachte ich überhaupt nicht an Luis, ich ging ja davon aus, daß das Seil gerissen war, daß er also außer Gefahr war. Ich hatte auf eine seltsam ruhige und gelassene Art und Weise mit meinem Leben abgeschlossen. Ich war bereit für den Schritt auf die andere Seite - ohne Angst.

Mit einem Ruck blieb ich nach 25 - 30 Metern mit dem Rücken zur Wand im Zwillingsseil hängen; ein Strang links hinter meinem Helm, der andere Strang irgendwo rechts im Gurt des Rucksack verheddert. Als hätte mich das Seil aus diesem abwärts führenden Tunnel herausgerissen, war ich plötzlich wieder in dieser Welt, aus der ich mich eben erst verabschiedet hatte. Ich war noch am Leben. Aber ich war abgestürzt und mir tat alles weh. Ich stand unter Schock. Ich schrie vor Schmerz und vor Wut. "Luis, mich hat's erwischt! Ich blute!" Ich war benommen und verwirrt von dem Sturz und schrie ungefähr 5 Minuten lang mehr oder weniger konfuses Zeug. Bis ich mich allmählich beruhigte und mich zwang, mich zusammenzureißen und die Situation zu analysieren.

Wo waren die Schmerzen am schlimmsten? Irgendwo rechts im Fuß. Ich schaute herunter zu meinem rechten Fuß und sah nur ein unförmig dick verformtes Gebilde, das von einem Kletterschuh zusammengehalten wurde. Oben aus dem Schuh quoll langsam Blut. Ich drehte mich zur fast senkrechten Wand und versuchte, mit dem rechten Fuß aufzutreten. Irgendetwas in der Ferse knirschte fürchterlich wie eine Mischung aus Kiesel, Schotter und Sand und der Fuß fühlte sich an wie Brei.

Rainer hatte mir zugerufen, ihn durch Seilzug zu unterstützen. Ich sah ihn vorsichtig nach rechts auf das Felsband queren. Dann ging alles viel zu schnell. Ein kurzer Schrei und er fiel wie ein Stein die ca. 10 Meter hohe Steilwand herunter. Ich konnte es nicht glauben, was ich sah, wollte es einfach nicht wahrhaben. Ich betete, daß die Haken am Standplatz fest genug wären, um den Sturz zu halten. Ich wußte, daß der Fangstoß brutal hart werden würde und hatte Angst, daß er mich aus dem Stand reißen könnte. Rainer war mittlerweile auf die nicht ganz senkrechte Flanke aufgeschlagen und ich sah, wie er sich mehrfach überschlug, wie er wie ein Gummiball immer wieder gegen Fels schleuderte und dabei schneller wurde. Ich konnte es immer noch nicht begreifen, daß er abgestürzt war, daß er an mir vorbei in Richtung Abgrund weiterpurzelte. Da bleibt nicht viel übrig - dachte ich mir. Dann verschwand er hinter der nächsten Kante in die nun folgende senkrechte Wand und ich bereitete mich darauf vor, den Fangstoß zu halten. Er riß mich fast um. Die Seile rutschten ein Stück durch den Abseilachter und das Restseil wickelte sich um meine Arme.

Wow, die Haken hatten gehalten. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Aber was war mit Rainer? Ich war völlig fertig. Ich hielt ihn für tot. Umso überraschter und glücklicher war ich, als ich ihn hörte: "Luis, mein Fuß ist kaputt!" Ich war völlig überrascht, wie klar er sich anhörte.


Ich konnte Luis nirgends sehen, hing hilflos in meinem Gurt an einer fast senkrechten Wand. "Luis! Mein rechter Fuß ist gebrochen! Er blutet! Ich kann nicht mehr gehen! Es tut so weh!" - "Bleib' ruhig!" kam seine Antwort von oben herab.

Hoch würde ich nicht mehr kommen, mit diesem Fuß - zumal Luis, wie ich wußte, erstens keinen Flaschenzug bauen konnte und zweitens nicht einmal das Material dafür dabei hatte. Hier, wo ich jetzt hing, in fast senkrechtem Fels, hatte ich Angst noch einmal abzustürzen, hier konnte ich mich nicht lange halten. Hier konnte ich nur im Gurt hängen und einen Blutstau in den Beinen riskieren. Wie lange könnte Luis mich hier halten? Er kann ja nicht einmal den Schleifknoten, mit dem er das zu mir führende Seil fixieren könnte, um eventuell Hilfe zu holen. Er hielt mich wahrscheinlich nur im Abseilachter. Das würde er nicht lange durchhalten.

Mein Verstand begann völlig klar zu arbeiten. Könnten wir uns vielleicht abseilen? Aber an welchen Haken? Der Fels war brüchig. Alle Haken, die wir für Standplätze verwendet hatten, erschienen mir jetzt nach dem Sturz noch viel unsicherer als vorher. Ich war eben gerade noch einmal davongekommen. Ich hatte schon abgeschlossen und war doch noch am Leben. Jetzt war die Angst vor einem weiteren Sturz das Mächtigste in meinem Kopf.

Ich komme hier raus, aber wie? Mit dem Hubschrauber - klar. Aber ich wußte, daß er mich aus dieser Lage und aus dieser Position in der Wand nur schwer hätte bergen können. Daß ich damit Recht hatte, bestätigte ein Bergrettungsmitglied später Luis gegenüber. Ich sah ca. 15 Meter unterhalb von mir ein ungefähr 30 Zentimeter breites Felssims, daß mir als Basis für eine Bergung geeignet erschien. Ich rief Luis zu, daß er mich langsam ablassen sollte.

Das Ablassen dauerte endlos. Jedesmal, wenn Luis stockte, kam die Angst wieder. Ich bettelte um jeden Meter. "Luis, bitte! Nur noch 5 Meter. Bitte laß mich doch weiter runter!"

Ich war wahrscheinlich weitaus mehr geschockt als Rainer. Er schien völlig klar im Kopf zu sein und genau zu wissen, was zu tun war. Ohne ihn wäre ich in dieser Situation völlig aufgeschmissen gewesen. Ich hätte nicht gewußt, was ich tun sollte. Wahrscheinlich war der Bergrettungskurs, den er im Frühjahr mitgemacht hatte, doch recht sinnvoll gewesen. Wir hatten damals noch Witze darüber gemacht, daß wenn einer von uns stürzen sollte, dies meine Angelegenheit wäre, damit er mich retten kann. Nun war es genau anders herum. Ich war hilflos und er hatte die Situation voll im Griff - faszinierend. Ich konnte ihn nicht sehen und ich wußte nicht, wie schwer er verletzt war und zu allem Überfluß hatte sich das Seil hoffnungslos in meinen Karabinern verwickelt und schnürte meine Arme ab. Das Ablassen war mühsam, immer wieder krangelte das Seil.

Endlich auf dem Felssims angekommen, versuchte ich, mich mit einem Haken zu sichern. Mindestens vier Mal sprengte ich dabei große Felsschuppen ab, die ich tief unter mir die Wand herunterprasseln sah. Endlich zog der Haken in einen Spalt. Obwohl sich das Gestein rundherum etwas bewegte und auch der Klang des eingeschlagenen Hakens eher dumpf und hohl als singend hell klang, erschien mir dies als Absicherung ausreichend. Ich klinkte mich mit einer Bandschlinge in diesen Haken ein und fühlte mich zunächst einmal sicher. Außerdem war da immer noch das Zwillingsseil, das vom Berg herunter hing und an dessen anderen Ende Luis war.

Luis - wie ging es ihm? Er muß mich stürzen gesehen haben. Er hat meinen Sturz gehalten, hat mich vor dem Abgrund, vor dem mir schon als sicher erscheinenden Tod gerettet. Mein Gott, ihm muß kalt sein. Und ich habe seine Sachen hier bei mir im Rucksack.

Von oben kommt sein Ruf: "Hallo Rainer! Ich geh' Hilfe holen!" - "Laß mich nicht allein!" Ich will nicht alleine bleiben. Ich hole die Trillerpfeife aus meiner Bergapotheke und gebe das alpine Notsignal. Luis ruft Touristen zu, die auf der Rinderscharte talabwärts gehen. Niemand scheint zu realisieren, daß das Ganze kein Spaß ist. Sie winken zurück und gehen weiter. Luis beschimpft sie wütend in einer Mischung aus Deutsch und Spanisch. Mir wird allmählich klar, daß Luis Hilfe holen muß. Er ruft mir noch zu, daß ich etwas essen soll und läßt mich dann alleine auf meinem Felssims zurück.

