Dieses Forum nutzt Cookies
Dieses Forum verwendet Cookies, um deine Login-Informationen zu speichern, wenn du registriert bist, und deinen letzten Besuch, wenn du es nicht bist. Cookies sind kleine Textdokumente, die auf deinem Computer gespeichert sind; Die von diesem Forum gesetzten Cookies düfen nur auf dieser Website verwendet werden und stellen kein Sicherheitsrisiko dar. Cookies auf diesem Forum speichern auch die spezifischen Themen, die du gelesen hast und wann du zum letzten Mal gelesen hast. Bitte bestätige, ob du diese Cookies akzeptierst oder ablehnst.

Ein Cookie wird in deinem Browser unabhängig von der Wahl gespeichert, um zu verhindern, dass dir diese Frage erneut gestellt wird. Du kannst deine Cookie-Einstellungen jederzeit über den Link in der Fußzeile ändern.

Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Aggenstein Nordostwand (VI, (V+/A0), 70° Gras), 19.07.14
#1
   
Aggenstein Nordostwand mit den empfohlenen Standplätzen, Frontalansicht

   
Aggenstein Nordostwand, seitlicher Blick im Zustieg

Der Steilabbruch unterhalb des "langen Strichs" hatte mit seinen zwei ursprünglichen Alpinrouten („Nordostwand“ und „Direkte Nordostwand“) in Bekanntheitsgreisen schon immer einen berühmt-berüchtigten Ruf. "Da kommen die Alpinhämmer hoch...." sagte mir vor 18 Jahren mal ein Bergwachtausbilder als ich gar so interessiert über die Kante des langen Strichs nach unten schauen wollte. Er hätte auch sagen können: "... da wo die wilden Kerle wohnen", denn ich lernte erst gerade mit Keilen und Hammer/Haken umzugehen (damals war die komplette Aggenstein Nordseite noch nicht saniert) und wäre nicht im Traum auf die Idee gekommen in einer dieser Routen einzusteigen. An nützlichen Begehungsinfos gab das Internet in den vergangenen Jahren nicht viel her. Wenn denn überhaupt hier jemand geklettert war, dann meist weiter rechts drüben in der neueren „Morbus Flattermann“. Schon erstaunlich, bedenkt man den kurzen Zustieg von ca. 20 Minuten ab Sesselliftbergstation und den bequemen Abstieg, sowie die Tatsache dass es zu dieser Tour ja auch ein detailliertes Freudigtopo gab. Die verbale Beschreibung der Nordostwand deutete jedoch bereits an, dass die Tour graslastig und eine der ernsthaftesten Routen am Aggenstein sei. Nach einem durch Regen vereitelten Plan in 2005 dort einzusteigen war die Tour dann in den kommenden Jahren irgendwann nicht mehr ganz oben auf der Wunschliste gewesen. Viele Jahre später, als ich dann mit Freunden verschiedenste Wintertouren am Aggenstein bereits geklettert bin rückte die Linie wieder mehr in den Fokus und schien nun auch eher erreichbar zu sein. Im Zuge einer Recherche zum aktuellen Eiskletterführer: Bregenz bis Garmisch, erfuhr ich von Thomas Osterried, dass er die Tour sanft saniert hätte, er sie jedoch weiterhin nur alpin versierten Kletterern empfehlen könnte.
Tobias Bailers detaillierter Bericht zu seiner jüngsten Begehung im Juni diesen Jahres war dann der Ausschlag dort nun endlich einzusteigen (Vgl.:
http://www.rocksports.de/forum/showthread.php?tid=892
) . Nach einem Telefonat mit ihm war ich noch mit ein paar Zusatzinfos versorgt worden und über Nacht zeichnete Tobias mir sogar noch wertvolle Ergänzungen in das "veraltete" Freudigtopo ein und schickte es mir per Mail. Tausend Dank dafür.
Nach sehr bescheidener letzter Nachtschicht kam ich am Samstag erst recht spät und müde gegen 11 Uhr am Parkplatz der Breitenbergbahn an. Die Tour wird schon ausreichend Adrenalin zum Wachwerden bereithalten, so die Hoffnung. Wir wurden nicht enttäuscht!

