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Piz Palü - Bumillerpfeiler (V+, 55°, 900 mH) 21.06.2014
#1
Schon länger schwärmte mir Jürgen von der Bernina vor und mei den „Bumiller“ müsste man halt unbedingt mal machen. Im Gegensatz zu ihm war ich bisher tatsächlich kein einziges Mal zum Bergsteigen im „Festsaal der Alpen“ gewesen. Da dies eigentlich kein tragbarer Zustand ist benötigte es keine großen Überredungskünste und wir fuhren zu dritt mit Florian in die Bernina. Um es gleich mal vorweg zu nehmen es wurde eine grandiose Unternehmung. Es hat einfach alles gepasst, Verhältnisse, Wetter, Tourenpartner und nicht zuletzt der geniale und wunderschöne Bumillerpfeiler selbst. Genüsslich kletterten wir in der Morgensonne den Pfeiler empor, standen nach 5½ h am Gipfel und kamen aus dem Juchzen gar nicht mehr heraus. Im Nachhinein war dies wie der
Hörnligrat am Matterhorn
zusammen mit Nina eine meiner bisher schönsten Hochtouren.

    Piz Palü von der Diavolezza

Der Bumillerpfeiler ist aufgrund seiner objektiven Gefahren im Einstiegsbereich leider sehr in Verruf geraten. Auf die komischen Direkt-Einstiegsvarianten im Fels links des Pfeilers hatten wir aber überhaupt keine Lust und somit war schon im Vorfeld klar wir wollen trotzdem rechts gehen und wir versuchen gute Verhältnisse abzupassen. Mit einer Nullgradgrenze von deutlich unter 4000m, eingeschneiten Spalten und schönem Frühjahrs Trittfirn war dies nun gegeben. Natürlich ist bei solchen Seracs und Gletscherbrüchen die reine Temperatur nicht unbedingt das Maß aller Dinge aber Mental tut es schon gut wenn man weiß es ist wenigsten kalt.

Durch den westlichen Hängegletscher ist eine nicht unerhebliche Eisschlaggefahr auf die Einstiegsrinne natürlich definitiv gegeben aber man muss glaub die Kirche schon auch manchmal im Dorf lassen. Zumal man idealerweise relativ früh ganz nach links an die Felsen steigt und somit aus der Eisschlagzone wieder draußen ist. Vom Betreten der Rinne bis wir wieder draußen ganz links an den Felsen waren hat es gerademal 18 Minuten gedauert! Ursprünglich war geplant wir gehen ohne Seil und jeder geht sein eigenes Tempo voll durch, da uns aber die Spalten doch nicht ganz Geheuer waren blieben wir am Seil.

    Piz Palü – Bumillerpfeiler, der zentrale Felsteil und der obere Eisteil

Am Vorabend fahren wir ganz gemütlich mit der Diavolezzabahn rauf und gehen noch 20 min bis wir unser Zelt aufschlagen. An Essen und Trinken mangelt es heute mal nicht und die Rucksäcke sind bei dieser Seilbahn Nähe nicht nur mit Ausrüstung voll. Um 03:00 Uhr klingelt der Wecker und gegen 03:30 Uhr sind wir auf den Beinen. Nach einer guten Stunde über die Weiten des Pers-Gletschers sind wir am Fuße des Bumillerpfeilers. Zwei weitere Seilschaften nutzen auch die Gunst der Stunde und sind bereits vor Ort. Allerdings sind beide Seilschaften links in den Felsen, bzw. in einer nach rechts ziehenden steilen leicht kombinierten Schneelinie unterwegs. Im Dunkeln wissen wir jedoch nicht so recht was sie vorhaben (Direktvariante oder doch nicht?). Wir bleiben bei unserem Plan, machen uns fertig und gehen kurz vor 05:00 Uhr nach rechts in die klassische Einstiegsrinne. Im Nachhinein haben wir erkannt, dass beide Seilschaften eine elegante Linie gewählt haben welche den unteren objektiv gefährdeten Einstiegsrinnenbereich umgeht. Nachdem wir aus der Rinne wieder nach links raus an die Felsen sind haben wir sie wieder getroffen. Eine Seilschaft hatten wir dabei überholt.

    die Einstiegsrinne unter dem westlichen Hängegletscher
    nun nach links raus an die Felsen
    nun nach links raus an die Felsen

Nun geht es in technisch einfachem Schnee/Eisgelände einem Firngrat entlang dem zentralen Felsteil entgegen. Ein wunderschöner Sonnenaufgang lässt die Vorfreude auf den Felsteil des Bumillerpfeiler steigen.

   

Die weitere Seilschaft ist bereits am Beginn des Felsteils und lässt uns als wir dort ankommen freundlicherweise gleich vorbei. Direkt am höchsten Punkt des Firngrates geht es in den zentralen Felsteil des Bumillerpfeiler. In drei längeren Seillängen (45-50m) geht es unter den markanten gelben Gratzacken. Die Felsen sind noch nicht gänzlich schneefrei und wir klettern alles mit Steigeisen. Die entscheidenden Stellen sind jedoch trocken und schneefrei. Insbesondere in der 3. SL muss an einem markanten Überhänglein mit weißer Schlinge kurz kräftig zugepackt werden. Super Fels überall!!!