Ich zittere - vor Kälte, vor Schmerzen. Vor Angst? Schock? Wann wird Luis zurück sein? Hält das Wetter? Was könnten wir tun, wenn Luis hier bei mir wäre? Notfalls eine Nacht biwakieren. Mit dem zerschmetterten blutenden Fuß? - Nein, es war schon okay, daß er mich zurück gelassen hat. Ich halte schon durch. Fühle mich trotz allem stark. Ich versuche zu überlegen, was zu tun ist. Essen werde ich nichts; wenn ich nachher im Krankenhaus bin, werden sie mir alles, was ich jetzt esse wieder aus dem Magen pumpen. Ich trinke einen Schluck, schlucke zwei Schmerztabletten, rauche ein paar Zigaretten und lagere meinen Fuß hoch.

Noch völlig wütend über die Leute unten auf dem Weg knote ich mich aus dem Seil und suche vom Standplatz aus einen Weg nach oben. Ich versuche eine Möglichkeit unterhalb der Stelle, an der Rainer abgestürzt ist. Zunächst klappt es recht gut, obwohl ich innerlich total aufgewühlt bin, von dem eben Erlebten. Ich darf nicht darüber nachdenken, was passiert, wenn ich hier stürze - ohne Seil, ich muß mich aufs Klettern konzentrieren. Und doch komme ich in eine Situation, in der ich plötzlich merke, daß ich keine Hand mehr für den nächsten Griff loslassen kann, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Meine Beine, meine Arme, mein ganzer Körper beginnt zu zittern. "Luis, reiß dich zusammen, Du hast schon weitaus schwierigere Stellen geklettert", versuche ich mich zu beruhigen.

Endlich leichtes IIIer Gelände. Gerade noch einmal gut gegangen. Ich zittere immer noch. Und dann sehe ich eine andere Seilschaft aus einer Nachbarroute aussteigen. Ich rufe ihnen zu, daß wir Hilfe brauchen. Ich will mit ihnen gehen, aber sie sagen mir, ich solle da bleiben, wo ich bin und warten. Wie die Gemsen klettern sie die restlichen Meter zum Gipfel hoch.


Es wird kälter. Luis antwortet nicht auf meine Rufe. Ich ziehe meine Goretex-Jacke an, ziehe die Regenhose vorsichtig über, stülpe einen Packbeutel über meinen blutenden rechten Fuß, um ihn warm zu halten, wickele mein Halstuch um die Fleischwunde am linken Knöchel. Ich hänge alles Material von meinem Gurt ab und binde es zusammen - im Krankenhaus, werde ich es nicht mehr brauchen. Mir ist immer noch kalt. Der Fuß tut höllisch weh. Ich decke mich mit dem ausgebreiteten Seilsack zu und wickele mich zusätzlich in die Rettungsfolie, die ich immer im Rucksack habe.

War das ein Hubschrauber? Ich höre genauer hin. Nein. Fange ich schon an zu phantasieren? "Luis!?" Keine Antwort. "Luis! Wo bist Du?" Immer noch keine Antwort. Ich zwinge mich ruhig zu bleiben. Noch ist es hell und das Wetter bleibt sicher noch 2 - 3 Stunden stabil genug für den Hubschrauber. Ich sortiere den Rucksack neu, sichere ihn und das Material von meinem Gurt ebenfalls an dem Haken und versaue dabei alles mit dem Blut, das aus unzähligen Schürfwunden an meinen Händen und Armen herunter tropft.

Mein Gott, das war knapp. Ich hätte tot sein können - einfach weg. Ich hätte Luis mitreißen können. Ich habe mich und Luis in Gefahr gebracht. Später erfahre ich, daß er an dem letzten Standplatz eine änderung vorgenommen hatte, die uns beiden wahrscheinlich das Leben gerettet hat. Den Abseilachter, mit dem er mich sicherte, hatte er, als ich begann die letzte Seillänge vorzusteigen, aus dem Zentralpunkt des Kräftedreiecks herausgenommen und direkt in seinen Gurt eingehängt. Der tonnenschwere Fangstoß wurde also zunächst durch seinen Körper abgedämpft, bevor er den Standplatz traf.

Was habe ich nur falsch gemacht? Obwohl ich es oft genug gelesen hatte, und auch Moni oft genug erklärt hatte, daß man fremde, nicht selbst geschlagene, Haken am besten immer mit einem Schlag des Felshammer prüft, um am Klang festzustellen, wie fest der Haken noch sitzt, hatte ich auf dieser Tour, obwohl ich einen Hammer dabei hatte, überhaupt nicht mehr daran gedacht. Gut, es war das erste Mal, daß ich überhaupt einen Hammer beim Klettern dabei hatte, könnte ich zu meiner Entschuldigung einbringen. Aber andererseits zeigt es doch, wie unerfahren wir doch eigentlich im alpinen Klettergelände waren, wie groß der Unterschied zwischen dem Wissen aus Büchern und den durch Handeln erworbenen Erfahrungen ist.

Endlich wieder Luis' Stimme: "Rainer!? - Der Hubschrauber kommt gleich!" - "Luis, komm zu mir!" Wieder endloses Warten. Ich glaube, eine Stunde habe ich insgesamt auf dem schmalen Sims zugebracht. Alleine mit meinen Gedanken, mit den Schmerzen. Gehalten von einem nicht ganz sicheren Haken und der Hoffnung, auf baldige Rettung. Aufgewühlt durch das eben Erlebte. Tief beeindruckt von dieser unglaublichen Grenzerfahrung, die mich bis ganz knapp an den Rand der Existenz und zurück ins Leben geführt hat.


[Bild: heli.gif]

Endlich, da ist das typischen Hubschraubergeräusch. Diesmal bin ich mir sicher. Ich kann ihn sehen, wie er näher kommt und über mir kreist. Der starke durch die Rotorblätter verursachte Wind wirbelt kleine Steine auf. Ich höre Bewegungen oberhalb von mir. "Luis?" - Es ist ein Mann der Bergrettung. Er kommt zu mir. Er fragt mich, was passiert ist, ob ich laufen kann. Ich sage ihm, daß mein Fuß gebrochen ist, und daß er blutet. Gemeinsam räumen wir alles, was vom Hubschrauber weg geweht werden könnte in den Rucksack: Rettungsdecke, Seilsack, Bergstiefel, etc.. Er sichert sich ebenfalls an meinem Haken und bindet mich aus dem Seil, mit dem ich immer noch verbunden bin.

Aus dem Hubschrauber kommt an einer Winde ein zweiter Retter. Der Hubschrauber steht jetzt genau über mir. Ich lasse von dem ersten Retter meinen Gurt auf Beschädigungen überprüfen. Der zweite Retter ist jetzt bei uns, sichert sich ebenfalls an meinem Haken und hängt mich in das Stahlseil des Hubschraubers ein. Ich entferne meine letzte Selbstsicherung und schwebe frei in der Luft. Unter mir fast 400 Meter nichts als nackter Fels. Ein kurzer Gedanke daran, ob der Gurt auch wirklich hält, dann sehe ich Luis und zwei andere Kletterer auf dem Berg stehen. Ich winke ihnen zu. Ich drehe mich am Seil und nähere mich langsam den Landekufen des Hubschraubers.

Zum ersten Mal nach seinem Sturz kann ich Rainer wieder sehen. Er hängt über dem Höllental an der Winde. Ich weiß immer noch nicht, wie schwer er verletzt ist. Er winkt mir und der anderen Seilschaft ganz locker zu. Unglaublich.