   
Gechillt (wenn man viel zu spät dran ist macht man sich irgendwie nimmer so Stress und Andrang am Einstieg vermuteten wir auch nicht) wurde erstmal das Material sortiert und wir entschieden doch zumindest einen Eishammer (sog. Zusatzgerät, perfekt fürs Grasklettern) mitzunehmen. Tobias Beschreibung machte uns zwar hoffen aber wer ihn kennt (ich sag nur zwei Kalkkögel-Fürchte-Dich-Touren an einem Tag....) der weis auch, dass bei ihm die persönliche alpine Schmerzgrenze sehr hoch und der Anspruch an Absicherbarkeit oder Felsqualität zuweilen recht niedrig angesetzt sind. Also galt bei Harald und mir zur Sicherheit (war unser beider erster Kletterschuh-Felskontakt dieses Jahr)der Satz: "Take a full rack (or go home...)".
Mit der Bahn gings plaisirmäßig für 15 Euro ganz hinauf und ab hier in Zustiegsfaulen 20 Minuten unter die Nordostwand. Mit so wenigen Zustiegsmetern checkt man sonst nirgendwo im Allgäu in eine Mehrseillängenroute ein.
Beim Queren unter der Direkten Nordwand fand sich noch ein alter Hanfstrick und zwei ausgemoderte Holzkeile. Alpine Reliquien, die einstimmten auf die alpine Atmosphäre und einen trotz BH daran erinnerten in welcher Wand man hier unterwegs ist.
Ich nahm die erste Seillänge unter die Sohlen und fand auch bald den ersten Bolt (etwa nach 8m) der Tobias etwas ins Staunen gebracht hatte. Weiter hinauf zum ersten Stand-BH (alter Standringhaken links daneben kann bereits vom Einstieg gesehen werden) der nach etwa 18m erreicht war (III, eine Stelle IV). Ich verlängerte diesen mit mehreren Schlingen und mit einem DMM-Revolver-Karabiner und stieg gleich weiter. Vom Stand rechts eine grasige Rampe zu einem Riss empor. Diesen dankbar hinauf (IV), nen Felshaken geclippt und dann Richtung dem seit Jahren hängenden alten Fixseil. Dieses kreuzen (BH, alter Ringhaken fast direkt daneben) und dann ausgesetzt über eine plattige Felsstelle (V) hinüber zu Stand an 2 BH unterhalb eines kleinen gelben Überhangriegels. Dieser Stand ist vom Einstieg ca. 50m entfernt und konnte ohne arg viel Seilreibung gut erreicht werden. Tobias hatte mir bereits geraten hier Stand zu beziehen, da direkt oberhalb kein bequemer BH-Stand mehr kommt und auch sonst die Seilreibung unangenehm wird.
   
   
   
   
Der weitere Anstieg geht rechts in Richtung eines gelben Türmchens und davor (nicht dahinter wie es im ganz alten Freudigtopo steht) nach scharf links auf einen Absatz oberhalb des überhängenden Felsriegels. Vom Stand darunter kann bereits ein richtungsweisender BH gesehen werden. Eine etwas weiter links hängende neuere Schlinge an einem Doppelfelshaken stellt also entweder einen Verhauer oder eine umständliche und schwere Variante dar. Harald stieg die zweite Länge und musste bereits den ersten BH ordentlich anklettern. Gut gesichert durch diesen kam nun die erste schöne VIer-Stelle beim Ausstieg nach links auf ein Band oberhalb des kleinen Überhangfelsriegels. An einem Felshaken unmittelbar nach dem BH kann theoretisch die Stelle V/A0 geklettert werden. Etwas weiter links steckte dann ein Fixkeil und ein Felshaken. Vermutlich war hier früher der definierte Standplatz und hier bezogen auch unsere Vorgänger Stand. An einem Riss (ca. 70cm oberhalb links des Fixkeils) könnte hier zusätzlich ein 0,75er Cam bei Bedarf gelegt werden und somit auch der alte Stand etwas ausgebaut werden. Vom Fixkeil geht's schwer rechts hinauf auf eine Platte (V) mit BH und dann nach rechts auf eine grasige Rampe (vgl Foto). Auf dieser Rampe muss fast zwingend mit den Füssen/Kletterschuhen im Gras angetreten werden. Dies geht Dank Mulden und Vertiefungen zwar ganz gut, auf eine ausreichende Trockenperiode vor dem Wandeinstieg sollte daher aber geachtet werden. Im Fels oberhalb stecken 2 weitere BH. Mit den Händen kann teilweise im Gras, teilweise im Fels geklettert werden. Harald erfreute sich im Vorstiegs unseres Eishammers und trug diesen hier nicht nur am Gurt spazieren. Auf der Rampe (ca. 50-60 Grad) kann im Fels 1x ein guter Cam gelegt werden. Zuletzt wird die Grasrampe zunehmend schmaler und es geht dann etwas moralisch (kurze Felsstelle mit jedoch guten Tritten, etwa IV) nach rechts heraus zum Stand an 2 BH. Im Nachstieg konnte ich Haralds Vorstiegsleistung unten würdigen und auf der Rampe genießen. Diese Seillänge war ca. 52m lang und damit die große grasige, nach links emporziehende Diagonale in Wandmitte erreicht. Zukünftige Wiederholer sollten in dieser Länge darauf achten die Absicherungspunkte entsprechend mit Schlingen zu verlängern und in Doppelseiltechnik zu klettern um den Seilzug wegen dem Zickzackverlauf nicht zu hoch werden zu lassen.
   
