“Die Geierköpfe sind das mächtigste und markanteste Bergmassiv der [Ammergauer] Kreuzspitzgruppe. … Nach Norden bricht der Kamm mit hohen Wänden ab, das Schaustück der Ammerwaldstraße…“
„Die steilen, schrofigen Südhänge lassen sich an vielen Stellen ersteigen, doch ist dies wenig reizvoll; die Nordwände schließlich werden wegen des unzuverlässigen Gesteins und der schlechten Zugänglichkeit fast ganz gemieden.“
Auszüge aus dem AV Führer - Ammergauer Alpen, Dieter Seibert, 2. Auflage 1982
Wenn man diese Zeilen aus dem alten AV-Führer so ließt kann man es kaum glauben, dass die Nordwände der Geierköpfe lediglich innerhalb der letzten zwei (!) Jahre, zu einem der nordalpinen winterlichen Mehrseillängen-Mixedkletterei-Hotspots geworden sind. In aller erster Linie durch das enorme Erstbegehungsengagement von Ralf Sussmann. Natürlich sind die Sätze aus dem Führer für den Sommer gemeint und da dürfte der Bruch und Schutt wirklich überwiegen, nicht so jedoch im Winter. Mit unserer vermutlich bis dato gänzlich undurchstiegenen Nordwand der Mittleren Geierköpfe gibt es Stand Februar 2014 acht Routen. Dass die Wände bis dato gänzlich undurchstiegen waren gilt übrigens nicht nur für unsere Wand sondern teils auch für die anderen Touren am Geierkopf. Ein Blick in den alten AV-Führer listet lediglich eine Nordwandroute auf den Hauptgipfel und auf den Ostgipfel. Es dürfte also auch für sämtliche Touren am Westlichen Geierkopf sowie fürs „Midwinter Gully“ in der NO Wand des Hauptgipfels gegolten haben. Vom Hauptgipfel der Geierköpfe (2161 m) zieht ein relativ langer Grat bis zum Ostgifel (2060 m). Dieser Grat weißt nochmals zwei etwas markantere Erhebungen auf. Diese Erhebungen werden auf einem Bild des alten AV-Führer als Mittlere Geierköpfe bezeichnet. Durch die Nordwand einer dieser beiden Erhebungen führt nun unsere „Sterne und Stürme“.
Mittlere Geierköpfe Nordwand – „Sterne und Stürme“
Die erste Mixed Tour am Westlichen Geierkopf, die Bayrisch-Schottischen Winter-Games, Erstbegangen im März 2012 wurde zwar schon im letzten Winter häufiger wiederholt, der absolute Geierkopf-Mega Hype, ist jedoch im Januar/Februar 2014 ausgebrochen. Das Ganze hat schon fast beängstigende Ausmaße angenommen und so kam es vor das sich teils sogar unter Woche bis zu sechs Seilschaften (!!!) auf den Füßen herum standen. So verwundert es auch nicht, dass die großartige fast „reine“ Eistour „Scotch on the rocks“ bereits innerhalb von 3 Wochen nach der Erstbegehung an die 25 Begehungen gesehen haben dürfte. Diese Tatsachen haben sicherlich auch mit dem kuriosen Winter 2013/2014 zu tun. Wochenlange Südwest-Wetterlagen mit Föhn und warmen Temperaturen in den Nordalpen ließen jegliche „normalen“ Eiskletterverhältnisse dahin schmelzen und es fehlen schlicht die üblichen Alternativen. So fällt eben der Eis und Winter begeisterte Alpinist aus dem Süden der Bundesrepublik über die Geierköpfe und seine super Verhältnissen her und pilgert ins Ammergau. Denn scheinbar sind die Geierköpfe bei Weitem nicht so anfällig für Föhn und warme Temperaturen wie beispielsweise das Allgäuer Rubihorn. Am Tag unserer Begehung wurden beispielsweise in München föhnbedingte Rekordtemperaturen von +19,4°C gemessen. Das war seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahre 1897 der wärmste je in München gemessene 15. Februar! Wir in der Wand hatten jedoch nie den Eindruck von extremer Wärme oder haufenweisen Nassschneerutschen um uns herum, im Gegenteil es war den ganzen Tag lawinenmäßig/Schneerutschmäßig komplett ruhig und der Schnee war weiterhin komplett pulvrig. Zum ganzen Geierkopf-Hype tragen aber mit Sicherheit auch die schnell abrufbaren, präzisen und fast täglich aktuellen Informationen aus dem Internet auf den bekannten Seiten zu so einem Hype bei. Beiträge hier im Forum selbstverständlich nicht ausgeschlossen.