Ich habe Angst, daß der Hubschrauber mit mir am Seil hängend davon fliegt, aber er steht ruhig auf der Stelle und wartet bis ich in der offenen Seitentür hänge. Ich ziehe mich rückwärts hinein. Lasse mich auf den Boden fallen. Eine ärztin nimmt meine Sicherungsschlinge und klinkt mich irgendwo im Hubschrauber ein. Es ist laut. Niemand redet. Ich sehe die beiden Piloten vorne, den Mann an der Seilwinde. Alle in Uniform. Ich denke an die Vietnam-Filme, die ich gesehen habe. Es ist derselbe Hubschraubertyp, nur andere Uniformen. Die ärztin legt mir beruhigend die Hand auf die Brust und den Hals und ich schließe die Augen - gerettet - bis mich der brennende Schmerz in meinem Fuß wieder zusammenzucken und stöhnen läßt.

In der Notaufnahme schließlich viele Fragen: Wieviel Meter bin ich abgestürzt? Was tut alles weh? Wo bin ich versichert? Blutige Kleidung wird ausgezogen bzw. von den Beinen geschnitten. Jemand legt eine Nadel in meinen Arm. Alles sehr ruhig, ohne Hektik. Plötzlich eine warme weiche Welle in meinem Hirn. "Was war das denn?" - "Morphium" - "Hm, das ist gut." Der rechte Kletterschuh wird vom Fuß geschnitten. Ein Schwall von Blut ergießt sich über die Bahre auf dem Boden.

Dann endloses Warten vorm Röntgen. Der brennende Schmerz wird wieder unerträglich. Nach fast 30 Minuten das besorgte Gesicht der Röntgenärztin: "Das sieht gar nicht gut aus." Wieder zurück in der Notaufnahme die Diagnose: Offener Fersenbeintrümmerbruch und gebrochenes Sprunggelenk. "Wir müssen sofort operieren. In einer halben Stunde. Haben Sie noch Schmerzen?" - "Ja." - "Wollen Sie noch Morphium?" - "Ja, gerne!"

Vor der Operation darf ich noch telefonieren. "Hallo Moni. - Mir geht's nicht gut. - Ich bin abgestürzt". Minutenlang kann ich nur noch Schluchzen, bricht alles aus mir heraus; die Angst, der Schmerz - und die unbeschreibliche Freude, das fassungslose Staunen, die unbegreifliche Überraschung darüber, daß ich noch mit ihr reden kann, daß mein Leben noch nicht vorbei ist. Daß es weitergeht. Die starke Faust, die mich schon mit festem Griff am Nacken gepackt hatte, mich geschüttelt und zerschlagen hat, war - diesmal wenigstens - unseren Schutzengeln unterlegen.

In Wattewolken gehüllt komme ich in den OP-Saal, dann geht alles sehr schnell. Eine Maske mit Sauerstoff vor meinem Gesicht. Die freundliche blonde Narkoseärztin sagt noch zu mir: "Jetzt schlafen Sie." Und ...... dunkel.

Es ist schon spät, als ich im Krankenhaus ankomme. Gemeinsam mit der zweiten Seilschaft und den Jungs von der Bergwacht, haben wir noch das Seil und den Rucksack eingesammelt. Dann alles auf den Gipfel geschleppt, hin zur Bergwachthütte und von dort aus auf endlosen Wegen ins Tal gefahren. Ich bin völlig überrascht, Moni zu treffen - sie sicher auch. Rainer ist gerade im OP. Moni will ihn unbedingt noch sehen. Man läßt uns warten. Zwischenzeitlich kommt ein Arzt und erklärt uns genau die Verletzungen und wie sie wieder zusammengeflickt worden sind. Wir trösten uns gegenseitig und reden und reden. Spät in der Nacht erfahren wir, daß Rainer jetzt auf der Intensivstation liegt und wir nicht zu ihm dürfen. Also fahren wir beide nach München zurück.

Als ich wieder wach werde, ist meine erste Frage: "Wie spät ist es?" Um mich herum ist Dämmerlicht. Monitore, Schläuche an meinen Armen, Schläuche die unter der Bettdecke hervorkommen und irgendwo unter das Bett führen, ein Schlauch in meiner Nase. Mein rechter Fuß: ein diffuser Knödel von Schmerzen. "2 Uhr morgens" antwortet die Schwester. Um 6 Uhr wache ich wieder auf. Irgendwann gibt es Frühstück. Irgendwann wäscht mich die Schwester. Gegen Mittag werde ich aus der Intensivstation auf eine normale Station verlegt.


[Bild: hospital.gif]

Der Fuß tut weh, ich liege im Bett, schaue aus dem Fenster. Die Tür geht auf und Moni kommt herein. Wir fallen uns in die Arme. Halten uns fest. Haben uns wieder. Nicht nur, daß ich Luis' Leben aufs Spiel gesetzt habe - von meinem einmal abgesehen - ich habe auch Moni jede Menge Sorgen und Unglück bereitet.

War es das wirklich wert? War es nötig, daß wir uns an solch einer Tour beweisen mußten? Warum mußte ich unbedingt mit dem schweren Rucksack vorsteigen? Warum haben wir die Vernunft nicht schon früher siegen lassen und die Tour abgebrochen? Wir waren beide davon überzeugt, diese Tour zu schaffen. Und wir haben beide viel gelernt in dieser Tour. Wir werden sicher wieder zusammen klettern gehen - da bin ich mir sicher. Aber solch einen "Weg der Freundschaft" werden wir nie wieder gehen, dazu ist mir die Freundschaft zu Luis zu wichtig, dazu ist mir mein Leben zu wertvoll, dazu ist mir die Liebe zu Moni viel zu bedeutend.

Als Luis am späten Nachmittag in der Tür des Krankenzimmers steht, noch gezeichnet von der letzten Nacht, die er zur Hälfte mit Moni in der Notaufnahme wartend verbracht hat, gezeichnet von dem gestrigen Tag, als er zu mir ans Bett kommt, nehme ich ihn - das erste Mal, seit ich ihn kenne - in die Arme. "Du bist der Held des Tages, " denke ich, "ohne Dich wären wir beide tot". "Danke Luis" ist alles was ich sagen kann, dann kommen nur noch Tränen und für Minuten halten wir uns beide in den Armen. Wir waren beide dem Tod sehr nahe und sind ihm noch einmal entronnen. Wir haben jeder auf den anderen vertraut. Mensch Luis, fast hätte ich Dich mit in den Abgrund gerissen.

Wir haben den Gipfel zwar nicht erreicht, aber mit Sicherheit war dieser Tag und dieses gemeinsame Erlebnis ein ganz besonderer Abschnitt auf unserem "Weg der Freundschaft".

An der Grenze
Keinen Boden mehr unter den Füßen
tiefer, immer tiefer fallend
haltlos der Schwerkraft ausgeliefert
der Totenhansel schaut grinsend zu
der Fels trifft mich unbarmherzig hart
doch ohne Schmerz

Es ist still, außer einem Rauschen
neugieriges Warten auf den nächsten Aufprall
auf das Ende
nicht einmal Ärger, Wut oder Verzweiflung
nur grenzenloses Erstaunen und Abwarten
und auch - keine Angst

Wie aus einem rasenden Sog
reißt mich das Seil zurück in die Welt
reichlich zerschlagen zwar, doch immer noch lebend

Und der Totenhansel
zieht seelenruhig weiter zu einer anderen Wand
Schlechter Tag für uns beide heute

Das folgende Bild wurde einem aus der Seilschaft, die die Bergrettung alarmiert haben, aufgenommen.

[Bild: meheli.gif]

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  Cho Oyu (8201 m) - 2015 - "der unerfüllte Traum" oder "Höhere Gewalt"
Geschrieben von: Tobias - 21.06.2015, 18:23 - Forum: Asien - Keine Antworten


Cho Oyu (8201 m) - 2015 - "der unerfüllte Traum" oder "Höhere Gewalt"


Liebend gerne hätte ich an dieser Stelle einen ganz anderen Expeditionsbericht geschrieben! Alles hätte so schön sein können und der Traum eines 8000er war in reale Nähe gerückt. Mein Expeditionsziel fürs Frühjahr 2015 war der Cho Oyu, „die Göttin des Türkis“, von der tibetischen Seite. Mit seinen 8201m, ist der Cho Oyu der 6. höchste Berg der Erde. Doch manchmal geschehen unvorhersehbare, ja unvorstellbare Dinge auf dieser Welt und die so genante „Höhere Gewalt“ schlägt unerbittlich zu. Das gewaltige Jahrhunderterdbeben in Nepal vom 25.04.2015 (Stärke 7,8 auf der Richterskala) und seine Nachbeben stürzte ein sowieso schon sehr armes, hilfsbedürftiges Land radikal in den Katastrophenzustand und beendete bei mir, sowie jeglichen weiteren Himalaya Bergsteigern im Frühjahr 2015, abrupt alle 8000er Ambitionen.

