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Himmelhorn-Südwand (VI A2 oder IX-/IX, 60.Begehung), Allgäu 01.11.11
#1
Die Himmelhorn Südwand ist einer der ganz großen Extremklassiker des Allgäus. Nach achttägigen Vorarbeiten konnten M. Tauscher und W. Teufele mit dieser Erstbegehung im Juli 1958 das letzte wirklich bedeutende Wandproblem des Allgäus lösen. Das absolute Herzstück der Route ist der beeindruckende und imposante große Überhang in der 3.SL, welcher mit seinen 8m Ausladung der größte seiner Art im Allgäu ist. Schon der „Zustieg“ über den gesamten unteren Steilgrasteil (bis 70°) des berühmt, berüchtigten Rädlergrat und die anschließende Steilgras Querung zur Südwand, ist eine Tour für sich. Das wir 63 Jahre nach der Erstbegehung gerade mal die 60.Begehung waren zeigt was hier gespielt wird und wie selten Touren dieser Art gemacht werden.

Beim Blättern durch das gut erhaltene Original-Wandbuch, welches sich liest wie das „Who is Who“ der Allgäuer Nachkriegs-Klettergeschichte, wird aber auch deutlich wie selten sich jemand in den letzten Jahren in diese Tour verirrt. In den letzten 10 Jahren gerademal 5 Begehungen, von 2005-2011 sogar keine einzige Begehung! Die ersten 25 Begehungen dagegen erfolgten in den ersten 10 Jahren!

Es handelt sich um durchgehend anspruchsvolle Frei- und Hakenkletterei. Sollten im Überhang Haken fehlen durchaus A3 möglich. Selten richtig guter Fels!!! Die Schlüsselseillänge in der Gipfelwand des Rädlergrat weißt im Vergleich dazu deutlich besseren Fels auf. Die Rinne vor dem großen Überhang ist meist nass, oft sogar wasserführend und brüchig - insgesamt heikel. An den Standplätzen und an der Dachkante des großen Überhangs stecken Bohrhaken seit der ersten Alleinbegehung 1997 durch Matthias Robl (teils aber Stichtbohrhaken). Dies beruhigt die Nerven in diesem Gelände deutlich und zu mindestens die Seilschaftssturzgefahr dürfte auszuschließen sein. Trotz guter Stände ist aber beim Klettern in allen Längen der Duft von Abenteuer auf jedem Meter deutlich spürbar.

    Himmelhorn – Südwand und Rädlergrat
    Himmelhorn – Südwand Routenverlauf

Ein weiterer Meilenstein (Meilensteine siehe ganz unten im Beitrag) in der Geschichte der Himmelhorn Südwand ist dieses Jahr im April 2011 dem jungen Oberstdorfer Max Dünßer gelungen. Er konnte die erste Rotpunktbegehung für sich verbuchen und bewertete den großen Überhang mit IX-/IX !!! Zwei vorhandene Bohrhaken als Zwischensicherung verbessern die Absicherungssituation des Überhangs deutlich. Insgesamt machten die vielen alten Normalhaken der ganzen Tour zwar meist einen passablen Eindruck, insbesondere auch die originalen holzverdübelten Haken, trotzdem sind gerade diese holzverdübelten Haken auf Dauer sehr kritisch zu betrachten. Auch die Felsqualität sorgt immer dafür dass einem nicht langweilig wird. Ein Rückzug nach oder im Überhang ist nicht ganz unmöglich aber doch sehr schwer, zumal das mindestens genauso große Problem erst am Wandfuß wartet: der gesamte untere Steilgrasteil des Rädlergrat.

    Himmelhorn – Südwand Routenverlauf

Ist es mir bisher beim Gedanken an die Himmelhorn - Südwand zwar eher etwas Unwohl geworden so war es gleichzeitig schon länger ein kleiner Traum. Zuviel habe ich schon von meinen Freunden A. Sichler (45.Begehung 1994 mit M. Robl) und A. Glaser (55.Begehung 1999) über diese Tour gehört. Nach den zwei Begehungen des Rädlergrat 2010 und 2011 und vielen Dolomiten- und anderen Alpinseillängen, sowie mehrerer technischer Passagen diesen Sommer war die Zeit nun gekommen. Die Eintrittskarte in die Himmelhorn - Südwand Arena war gelöst.