    1. SL (ca. IV+)
    1. SL (ca. IV+)
    2. SL (ca. IV/ kurz V)
    2. SL (ca. IV/ kurz V)
    2. SL (ca. IV/ kurz V)
    die dritte Seilschaft kommt dem Firngrat entlang
    3. SL - Jürgen am „Überhang“ unter dem gelben Gratzacken
    3.SL – Ausstieg aus dem „Überhang“

Nun geht es in einer Linksquerung unter dem gelben Gratzacken hindurch. Die beste Linie ist nicht ganz offensichtlich und es gibt mehrere Möglichkeiten. Mehrere Haken in verschiedenen Bereichen erleichtern das Finden der Ideallinie auch nicht unbedingt. Sicher alles auch verhältnisabhängig aber tendenziell würde ich die Querung nicht zu hoch ansetzen. Nicht von den diversen Haken weiter oben verführen lassen! Nach dieser Linksquerung erreicht man kurz etwas flacheres Gelände, bevor man in ca. 2 Seillängen direkt an die Gratkante bei einem markanten Einschnitt hochsteigt, die Gratkante selbst aber noch nicht besteigt.

    Linksquerung unter dem gelben Gratzacken
    Linksquerung unter dem gelben Gratzacken
    unterwegs Richtung Gratkante
    unterwegs Richtung Gratkante
    unterwegs Richtung Gratkante
    unterwegs Richtung Gratkante

In einer weiteren Seillänge und zwei schwierigeren Einzelstellen (ca. V-) steigt man direkt auf die Gratkante. Ihr folgt man in zwei längeren aber einfachen Seillängen bis unter die „Eisnase“ und somit an den Beginn des oberen Eisteils.

    Hochgenuss am Bumillerpfeiler
    Hochgenuss am Bumillerpfeiler
    Hochgenuss am Bumillerpfeiler
    gleich an der Eisnase
    gleich an der Eisnase
    Hochgenuss am Bumillerpfeiler

Beim Blick nach rechts sieht man nun welche Mächtigkeit die Eisabbrüche des westlichen Hängegletschers haben. Beim Blick nach rechts dagegen sehen wir gerade zwei Bergsteiger wie sie über die schöne Firnschneide des obersten Ostpfeilers dem Gipfel entgegensteigen.

    die Eisabbrüche des westlichen Hängegletschers
    die Eisabbrüche des westlichen Hängegletschers
    zwei Bergsteiger am obersten Ostpfeiler

Für uns folgt nun der Bereich der ehemaligen Eisnase. War hier in früheren Jahren je nach Verhältnisse mit ernsthaftem Eisklettern zu rechnen, ist die Nase heute fast nicht mehr existent und weggebrochen. Wir legen das Seil ab und pickeln gemütlich im 55° Gelände links vorbei.
    kurz unter der “Eisnase”
    links an der “Eisnase” vorbei
    links an der “Eisnase” vorbei

Zum Gipfel hin wird es dann bald wieder deutlich flacher. Die Spalten werden aber wieder mehr und wir legen das Seil wieder an. Nach 5 ½ h Kletterzeit ab Pers-Gletscher erreichen wir gegen 10:30 Uhr den höchsten Punkt des Piz Palü (3900 m) und freuen uns über die super Tour und den tollen Bumillerpfeiler.

    kurz vor dem Gipfel
    Übergang zum Ostgipfel
    die nachfolgende Seilschaft im obersten Felsteil kurz vor der „Eisnase“
   

Der weitere Abstieg über die Palü-Normalweg-Autobahn ist bald geschafft auch wenn die Sonne schon ganz gewaltig auf den Gletscher brennt und die Temperaturen ansteigen lässt.

    Abstieg am Palü Normalweg

Das Zelt und alles wird verpackt bzw. in Jürgens Expeditions-Tasche gepackt
Wink
und wenig später sitzen wir auf der Diavolezza und genießen das erste Bierchen.

    am Zeltplatz
    das Bier ruft
    Diavolezza
   
    Piz Bernina
   



Piz Palü (3900 m) - „Bumillerpfeiler“:
- 1. Begehung: Hans Bumiller, Martin Schocher, Johann Gross und Christian Schnitzler 01. September 1887 (!!!)
- 1. Winterbegehung: Piero Nava, Angelo Pizzoccolo und Vasco Taldo 26. Januar 1964


unsere Material (nur Kletterausrüstung):
- 50 m Einfachseil
- Steigeisen und zwei Eisgeräte pro Person
- 4 lange (120cm) und 3 (60cm) kurze Bandschlingen
- 5 Expressschlingen
- 4 Normalkarabiner
- 5 Cams 0.3, 0.4, 0.5, 0.75 und 1
- kleines Keilset (nur kleine Größen)
- 5 Normalhaken, unterschiedliche Ausführungen (wurden jedoch nicht benutzt)
- 4 Eisschrauben
- das übliche persönliche Standplatzmaterial aus Schraubkarabinern und Sicherungsgerät


Literatur:
Hochtouren Ostalpen, 100 Fels- und Eistouren zwischen Bernina und Tauern
3. Auflage 2008
Bergverlag Rother
Edwin Schmitt, Wolfgang Pusch

SAC Clubführer Bündner Alpen 5
6. Auflage 2007
Pierino Giuliani

Eine gute Beschreibung, mit Wandbild und Seillängenbeschreibung aus dem Netz findet sich
hier.




Landkarten:
1:25000 SAC Karte 1277, Piz Bernina


Viele Grüße
Jürgen, Florian und Tobias
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