    Cho Oyu (8201m)

Die Entscheidung ob es ethisch vertretbar ist in Anbetracht der Katastrophe in Nepal mit tausenden Toten, abertausenden Obdachlosen und teilweise ganzen ausgelöschten Ortschaften die Expedition fortzusetzen oder nicht wurde uns auf der tibetischen Seite des Himalaya von offizieller staatlicher Seite abgenommen. Auf der nepalesischen Seite waren es verständlicherweise die Sherpas, welche die Expeditionen beendeten bei uns in Tibet die Behörden. Wenige Tage nach dem Erdbeben wurden wir darüber informiert, dass sämtliche Berge in Tibet durch die chinesischen Behörden mit sofortiger Wirkung gesperrt werden und alle Bergsteiger/Touristen bis zu einem festgesetzten Datum Tibet umgehend zu verlassen haben. Das war ein schwerer Schlag! Der Traum eines 8000er war ausgeträumt, geplatzt, ja löste sich in Sekundenschnelle in Luft auf. Nun ist das natürlich nicht ein Tourenabbruch wie jeder andere bei uns in den Alpen. Es steckt einfach zuviel hinter so einer Expedition. Die aufgebrachte Zeit, das viele viele Geld, die in das Projekt gesteckte Motivation, das Training den Winter über usw.… So verbrachte ich auch den Winter fast ausschließlich damit die Kondition weiter auszubauen und fand mich überwiegend auf Allgäuer Skipisten und Skitouren wieder um ordentlich Höhenmeter zu machen. So blieb die alpine Winterleidenschaft des Eis- und Mixedklettern im Winter 14/15 bei mir ziemlich auf der Strecke. Jürgen kann ein Lied davon singen;-). Lediglich zweimal ging was zusammen (
1
,
2
). So kam ich wenigstens nicht ganz aus der Übung.


Anreise und Akklimatisierung:

Die Expedition begann am Ostermontag, den 06.04.2015, mit den Etihad Airways Flügen von Frankfurt über Abu Dhabi nach Kathmandu. Da war die Welt noch in Ordnung, wenn auch nicht die politische. Gerade an unserem Ankunftstag begann ein 3 tägiger Generalstreik. Die maoistisch kommunistische Partei Nepals wollte mal wieder das ganze Land lahm legen. Alles sah also nach einem verlängerten Kathmandu Aufenthalt aus. Doch bereits am 1. Streiktag wurde die ganze Aktion wegen mangelndem Interesse wieder abgesagt. Auch nicht schlecht!

    Kathmandu (Stupa Bodnath) – noch ist die Welt in Ordnung
    Kathmandu – noch ist die Welt in Ordnung
    Gepäck im Hotel zur Abreise bereit

So starteten wir planmäßig bereits am 09.04.2015 mit dem Kleinbus in Richtung tibetisch chinesischer Grenze. Wir übernachteten kurz vor dem nepalesischen Grenzort Kodari (1663m). Von Kodari ging es am nächsten Tag über die „Friedensbrücke“ und somit über die Grenze. Was die Chinesen an dieser Grenze für einen Zirkus veranstalten ist schon der Hammer. Alles wird kontrolliert, gescannt, durchsucht, desinfiziert usw. Gut wir waren in diesem Jahr die erste westliche Expedition, welche die Grenze überschritten hat und somit waren die Grenzer noch nicht abgestumpft, doch manche Flughafenkontrolle ist hiergegen ein Witz. Dutzende weitere Expeditionen, vor allem an den Everest, sollten in den nächsten Tagen folgen. Nachdem hochmodernen Grenzgebäude ging es weiter steil bergauf in den chinesischen Grenzort Zhangmu (2350m). Von Zhangmu ging es bei uns noch am selben Tag weiter bis Nyalam (3750m). Ich schreibe diese Anreise hier deshalb etwas ausführlicher, denn in dieser Form wird die Anreise auf die tibetische Seite des Himalayas eventuell nicht mehr so schnell stattfinden. Durch das große Erdbeben vom 25.04.2015 wurden die Grenzstraße und die Orte Kodari und Zhangmu schwer getroffen. Wie es hier weitergeht war zum Zeitpunkt unserer Abreise noch völlig unklar. Jedenfalls wurden die Orte komplett evakuiert und man hörte Gerüchte die Straße sei möglicherweise bis zu 5 Jahre unpassierbar! Zukünftig kann man eventuelle über das Langtang-Gebirge oder eben gleich besser von Norden, von Lhasa aus anreisen. Über Lhasa erfolgte dann gut drei Wochen später auch unsere vorzeitige und unplanmäßige Abreise, doch hierzu später mehr.

    Blick auf die Orte Kodari und Zhangmu vor dem Erdbeben während unserer Anreise.
    Kodari – noch ist die Welt in Ordnung
    über die Grenze wird das Gepäck von Einheimischen getragen. Überwiegend Frauen die sich schier unglaubliche Lasten aufladen
    eine der Gasflaschen wiegt ca. 30 kg!!!

In Nyalam (3750m) verbrachten wir zur Akklimatisierung drei Nächte und erwanderten gemütlich die Umgebung rechts und links des Ortes. Nun gut Nyalam ist jetzt nicht unbedingt THE PLACE TO BE, doch zur Akklimatisierung taugt es ganz gut und es gibt vor allem Lhasa-Bier;-). Das Beste jedoch ist das die CTMA (Chinese Tibetan Mountaineering Association), bei denen wir quasi für viel Geld unsere Gipfelpermits gekauft haben, zu jedem Essen auch ein Getränk zahlt. Zur Auswahl steht eine Coca Cola Dose oder eben eine Flasche Lhasa Bier. Soweit so gut. Die Cola Dose hat 0,33L, die Flasche Bier 0,66 L(!). Was wird man da also wohl trinken…??? Dieses Prinzip haben übrigens nicht nur die mehrheitlich schwäbischen Expeditionsteilnehmer unserer Gruppe angewendet. Nur das, dass mal gesagt ist…;-) Ansonsten wurde Nyalam in diesen Tagen zum Tummelplatz hunderter Expeditionisten an den Mount Everest, den Cho Oyu und die Shisha Pangma. Insbesondere bei mancher Everestgruppe musste man sich allerdings schon fragen was da alles so für Leute dabei sind. Dagegen sind auch einige bekannte deutschsprachige Alpinisten, wie Ralf Dujmovits, David Göttler, Luis Stitzinger, Alix von Melle und der blinde Andy Holzer vor Ort.

    Akklimatisierungswanderungen in der Umgebung von Nyalam
    Akklimatisierungswanderungen in der Umgebung von Nyalam
    hier wären Figl super besser gewesen – Bergschuhe taten es zu Not auch
    Akklimatisierungswanderungen in der Umgebung von Nyalam

Schon in Nyalam und seiner Umgebung zeigte sich, wie fast überall im Himalaya in diesem Frühjahr, die für die Jahreszeitzeit noch sehr hohe Schneelage. Über den noch völlig verschneiten Lalung La Pass (5050m) ging es weiter nach Tingri (4340 m). Der Ort Tingri liegt nun schon richtig nördlich des Himalaya Hauptkamm auf den unendlichen Weiten des tibetischen Hochlandes und beim Blick nach Süden liegen Mount Everest und Cho Oyu „direkt“ vor einem. Naja, gute Sicht vorausgesetzt, was wir an dem Tag leider nicht hatten. Das alte Tingri, etwas abseits der Hauptstraße, ist im Gegensatz zum größtenteils chinesisch hochgezogenen Ortsteil an der Hauptstraße, ein typisch tibetischer Ort wie man sich ihn vorstellt. Übrigens gab es auch in Tingri noch Lhasa Bier und die zahlende CTMA… ;-)