Nach dem Bayrischen Traum an der Schüsselkarspitze am Samstag, war es am Dienstag an Allerheiligen endlich soweit und zusammen mit Ebe ging es frühmorgens mit dem Rad von Oberstdorf ins Oytal. Nach mehreren Telefonaten und einigen anderen zur Diskussion stehenden Zielen waren wir beide schließlich von dieser Tour überzeugt und motiviert. Ein perfekter Spätherbsttag und eine lange und stabile Schönwetterperiode im Voraus ließ uns gute und trockene Verhältnisse im Steilgras sowie im Fels erwarten. Bei -2°C ging es am Auto los. Auf dem Weg durchs Oytal wurde es noch kälter und der Boden war hart gefroren. Mit dem ersten Tageslicht waren wir am Fahrraddepot an der dritten Kehre nach dem Stuibenfall (ca. 7:00 Uhr). Schon auf den ersten steilen Metern im Steilgras aus dem Geißbachtobel heraus zeigte sich dass das Gras zum Glück nicht gefroren ist sondern „nur“ nass. Mit stabilen Schuhen und einem Eisgerät kamen wir aber flott voran, zumal auch der Weg beim dritten Mal keinerlei Probleme mehr verursacht. Trotzdem ist hier immer sehr große Vorsicht angesagt, denn ein Fehler hätte natürlich meistens fatale Folgen. Das Gras bot nicht mehr die Haltefähigkeit eines voll im Saft stehenden Sommer-Grases sondern lag welk auf dem Boden.

    im Steilgras des Rädlergrat
    im Steilgras des Rädlergrat
    im Hintergrund die Höfats

Bald lag der Steilgrasteil des Rädlergrat hinter uns und man quert zunächst fast waagrecht nach rechts Richtung Südwand. Nun ist der Blick auf die Südwand völlig frei. Der große Überhang wird immer beeindruckender umso näher man kommt... Weiter diagonal unter die Wand und gegen Ende über einen kleinen Rücken zum Beginn der Kletterei. Der Einstieg befindet sich ca. 10-15 m links des großen, meist vorhandenen Wasserstreifens. Nicht zu verwechseln mit einer ca. 5m links des Wasserstreifens gelegenen seichten, glatten und geneigten Verschneidung.

    Zustieg zur Südwand
    Zustieg zur Südwand
    im Einstiegsbereich

1. SL: Nach wenigen Metern gerade hoch kommt auf der linken Seite ein einzelner Stichtbohrhaken. Von dort schräg nach rechts über gestuftes Fels-Gras Gelände. Vorbei an einem Normalhaken und nach rechts (alter Ringhaken) unter eine steile Verschneidung. Der Fels ist nicht gut und die vier, von unten nach oben geschlagenen Haken, noch schlechter. Entweder VI+/VII- oder VI- A0 durch die Verschneidung und oben nach rechts auf eine abschüssige Rampe und fünf Meter weiter zum Stand an zwei soliden Bohrhaken. Nach dieser Verschneidung ist gleich mal klar woher der Wind hier weht…

    zu Beginn der 1. SL
    1.SL

2. SL: Fast waagrechter, brüchiger Rechtsquergang (V) an zwei NH und zwei Stichthaken bis in die meist feuchte Rinne. In der Rinne, brüchig, nass und heikel an schlechten Haken empor (V+). Keine guten Möglichkeiten für Cams oder Keile. Am Ende der Rinne 5 m nach links zum Stand direkt unter dem gewaltigen Überhang an zwei soliden Bohrhaken. Sollte die Rinne wasserführen oder richtig feucht sein...Potential zum Horrortrip!

    2. SL – brüchiger Rechtsquergang
    2. SL – am Beginn der heiklen Rinne
    2. SL – am Ende der heiklen Rinne

Nun geht es also rein ins Vergnügen und der große Überhang kann kommen. Bewaffnet mit allem was wir haben starte ich in die A2 Länge.

3. SL: Eine Hakenparade (ca.12 NH und zwei Bohrhaken) leitet durch den großen Überhang bis an die Dachkante (Bohrhaken und Schlinge an 3 NH, ca. 15m bis an die Kante). Vom ersten Meter weg atemberaubend ausgesetzte technische Kletterei (A2). Oder wer es drauf hat und die nötige Kraft und Ausdauer hat auch frei ca. IX-/IX. Nach der Dachkante folgen noch 10 m hakentechnische Kletterei an mehreren NH (A1) durch leicht überhängendes Gelände bis zum Stand an zwei soliden Bohrhaken.

