„.Es war eine kühne Tat, als 1908 der Wiener Bergmaler Gustav Jahn und der Bregenzer Skipionier Viktor Sohm die Eiswand zu bezwingen versuchten. Der Felspfeiler im Gipfellot, über den sie ihren Weg nahmen, wirkt von der Straße gesehen wie eine Miniaturausgabe des berüchtigten Walkerpfeilers an der Grandes Jorasses. Der Wagemut der Erstbegeher wurde belohnt…“
„Daß sie trotz direktem Ausstieg über eine „ungemein steile Firnwand direkt zur Gipfelwächte und durch diese auf die Spitze“ nur 3 Stunden benötigten, macht diese Tour zu einer ganz großen Pioniertat der Frühzeit des Alpinismus.“
„Über die Eiswand links, östlich des Pfeilerweges, […] eröffneten R. Grandi und M. Crugnola am 22. Juli 1949 mit einer Direktroute durch diese bis 60 Grad steile 500-Meter-Flanke den logischsten der Eiswege durch die Nordwand.“
aus: Erich Vanis - im steilen Eis
Nachdem Mitte/Ende Mai 2016 die sehr aktive Kaltfronten, mit teils ergiebigen Neuschneemengen im Hochgebirge, eine nach der anderen im Wochenrhythmus nur so anrauschten, war die Tourenplanung mal wieder nicht so einfach. Die angedachten Ziele in den Westalpen versanken im Neuschnee und so kam ganz spontan als Ausweichtour die Presanella Nordwand auf den Tisch. Südlich vom Brenner war bestes Wetter angesagt und vor allem sollte es dort deutlich weniger geschneit haben. So sitzen wir also am Abend nach der Arbeit im Auto und starten ins schöne Val di Sole.
Doch es hatte auch hier, wie sich herausstellte, über 30 cm Neuschnee am Vortrag gegeben. So war der Spuraufwand insbesondere am Gletscher und im unteren Teil der Wand nicht ganz unerheblich. Zusammen mit zwei Italienern, die im Winterraum des Rifugio Denza übernachtet hatten, konnten wir uns aber das Spuren zu Mindestens im Zustieg etwas aufteilen. Natürlich wollten wir wenn möglich die Nordwand auch wieder mit Ski abfahren. Nicht nur durch den Neuschnee fanden wir dafür recht brauchbare Bedingungen vor und konnten vom Gipfelkreuz weg mit Ski über die ganze Wand abfahren. Wobei man ja zur Steilabfahrt schon auch dazu sagen muss, dass die Steilheit der Presanella Nordwand inzwischen nicht mehr viel mit den in der Literatur angegeben 55° oder gar 60° zu tun hat. Ich würde die derzeitige Steilheit auf max. 50 Grad schätzen, oft eher sogar weniger.
Cima Presanella – Nordwand. Route: Grandi/Crugnola 1949
Wir starten am frühen Morgen vom hochgelegenen Ausgangspunkt “Pozzi Alti” (1848 m). Dieser Ausgangspunkt ist nur über ein sehr schmales Sträßchen mit vielen Serpentinen erreichbar. Mit den Ski am Rücken geht es zunächst dem Sommerweg folgend bis auf ca. 2150 m. Hier können wir die Ski anlegen und wenig später erreichen wir das Rifugio Denza (2298 m).
auf dem Sommerweg zum Rif. Denza wartet dieser kleine, niedrige Tunnel
Sonnenaufgang an der Presanella Nordwand
über dem grünen Val die Sole die südlichen Ortlerberge
Zwei Italiener aus dem Winterraum sind bereits vor uns und auch auf dem Weg zur Nordwand. Im steilen sehr spaltenreichen Gletschergelände des Vedretta di Presanella schließen wir auf und lösen die beiden bei der Spurarbeit ab. Ein Seil ist an diesem spaltenreicher Gletscher sicherlich ein guter Plan.
Spurarbeit im Zustieg auf dem Vedretta di Presanella
Unter der Wand werden die Ski am Rucksack montiert, die Steigeisen angelegt und los geht´s. Über den Bergschrund gehen wir noch am Seil, welches vom Gletscherzustieg eh noch angelegt ist. Gleich nach dem Bergschrund kommt es aber in den Rucksack und kann den Rest des Tages auch dort bleiben.