    Überfahrt über den Lalung La Pass (5050m)
    das alte Tingri (4340m - ein typisch tibetisches Dorf
    das alte Tingri (4340m - ein typisch tibetisches Dorf
    das waren nicht wir…

Am 14.04.2015 kommen wir dem Berg endlich richtig näher. Von Tingri fahren wir ins Fahrerlager, auch Chinese Base Camp (CBC, 4900m) genannt und ich war schon so gespannt darauf den Cho Oyu endlich zum ersten Mal so richtig in live zu sehen. Ein schöner Moment. Zudem ist es einfach auch ein schöner Berg, dieser Cho Oyu. Seit ein paar Jahren haben die Chinesen im Tal Militärstationen aufgebaut und das CBC wurde im Vergleich zum früheren CBC um ca. 4 km talauswärts verlegt. Zufällig direkt an den Fuße einer Militärstation, damit sie auch schön alles im Blick haben.

    der Cho Oyu (8201m) über dem Fahrerlager (CBC)
    im Fahrerlager (CBC, 4900m)
    Wanderungen vom Fahrerlager (CBC) aus


Weg ins Basislager (ABC):

Vom CBC (4900m) sind es zwei Etappen bis zum eigentlichen Basislager, dem ABC (gesamt ca. 22 km). Die erste Etappe bis zum Middle Camp (5380m) ist nun eben etwas länger geworden. Doch im CBC hingen wir leider erst mal längere Zeit fest. Es lag noch sehr viel Schnee und die Yaks konnten nicht ins ABC (5700m) aufsteigen. Vielleicht wollten aber auch die Yak Treiber nur noch nicht. Warten war angesagt, tagelanges warten. Doch um wenigstens in der Akklimatisierung voran zu kommen haben wir von der Amical Gruppe das Middle Camp wie eine Art Hochlager angegangen, um dort auf knapp 5380m schon mal geschlafen zu haben und dort einen Tag verbracht zu haben. Dem Engagement unseres Expeditionsleiters Thomas Lämmle war es dann zu verdanken, dass anderntags das eigentliche ABC von zwei Personen spurend erreicht wurde und somit der Weg ins ABC wenigstens schon mal zu Fuß eröffnet war. So konnten der „License Officer“ (LO) und vor allem die Yak Treiber überzeugt werden, dass es möglich ist und nun endlich zu starten. So erreichten wir ein paar Tage später am 22.04.2015 als erste Expedition mit einem großen Tross von 69 Yaks, 10 Teilnehmern, 1 Leiter, 3 Sherpas, 1 Koch und 2 Küchenhelfer endlich das ABC (5700m). Knapp eine Woche später wie geplant!

    Aufstieg ins Middle Camp (5380m)
    die Ebene unseres Middle Camp (5380m) und Blick auf Cho Oyu
    mein Zeltkamerad Micha aus Stuttgart
    unsere Dutzenden Yaks auf dem Weg ins ABC

Noch eine Anekdote zu den Yaks, ihren Treibern und unseren Sherpas: Es ist höchst interessant wie der Handel mit den Yaks (als Tragetiere) so abläuft, wer in dem lukrativen Geschäft alles die Finger drin hat, wer wem misstraut und vor allem wer hier wen, wie über den Tisch zieht! Die Dummen sind jedenfalls immer erst einmal die Expeditionen, denn die müssen zahlen, fett zahlen, und zwar ca. 200-250 US Dollar pro Yak bei ca. 40 kg Tragelast!!! Der Rest ist dann eine Art Black Box zwischen den Yak-Treibern, den Sherpas und natürlich am allermeisten dem „License Officer“ (LO). Denn natürlich kann ein Yak weit mehr tragen wie 40 kg, die einen Schleusen am Tag vorher schon Material am LO vorbei um das Gesamtgewicht beim offiziellen Wiegen runter zu drücken und machen einen Extra-Deal mit den Yak-Treibern, die Yak Treiber kommen zunächst mit dem LKW daher anstatt mit Yaks und versuchen vergeblich durch die Schneemassen zum Mittel Camp zu kommen…

    die LKW Aktion der „Yak Treiber“
    die LKW Aktion der „Yak Treiber“

Aber nun zur eigentlichen Anekdote. Wir alle mehr oder weniger fröhlich im Aufstieg zum ABC. Die Leute und die Sherpas in dem Moment ca. 50 Höhenmeter voraus, die Yaks und ihre Treiber hinterher. Doch plötzlich ca. 1,5 h vor dem ABC lautes Geschrei des Chef-Yak-Treibers, wild gestikulierend wirft er Steine durch die Gegend, wirft sich auf seinen Hintern und will mitteilen sie gehen nicht mehr weiter und laden jetzt die Tiere ab. Ist es der Schnee? Kommen die Yaks nicht mehr weiter? Es folgt ein lautes Wordgefecht, zwischen unseren nepalesischen Sherpas und den tibetischen Yak-Treibern. Man muss wissen, dass die meisten Sherpas aufgrund ihrer ganz ursprünglichen Herkunft noch tibetisch sprechen. Die Sherpas sind jedenfalls bedacht das wir als Expeditionsgruppe nicht stehen bleiben, denn solange wir weitersteigen würden sich die Yak-Treiber nicht trauen einfach die ganze Ausrüstung frühzeitig abzuladen. So kommt es zur Aussprache und die Yak-Treiber kommen die 50 Höhenmeter zu uns herauf. Wieder wildes Geschrei. Doch plötzlich ist es still. Ein paar hundert Dollar (!) wechseln den Besitzer und alles scheint geklärt. Also doch nicht der Schnee und die armen Yaks sondern die Tibeter wissen hier scheint´s auch ganz gut wie man zu Geld kommen kann. Aber keine Minute später wieder laute Diskussionen. Nun kommt der Einwand, wer zahlt wenn wegen des vielen Schnees, den man ja nicht leugnen kann, sich doch ein Yak verletzt oder abstürzt. Unglaublich, tatsächlich hat einer der beteiligten Sherpas eine 10.000 Dollar Yak-Versicherung in petto. Zum Glück, denn Hallo, wer hat schon so eine Versicherung! Nachdem das also geklärt war steigen die Yak-Treiber zu ihren Tieren ab und alles setzt sich wieder in Bewegung. Allerdings beobachten die Sherpas das Tun der Yak-Treiber nun äußerst genau, denn wer kann schon wissen ob unter diesen Gegebenheiten ein altes Yak nicht auch absichtlich über den Jordan geschickt wird. Das Fleisch nämlich dürfen auf jeden Fall die Treiber behalten plus die Versicherungsprämie pro Yak … ein somit nicht allzu schlechtes Geschäft. Letztlich kommt aber alles gut an auch wenn es im ABC nochmal kurz Stress gibt und (warum auch immer) eine weitere „Nachzahlung“ nötig ist. Doch nun sind wir endlich im ABC und es kann richtig losgehen.

    die Yaks marschieren wieder
    die Yaks marschieren wieder
    nochmal kurzer Stress im ABC mit den Yak Treibern


Basislager (ABC) und etwas darüber:

Doch zunächst mal galt es 1,5 Tage lang das ABC aufzubauen, bzw. erstmal auszugraben. Die Schneelage war noch extrem hoch und alle Zeltplattformen mussten freigelegt werden. An sich ja nicht schlimm, doch von den anscheinend sonst üblichen „Easy-Living“ Verhältnissen im Cho Oyu Basislager mit beispielsweise viel Sonne auf warmen Felsen und schuttigen Zeltterrassen war man im Frühjahr 2015 weit entfernt. Oft soll es gar möglich sein bis ins Lager 1 (6400m) gemütlich ohne Schnee mit leichten Bergschuhen oder gar Zustiegsschuhen zu kommen. Dieses Jahr völlig unmöglich. Auch die Temperaturen waren noch sehr kalt und nächtliche -14°C waren keine Seltenheit. Im Zelt versteht sich. Unser Chef Sherpa war schon über 20 Mal am Cho Oyu und er meinte nur, mit so viel Schnee im ABC und so kalt habe er den Cho Oyu noch nie erlebt. Paradoxerweise sah die Gipfeletappe, im Vergleich zu anderen Jahren weit felsiger und weniger verschneit aus. Schaut sonst oftmals nur das „Gelbe Band“ aus der weißen Gipfelflanke heraus, sah es dieses Jahr etwas anders aus. Auf dem folgenden Bild lässt sich auch gut erkennen woher das „Gelbe Band“ so seinen Namen hat. Vermutlich sind in diesen Höhen die Winde viel entscheidender wie die Schneemengen.