   
   
In unserer 3.Länge fand ich dank einem Tipp von Tobias etwa 5m oberhalb des Standes einen im Gras versteckten Felshaken (bis hierher III-IV). Dieser wackelte zwar etwas tat aber der Psyche ganz gut, denn der wenige Fels zwischen dem Gras war hier nicht besonders fest und das Gras selbst extrem steil (ca. 70 Grad). Vom Felshaken querte ich daher nach rechts in wieder felsigeres Gelände und war damit direkt auf einer Rampe angelangt. Nach wenigen, nun wieder dankbarer und leichter zu kletternden Metern erreichte ich sogar einen BH (oder wars ein guter NH?). Wenige Meter darüber in noch flacherem Gelände kam rechts ein alter Stand mit Schlingen- und Reepschnurmaterial (2 Felshaken, Platz für weitere Placements/Felshaken). Dieser alte Stand dürfte in etwa 20m oberhalb des darunter liegenden BH-Standes sein. Aufgrund der Länge des ansteigenden Linksquergangs bzw. Rampe wäre ein Zwischenstand hier zu überlegen. Von diesem Zwischenstand dürfte in etwas weniger als 60m dann der BH-Stand vor dem langen Rechtsquergang erreicht werden können.
Ich kletterte jedoch wie Tobias und Christoph zuvor weiter. Vom Schlingenzwischenstand geht es eine Rampe hinauf (IV). Einen zuvor mit der bloßen Hand gezogenen Normalhaken konnte ich auf dieser sinnvoll und solide wieder einschlagen. Ca. 1m darüber steckt ein weiterer Felshaken. Dadurch gut gesichert ging es nun feingriffig und auf schmalen Tritten über eine Platte (V-) und dann flacher nach links über ein grasiges Band, später kleine Rinne (III+). Hier ließ sich nochmal gut ein Cam legen und dadurch dass das Seil in der Grasrinne zw. Fels und Fels verlief entstand zusätzlich eine vertrauenserweckende Sicherung. Am Ende 1m abklettern und man trifft wieder auf eine breitere Grasrampe. Noch wenige Meter unschwierig empor zu einem bequemen Absatz mit einer kleinen Föhre. Hier rechts BH und etwas links davon ein Schlaghaken. Genau wie unsere Vorgänger bezog ich an diesem einzelnen BH Stand. Harald musste bereits 5-7m aus dem Stand gehen damit ich meinen erreichte, zw. den Ständen sind es daher also in etwa 65m. Harald hatte Spaß im Nachstieg, toll wie die Tour immer die schwächsten Stellen der Wand ausnutzt.
   
   
   
In der folgenden Seillänge hies es nun aufpassen. Tobias stieg hier vom BH nahezu waagrecht auf einem Band nach rechts und dann schräg rechts weiter empor. Auf dieser Variante fand sich laut ihm auch ein NH, es schien jedoch nicht die beste bzw. leichteste Variante zu sein. Etwa 2m nach dem Stand kam in der Verlängerung der Grasrampe ein weiterer Normalhaken, nun ging es einen kurzen Felskamin (IV) hinauf und dann leichter zu einer kleinen Einmuldung mit 2 Standhaken und einem alten Ringfelshaken. Dieser Ringhaken ist vermutlich der NH der im Freudigtopo am Eck zum Linksquergang eingezeichnet ist. Ich verlängerte einen Stand-BH mit 3 langen Schlingen und stieg nach rechts auf eine kompakte Platte. Direkt auf dieser steckte ein BH. Unmittelbar danach kam eine schwere Einzelstelle (V) und wenige Meter horizontal rechts hing eine alte schwarze Köpfleschlinge herunter. Von dieser (anregende Kletterstelle) etwas schräg rechts abklettern auf Grasband. Sobald dieses erreicht ist in sehr einfachem Gelände nach rechts ein muldenförmiges Schuttband entlang (etwa am tiefsten Punkt dieses Schuttbandes kam vermutlich Tobias seine Variante hoch) und Richtung einer kaminartigen Rissverschneidung. Diese in schöner Kletterei und alpinem Ambiente hinauf (ca. IV-, am Ende gute Cam-Möglichkeit)und nach rechts auf schmales Band mit Standplatz an 2 BH unter der steilen Schlusswand (unmittelbar vor Standplatz steckt ein alter Ring-NH). Von meinem Standplatz aus hatte ich einen fotogenen Ausblick auf Harald der sich seinen Weg zw. den vielen Grasnarben durch navigierte.
   