Tourenbeschreibung „Sterne und Stürme“:
Charakter: Erstbegehung durch die bis dato vermutlich gänzlich undurchstiegene Nordwand der Mitterlen Geierköpfe auf einer ansprechenden und in der Wand erstaunlich logischen Linienführung direkt zum Gipfel. Eine offensichtlich Rampe und ein anregender Eisfall geben die Route im unteren Wandteil klar vor. Im oberen Teil auf relativ direktem Weg aber dennoch über die gegebenen Schwachstellen zum Gipfel. Die Route wurde in komplett cleanem Zustand hinterlassen und bis auf zwei geschlagene Normalhaken, welche wieder entfernt wurden, lediglich mit mobilen Sicherungsmitteln abgesichert. Entsprechend darf der hohe Gesamtanspruch, keinesfalls unterschätz werden und die Route kann nur sehr erfahrenen Winter-Alpinisten mit entsprechender Erfahrung und Schnelligkeit in solchem Gelände empfohlen werden. Man sollte jedenfalls mit diversen alpinen Schikanen und mit teils brüchigem Fels umzugehen wissen. Wer dem aber gewachsen ist kann hier ein tolles und großartiges Nordwandabenteuer in wildem Ambiente erleben. Die Erstbegehung erfolgte ohne vorheriges Erkunden in 6,5 h Kletterzeit von unten.
Erstbegehung:Tobias Bailer, Florian Hübschenberger und Jürgen Oblinger am 15.02.2014
Schwierigkeitsbewertung:M6 eine Stelle, M6- zwei Stellen, zwei Seillängen im Bereich M5 und am Eisfall je nach Verhältnissen bis WI5-. Ansonsten vielfach leichter.
Wandhöhe: 500 mH bei ca. 600 Klm
Zeitbedarf:je nach Schneeverhältnissen und Spuraufwand 6-8 h
Material: 60m Doppelseil, 4-6 Eisschrauben (kurze Längen), 1 Satz Camalots von 0,3-3, mittleres Set Keile, ca. 8 Expressen, lange Schlingen, gut sortiertes Set an unterschiedlichen Schlaghaken, Stirnlampe
Zustieg: Der Zustieg ist identisch mit dem Zustieg zum „Midwinter Gully“ in der benachbarten Nordostwand des Geierköpfe Hauptgipfel.
2±0,5 h, je nach Spuraufwand. Auf der Straße von Ettal zum Plansee bis zum Parkplatz links vor der Doppelkehre. Zustieg zunächst gemeinsam wie zum bekannten Eisklettergebiet „Geierfall“ bzw. „Eisbox“. Rechts vom Geierfall nordostseitig steil eine Rinne hoch und in Folge linkshaltend in den Kessel oberhalb der Geierfälle und weiter zum Einstieg am Fuße der markanten Rampenreihe welche die Tour im unteren Wandteil charakterisiert.
Abstieg:Der Abstieg kann sich je nach Ortskenntnissen und Verhältnissen von einfach bis aufwendig gestalten.
a) Die mit Abstand einfachste und vermutlich schnellste Möglichkeit stellt ein Abseilen über das komplett eingerichtete „Midwinter Gully“ dar. ABER ACHTUNG: Dies birgt auch nicht ganz unerhebliche Risiken und ist insbesondere bei Routenunkenntnis dringendst zu widerraten. Zum einen muss natürlich auch erst mal der oberste Stand an der Gratkante gefunden werden. Dies sollte jedoch evtl. auch bei Routenunkenntnis möglich sein. Das viel größere Problem können bei „normaler Schneelage“ nicht zu findende Abseilstände sein. Denn es sollte einem schon bewusst sein das die Erstbegehung und die ersten Wiederholungen im Winter 2013/2014 bei insgesamt extrem geringer Schneelage erfolgten. Somit kann hier die Mausefalle gewaltig zuschnappen und Handy-Empfang gibt es im Gully nicht.
b) Die nächste Möglichkeit stellt zunächst ein Übergang zum Ostgipfel dar. Von dort kann über die in diesem Bereich stark geneigte Nordwand über Schneeflanken und Rinnen abgestiegen werden und anschließend wieder unter den Wänden zum Zustieg gequert werden. Hier sollte aber gute Sicht herrschen und man sollte sich das Gelände vorher während dem Klettern sehr gut einprägen. Unbedingt Lawinengefahr beachten.