Nun noch eine äußerst amüsante, zum Glück gut ausgegangenen, Anekdote zu unseren italienischen Mitstreitern: Einer der beiden musste bevor es in die Wand ging noch dringend seine morgendliche Notdurft verrichten. Er deponiert seinen Rucksack geht zwei Meter in der Spur zurück und geht seinen Geschäften nach. Soweit alles im grünen Bereich und ein sicher nicht besonders unüblicher Vorgang vor dem Einsteigen in irgendwelche Touren. Wir sind gerade im Bereich des Bergschrundes schon ein paar Meter weiter oben, plötzlich fegt eine unerwartet heftige Windböhe die Wand herunter. Wenige Sekunden später schallt, nicht zu überhörendes, extrem lautes italienisches Geschrei und Gebrüll durch den Presanella Himmel. Was ist passiert? Ich drehe mich um, schaue nach unten und mir bietet sich ein Bild das ich nicht so schnell vergessen werde. Der Klogänger rennt mit nacktem Popo, die Skihose noch in den Knien, ständig halb stolpernd den Gletscher runter und seinem durch die heftige Windböhe losgerissenen Rucksack hinterher!!! Der Rucksack wurde immer schneller und zu allem Überfluss rutschte auch noch ein Ausrüstungsgegenstand nach dem anderen aus dem natürlich auch noch offenen Rucksack heraus. Nun konnte der Arme, durch seine noch zwischen den Knien befindliche Hose, nicht mehr schneller rennen und alles schien dem Abgrund entgegen zu rutschen. Plötzlich aber setzt er geistesgegenwärtig zum riesigen 3m Bergab-Hechtsprung an und rettet in allerbester Fußballtorhüter-Manier seinen Rucksack. Respekt für diesen großen Sprung! Wohlgemerkt alles mit nacktem Unterleib und bei frischem Pulverschnee! Ein Bild für Götter! Zum Glück hat er aber alle seine Gegenstände aus dem Rucksack anschließend wieder gefunden. Als wir uns im obersten Wandbereich nochmal begegneten konnte er jedenfalls sehr über seine eigene Darbietung und die eigentlich nicht so lustige Aktion lachen. Denkt also auch beim Klogang in den Bergen an eure Rucksäcke…
Alle Szenenpunkte der beschriebenen Anekdote auf einem Bild deutlich im Schnee zu erkennen: Bergschrund – Kloplatz – dem Rucksack hinterher Rennen – Hechtsprung – Suche nach den verlorenen Gegenstände
Die Verhältnisse in der Wand waren gut und ohne Probleme geht es nach oben. Im unteren und oberen Teil der Wand gab es aber ganz ordentlichen Spuraufwand zu bewältigen. Die „Engstelle“ nach ca. 2/3 Wandhöhe könnte mit zunehmender Ausaperung in den nächsten Jahren/Jahrzehnten den Charakter der Wand verändern und zur Schlüsselstelle werden, wenn es dort einen Felsrigel zu überwinden gilt. Derzeit aber noch durchgängig im Eis/Schnee zu durchstiegen. Nach knapp 1,5 h sind wir gegen 09:30 Uhr am Gipfel der Cima Presanella (3558 m).
Spuraufwand im untersten Wandteil
im Mittelteil
dem Ausstieg entgegen
am Gipfel der Cima Presanella (3558 m)
Aussicht in die Brenta
Direkt am Gipfelkreuz werden die Ski angeschnallt und wir starten in die Nordwand. Im obersten Teil der Wand noch ein kurzer Smalltalk mit den beiden Italiener über den respektablen morgendlichen Hechtsprung und weiter geht’s. Bei guten Bedingungen kommt richtig Laune auf und wir können die Steilabfahrt über die Presanella Nordwand in vollen Zügen genießen.
im obersten Teil der Wand
der “Engstelle” entgegen
im Bereich der “Engstelle”
im gutgesetzten Powder des unteren Teils
Blick zurück – gut zu erkennen, die beiden Skispuren
Nach toller Powderabfahrt (Ende Mai!) sind wir wenig später am Rifugio Denza (2298 m) und bald auch gegen 11:30 Uhr wieder am Auto am “Pozzi Alti” (1848 m).