   
   
Die folgende Schlüssellänge gehörte nun wieder Harald. Steil und dolomitenähnlich ging es nun eine Rissverschneidung nach links empor die hier die Schwachstelle bildete. Nach rechts zweigt hier die Direkte Nordostwand ab, unschwer an vielen alten NH zu erkennen. Anfangs ist die Rissverschneidung noch etwas brüchig, der erste BH kommt etwa 5m über dem Stand. Wenige schwere Meter darüber kommt ein 2.BH. Von diesem weg wird die Rissverschneidung. bzw. Rampe nun unangenehm schmal und die Schlüsselstelle folgt. Tobias und Christoph kletterten mit den Füßen links unterhalb des Risses, was sowohl Harald als auch mir schwer erschien. Wir blieben beide mit den Schuhen auf der Höhe des Risses und versuchten an Unter und Seitgriffen uns hier hochzupiazen. Vermutlich beides recht schwer und mit VI ist diese Stelle nicht überbewertet. Wenige Meter nach dem 2.Bolt kommt nochmal ein Normalhaken. Ab hier folgt nun leichteres aber weniger festes und auch grasdurchsetztes Ausstiegsgelände bis zu einer grottenartigen Einbuchtung in der rechterhand der Stand an einem Klebe-BH und zwei Normalhaken war (etwa 30-35m, Wandbuchkasten leider ohne Wandbuch und ohne Bleistifte…).
   
   
   
Die Länge war nicht ohne und ich um Haralds Vorstiegsleistung sehr dankbar gewesen, daher machte ich mich verantwortungsvoll an die nächste Länge. Während mein Seilpartner sich am Stand gleich noch a Gletscherprise genehmigte war um die Ecke geklettert schnell klar, dass diese Länge nochmal verdient werden will. Auf einem kleinen Bändchen querte ich etwa 5m nach rechts (gute Cam- Möglichkeit unterwegs) und kletterte hinter einer weiteren Ecke in gutem Fels etwa 4m empor zu einem Schlaghaken. Diesen verlängert und weiter schräg links empor zu einer schwereren Wandstelle mit neuem Bohrhaken. Über diese Wandstelle hinweg (V-) und etwas weiter oben über eine weitere schwere Wandstelle (neuer BH und weiter oben Ring-Kronen-BH, etwa V) in eine Ausstiegsrinne. Entweder direkt durch diese oder in kleiner Linksschleife (Cam-Möglichkeit) in die nun deutlich flachere Ausstiegsschlucht (alter NH-Stand links) und noch wenige Meter aus dem Grund empor nach rechts in kompaktes Gestein zu Stand an 2 BH (etwa 50m) Auf Seilverlauf achten da der Nachsteiger sonst durch das Seileinholen Steinschlag abbekommt.

Die Ausstiegslänge hält neben viel Schutt und losem Gestein noch eine kleine Boulderstelle bereit (BH auf halber Höhe rechts, ca. IV). Mittels Spreizen und Stemmen ließ sich aber auch diese noch gut überwinden und oberhalb war in deutlich leichterem Gelände schnell der Normalweg auf dem langen Strich erreicht. Harald sicherte mich hinter der Kante über Totmannsicherung, was problemlos ging.
   
   

Im schönsten Abendlicht standen wir am Ausstieg und gratulierten einander zu dieser besonderen Tour. Im Abstieg holten wir noch unsere Rucksäcke und machten uns einmal mehr am Aggenstein auf den schier endlos wirkenden Abstieg zur Talstation. Im Gegensatz zu Tobias und Christoph hatten wir deutlich länger für die Tour gebraucht und Dank des späten Einstiegs war der Bahnbetreieb bereits eingestellt. Im langen Abstieg merkten wir dann unser beider Equipementlücke: keiner hatte an das Abstiegsbier gedacht, wohl aber ein jeder an die Gipfelprise. (Take a full rack, or go home…). Als wir an der alten Grenzerhütte vorbeikamen fanden wir dort einen Polizisten vor. Dieser wollte aber seinen knappen Schnapsvorrat trotz alpinen Notlage nicht mit uns teilen, brauchte diesen vermutlich noch als Sedativum für seine weibliche Begleitung. Paahh, da heißt es immer „die Polizei dein Freund und Helfer…“. Desillusioniert über diese falsche Lebensweisheit fanden wir zum Glück nach langem Hatsch an der Talstation angekommen die dortige Pilsbar noch geöffnet vor und erwiesen uns als dankbare Kunden. ….