c) Sollte es die Lawinengefahr nicht zulassen durch die Ostgipfel Nordwand abzusteigen, besteht auch noch die Möglichkeit über den, an die Wand angrenzenden Ostgipfel-Nordgrat abzuklettern (vermutlich II-III)
d) Die vermutlich sicherste aber auch aufwendigste Variante stellt ein südseitig verlaufender Steig dar welcher über die Neualp Jagdhütte in großem Bogen ins Neualmbachtal und somit zurück zum Auto führt. Dieser Weg sollte natürlich bei entsprechender Schneelage, Spuraufwand und Lawinengefahr auch mit Vorsicht genossen werden und er hat den Nachteil, dass man nicht mehr am Wandfuß vorbei kommt und somit kein Rucksackdepot möglich ist.
Landkarten: 1:25000 AV Karte, BY 6, Ammergebirge West
Beschreibung und Topo des “Midwinter Gully“:
http://www.nordalpenklettern.lima-city.d...0Gully.htm
„Sterne und Stürme“ – unterer Wandteil
„Sterne und Stürme“ – oberer Wandteil
Tourenbericht:
Morgens 06:00 Uhr am Parkplatz bei der Doppelkehre und es steht schon ein bergsteigerisch anmutendes Auto da. In Anbetracht der aktuellen Geierkopf Goldgräberstimmung und der Tatsache das unsere geplante Linie nicht nur beim Zustieg zum Midwinter Gully offensichtlich ist, sehen wir der Sache mit dem Auto mit entsprechend gemischten Gefühlen entgegen. Jedenfalls wird erst mal Vollgas gegeben und wir düsen hinter her, man weiß ja nie, vielleicht lässt sich ja noch was rauslaufen. In der guten Spur unserer Vorgänger kommen wir schnell voran und lediglich nach 1h 10 min stehen wir unter dem Einstieg und sehen erfreut das unserer Vorgänger weiter zum Midwinter Gully hochspuren. Somit an dieser Stelle vielen Dank für die gute Spur. Vor drei Wochen als ich mit Jürgen das Midwinter Gully geklettert bin haben wir bei großem Spuraufwand für den Zustieg noch deutlich über 2h gebraucht.
auf den letzten Zustiegsmetern
Die markante Rampe läuft ins Kar hinein in Form eines kleinen Pfeilers aus. Diesen gilt es wahlweise von links oder rechts zu erklimmen. Wir gehen von rechts her auf den Pfeiler. Das Seil bleibt zunächst noch auf dem Rücken und es gilt gleich von Beginn an ordentlich zu Wühlen.
zu Beginn
Die von unten zunächst absolut lapidar wirkende Rampe zeigt bei Zeiten ihre Zähne und wir packen das Seil viel früher aus wie zunächst gedacht. Unsere erste Länge am Seil führt in gemäßigten M4 Mixed-Fels-Gras-Kletterei in die große markante Höhle. Hier Stand an Cams und Sanduhren möglich. Der Fels ist in der Höhle durchaus als etwas mürbe zu bezeichnen. Zur Markierung wurde hier ein größerer Steinmann aufgestellt.
auf der Rampe vor der Höhle
auf der Rampe vor der Höhle
Stand in der Höhle
Höhlensteinmänner
Direkt unter dem Höhlendach führt ein Bändchen nach links hinaus auf einen kleinen Absatz. Hier wartet gleich die Schlüsselstelle der Tour. Direkt unter der Höhlendachkante befindet sich eine Sanduhr an welcher man sich mit dem Gerät Hookend ausgesetzt ganz nach außen lassen muss um nach einer kurzen Traverse anschließend im brüchigen glatten und haltlosen Fels ein paar Meter nach oben zu klettern (M6) danach ca. 20 Meter leichter (M2-3) bevor gegen Ende der Seillänge nochmal eine anspruchsvolle Passage wartet. In einer von links zu erreichenden gelben Verschneidung geht es einige Meter steil empor (M6-). Am Ende dieser Seillänge wurde Stand an zwei Normalhaken bezogen.
