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Hochvogel - Ostnordostgrat (IV, 1500 m, 550 mH), Allgäuer Alpen 01.11.13
#1
„Ein formschöner Gipfel – unter den Allgäuer Bergen wohl der ausgeprägteste, wenn auch längst nicht der höchste – mit außergewöhnlich brüchigem Fels.“

„Der 1,5 km lange, anfangs mit Latschen bewachsene ONO-Grat ist schon mehrfach überklettert worden … Wegen großer Brüchigkeit sehr selten begangen“

„Eingehende Routenschilderung erübrigt sich, da die Beibehaltung der Gratlinie den schönsten Aufstieg darstellt und ein Ausweichen in die Flanken wegen der maßlosen Brüchigkeit des Gesteins nicht ratsam ist!“


aus: AV-Führer Allgäuer Alpen. Seibert/Groth


Dieser äußerst selten begangen Ostnordostgart auf den markanten Allgäuer Hochvogel (2592 m) ist eine absolute Liebhabertour solcher alpiner bergsteigerischer Unternehmungen. Eine gewisse Resolutheit gegenüber Bruchgelände und ein gewisses Maß an Fatalismus für die Abseilstellen können hier sicher nicht schaden. Trotzdem empfanden wir alles nicht ganz so dramatisch wie es nach der Beschreibungen im AV-Führer zu vermuten war. Das Seil kam nur an den beiden fast obligatorischen Abseilstellen aus dem Rucksack.

Wer vom Fuchsensattel (2039 m) aus dem gesamten Ostnordostgart angeht der hat 550 Meter Höhendifferenz und satte 1,5 km Gratlänge vor sich. Wer hier also mit sichern anfangen will sollte viel Zeit einplanen. Ungefähr in der Mitte des Grates liegt die sogenannte „Mutte“ (P. 2259 m). Diesen Geländepunkt kann man auch von Südosten aus erreichen. Wer dies macht umgeht zwar den anspruchsvolleren aber eben auch interessantesten und wilden Teil des Grates. Das folgende Bild zeigt den noch winterlichen Hochvogel (April 2009) und seinen Ostnordostgrat in voller Länge vom Ponten aus. Der rote Pfeil markiert den Einstieg am Fuchsensattel.

    Hochvogel – Ostnordostgrat / Einstieg am Fuchsensattel (roter Pfeil) / aufgenommen im April 2009
    Hochvogel von Süden beim Aufstieg von Hinterhornbach

Der Hochvogel Ostnordostgrat geisterte aufgrund seiner schönen und ausgeprägten Linie zwar schon länger irgendwo auf meiner ToDo Liste herum nur eben auch nicht ganz oben. Da ich diesen Sommer das Allgäu auf vielen Fahrten in die Dolomiten oder sonst wo hin in den Alpen meist rechts oder links liegen ließ war nun die Begeisterung umso größer mal wieder ins geliebte Allgäu zu fahren. Jürgen war nicht lange zu überreden und ganz kurzfristig nach durchzechter Nacht kam noch Florian hinzu.

    Im Zustieg zum Fuchsensattel
    im Fuchsensattel / hinten die Urbeleskar- und Bretterspitze

Von Hinterhornbach (1101 m) geht es über die Schwabegghütten in 1h 20 min hinauf zum Fuchsensattel (2039 m). Vom Sattel über steilere Grashänge empor auf den ersten von vielen Graterhebungen. Von hier hat man einen schönen Blick auf den weiteren Gratverlauf. Bis zur ersten Abseilstelle folgt der erste Kontakt mit brüchigem Fels und Latschendickicht.

    Hochvogel Ostnordostgrat gesehen von der ersten Graterhebung
   
    unterwegs im Latschendickicht

Diese erste Abseilstelle (20 m) besteht aus einem einzigen Normalhaken. Dieser wird aber ideal belastete und ist somit schon vertretbar. Die Hintersicherung an einem größeren aber losen Block wurde vom letzten wieder mitgenommen. Das Seil wird an der Abbruchkante fast 90° umgelenkt. Es empfiehlt sich auf der anderen Seite wieder fast bis auf Höhe der Abseilstelle hochzuklettern um das Seil abzuziehen.

    die erste Abseilstelle
    die erste Abseilstelle
    die erste Abseilstelle

Es folgt ein flacheres Gratstück mit Latschen, Bruchpassagen und Gehgelände bis zur zweiten Abseilstelle.