am Rifugio Denza (2298 m)
auf dem Sommerweg zurück zum “Pozzi Alti” (1848 m)
Cima Presanella (3558 m) – Nordwand:
- 1. Begehung: Gustav Jahn und Viktor Sohm 04.08.1908 (Pfeilerweg)
- 1. Begehung: R. Grandi und M. Crugnola 22.07.1949 (heutige klassische Eiswand)
- Schwierigkeit: max. 50°
- Wandhöhe: 450 Hm
- Kletterzeit: 2-4 h (Firn- und Eis Ostalpen), 4-5 h (Vanis)
Hochtourenführer / Infos:
Firn- und Eisklettern in den Ostalpen
1. Auflage 2004
Andreas Jentzsch, Axel Jentzsch-Rabl
Alpinverlag
Im steilen Eis
80 Eiswände in den Alpen
Neuausgabe 1980
Erich Vanis
SAC-Karten:
1:25000: Tabacco Karte, 052, Adamello Presanella
Viele Grüße
Flo und Tobias
„Daß sie trotz direktem Ausstieg über eine „ungemein steile Firnwand direkt zur Gipfelwächte und durch diese auf die Spitze“ nur 3 Stunden benötigten, macht diese Tour zu einer ganz großen Pioniertat der Frühzeit des Alpinismus.“
„Über die Eiswand links, östlich des Pfeilerweges, […] eröffneten R. Grandi und M. Crugnola am 22. Juli 1949 mit einer Direktroute durch diese bis 60 Grad steile 500-Meter-Flanke den logischsten der Eiswege durch die Nordwand.“
aus: Erich Vanis - im steilen Eis
Nachdem Mitte/Ende Mai 2016 die sehr aktive Kaltfronten, mit teils ergiebigen Neuschneemengen im Hochgebirge, eine nach der anderen im Wochenrhythmus nur so anrauschten, war die Tourenplanung mal wieder nicht so einfach. Die angedachten Ziele in den Westalpen versanken im Neuschnee und so kam ganz spontan als Ausweichtour die Presanella Nordwand auf den Tisch. Südlich vom Brenner war bestes Wetter angesagt und vor allem sollte es dort deutlich weniger geschneit haben. So sitzen wir also am Abend nach der Arbeit im Auto und starten ins schöne Val di Sole.
Doch es hatte auch hier, wie sich herausstellte, über 30 cm Neuschnee am Vortrag gegeben. So war der Spuraufwand insbesondere am Gletscher und im unteren Teil der Wand nicht ganz unerheblich. Zusammen mit zwei Italienern, die im Winterraum des Rifugio Denza übernachtet hatten, konnten wir uns aber das Spuren zu Mindestens im Zustieg etwas aufteilen. Natürlich wollten wir wenn möglich die Nordwand auch wieder mit Ski abfahren. Nicht nur durch den Neuschnee fanden wir dafür recht brauchbare Bedingungen vor und konnten vom Gipfelkreuz weg mit Ski über die ganze Wand abfahren. Wobei man ja zur Steilabfahrt schon auch dazu sagen muss, dass die Steilheit der Presanella Nordwand inzwischen nicht mehr viel mit den in der Literatur angegeben 55° oder gar 60° zu tun hat. Ich würde die derzeitige Steilheit auf max. 50 Grad schätzen, oft eher sogar weniger.
Cima Presanella – Nordwand. Route: Grandi/Crugnola 1949
Wir starten am frühen Morgen vom hochgelegenen Ausgangspunkt “Pozzi Alti” (1848 m). Dieser Ausgangspunkt ist nur über ein sehr schmales Sträßchen mit vielen Serpentinen erreichbar. Mit den Ski am Rücken geht es zunächst dem Sommerweg folgend bis auf ca. 2150 m. Hier können wir die Ski anlegen und wenig später erreichen wir das Rifugio Denza (2298 m).
auf dem Sommerweg zum Rif. Denza wartet dieser kleine, niedrige Tunnel
Sonnenaufgang an der Presanella Nordwand
über dem grünen Val die Sole die südlichen Ortlerberge
Zwei Italiener aus dem Winterraum sind bereits vor uns und auch auf dem Weg zur Nordwand. Im steilen sehr spaltenreichen Gletschergelände des Vedretta di Presanella schließen wir auf und lösen die beiden bei der Spurarbeit ab. Ein Seil ist an diesem spaltenreicher Gletscher sicherlich ein guter Plan.
Spurarbeit im Zustieg auf dem Vedretta di Presanella
Unter der Wand werden die Ski am Rucksack montiert, die Steigeisen angelegt und los geht´s. Über den Bergschrund gehen wir noch am Seil, welches vom Gletscherzustieg eh noch angelegt ist. Gleich nach dem Bergschrund kommt es aber in den Rucksack und kann den Rest des Tages auch dort bleiben.