    3. SL (VI A2 oder IX-/IX)
    3. SL (VI A2 oder IX-/IX)
    3. SL (VI A2 oder IX-/IX) – Blick zurück

Der große Überhang der Himmelhorn Südwand sah insgesamt nach brauchbarem Fels aus. Blöd nur dass ich gerade dort den Fels nicht allzuviel in der Hand hatte ;-) Sowohl das aktuelle Panico Topo wie auch der Meineke-Führer sprechen von einem (Schlingen)Stand an der Dachkante. Da man sich durchaus gemütlichere Standplätze vorstellen kann als vogelwild an der Dachkante hängend, klettert man auf jeden Fall besser weiter. Wenn man einigermaßen auf den Seilverlauf geachtet hat und genügend Material dabei hat sollte dies kein Problem darstellen.
Der Große Überhang, das Herzstück der Himmelhorn-Südwand, liegt hinter mir und ich schicke Ebe einen kleinen Freudenschrei hinab. Als ich voll im Bohrhakenstand hängend einen Blick auf den ehemaligen Stand werfe, wird auch deutlich was hier früher los war...Zwar haben wir nun die schwerste Länge hinter uns aber langweilig wurde es mit Sicherheit noch lange nicht.


    3. SL - A1 Riss nach der Dachkante

4. SL: (VI- oder V A0 an insgesamt ca. 12-13 NH, 25m) Vom Stand nach links und in steiler Wand (einige Haken) nach oben in den kurzen Körperriss mit Buschwerk. Mal Äste, mal Steine fliegen durch den Allgäu Himmel und schlagen irgendwo im Zustieg wieder ein, Ebe räumt aus. Immer weiter der Rissverschneidung entlang zum nächsten Stand (1 BH und 3 NH) mit Wandbuch in einer kleinen Nische.

    4. SL
    4. SL
    Tiefblick auf den Stand nach der 3. SL
    4. SL

5. SL: Gleich nach dem Wandbuch folgt eine leicht überhängende A0/A1 Verschneidung (5-6 NH). Nach der technischen Verschneidung folgt leicht linkshaltend etwas leichteres Gelände bevor es wieder anzieht. Steil und etwas plattiger, aber nicht unbedingt fester, geht es an den Fuß einer weiteren Rissverschneidung. Fälschlicherweise beziehe ich dort an drei NH und zwei Cams Stand. Der eigentliche Stand (1 BH und zwei Stichtbohrhaken) wird erst nach der steilen und etwas brüchigen Rissverschneidung (V+/VI-) erreicht.

    5. SL – A0/A1 Verschneidung
    5. SL
    5. SL

6. SL: Das Ende ist zum Greifen nahe. Dass die eigentlich einfach aussehende Steilgras-Fels Rampe kein Spaziergang wird kann man sich aber beim Anblick schon denken. Der stark grasdurchsetzte Fels ist überall brüchig und gute Cams lassen sich nicht einfach legen. Nach 10 m kommt ein passabler schwarzer Profilhaken auf der rechten Begrenzungswand. Gegen Ende lässt sich so gut wie nix legen und ich schlage noch einen Haken. Solange der Fels dort zusammen hält sollte er ganz gut sein. Nach der eigentlichen Rampe folgt nur noch Steilgras. Leicht rechtshaltend wird ein Stand an drei Stichtbohrhaken auf einer kleinen Platte erreicht. Wer im Steilgras nicht leicht nach rechts klettert sondern der groben Richtung der Rampe weiterfolgt sollte 10 m oberhalb des Stichtbohrhakenstandes auf einem grasigen Absatz auf einen passablen Erdanker treffen (nun mit rosa Prusik markiert).

    6 SL – grasige Rampe
    der erwähnte Erdanker

Nach 5h Kletterzeit liegt die Himmelhorn-Südwand gegen 14:30 Uhr hinter uns, nicht aber der lange Abstieg, beziehungsweise erstmal Aufstieg aufs Himmelhorn und Weiterweg Richtung Schneck. Links grüßt schon das kleine Holzkreuz am Ausstieg der Rädlergrat-Gipfelwand und wir sind wieder in, mir vertrautem Gelände. Wie immer zieht sich der oberste Teil des Rädergrat bis zum Gipfel des Himmelhorns in die Länge und gegen 15:30 Uhr stehen wir glücklich und zufrieden auf dem Himmelhorn (2113 m).