    im Laufschritt durch die Latschen
    die zweite Abseilstelle

Die zweite Abseilstelle befindet sich in Aufstiegsrichtung relativ weit rechts vor dem sich in den Weg stellenden großen Grateinschnitt. Diese Abseilstelle besteht nun immerhin schon aus zwei Normalhaken. Wer hier nun nur ein 50 m oder 60 m Einfachseil dabei hat den erwartet eine der interessantesten Einzelstellen am Grat:
Ich seile mich als erster ab und schon bald ist zu erkennen, dass die Seilenden irgendwo in der Luft enden. Auf einer schmalen Leiste ca. 5m über dem Boden halte ich mich in der Wand und schaue recht dumm aus der Wäsche. Tja, da fehlen wohl ein paar Meter. Bis ich diverse Umgehungs-Abklettervarianten geprüft habe und für ausgeschlossen halte kommt Jürgen daher und schaut genauso verdutzt. Als erster habe wohl ich die A…karte gezogen. Da hilft alles beten nichts, gut 1,5 Meter kann ich noch abklettern aber dann hilft nur springen! Nach gut 3,5 m lande ich auf dem Absatz und steche im Geröll ein. „Tutto Bene, ich bin unten Jürgen
Wink
“. Jürgens Sprung kann ich dann immerhin ein bisschen von unten abfangen. Die zweifelsohne eleganteste Form konnte in dem Fall aber Florian in Anspruch nehmen und der gute alte Steigbaum kam zu ehren. Jürgen stellte sich mit seinen 1,90 m an den Abbruch, Florian kletterte an kleinsten Griffen noch einen Meter weiter ab wie wir und konnte bis auf Jürgens Schultern steigen und später sogar sitzen. Der Spaß kam bei dieser Aktion trotz ernstem Hintergrund selbstverständlich nicht zu kurz… 

    die zweite Abseilstelle
    da fehlen wohl ein paar Meter…
    3,5 m Sprung oder Steigbaum
    der gute alte Steigbaum kam zu Ehren
    eine Riesengaudi diese Aktion

Nach dieser Abseil-Steigbaum-Aktion kommt vom Gelände her eine der unangenehmsten Passagen des Grates. Es gilt irgendwie den noch etwas tiefer gelegenen tiefsten Einschnitt zu erreichen. Auf dem direkten Weg wäre das Gelände steil, ausgesetzt und katastrophal brüchig. Wir entscheiden uns durch eine brüchige Rinne 40 m nach Süden abzuklettern und zum tiefsten Einschnitt wieder einige Meter aufzusteigen. Von der Scharte geht es zur Abwechslung mal in gutem Fels über eine gestufte Wand wieder zurück auf die Gratschneide. Ab hier liegt dann der wildeste Teil des Grates hinter einem, es geht deutlich gemäßigter weiter und man kann Gas geben.

   
    noch ist es ein gutes Stückchen
    zwingend zu kletternde Kaminstelle
Wink


Nach der „Mutte“ (P. 2259 m) folgt noch ein weiter markanter Gratturm. Von diesem entweder Abseilen (Schlingen vorhanden) oder problemlos (ca. III) abklettern.

    abklettern vom Gratturm nach der „Mutte“ (P. 2259 m)

Als nächster Orientierungspunkt folgt die Hochvogel Ostschulter (P. 2474 m). Diese entweder direkt überklettern oder auf Bändern südlich umgehen. Der Schnee nahm nun zwar deutlich zu stellte aber nirgends ein Problem dar.

   
   
   
    die letzten Meter

Nach gut 2,5 h am Hochvogel Ostnordostgrat und ca. 4 h nach dem Aufbruch in Hinterhornbach ist der Gipfel des Hochvogel (2592 m) erreicht. Einfach immer wieder schön hier oben. Der Abstieg erfolgte dann über den Bäumenheimerweg zurück nach Hinterhornbach.

    Blick vom Gipfel bis zum Einstieg am Fuchsensattel (roter Pfeil)
    Hochvogel (2592 m)
    Hochvogel (2592 m)


Hochvogel (2592 m) – Ostnordostgrat:
- EB: Unbekannt
- 1. Winterbegehung Georg Maier und Hannes Niederberger 22.-24. Februar 1963
- Schwierigkeit: Wenige Stellen IV (je nach Routenwahl auch umgehbar). Überwiegend II mit Stellen III. Vielfach Gehgelände diverser Kategorien (Schrofen, Schutt, Bruch, Latschendickicht)
- Felsqualität: Oftmals brüchiger bis richtig brüchiger Fels. Lange aber nicht überall und auch keineswegs so dramatisch wie im AV-Führer beschrieben. Vielfach klassisches Allgäuer IIer Schrofengelände.
- Absicherung: Lediglich an den beiden fast obligatorischen Abseilstellen Normalhaken vorhanden. An der ersten Abseilstelle 1 Normalhaken an der zweiten Abseilstelle zwei Normalhaken. Diese drei Haken sind recht passabel sollten aber bei künftigen Begehung dennoch kritisch geprüft werden. Ansonsten keinerlei weitere Haken am Grat gesehen.
- Kletterlänge: 1500 m (!)
- Höhendifferenz: 550 mH an Fuchsensattel
- Kletterzeit: 5-8 h (laut AV-Führer)


Materialempfehlung:
- 40 m Doppelseil. Mit entsprechendem Sportsgeist und bei Inkaufnahme eines 3,5 m Sprung reicht auch ein 60 m Einfachseil
- Hammer und Haken sollten für die Abseilmanöver zu mindestens im Rucksack dabei sein.
- Das restliche Material hängt natürlich stark vom angestrebten Begehungsstil ab. Wer hier sichern will sollte viele Bandschlingen und vor allem viel Zeit im Gepäck haben.


Kletterführer / Topos:

AV-Führer Allgäuer Alpen
15. Auflage 1997
Bergverlag Rudolf Rother
Dieter Seibert / Hein Groth

Bericht mit guter Beschreibung zu einigen Details am Grat findet sich hier:
http://www.bergtour.ch/gipfelbuch/detail/id/61602


Landkarte:
AV Karte Nr. 2/2
Allgäuer-Lechtaler Alpen Ost
1:25000


Viele Grüße
Jürgen, Florian und Tobias
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