Traverse am Höhlendach
Traverse am Höhlendach
Traverse am Höhlendach
Blick auf die zweite schwere Wandstufe dieser Seillänge
kurz vor der schweren gelben Verschneidung
Blick vom Stand bis zum Eisfall
Vom Stand folgten ca. 60-70 m im 35° Schneerinnengelände bis an den Fuß der schon vom Tal aus sichtbaren Eisstufe.
in der Schneerinne vor dem Eisfall
Die Eisstufe bot insbesondere auf den ersten Meter aufgrund von erstaunlich schlechtem, dünnem und morschem Eis anspruchsvolle Eiskletterei. Sollte auf diesen ersten Metern das Eis gänzlich fehlen kommt zur angegebene WI 5- sicher noch eine M5-6 hinzu. Jürgen zieht souverän nach oben! Nach 25 m steiler Kletterei legt sich die Eisstufe deutlich zurück und läuft noch 10-15 m im WI 3 Gelände aus. Herrlich, eine Eisstufe mitten in so einer Wand. Nach dem Eis folgten weitere 20 m im Schneegelände bis zu einer großen Gufel/Höhle. Hier konnte Jürgen sogar an kleinen Eispilzen Stand mit Eisschrauben beziehen.
anspruchsvoller Beginn
die Eisstufe mitten in der Wand
die Eisstufe mitten in der Wand
gegen Ende noch 10-15 m WI3
Nach der Eisstufe folgte der deutlich geneigtere Mittelteil. Das Seil wurde aufgeschossen und wir klettern gleichzeitig weiter. Unter dem grundlosen Schnee lagen doch oftmals glatte Platten so dass trotz geneigtem Gelände Obacht gegeben werden musste. Bei Trittschnee sicher deutlich einfacher und genüsslicher. Eine logische Rinne führt direkt auf den als Orientierungspunkt dienenden markanten gelben steilen Wandbereich.
im geneigten Mittelteil (M2-M3)
im geneigten Mittelteil (M2-M3)
immer wieder haben wir uns auch gegenseitig…
… ganz ordentlich geduscht
im geneigten Mittelteil (M2-M3)
Den markanten gelben Wandbereich haben wir direkt am rechten Rand umklettert. An dieser Wandstufe eine Seillänge M5.
M5 Wandstufe
Nach dieser Wandstufe auf markanter Rampe im Schneegelände wieder etwas nach links oben Wühlen bis an den Beginn der nächsten Wandstufe welche in die schon sichtbare letzte schwere Wandstufe zieht. Vom Ende der Rampe in einem kleinen Kessel eine Seillänge M5-.
M5- Wandstufe
zwischendurch immer mal wieder tiefe Wühlerei
Die folgende Seillänge ist zum einen wunderschön und führt unter zwei riesigen Felstoren hindurch wartet zum anderen aber auch mit einer Megaglatten ausgewaschenen anspruchsvollen Passage im M6- Bereich. Danach führt eine Rampe nach rechts hinaus direkt an die Pfeilerkante des obersten Abschnitts.
am Beginn der M6- Passage
bizarre Felsformationen
die letzten Züge der M6- Passage
Stand direkt an der Pfeilerkante
Vom Stand an der Pfeilerkante hat man auch erstmals einen guten Blick auf die Ausstiegsseillängen des „Midwinter Gully“. Insbesondere wer über diese Tour abseilen will und sie aber nicht kennt sollte sich hier alles gut einprägen und am besten folgendes Bild zur Hand haben. Das Bild zeigt grob den obersten Abseilstand an der Gratkante (roter Pfeil) und die weiteren Standplätze der Gipfelwand. Mit zwei 60 m Seilen reicht für die Gipfelwand zweimaliges abseilen, man muss also nur jeden zweiten der eingezeichneten Stände (gelbe Punkte) hernehmen.
Direkt oberhalb vom Stand folgte noch eine ganz kurze M4 Stelle. Danach immer auf dem Pfeiler entlang zum nahegelegenen Gipfel (M1-2). Nach 6, 5 h Kletterzeit steigen wir in der Sonne aus und freuen uns über „Sterne und Stürme“.
Blick zur „Midwinter Gully“ Gipfelwand
die letzten Meter am Pfeiler
on Top
Wer Variante a) der beschriebenen Abstiegsvarianten wählt und wie wir übers “Midwinter Gully” abseilen will steigt zunächst dem Grat entlang nach Westen. Ein markanter Grataufschwung wird südseitig umgangen.
Blick auf den Geierköpfe Haupt-(rechts) und Westgipfel
Den Gratturm südseitig umgehen und zum ersten Abseilstand an der Gratkante (roter Pfeil)
Jürgen zeigt auf den sehr schwer zu findenden und meist eingeschneiten Stand nach der 6. SL des „Midwinter Gully“.