Anmerkung:
Trotz sanfter Sanierung ist die Tour weiterhin als alpin und ernsthaft einzustufen und in keinster Weise mit anderen Tannheimer Bohrhakentouren zu vergleichen. Ihren früheren Gefährlichkeitsnimbus hat sie durch die Sanierung aber bestimmt deutlich eingebüßt. Die BH sind an sinnvoller Stelle gesetzt und nur in der ersten (50m-Länge) und vorletzten Seillänge sind diese evtl. etwas zahlreich. Der Charakter der Tour blieb jedoch erhalten und durch die Sanierung dürfte dieses besondere „Kletterschmanckerl“ nun wieder mehreren Alpinkletterer zugänglich gemacht worden sein. Wegen der verzwickten Wegführung empfiehlt sich die Mitnahme mehrerer langer Schlingen und Exen. Hilfreich waren Friends der Camelotgrösse 0,3-2,0 und ein Set kleiner und mittlerer Keilgrößen die wir auch deutlich häufiger als unsere Vorgänger eingesetzt haben. Dem Vorsteiger leistet ein Zusatzgerät (z.B. alter Eishammer) in den grasigen Längen etwas psychologische Hilfe bei Bedarf. Für den Nachsteiger ist es jedoch nicht von Nöten. Nachdem Abseilen im oberen Wandteil wegen der vielen Quergänge problematisch oder zumindest recht mühsam sein dürfte ist die Mitnahme von Hammer und Felshaken tatsächlich zu erwägen. Bei Wettersturz mit Regen wird die Tour wegen des vielen Grasbestandes schnell gefährlich. Vor einer Durchsteigung sollten mehrere trockene Tage abgewartet werden. Reinen Sportkletterern kann diese Tour nicht empfohlen werden, ein gewisses Faible für derartige Klettereien erweist sich als sehr nützlich und schafft ein grandioses Kletterabenteuer.
Etwaige Wiederholer werden gebeten ein Wandbuch (inkl. Plastiktüte und Bleistifte) für den Wandbuchkasten mitzunehmen.

Gruß Alban und Harald

@Harald: es war mir wie immer ein Fest mit dir in einem Allgäuprojekt unterwegs zu sein
Zitieren
#2
@ Alban: Der Spruch heißt richtig: "...mein Freund ich helf dir!!"

Toller Bericht, die Tour muss ich auch mal in Erwägung ziehen.
Zitieren
#3
Photo 
Update zu den vorherigen Begehungsberichten von Tobias und Alban,
Begehung der Aggenstein Nordostwand vom 24.08.2020

Erst mal ein großes Lob an Tobias Bailer und Alban Glaser mit Tourenpartnern für die sehr guten Berichte zur Begehung dieser eindrucksvollen Abenteuerroute.

Die Route scheint nach wie vor nicht zu häufig wiederholt zu werden, obwohl es wenige Alternativen mit ähnlich schneller Erreichbarkeit in so speziellem Ambiente gibt.

Das faszinierende an der Route ist weniger die Schönheit der Kletterstellen als vielmehr die geniale Linienführung mit einigen wirklich originellen Passagen. Die letzten 20 Meter in der 2. SL klettert man z. B. nicht im Gras sondern auf einem steil ansteigenden Alpenrosenband. Hier lacht nicht nur das Steilgrasherz, sondern die Route wird zur wildromantischen Bergfahrt. Vermutlich wird die Brüchigkeit und der Grasanteil weiter dafür sorgen, dass nur wenige Begehungen in den nächsten Jahren zu erwarten sind.