    Ausstieg Himmelhorn Südwand
    Weiterweg zum Gipfel - oberster Teil des Rädlergrat
    Am Gipfel des Himmelhorn

Herrliche Wolken- und Abendstimmungen begleiten uns auf dem Weiterweg Richtung Schneck. Zunächst dem Gratverlauf folgen bis an den Fuß des grimmig aussehenden Aufschwungs. Es löst sich aber deutlich besser auf wie es den Anschein hat. Trotzdem ist natürlich große Vorsicht im Fels und Steilgras angeraten. Nach dem Aufschwung quert man mehr oder weniger waagrecht bis zum Normalweg auf die Schneck. Über den neuen und sehr aufwendig angelegten Weg zwischen Himmelecksattel (2007 m) und Wildenfeldhüttchen (1692 m) hinab.

    Der Weiterweg Richtung Schneck
    Rückblick zum Himmelhorn Gipfel
    Querung zum Schneck Normalweg
   
    Großer Wilder
   

Absolut beeindruckende Blicke in die Himmelhorn Südwand von der Seite sind einem im Verlauf des Abstieges in der Gegend um das Mittel Eck sicher.

    Himmelhorn Südwand von der Seite

Zwischen Wildenfeldhüttchen und Käseralp (1406 m) holte uns dann die Nacht ein. Irgendwie ein würdiger Abschluss für diese Tour. Im Schein der Stirnlampe schlendern wir durch die sternenklare Nacht zurück zu den Fahrrädern und etwas später ist das Auto in Oberstdorf (813 m) wieder erreicht.


was eine großartige Tour...



Meilensteine der Himmelhorn – Südwand (auzugsweise):
1.Begehung: Michael Tauscher und Willi Teufele - 12.Juli 1958 (nach achttägigen Vorarbeiten)
2.Begehung: Albert Kleemaier und Paul Braun - 13.Juli 1958
...
5.Begehung: Anderl Heckmair und P. Lochhard - Juli 1959

1.Winterbegehung: Edi Bußjäger und Franz Tauscher - 24. Dezember 1972
2.Winterbegehung: Toni Steurer und Matthias Robl - 09. Februar 1997

1.Damenbegehung: Harriet Burgtorf - 08. Oktober 1986
2.Damenbegehung: Silvia Müller - 16. Oktober 1988

1.Alleinbegehung: Matthias Robl – 21. August 1997

1.Rotpunktbegehung: Max Dünßer und Christoph Moswang - 20. April 2011


unser Material:
60 m Doppelseil
15 Exen (für den großen Überhang dürfen es auch mehr sein)
4 weitere Karabiner
6 lange Bandschlingen + Prusikmaterial
kompletter Satz Keile und Cams (C3 # 1 und C4 # 0,3-3)
Hammer und Haken (8 Normalhaken, ausgewogenes Sortiment)
1 Trittleiter pro Person
1 Fifi pro Person
1 Spezialkarabiner von Kong mit steifer Schlinge Flat 30 cm von Beal
1 Eisgerät pro Person

       
       

Kletterführer:

Allgäu-Kletterführer
2.Auflage 1999
Akademische Verlagsanstalt (AVA), Leipzig
Stefan Meineke

AV-Führer Allgäuer Alpen
15.Auflage 1997
Bergverlag Rudolf Rother
Dieter Seibert/Heinz Groth

Kletterführer Allgäu
6.Auflage 2010
Panico Alpinverlag


Karte:
AV-Karte 2/1 Allgäuer Alpen West
1:25000


Viele Grüße
Ebe und Tobias
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#2
Hallo Tobi und Ebe,

Gratulation zur großartigen Tour.
Da wäre ich gerne dabei gewesen.

Schöne Grüße, Jochen
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#3
Nach unserer Begehung der Himmelhorn Südwand habe ich ein Topo dieses Allgäuer-Extremklassikers gezeichnet. Dieses Topo wird auch so im neuen Panico-Allgäukletterführer enthalten sein welcher in diesen Tagen erscheint (Juli 2013).

   

Viele Grüße und viel Spaß beim Wiederholen...
Tobias
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