Abseilen übers “Midwinter Gully”
Viele Grüße
Florian, Jürgen und Tobias
„Die steilen, schrofigen Südhänge lassen sich an vielen Stellen ersteigen, doch ist dies wenig reizvoll; die Nordwände schließlich werden wegen des unzuverlässigen Gesteins und der schlechten Zugänglichkeit fast ganz gemieden.“
Auszüge aus dem AV Führer - Ammergauer Alpen, Dieter Seibert, 2. Auflage 1982
Wenn man diese Zeilen aus dem alten AV-Führer so ließt kann man es kaum glauben, dass die Nordwände der Geierköpfe lediglich innerhalb der letzten zwei (!) Jahre, zu einem der nordalpinen winterlichen Mehrseillängen-Mixedkletterei-Hotspots geworden sind. In aller erster Linie durch das enorme Erstbegehungsengagement von Ralf Sussmann. Natürlich sind die Sätze aus dem Führer für den Sommer gemeint und da dürfte der Bruch und Schutt wirklich überwiegen, nicht so jedoch im Winter. Mit unserer vermutlich bis dato gänzlich undurchstiegenen Nordwand der Mittleren Geierköpfe gibt es Stand Februar 2014 acht Routen. Dass die Wände bis dato gänzlich undurchstiegen waren gilt übrigens nicht nur für unsere Wand sondern teils auch für die anderen Touren am Geierkopf. Ein Blick in den alten AV-Führer listet lediglich eine Nordwandroute auf den Hauptgipfel und auf den Ostgipfel. Es dürfte also auch für sämtliche Touren am Westlichen Geierkopf sowie fürs „Midwinter Gully“ in der NO Wand des Hauptgipfels gegolten haben. Vom Hauptgipfel der Geierköpfe (2161 m) zieht ein relativ langer Grat bis zum Ostgifel (2060 m). Dieser Grat weißt nochmals zwei etwas markantere Erhebungen auf. Diese Erhebungen werden auf einem Bild des alten AV-Führer als Mittlere Geierköpfe bezeichnet. Durch die Nordwand einer dieser beiden Erhebungen führt nun unsere „Sterne und Stürme“.
Mittlere Geierköpfe Nordwand – „Sterne und Stürme“
Die erste Mixed Tour am Westlichen Geierkopf, die Bayrisch-Schottischen Winter-Games, Erstbegangen im März 2012 wurde zwar schon im letzten Winter häufiger wiederholt, der absolute Geierkopf-Mega Hype, ist jedoch im Januar/Februar 2014 ausgebrochen. Das Ganze hat schon fast beängstigende Ausmaße angenommen und so kam es vor das sich teils sogar unter Woche bis zu sechs Seilschaften (!!!) auf den Füßen herum standen. So verwundert es auch nicht, dass die großartige fast „reine“ Eistour „Scotch on the rocks“ bereits innerhalb von 3 Wochen nach der Erstbegehung an die 25 Begehungen gesehen haben dürfte. Diese Tatsachen haben sicherlich auch mit dem kuriosen Winter 2013/2014 zu tun. Wochenlange Südwest-Wetterlagen mit Föhn und warmen Temperaturen in den Nordalpen ließen jegliche „normalen“ Eiskletterverhältnisse dahin schmelzen und es fehlen schlicht die üblichen Alternativen. So fällt eben der Eis und Winter begeisterte Alpinist aus dem Süden der Bundesrepublik über die Geierköpfe und seine super Verhältnissen her und pilgert ins Ammergau. Denn scheinbar sind die Geierköpfe bei Weitem nicht so anfällig für Föhn und warme Temperaturen wie beispielsweise das Allgäuer Rubihorn. Am Tag unserer Begehung wurden beispielsweise in München föhnbedingte Rekordtemperaturen von +19,4°C gemessen. Das war seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahre 1897 der wärmste je in München gemessene 15. Februar! Wir in der Wand hatten jedoch nie den Eindruck von extremer Wärme oder haufenweisen Nassschneerutschen um uns herum, im Gegenteil es war den ganzen Tag lawinenmäßig/Schneerutschmäßig komplett ruhig und der Schnee war weiterhin komplett pulvrig. Zum ganzen Geierkopf-Hype tragen aber mit Sicherheit auch die schnell abrufbaren, präzisen und fast täglich aktuellen Informationen aus dem Internet auf den bekannten Seiten zu so einem Hype bei. Beiträge hier im Forum selbstverständlich nicht ausgeschlossen.