Vorgeschichte:
Wir wollten die Nordostwand bereits am 5. Juli 2020 klettern, nach mehreren trockenen Tagen zuvor. Die Anfahrt zur Wand unternahmen wir mit den Bikes von der ehemaligen Grenzstation. Bereits der Weg unterhalb des Sessellifts war komplett ein Matschsee, von den Kühen zusätzlich so ausgetrampelt, dass ein passieren das erste Abenteuer darstellte. Trotz der Trockenperiode war die Wand relativ nass und wir drehten nach der ersten Seillänge um, da uns der Weiterweg bei der Nässe und der ungeschickten Rückzugsmöglichkeit zu riskant war. Dafür haben wir dann noch die erste Seillänge der Morbus Flattermann gemacht, aber auch diese war etwas feucht und dreckig. Zu diesem Zeitpunkt war auch der Lange Strich wegen Felssturzgefahr gesperrt. Ob das mit dem Starkregen im Monat zuvor zusammenhing wissen wir nicht, ist aber schon denkbar. Auf jeden Fall war das Umdrehen im Nachhinein die richtige Entscheidung.

   
Silke beim Sportklettern in der 1. SL der Morbus Flattermann


Zweiter Anlauf
Am 24. August war es endlich soweit. Die Kinder waren bei den Großeltern und wir hatten ein kleines Zeitfenster von einem Tag. Das Wetter war kühl und trocken gemeldet und auch die Tage zuvor war die Niederschlagsmenge nicht so hoch gewesen. Also ab ins Abenteuer und hoffen dass alles halbwegs trocken ist. Wir starteten diesmal mit der Breitenbergbahn. Der Weg Richtung "Langer Strich" wurde neu geebnet und war diesmal problemlos trocken zu begehen. Gegen 10:00 Uhr erreichten wir gemütlich den Einstieg. Es war nicht komplett trocken, aber auf jeden Fall deutlich besser als beim ersten Versuch. Beim Klettern fühlte sich die Graspassage zum "ehemaligen Stand" (2. BH) ausgewaschener und unzuverlässiger an, obwohl die Wand trockener als beim ersten Versuch war.

   
Christian am 1. Bolt in der 1. SL

Jetzt zu den News:

1. SL: Das Fixseil am Ende der 1. Seillänge hängt immer noch an der Wand und verliert langsam seine Farbe. Am 1. Standplatz hängt links oben am Überhang immer noch eine Dyneemaschlinge mit 2 NH, welche vermutlich zu dem Projekt mit dem Fixseil gehören.

   
Silke kurz vor dem ersten Stand


2. SL: Die muss für den Schwierigkeitsgrad schon geklettert werden. Man klettert bis zum markanten Turm und dann nach links oben.
Der 1. BH muss sportlich angeklettert werden, danach geht es dafür gut gesichert über die schwere Stelle bis zum NH.
Dann kurz nach links (Cam Stelle) und wieder nach rechts um die Ecke (BH) zur kurzen Plattenstelle. Nun erreicht man die Alpenrosenrampe, einfach einzigartig. 

   
Alpenrosenband 
Heart



Am Standplatz angekommen sieht man rechts die Direkte Nordostwand / Morbus Brexit von unten kommen bzw. auch eine Reepschnur welche einen Fixkeil mit NH verbindet um dort in der Gesamtheit eine zuverlässige Zwischensicherung zu ergeben.

3. SL: Leider war bei uns vom Stand weg alles komplett nass, so dass die Passage über den NH bis hin zum 1. Bolt aufgrund der Verhältnisse unsere erste Schlüsselstelle darstellte. Viel Adrenalin für wenig Genuss.
Der eingezeichnete Zwischenstand im Panico Allgäuführer oder in den anderen Beschreibungen ist unnötig, da alle NH und das verbaute Bandmaterial die besten Zeiten hinter sich haben.

   
Blick in die 3. SL, Silke kurz vor dem im Panico eingezeichneten Zwischenstand


Hier auf jeden Fall nach links weiter klettern. Am Beginn der Rampe kommt noch ein NH und drei Meter nach links kommt der "richtige" Standplatz welcher im Panico-Topo und auch bei den vorangegangenen Begehungen von Tobias und Alban vermutlich übersehen wurde. Es steckt ein Verbundmörtelhaken, ein Expressanker und 2 gute NH vom "alten Standplatz" siehe Freudig-Topo.

   
Perfekter 3. Standplatz
Smile


4. SL: Vom Standplatz leicht nach rechts auf die Rampe wie von Alban und Tobias beschrieben und an der Plattenstelle nach links raus das Band entlang, mehrere Möglichkeiten für SU und Köpfl. Nach der kleinen Föhre kurz abklettern, an der größeren Föhre vorbei, BH und NH und die brüchige Kaminrampe hoch (nochmal NH). 