    die im Frühjahr 2015 apere Gipfelflanke und das deutlich zu erkennende „Gelbe Band“
    Aufbauarbeiten im ABC (5700m)
    unser ABC (5700m) in voller Pracht

Bereits am nächsten Tag, nachdem das Basislager aufgebaut war, starten wir zum ersten Mal auf den Gyabrag Gletscher und legen ein Materialdepot auf dem Weg zu Lager 1 an. Ich bin motiviert und freue mich, dass es endlich weitergeht. In der Nacht hatte es (mal wieder) etwas geschneit und so liegen die Landschaft, der Cho Oyu und der Gletscher wunderschön vor uns und wir marschieren an den bizarren Eistürmen des Gyabrag Gletscher entlang nach hinten.

    die tollen Eistürme des Gyabrag Gletscher
   


Erdbeben:

Doch es kam der schicksalshafte 25. April 2015. Das Jahrhunderterdbeben von Nepal. Fast genau gegen 12:00 Uhr Mittags nepalesischer Ortszeit bebte die Erde gewaltig. Es schneite leicht und herrschte starker Nebel, alles war tief grau, alles in allem ein düsterer Tag. Das Epizentrum lag rund 80 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Kathmandu und das Erdbeben hatte eine Stärke von 7,8 auf der Richterskala. Die Erdstöße gingen ca. 15-20 Sekunden lang. Der Großteil unserer Gruppe befand sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Weg zum Materialdepot. Ich selbst (erneut von einem Durchfallinfekt geplagt) befand mich mit zwei weiteren von anderen Infekten geplagten im Basislager. Es bebte enorm und auch wenn ich noch nie zuvor ein Erdbeben miterlebt habe war mir in Sekunden schnelle klar: Erdbeben, starkes Erdbeben. Also raus aus dem Zelt, denn die ersten Gedanken galten dem Eiswulst und dem Schneehang direkt oberhalb unseres Basislagers. An sich eigentlich beide nicht allzu dramatisch doch unter diesen Umständen bei so einem Erdbeben weiß man ja nie, zumal wenige Sekunden nach den Erdstößen sofort die Lawinen anfingen zu Grollen. Zum Glück aber nicht von oberhalb unseres Basislagers! Wo genau überall ließ sich aufgrund des starken Nebels nicht lokalisieren. Der zweite Gedanke galt dem Rest der Gruppe am Berg. Ich rannte ins Küchenzelt zum deponierten Funkgerät und wenige Sekunden später bestand Funkkontakt zu Thomas unserem Leiter. Wie im Basislager, glücklicherweise auch bei ihnen alles Gut, auch wenn bei ihnen einige Lawinen rechts und links von den Berghängen kamen.

Die folgenden Tage waren geprägt von großer Unsicherheit, und Ungewissheit wie es hier überhaupt weitergeht. Insbesondere nach dem eines der vielen Nachbeben (Stärke 6,7 auf der Richterskala!!!) 25h später auch bei uns im ABC wieder deutlich zu spüren war herrschte bei allen Beteiligten zu spürende große Unsicherheit. Während diesem Nachbeben knieten sich unsere Sherpas und die beiden tibetischen Küchenhelfer auf den Boden und beteten. Für die beiden Küchenhelfer war das zu viel, am nächsten Morgen waren sie nach einer Nacht und Nebelaktion verschwunden und sind abgestiegen. Vom LO wurde zunächst mal ein 2-tägiges „Bewegungsverbot“ ausgesprochen. Insgesamt war die Informationslage, was das Ausmaß der Katastrophe im benachbarten Nepal anbelangt, eher dünn. Zudem wurde bald nach dem Beben das Inmarsat-Satellitensystem (unsere Email-Kommunikations-System) für zivile Zwecke komplett gesperrt. Es diente in der Folge Zeit vermutlich zur Koordinierung der Katastrophenhilfe in Nepal, denn dort waren das Festnetz und das Mobilfunknetz größtenteils zusammengebrochen. Für unsere drei Sherpas und unseren Koch waren das Tage in ständiger Ungewissheit wie es ihren Familien, Angehörigen und Häusern geht. Teilweise hatten sie erst nach 5 Tagen telefonischen Kontakt mit ihren Angehörigen. Bei uns dagegen ist das Satellitentelefon heiß gelaufen. Unsere Angehörigen wussten durch die Berichterstattung in Deutschland über die Katastrophe und das Ausmaß weit mehr wie wir und waren verständlicherweise schwer besorgt.


Expeditionsabbruch:

Das endgültige Aus der Expedition kam am 28.04.2015. Der „License Officer“ (LO) kam mit einem Regierungsvertreter vom CBC ins ABC aufgestiegen und es gab ein großes Meeting mit allen Expeditionsleitern. Noch während dieses Meetings wurde die offizielle und sofortgültige Sperrung aller Berge in Tibet seitens der chinesischen Behörden bekanntgegeben. Zwei Tage später sollen die Yaks für alle 8-10 inzwischen am Berg befindlichen Expeditionsgruppen (Gruppengrößen von 3 bis 18) kommen und das Basislager auf einmal geräumt werden.

Unser stattliches Materialdepot auf dem Weg zu Lager 1 wollten wir aber natürlich keinesfalls aufgeben und so machte sich ein Teil der Gruppe am nächsten Tag, also quasi illegal, auf den Weg dorthin um die Sachen runterzuholen. Am Depot unterhalb des so bezeichneten „Killerhang“ angekommen war die Verlockung wenigstens einmal im Lager 1 (6400 m) gewesen zu sein einfach zu groß. So gab es auch bei mir kein Halten mehr und wir steigen zu fünft ins Lager 1 auf. Mir ging es bestens an diesem Tag und da wir inzwischen super akklimatisiert waren, war es für mich ein richtiger Spaziergang. Umso mehr genoss ich diesen Aufstieg in vollen Zügen, da ich während der Akklimatisierungsphase doch auch von Durchfall- und Erkältungsinfekten geplagt war. Das war nun aber überwunden und somit zum Durchstarten bereit…

Vom Lager 1 (6400 m) sieht alles schon verdammt Nahe aus und mit Wehmut blicken wir nach oben. Meinen bisher höchsten Kopfstand konnte ich dort noch machen und es gab viele tolle Blicke auf den Cho Oyu, den weiteren Aufstiegsweg sowie schöne Tiefblicke auf den Gyabrag Gletscher.

    der Cho Oyu (8201m) über dem Gyabrag Gletscher
    Aufstieg ins Lager 1
    Lager 1 (6400m)
    Abstieg vom Lager 1
    damit er auch mal im Einsatz war…

Am nächsten Tag (30.04.15) erfolgte der Abstieg mit hängendem Kopf vom ABC ins CBC. Tatsächlich kamen hunderte Yaks herauf und man hatte das Gefühl aus ganz Untertibet wurden die Yaks zusammengetrieben. Das Mittel Camp wurde ausgelassen und es ging an einem Stück die ca. 22km hinaus bis zum Fahrerlager (CBC). Am Abend gab es eine Ansprache, wie es nun weitergeht, eines Regierungsvertreters und eines hohen CTMA Vertreters (ihr wisst ja, die mit den Permits … und dem Bier). Zum einen wurde nun klar, dass alle über Lhasa ausreißen müssen und nicht zurück nach Kathmandu können und zum anderen wurde uns erfreulicherweise mitgeteilt, dass unsere Permits für drei Jahre gültig bleiben. Immerhin sind das für den Cho Oyu alleine 3000 US Dollar.

    die Yaks kommen…

Im Fahrerlager konnten nun unterschiedliche Herangehensweisen zur Behebung der Enttäuschung beobachtet wurde. Eine Expedition Osteuropäischer Bergsteiger wählte zum Beispiel ganz klassische den Alkohol in großen Mengen zur Frust Bewältigung. So landete auch gleich einer dieser Kameraden beim nächtlichen Aufsuchen des Zeltes nicht im Zelt sondern auf dem Zelt… Bei uns dagegen gab es noch im ABC zur Aufheiterung Schwäbische Kässpätzle, auch wenn unser nepalesischer Koch zunächst etwas skeptisch auf unser Treiben in seiner Küche schaute. Unser Küchenhelfer hat dann im Fahrerlager sogar noch irgendwo Lhasa Bier in Dosen aufgetrieben und so gab es auch bei uns ein Bierchen.