Nun noch eine äußerst amüsante, zum Glück gut ausgegangenen, Anekdote zu unseren italienischen Mitstreitern: Einer der beiden musste bevor es in die Wand ging noch dringend seine morgendliche Notdurft verrichten. Er deponiert seinen Rucksack geht zwei Meter in der Spur zurück und geht seinen Geschäften nach. Soweit alles im grünen Bereich und ein sicher nicht besonders unüblicher Vorgang vor dem Einsteigen in irgendwelche Touren. Wir sind gerade im Bereich des Bergschrundes schon ein paar Meter weiter oben, plötzlich fegt eine unerwartet heftige Windböhe die Wand herunter. Wenige Sekunden später schallt, nicht zu überhörendes, extrem lautes italienisches Geschrei und Gebrüll durch den Presanella Himmel. Was ist passiert? Ich drehe mich um, schaue nach unten und mir bietet sich ein Bild das ich nicht so schnell vergessen werde. Der Klogänger rennt mit nacktem Popo, die Skihose noch in den Knien, ständig halb stolpernd den Gletscher runter und seinem durch die heftige Windböhe losgerissenen Rucksack hinterher!!! Der Rucksack wurde immer schneller und zu allem Überfluss rutschte auch noch ein Ausrüstungsgegenstand nach dem anderen aus dem natürlich auch noch offenen Rucksack heraus. Nun konnte der Arme, durch seine noch zwischen den Knien befindliche Hose, nicht mehr schneller rennen und alles schien dem Abgrund entgegen zu rutschen. Plötzlich aber setzt er geistesgegenwärtig zum riesigen 3m Bergab-Hechtsprung an und rettet in allerbester Fußballtorhüter-Manier seinen Rucksack. Respekt für diesen großen Sprung! Wohlgemerkt alles mit nacktem Unterleib und bei frischem Pulverschnee! Ein Bild für Götter! Zum Glück hat er aber alle seine Gegenstände aus dem Rucksack anschließend wieder gefunden. Als wir uns im obersten Wandbereich nochmal begegneten konnte er jedenfalls sehr über seine eigene Darbietung und die eigentlich nicht so lustige Aktion lachen. Denkt also auch beim Klogang in den Bergen an eure Rucksäcke…
Alle Szenenpunkte der beschriebenen Anekdote auf einem Bild deutlich im Schnee zu erkennen: Bergschrund – Kloplatz – dem Rucksack hinterher Rennen – Hechtsprung – Suche nach den verlorenen Gegenstände
Die Verhältnisse in der Wand waren gut und ohne Probleme geht es nach oben. Im unteren und oberen Teil der Wand gab es aber ganz ordentlichen Spuraufwand zu bewältigen. Die „Engstelle“ nach ca. 2/3 Wandhöhe könnte mit zunehmender Ausaperung in den nächsten Jahren/Jahrzehnten den Charakter der Wand verändern und zur Schlüsselstelle werden, wenn es dort einen Felsrigel zu überwinden gilt. Derzeit aber noch durchgängig im Eis/Schnee zu durchstiegen. Nach knapp 1,5 h sind wir gegen 09:30 Uhr am Gipfel der Cima Presanella (3558 m).
Spuraufwand im untersten Wandteil
im Mittelteil
dem Ausstieg entgegen
am Gipfel der Cima Presanella (3558 m)
Aussicht in die Brenta
Direkt am Gipfelkreuz werden die Ski angeschnallt und wir starten in die Nordwand. Im obersten Teil der Wand noch ein kurzer Smalltalk mit den beiden Italiener über den respektablen morgendlichen Hechtsprung und weiter geht’s. Bei guten Bedingungen kommt richtig Laune auf und wir können die Steilabfahrt über die Presanella Nordwand in vollen Zügen genießen.
im obersten Teil der Wand
der “Engstelle” entgegen
im Bereich der “Engstelle”
im gutgesetzten Powder des unteren Teils
Blick zurück – gut zu erkennen, die beiden Skispuren
Nach toller Powderabfahrt (Ende Mai!) sind wir wenig später am Rifugio Denza (2298 m) und bald auch gegen 11:30 Uhr wieder am Auto am “Pozzi Alti” (1848 m).
am Rifugio Denza (2298 m)
auf dem Sommerweg zurück zum “Pozzi Alti” (1848 m)
Cima Presanella (3558 m) – Nordwand:
- 1. Begehung: Gustav Jahn und Viktor Sohm 04.08.1908 (Pfeilerweg)
- 1. Begehung: R. Grandi und M. Crugnola 22.07.1949 (heutige klassische Eiswand)
- Schwierigkeit: max. 50°
- Wandhöhe: 450 Hm
- Kletterzeit: 2-4 h (Firn- und Eis Ostalpen), 4-5 h (Vanis)
Hochtourenführer / Infos:
Firn- und Eisklettern in den Ostalpen
1. Auflage 2004
Andreas Jentzsch, Axel Jentzsch-Rabl
Alpinverlag
Im steilen Eis
80 Eiswände in den Alpen
Neuausgabe 1980
Erich Vanis
SAC-Karten:
1:25000: Tabacco Karte, 052, Adamello Presanella
Viele Grüße
Flo und Tobias