Tourenbeschreibung „Sterne und Stürme“:
Charakter: Erstbegehung durch die bis dato vermutlich gänzlich undurchstiegene Nordwand der Mitterlen Geierköpfe auf einer ansprechenden und in der Wand erstaunlich logischen Linienführung direkt zum Gipfel. Eine offensichtlich Rampe und ein anregender Eisfall geben die Route im unteren Wandteil klar vor. Im oberen Teil auf relativ direktem Weg aber dennoch über die gegebenen Schwachstellen zum Gipfel. Die Route wurde in komplett cleanem Zustand hinterlassen und bis auf zwei geschlagene Normalhaken, welche wieder entfernt wurden, lediglich mit mobilen Sicherungsmitteln abgesichert. Entsprechend darf der hohe Gesamtanspruch, keinesfalls unterschätz werden und die Route kann nur sehr erfahrenen Winter-Alpinisten mit entsprechender Erfahrung und Schnelligkeit in solchem Gelände empfohlen werden. Man sollte jedenfalls mit diversen alpinen Schikanen und mit teils brüchigem Fels umzugehen wissen. Wer dem aber gewachsen ist kann hier ein tolles und großartiges Nordwandabenteuer in wildem Ambiente erleben. Die Erstbegehung erfolgte ohne vorheriges Erkunden in 6,5 h Kletterzeit von unten.
Erstbegehung:Tobias Bailer, Florian Hübschenberger und Jürgen Oblinger am 15.02.2014
Schwierigkeitsbewertung:M6 eine Stelle, M6- zwei Stellen, zwei Seillängen im Bereich M5 und am Eisfall je nach Verhältnissen bis WI5-. Ansonsten vielfach leichter.
Wandhöhe: 500 mH bei ca. 600 Klm
Zeitbedarf:je nach Schneeverhältnissen und Spuraufwand 6-8 h
Material: 60m Doppelseil, 4-6 Eisschrauben (kurze Längen), 1 Satz Camalots von 0,3-3, mittleres Set Keile, ca. 8 Expressen, lange Schlingen, gut sortiertes Set an unterschiedlichen Schlaghaken, Stirnlampe
Zustieg: Der Zustieg ist identisch mit dem Zustieg zum „Midwinter Gully“ in der benachbarten Nordostwand des Geierköpfe Hauptgipfel.
2±0,5 h, je nach Spuraufwand. Auf der Straße von Ettal zum Plansee bis zum Parkplatz links vor der Doppelkehre. Zustieg zunächst gemeinsam wie zum bekannten Eisklettergebiet „Geierfall“ bzw. „Eisbox“. Rechts vom Geierfall nordostseitig steil eine Rinne hoch und in Folge linkshaltend in den Kessel oberhalb der Geierfälle und weiter zum Einstieg am Fuße der markanten Rampenreihe welche die Tour im unteren Wandteil charakterisiert.
Abstieg:Der Abstieg kann sich je nach Ortskenntnissen und Verhältnissen von einfach bis aufwendig gestalten.
a) Die mit Abstand einfachste und vermutlich schnellste Möglichkeit stellt ein Abseilen über das komplett eingerichtete „Midwinter Gully“ dar. ABER ACHTUNG: Dies birgt auch nicht ganz unerhebliche Risiken und ist insbesondere bei Routenunkenntnis dringendst zu widerraten. Zum einen muss natürlich auch erst mal der oberste Stand an der Gratkante gefunden werden. Dies sollte jedoch evtl. auch bei Routenunkenntnis möglich sein. Das viel größere Problem können bei „normaler Schneelage“ nicht zu findende Abseilstände sein. Denn es sollte einem schon bewusst sein das die Erstbegehung und die ersten Wiederholungen im Winter 2013/2014 bei insgesamt extrem geringer Schneelage erfolgten. Somit kann hier die Mausefalle gewaltig zuschnappen und Handy-Empfang gibt es im Gully nicht.
b) Die nächste Möglichkeit stellt zunächst ein Übergang zum Ostgipfel dar. Von dort kann über die in diesem Bereich stark geneigte Nordwand über Schneeflanken und Rinnen abgestiegen werden und anschließend wieder unter den Wänden zum Zustieg gequert werden. Hier sollte aber gute Sicht herrschen und man sollte sich das Gelände vorher während dem Klettern sehr gut einprägen. Unbedingt Lawinengefahr beachten.