    unser nepalesischer Koch wurde noch in die Geheimnisse von Kässpätzle eingeweiht
    unser nepalesischer Koch wurde noch in die Geheimnisse von Kässpätzle eingeweiht
   


Heimreise über Lhasa:

Von nun an ging alles recht schnell und lief im Prinzip wie am Schnürchen. Am 02.05.2015 starten wir zur zweitägigen Fahrt über Shigatse nach Lhasa. Bis Lhasa wurde alles perfekt von der CTMA organisiert und bezahlt, die Hotels waren richtig nobel und zu den Mahlzeiten gab es die altbekannten Getränkeauswahlmöglichkeiten. Bei der Fahrt über die tibetische Hochebene bekamen wir dann auch noch den Mount Everest zu Gesicht.

    der Mount Everest (8848m) von Norden
    Fahrt über die tibetische Hochebene
    Gebetsfahnen ohne Ende an einem über 5000m hohen Pass auf dem Weg nach Lhasa
    geht schon noch…
    über dem Fernseher im „Restaurant“ beim Mittagessen die große Kommunisten Garde: Marx, Engels, Lenin, Stalin, Mao usw…
    Klosterberg in Shigatse
    Fahrt über die tibetische Hochebene

Schon immer wollte ich einmal nach Tibet und wenn möglich auch nach Lhasa, die Heilige Stadt der Tibeter. Nun war es soweit. Die Zeiten in denen es Ausländern strengsten verboten war Lhasa oder gar den Potala Palast zu betreten sind längst vorbei. Das Lhasa aus den Büchern von Heinrich Harrer (u.a. Sieben Jahre in Tibet) gibt es so leider nicht mehr. Alles ist stark chinesifiziert. Einen Besuch des beeindruckenden Potala Palast kann ich dennoch nur Empfehlen. Auch wenn inzwischen ganz oben auf dem Palast eine riesige Chinesische Flagge weht…

    der berühmte Potala-Palast in Lhasa, ehemaliger Sitz des Dalai Lama
    der Jokhang Palast in Lhasa

Ab Lhasa wurde unsere weitere, nicht einfache, Heimreise gewohnt perfekt von Amical organisiert. Von Lhasa ging es zunächst nach Chengdu (noch nie gehört? Ich auch nicht. Ist aber eine Chinesische 14 Millionen Einwohner Stadt!!! ) und weiter über Abu Dhabi nach Frankfurt. Am 06.05.2015, genau einen Monat nach Aufbruch kommen wir unverrichteter Dinge aber zum Glück Gesund wieder in Deutschland an. Insbesondere nach dem erneut extremen Nachbeben von 12.05.2015 war ich froh nicht mehr vor Ort zu sein. Dieses Nachbeben (7,2 auf der Richterskala!!!) lag in der Region um Namche Bazar und somit wesentlich näher am Cho Oyu wie alle Erdbeben zuvor.

So freute sich nicht nur mein 10 monatiger Sohn über meine frühzeitige Heimkehr aus dem Himalaya und die Rückkehr seines Lieblingsspielplatzes, die große Expeditionstasche. Auch ich freute mich riesig auf unseren direkt anschließenden Familien-Skandinavien-Rundtrip. Nur wir zu dritt durch ganz Schweden in den Hohen Norden Lapplands bis zum Nordkap und über Norwegen wieder in den Süden zurück. Berichte vom Klettern in Südschweden und auf den Lofoten werden genauso folgen wie Berichte von Skitouren in den Lyngenalps, auf Senja und auf den Lofoten.

   


Viele Grüße
Tobias

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  Nordkap und Lofoten 2015
Geschrieben von: abham - 22.05.2015, 19:30 - Forum: andere Region - Antworten (15)

Am kommenden Montag, 18.05.15 starten wir zu unserer nächsten größeren Radtour. Mit der Bahn geht es nach Rostock und am nächsten Tag setzen wir mit der Fähre nach Gedser in Dänemark über.
Dort starten wir mit unsern Rädern und über Kopenhagen geht es bei Helsingborg durch Südschweden bis nach Stockholm. Ca. 12 Stunden dauert von hier aus die Überfahrt mit der Fähre nach Turku in Finnland. Ab hier geht es zunächst an der Ostsee entlang und immer weiter nach Norden, bis wir Norwegen erreichen, um von dort an das Nordkap zu gelangen. Von Honningsvag geht es mit einem Schiff der Hurtigruten in 27-stündiger Fahrt nach Harstad. Ab hier geht es wieder mit dem Rad über die Vesteralen und Lofoten. In Bodö erreichen wir wieder das norwegische Festland und über Trondheim und Lillehammer geht es hinunter nach Oslo.
Ob es von hier aus mit der Fähre zurück nach Kiel geht oder ob wir mit dem Rad noch weiter fahren hängt vor allem davon ab, wie es uns bis dahin ergangen ist, da wir in diesen Breiten nicht nur mit Sonnentagen rechnen können.
Wir werden sehen, wie sich das ganze entwickelt.

   
Fahrt zum Nordkap

   
Rückfahrt vom Nordkap

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  Watzmannfamilienrunde
Geschrieben von: unnutzlos - 18.05.2015, 23:31 - Forum: Deutschland - Keine Antworten

Watzmannfamilienrunde

Text und Buidl: Flo Hübschenberger
Unsere Runde liegt jedoch bereits einige Tage zurück, genauer im Spätsommer 2012.


Der Protagonist: Christophe Profit. Enchaînement, seine Passion.
Was aber hat der am Watzmann verloren? Nix, um genau zu sein. Vielmehr war es seine Vision Routen an verschiedenen Bergen/Wänden am Stück zu verbinden. Ein Stück weit fesselt mich dieser Gedanke schon länger. Waren seine Ziele die großen Nordwände der Westalpen reizen mich der aufwendigen Vorbereitung, wohl aber auch des eigenen Könnens wegen hier dann doch die heimatlichen Kalkalpen.
Mit Timo realisierte ich 2010 ein Enchaînement von „Freier als Paul Preuss“ und „Pipeline“. (mehr unter:
http://www.timoser.at/2010/07/enchainmen...-pipeline/
) Zwei von vielen großartigen Kletterrouten des leider kürzlich auf Kreta tödlich verunglückten Albert Precht.

Das neue Ziel lag nahe, steht der Watzmann doch vor der Haustüre. Auf Ski ins Watzmannkar oder auf’s Hocheck, die Überschreitung und natürlich die Ostwand Sommers wie Winters – oft war ich schon dort unterwegs.
Das Hauptproblem der Sucht „Berg“ besteht ja darin, das man eine Tour macht, dabei aber auf mehrere andere aufmerksam wird, die man mal machen muss. Erschreckend, die Erkenntnis der Analogie mit der Schuldenpolitik von Vater Staat...

Eine kreative Kombination auf historischen Kletterrouten und Steigen die uns auf alle Watzmann-Gipfel am Stück führt sollte es sein. Diese Runde hatte ich schon lange in meinem Kopf. Die Teilstücke hat man alle auch schon über Jahre hinweg gemacht. Aber geht das an einem Tag oder wie schnell geht das?

    Skizze aus dem Ostwand-Führer von Franz Rasp

Mit dabei: Martin Schidlowski, versiert in allen alpinen Spielarten und… ja und im Bouldern. Er knackte Klem Loskot‘s „Nanuk“ fb 8b+ und Alex Hubers „Adrenalin“ 8c+. Begreiflich sind mir diese Zahlen dabei auch nicht, aber für die Ostwand sollt‘s reichen.

In der Vorbereitung teilten wir uns das Projekt auf. Ich kannte die Ostwand gut und der Auf- wie Abstieg von der Watzmannfrau und zurück zu unserem Ausgangsort nach St. Bartholomä waren meine Aufgaben. Martin widmete sich dem Wiederband als auch der Kinderüberschreitung.