   
Silke am Band bei den Föhren


Bei uns waren hier in der kaminartigen Rampe Löcher im Boden und der Untergrund kurz vor dem Abrutschen. Ob sich das Band hier in den nächsten Jahren verabschieden wird bleibt abzuwarten (sonst gibt es hier noch die Möglichkeit von der Variante, die Tobias geklettert hat). Danach kommt auf jeden Fall in der Gufel ein super Stand mit Ring BH. Trotz allem eine schöne Länge, was die Linienführung angeht.

5. SL: Die war bei unseren insgesamt mäßigen Verhältnissen mal wirklich ein Genuss. Die Feuchtigkeit störte nicht wirklich. Am Start quert man in festem Fels (BH + Köpflschlinge) nach rechts und bekommt am Ende einen schönen, gut kletterbaren Kamin und zuletzt einen ausgesetzten Stand am Pfeiler mit beeindruckendem Ausblick in jede Richtung.

   
Blick vom 5. Stand

6. SL: Diese startet schön und führt schnell zur gut gesicherten Schlüsselstelle. Wir sind diese auch, wie von Alban beschrieben, als Unter-/Seitgriffpassage geklettert. Nach dem eingezeichneten NH folgte nach 5 m ein weiterer NH. Dann wurde es unangenehm brüchig mit absturzbereiten Graspolstern und noch größeren wackligen Blöcken.
Tatsächlich unangenehm, da es keine Möglichkeiten gab mit Cams die Absicherung sinnvoll aufzubessern, dafür sorgte diese Passage für ein plus an Adrenalinausschüttung. Der Stand in der Nische war etwas feuchtelig, links von uns tropfte es munter herunter. 

   
Entspannt am Stand


Das Wandbuch fehlt immer noch, letzter Eintrag war von Irene Epple - Waigel und Stefan Blochum vom 28. Juli 2018. Unser Eintrag ist nur am Zettel darunter eingeritzt, da der Stift nicht mehr schrieb.

   

7. SL: Es geht sofort nach rechts um die Ecke und in einer leicht ansteigenden Querung (oberes Band) auf einer Grasrampe dem leichtesten Weg folgend (nach ca. 5 Meter perfekter Riss für 0,5er Tricam 2 Meter über dem Band). Silke folgte hier im Nachstieg dem Tricam direkt nach rechts oben, da der Seilverlauf ihr hier den richtigen Weg suggerierte. Dies war ihre persönliche Schlüsselstelle. Richtigerweise klettert man nach rechts um die Ecke und danach wieder leicht links ansteigend auf einer sehr steilen Rampe zu einem sichtbaren NH und weiter zu BH. Nach dem nächsten BH wird es etwas brüchiger, dann alter Sticht BH mit Ring und unangenehm brüchig darüber. Kein gutes Abfluggelände, also besser gut prüfen und vorsichtig elfchengleich emporsteigen. Stand im Kamin bzw. etwas rechts davon mit BH.

8. SL: Man gräbt sich im Schutt nach oben, dann der BH mit etwas feucht-glitschigen Kaminwänden, aber das Ende ist in Sicht. Nach der einzigen 3 m Kletterstelle in dieser Seillänge darf man ein letztes mal vorsichtig im nicht zu festen Fels nach oben tänzeln und abrupt endet das Abenteuer auf dem Wanderweg.

   

Beim Blick den Langen Strich hinunter, waren auch hier links des Wanderwegs die ausgewaschenen Graspolster, welche teilweise hinuntergeschwemmt wurden, auffällig. Da wir in den letzten 20 Jahren den Aggenstein auf sehr vielen Kletterwegen durchstiegen haben, war das auf jeden Fall ungewöhnlich.

Insgesamt hatten wir doch etwas mehr Zeit benötigt als gedacht, daher mussten wir die bereits bezahlte Talfahrt mit der Breitenbergbahn ausfallen lassen. Wir entschieden uns den Aggenstein Hauptgipfel noch kurz zu besteigen. Im Abstieg ging es vorbei an der Bad Kissinger Hütte, den Bösen Tritt hinunter und weiter durch die malerische Reichenbachklamm. Der passende Abschluss an ein wildromantisches Bergabenteuer bei nicht ganz idealen Verhältnissen und der Erkenntnis dass man trotz dieses speziellen Jahres immer noch an seinem Dasein hängt und sich in unangenehmen Situationen lieber festhält. Ins Gras beißen ist noch keine Option!

Reflektion zur Tourenplanung / Risikomanagement:

Angetroffene Verhältnisse:
Die Graspolster waren teilweise ausgewaschen und hatten sich an einigen Stellen vom Untergrund gelöst, was beim Höhersteigen zu einer erhöhten Ernsthaftigkeit geführt hat. Vor allem die 3. Seillänge war vom Stand weg extrem nass bis hin zu wasserführend.