c) Sollte es die Lawinengefahr nicht zulassen durch die Ostgipfel Nordwand abzusteigen, besteht auch noch die Möglichkeit über den, an die Wand angrenzenden Ostgipfel-Nordgrat abzuklettern (vermutlich II-III)
d) Die vermutlich sicherste aber auch aufwendigste Variante stellt ein südseitig verlaufender Steig dar welcher über die Neualp Jagdhütte in großem Bogen ins Neualmbachtal und somit zurück zum Auto führt. Dieser Weg sollte natürlich bei entsprechender Schneelage, Spuraufwand und Lawinengefahr auch mit Vorsicht genossen werden und er hat den Nachteil, dass man nicht mehr am Wandfuß vorbei kommt und somit kein Rucksackdepot möglich ist.
Landkarten: 1:25000 AV Karte, BY 6, Ammergebirge West
Beschreibung und Topo des “Midwinter Gully“:
http://www.nordalpenklettern.lima-city.d...0Gully.htm
„Sterne und Stürme“ – unterer Wandteil
„Sterne und Stürme“ – oberer Wandteil
Tourenbericht:
Morgens 06:00 Uhr am Parkplatz bei der Doppelkehre und es steht schon ein bergsteigerisch anmutendes Auto da. In Anbetracht der aktuellen Geierkopf Goldgräberstimmung und der Tatsache das unsere geplante Linie nicht nur beim Zustieg zum Midwinter Gully offensichtlich ist, sehen wir der Sache mit dem Auto mit entsprechend gemischten Gefühlen entgegen. Jedenfalls wird erst mal Vollgas gegeben und wir düsen hinter her, man weiß ja nie, vielleicht lässt sich ja noch was rauslaufen. In der guten Spur unserer Vorgänger kommen wir schnell voran und lediglich nach 1h 10 min stehen wir unter dem Einstieg und sehen erfreut das unserer Vorgänger weiter zum Midwinter Gully hochspuren. Somit an dieser Stelle vielen Dank für die gute Spur. Vor drei Wochen als ich mit Jürgen das Midwinter Gully geklettert bin haben wir bei großem Spuraufwand für den Zustieg noch deutlich über 2h gebraucht.
auf den letzten Zustiegsmetern
Die markante Rampe läuft ins Kar hinein in Form eines kleinen Pfeilers aus. Diesen gilt es wahlweise von links oder rechts zu erklimmen. Wir gehen von rechts her auf den Pfeiler. Das Seil bleibt zunächst noch auf dem Rücken und es gilt gleich von Beginn an ordentlich zu Wühlen.
zu Beginn
Die von unten zunächst absolut lapidar wirkende Rampe zeigt bei Zeiten ihre Zähne und wir packen das Seil viel früher aus wie zunächst gedacht. Unsere erste Länge am Seil führt in gemäßigten M4 Mixed-Fels-Gras-Kletterei in die große markante Höhle. Hier Stand an Cams und Sanduhren möglich. Der Fels ist in der Höhle durchaus als etwas mürbe zu bezeichnen. Zur Markierung wurde hier ein größerer Steinmann aufgestellt.
auf der Rampe vor der Höhle
auf der Rampe vor der Höhle
Stand in der Höhle
Höhlensteinmänner
Direkt unter dem Höhlendach führt ein Bändchen nach links hinaus auf einen kleinen Absatz. Hier wartet gleich die Schlüsselstelle der Tour. Direkt unter der Höhlendachkante befindet sich eine Sanduhr an welcher man sich mit dem Gerät Hookend ausgesetzt ganz nach außen lassen muss um nach einer kurzen Traverse anschließend im brüchigen glatten und haltlosen Fels ein paar Meter nach oben zu klettern (M6) danach ca. 20 Meter leichter (M2-3) bevor gegen Ende der Seillänge nochmal eine anspruchsvolle Passage wartet. In einer von links zu erreichenden gelben Verschneidung geht es einige Meter steil empor (M6-). Am Ende dieser Seillänge wurde Stand an zwei Normalhaken bezogen.
Traverse am Höhlendach
Traverse am Höhlendach
Traverse am Höhlendach
Blick auf die zweite schwere Wandstufe dieser Seillänge
kurz vor der schweren gelben Verschneidung
Blick vom Stand bis zum Eisfall
Vom Stand folgten ca. 60-70 m im 35° Schneerinnengelände bis an den Fuß der schon vom Tal aus sichtbaren Eisstufe.
in der Schneerinne vor dem Eisfall
Die Eisstufe bot insbesondere auf den ersten Meter aufgrund von erstaunlich schlechtem, dünnem und morschem Eis anspruchsvolle Eiskletterei. Sollte auf diesen ersten Metern das Eis gänzlich fehlen kommt zur angegebene WI 5- sicher noch eine M5-6 hinzu. Jürgen zieht souverän nach oben! Nach 25 m steiler Kletterei legt sich die Eisstufe deutlich zurück und läuft noch 10-15 m im WI 3 Gelände aus. Herrlich, eine Eisstufe mitten in so einer Wand. Nach dem Eis folgten weitere 20 m im Schneegelände bis zu einer großen Gufel/Höhle. Hier konnte Jürgen sogar an kleinen Eispilzen Stand mit Eisschrauben beziehen.
anspruchsvoller Beginn
die Eisstufe mitten in der Wand
die Eisstufe mitten in der Wand
gegen Ende noch 10-15 m WI3
Nach der Eisstufe folgte der deutlich geneigtere Mittelteil. Das Seil wurde aufgeschossen und wir klettern gleichzeitig weiter. Unter dem grundlosen Schnee lagen doch oftmals glatte Platten so dass trotz geneigtem Gelände Obacht gegeben werden musste. Bei Trittschnee sicher deutlich einfacher und genüsslicher. Eine logische Rinne führt direkt auf den als Orientierungspunkt dienenden markanten gelben steilen Wandbereich.
im geneigten Mittelteil (M2-M3)
im geneigten Mittelteil (M2-M3)
immer wieder haben wir uns auch gegenseitig…
… ganz ordentlich geduscht
im geneigten Mittelteil (M2-M3)
Den markanten gelben Wandbereich haben wir direkt am rechten Rand umklettert. An dieser Wandstufe eine Seillänge M5.
M5 Wandstufe
Nach dieser Wandstufe auf markanter Rampe im Schneegelände wieder etwas nach links oben Wühlen bis an den Beginn der nächsten Wandstufe welche in die schon sichtbare letzte schwere Wandstufe zieht. Vom Ende der Rampe in einem kleinen Kessel eine Seillänge M5-.
M5- Wandstufe
zwischendurch immer mal wieder tiefe Wühlerei
Die folgende Seillänge ist zum einen wunderschön und führt unter zwei riesigen Felstoren hindurch wartet zum anderen aber auch mit einer Megaglatten ausgewaschenen anspruchsvollen Passage im M6- Bereich. Danach führt eine Rampe nach rechts hinaus direkt an die Pfeilerkante des obersten Abschnitts.
am Beginn der M6- Passage
bizarre Felsformationen
die letzten Züge der M6- Passage
Stand direkt an der Pfeilerkante
Vom Stand an der Pfeilerkante hat man auch erstmals einen guten Blick auf die Ausstiegsseillängen des „Midwinter Gully“. Insbesondere wer über diese Tour abseilen will und sie aber nicht kennt sollte sich hier alles gut einprägen und am besten folgendes Bild zur Hand haben. Das Bild zeigt grob den obersten Abseilstand an der Gratkante (roter Pfeil) und die weiteren Standplätze der Gipfelwand. Mit zwei 60 m Seilen reicht für die Gipfelwand zweimaliges abseilen, man muss also nur jeden zweiten der eingezeichneten Stände (gelbe Punkte) hernehmen.
Direkt oberhalb vom Stand folgte noch eine ganz kurze M4 Stelle. Danach immer auf dem Pfeiler entlang zum nahegelegenen Gipfel (M1-2). Nach 6, 5 h Kletterzeit steigen wir in der Sonne aus und freuen uns über „Sterne und Stürme“.
Blick zur „Midwinter Gully“ Gipfelwand
die letzten Meter am Pfeiler
on Top
Wer Variante a) der beschriebenen Abstiegsvarianten wählt und wie wir übers “Midwinter Gully” abseilen will steigt zunächst dem Grat entlang nach Westen. Ein markanter Grataufschwung wird südseitig umgangen.
Blick auf den Geierköpfe Haupt-(rechts) und Westgipfel
Den Gratturm südseitig umgehen und zum ersten Abseilstand an der Gratkante (roter Pfeil)
Jürgen zeigt auf den sehr schwer zu findenden und meist eingeschneiten Stand nach der 6. SL des „Midwinter Gully“.
Abseilen übers “Midwinter Gully”
Viele Grüße
Florian, Jürgen und Tobias