So fanden wir uns am 10. September 2012 am Königssee wieder. Etwas pessimistisch wurde ein Hin- u. Rück-Ticket nach Bartholomä gelöst. Also doch Optimisten.
Dabei hatten wir nicht viel. Jeder einen kleinen Rucksack gefüllt mit etwas Trink- und Essbarem, ein Helm und ein mehr als auf das Minimum reduzierte Erste-Hilfe-Päckchen, quasi ein Smart-Repair-Kit das nicht zum Verletzen einlädt.
Auch vonseiten Kachelmann gab‘s grünes Licht – gut es war orange, aber es war Wochenende und auch der Schifffahrtsplan der Königssee-Schifffahrt versprach eigentlich keine weiteren Möglichkeiten dieses Jahr.
An Bord schallen die Dramen über ein gesunkenes Pilgerschiff und die Sage der Übergossenen Alm durch die Lautsprecher. Das gehört irgendwie dazu, dennoch bringen uns die am Königssee verwehrten Deep-Water-Solo Möglichkeiten da deutlich mehr ins Schwärmen. Auch der als Einsiedler lebende Bläser an der Echo-Wand wurde geweckt.
Die gemütliche Kreuzfahrt-Romantik war aber kurz vor der Ankunft in St. Bartholomä beendet. Ab dem Bootssteg zählt die Zeit, das war an der Ostwand schon immer so.
Unser Ziel lag dabei aber nicht auf einer tollen Zeit durch die Ostwand. Vielmehr mussten wir unser bereits gelöstes Ticket für eine Rückfahrt einlösen.
Joggend sind wir gleich allein unterwegs und bis zur Eiskapelle gut aufgewärmt. Wir folgten dem Berchtesgadener Weg, der leichtesten und vor allem schnellsten Route durch die höchste Wand der Ostalpen.
Den Rekord über die schnellste Begehung der Ostwand hält seit über 25 (!) Jahren Albert Hirschbichler (
http://www.albert-hirschbichler.de/wordpress/
) der 1988 in 2:10 Std. durch die Ostwand spurtete. Seine Schwester Barbara Hirschbichler, auch keine unbekannte brauchte vor Jahren auch nur 10 Minuten länger.

    Tiefblick aus der Watzmann-Ostwand

Etwas unglaubwürdig fiel am Gipfel der Südspitze der Blick auf mein Chronometer: 2:36 Std., kann das sein?! Ein Juchtzer und ein wahrlich feuchter Händedruck und wir starteten voll motiviert in die luftige Watzmann-Überschreitung zur Mittelspitze. Trafen wir in der Ostwand nur auf einen Bergführer mit seinen Gästen mussten wir jetzt aufpassen keinen über den Haufen zu rennen. An der Mittelspitze gönnten wir uns dann die erste kurze Pause.

    an der Mittelspitze

Der Abstieg über das Wiederband kostete anfangs Überwindung. Sehr steil geht es über leichte Kletterei hinab. Den uns überkommenden Flow, auch als Schwerkraft bezeichnet gilt es permanent einzubremsen. Das eigentliche Band können wir bergab laufen. Da Wahnsinn!

Nun geht’s im ständigen Auf- und Ab von einem Kind zum nächsten. Vor allem das Dritte verleitet dazu es auszulassen, steigt man von der Jungfrau doch schon weit ins Watzmannkar ab. Ein kühles Blondes auf der Kühroint verleitet mich schon in die falsche Richtung. Ein „soll ma nomoi laffa“ reißt mich aber aus meiner Fata-Morgana und zurück in die Realität. Noch zwei Kinder und eine Frau – nicht nur am Berg eine Herausforderung...
Wink

Im Hirn langsam etwas mürbe von der ständigen Konzentration – bewegt man sich fast ausschließlich in Absturzgelände – freut man sich über das Wiesengestapfe unterhalb vom ersten Kind.

Am Watzmannfrau Südwestgrat war aber eines sicher – Gewitter! Es geht dann doch jedesmal auf’s neue schneller als man glaubt oder hofft. Aus Joggen wurde Laufen wenn auch gegen jede Logik – nach oben. Das neue Gipfelkreuz begrüßte uns mit einem deutlichen Summen. Martin wollte keinen Eintrag ins Gipfelbuch machen. Versteh ich nicht, wann hat man schon Musik dabei
Wink
! Ohne Halt spurteten wir die Flanke hinab, welche zum Kriechband führt. Erste dicke Tropfen. Im Schuttkar unterhalb in trügerischer Sicherheit fühlt man sich gleich besser.

    Kriechband

Ein Abstieg steht uns noch bevor. Das Watzmannlabl, mehr möchte ich darüber aber nicht verlieren. Und das Gewitter? Naja, es wurde feucht-fröhlich.
Ein Gewitter im Gebirge ist eine der offensichtlichsten Gefahren und doch haben es viele Bergsteiger schon durchlebt. Vermeidbare Situation der immer Fehlentscheidungen vorausgehen. Dennoch eines der eindrücklichsten Naturspektakel.

Um dreiviertel fünf, nach 8:05 Std. kamen wir, ordentlich „dawaschen“ wieder am Bootssteg in Bartholomä an. Aber nicht nur die Zeit im Kopf wie vielleicht mancher schimpfen wird. Viele Bilder bleiben und können von dem sicher nicht alltäglichen Abenteuer noch länger zehren. Wenn auch die Blümchen am Wegesrand diesmal nicht im Fokus standen.
Merci Martin, geil war’s!


chronologischer Überblick:
8.00 Uhr Abfahrt Seelände mit’m ersten Schiff nach St. Bartholomä
8.37 Uhr Start am Bootssteg in St. Bartholomä
10.45 Uhr an der Biwakschachtel
11.13 Uhr Schönfeldspitze (Ostwand-Zeit ab Bootssteg: 2:36 Std.)
11.40 Uhr Mittelspitze
12.45 Uhr Sechste Watzmannkind
13.16 Uhr Viertes Watzmannkind / Watzmann-Jungfrau
13.40 Uhr Drittes Watzmannkind
14.02 Uhr Erstes Watzmannkind
14.35 Uhr Watzmannfrau
15.11 Uhr Watzmannlabl-Gipfelchen
16.42 Uhr Bootssteg in St. Bartholomä (Gesamtzeit: 8:05 Std.)
durchnässt sollten wir noch eine ganze Weile in der nicht enden wollenden Schlange anstehen bis uns ein Schiff zurück mitnahm

Kurzinfos aus dem Alpenvereins-Führer:
Watzmann-Ostwand Schönfeldspitze (2712m) „Berchtesgadener Weg“ III Wandhöhe 1800 m 6 - 8 Std.
Watzmanngrat zur Mittelspitze (2713m) II 1 ½ - 2 Std.
Abstieg „Wieder-Route“ III- 700m 2 ½ - 3 ½ Std.
komplette Überschreitung aller sechs Watzmannkinder Stellen bis IV 4 -5 Std.
Kleiner Watzmann / Watzmannfrau (2307m) Südwestgrat III, Stelle IV+ 1 ½ - 2 Std.
Abstieg Südwand „Kriechbandl“ bis II 1 Std.
Abstieg nach Bartholomä über’s Watzmannlabl bis II 3 – 5 Std.

Zeitrahmen den die Königssee-Schifffahrt vorgibt:

http://www.seenschifffahrt.de/fileadmin/...Sommer.pdf


    Bin auch kein Jägersfreund, passt aber! Quelle/Urheber Schöpf

Um aber keinen falschen Eindruck zu erwecken…
Allein die Watzmann-Ostwand stellt höchste Anforderungen an versierte Bergsteiger und eine oft mehr als tagesfüllende Herausforderung. Die rein nominellen Schwierigkeiten scheinen nicht so wild, doch wird die schiere Länge der Route und die Orientierung in der Wand häufig unterschätzt. Unsere Runde, aber auch Berichte im Netz über kühne Winterbegehungen sollten also umso mehr mit Vorsicht konsumiert werden. Wer den Mythos Ostwand erleben will und sich seiner Sache nicht 100%ig sicher ist sollte sich daher besser einem ortskundigen Bergführer anvertrauen.

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