Warum haben wir nicht umgedreht, obwohl in der Beschreibung abgeraten wird, bei Nässe einzusteigen?

Punkt 1: Nachdem wir schon einmal umgedreht haben und es auf den ersten Blick besser aussah, war das Bauchgefühl besser.
Punkt 2: Die Linie ist ja saniert, der Schwierigkeitsgrad niedrig, da steht man ja weit genug drüber um mit etwas Feuchtigkeit umzugehen.

In der Reflektion betrachtet muß man beide Punkte überdenken:

Punkt 1: Weniger nass ist trotzdem nass und wird halt nicht trocken. Die Nässe ist tendenziell weniger problematisch als die ausgespülten Graspolsterpassagen.
Punkt 2: Gebohrte Standplätze und einige Zwischenbohrhaken führen zu mehr Sicherheit, die man dann verschenkt, in dem man Hammer und Haken nicht mitnimmt und dadurch in dem Gestein wenig Möglichkeiten für Rückzug / Versteiger und zusätzliche Absicherung zwischen Gras und mürbem Fels hat. Gleichzeitg führte das auch dazu, die zu erwartende
Feuchtigkeit nicht zu ernst zu nehmen.

Dazu kommt noch das Unplanbare: Die Regenfälle in den Wochen zuvor müssen so stark gewesen sein, dass viele der Graspolster von den Wassermassen von der Wand gelöst wurden bzw. kurz vor dem Abflug standen. Dies war vor allem im Beginn der 3. SL, am Ende der 4. SL und jeweils ab der Mitte von 6. und 7. SL ein Risikofaktor den wir nicht auf dem Schirm hatten. Vermutlich werden die Graspolster wieder anwachsen und sich alles wieder normalisieren. Die zweite Möglichkeit wäre, dass sich bei weiterer Nässe und Frost im Winter auch das Ende der 4. Seillänge dauerhaft verändert und auch der Bereich im oberen Drittel von SL 6 und 7 größere instabile Blöcke, die derzeit überklettert werden, verabschieden.

Gefährlichkeit:
Grundsätzlich sind die Standplätze sicher und gut. Auch die schweren Stellen sind gut gesichert. Die Gefährlichkeit und mäßige zusätzliche Absicherbarkeit liegt hauptsächlich in den leichteren grasigen Abschnitten, welche bei trockenen Verhältnissen unschwierig sind und bei gut verankerten Graspolstern auch problemlos überklettert werden können. Eisgerät oder ähnliches hatten wir nicht mitgenommen und hätte bei den absturzbereiten Graspolstern auch keine zusätzliche Sicherheit gebracht. Das Sturzgelände im leichten Gelände ist wie zu erwarten ungut durch Querungen und Bänder.

Ausblick / Tips:
Lag es an der Nässe, dass sich die Graspolster so ungut entwickelt haben und wird das alles wieder besser oder verändern sich hier einige Bereiche in Zukunft? 

Es bleibt abzuwarten was die nächsten Wiederholer sagen. Auf jeden Fall ist die Tour bei guten Verhältnissen für Liebhaber dieser Art von Kletterei anzuraten.

Auch nach Trockenperioden kann die Route nass sein, wenn zuvor die Regenfälle entsprechend heftig waren, das Wasser speichert sich länger in der Wand und tropft von den Überhängen nach. In der Planung sollte man nicht nur einige trockene Tage abwarten, sondern nach ungewöhnlich vielen und starken Niederschlagsmengen mehr Zeit vergehen lassen. Dass sich Graspolster dadurch lösen, ist mit Sicherheit nicht ungewöhnlich, es braucht eine gewisse Zeit, bis sich alles wieder zuverlässig mit dem Untergrund verwächst. Um die idealen Verhältnisse vorzufinden gehört mit Sicherheit auch etwas Glück - der Graspolsterzustand macht den Unterschied in den leichten Seillängen und beeinflußt die Gefährlichkeit am Meisten.

Die Nordostwand bietet trotz Sanierung weiterhin genügend Abenteuer, da nicht alles planbar ist und das ist auch gut so.
Daher sollten Hammer und Haken wenigstens im Rucksack dabei sein, damit man im Notfall alle Optionen hat. Dass sich Teile der Route verändern werden ist sicher, auch wenn die Bereiche in der Nordostwand nicht das Ausmaß am Hochvogel annehmen werden. Die Berge bleiben in Bewegung und auch am Aggenstein wird es noch einige Male ordentlich rumpeln.
Zitieren


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste