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Freispitze, Sonnengesang (VI+), Lechtaler Alpen 15.10.10
#1
Die großzügigen Klettertouren an der Freispitze (2884 m) in den Lechtaler Alpen haben einen sehr großen Ruf weit über die Grenzen des Lechtals und des Allgäus hinaus. Die Rauigkeit und die Felsqualität in der bis zu 400 m hohen Rätkalkwand suchen ihres Gleichen. Doch nicht nur die Kletterei in den Wänden hoch über dem Parseier Gries, auch Zustieg, Landschaft und Umfeld bieten ein einsames, wildes Gesamterlebnis der Extraklasse.

Der goldene Oktober zeigt sich immer noch von seiner besten Seite und so geht es, noch begeistert von der
Schreck-Heel
vor einer Woche, wieder an die Freispitze. Der Freitag ist aber der letzte Tag einer langen Schönwetterperiode, ein deutlicher Wetterumschwung folgte...

    Freispitze und Rote Platte (Heelzapfen) im Morgenrot

Gemeinsam mit Ebe Erz, der bereits 1985 mit A. Lonhard an der Freispitze kletterte, geht es an die herrliche aber sehr freie und ernste Route „Sonnengesang“ (VI+/E4-) im linken Wandbereich. Die Route wurde von keinen geringeren wie W.Hofer, M.Schwiersch, H.Münchenbach und R.Durner bereits im Jahre 1984 erstbegangen. Mehr oder weniger Beginn und Auftakt der großen Erstbegehungswelle an der Freispitz Mitte der 80er Jahre.

Sowohl bei den Zwischensicherungen wie auch an den Standplätzen ist viel Eigeninitiative gefragt. Es gibt in der eigentlichen Route keine Bohrhaken an den Ständen! Lediglich nach der 9.SL kann ein Bohrhakenstand der "Linken Südwand" benutzt werden. An vielen Standplätzen mit Normalhaken, ist ein zusätzlicher Keil oder Cam sicher kein Luxus. In den insgesamt 11 Seillängen stecken zur Zwischensicherung gerade mal 9 Normalhaken und in der 3.SL ein alter Kronenbohrhaken ! Das hört sich natürlich sehr wenig an, doch im nachhinein gesehen lässt sich der Sonnengesang sehr gut mit Cams und Keilen zusätzlich absichern. Lediglich in den dünnen Wasserrillen der 8.SL (VI-) gilt es über 20m vom letzten Normalhaken wegzusteigen ohne was legen zu können! Ebenso auf den ersten 10-15m vom großen 45 Meter Quergang in der 9.SL! Ein sehr großzügiges Cam-Sortiment (mindestens bis Cam3) und ein kompletter Satz Keile sollten auf jeden Fall am Gurt hängen.

    Routenverlauf ab der 4.SL

Der Einstieg befindet sich wenige Meter links vom Einstieg der klassischen und im Vergleich zur Sonnengesang vielfach begangenen „Linken Südwand“. Die Rampe der 1.SL (IV / 30 m) war ganz zu Beginn noch nass, bzw. vereist. Trotz strahlendem Sonnenschein war die Luft einfach sehr kalt. Morgens am Auto im Lechtal hatte es -4°C. Ohne Sicherungsmöglichkeit steigt Ebe die 30 m bis zum Stand an zwei NH plus einen Cam3.

    1.SL

In der 2.SL (VI+ / 45 m) folgt gleich mal die erste anspruchsvolle Prüfung ob man der Sache gewachsen ist. Vom Ende der Rampe nach rechts hinaus in die sehr kompakte Wand. Noch vor dem ersten von zwei NH in dieser Länge gilt es eine schwere Einzelstelle 8-9m überm Stand zu klettern. Auf einem ganz schmalen Band welches verlockend nach rechts zieht steckt dann dieser 1. NH. Doch laut Topo ist es klar, vom Haken geht es unbarmherzig gerade hoch in die sehr kompakte Wand mit dem nächsten NH erst irgendwo unterm Dach ca. 25m weit weg. Es kostete mich schon etwas Überwindung vom sicheren kleinen Band in die kompakte Wand zusteigen ohne recht zu wissen und zu sehen wo und ob sich was legen lässt. Die Kletterei ist wie überall in der Tour einfach traumhaft, auch wenn ich während dem Klettern eher auf hoffentlich kommende kleine Risschen o.ä. fixiert bin. Einen mageren Keil und zum Glück sogar zwei Cams bringe ich auf den 25m bis zum Nomalhaken unterm Dach unter. Der noch folgende Quergang nach links unterm Dach durch zum Stand lässt sich dann wieder gut absichern. Stand an 3 NH.

    2.SL – kompakte Wandkletterei
    2.SL
    2.SL – Linksquergang vor dem Stand
    Stand nach der 2.SL

In der 3.SL (VI+/40m) folgt gleich die nächste Prüfung. Es gibt gleich 3 Möglichkeiten eine weiter oben liegende Verschneidung zu erreichen. Wir klettern die ganz linke Variante über den einzigen Bohrhaken der eigentlichen Tour. Vom Ringbohrhaken weg muss ambitioniert unter ein kleines Dächlein/Wandabsatz geklettert werden. Blöd nur wenn der im Topo eingezeichnete NH nicht mehr da ist. Ebe legt zwei passable Keile und startet wieder nach rechst, die Dachkante als Untergriff zum Gegendruck, in die immer noch kompakte Wand rüber bis zur rettenden Verschneidung.. Am Stand zwischen der 2. und 3.SL hängt dementsprechend auch ein Schraubglied was wohl schon manchen den Rückzug ermöglichte.

    3.SL
    3.SL – kurz vor dem Wandabsatz
    3.SL – die Verschneidung ist erreicht.

Die 4.SL (V / 50 m / keine Haken) führt in den Bereich des oberen Plattenbandes, von welchem die noch weiter links liegenden Routen „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit (VII)“ und „Weg des Abendlichts (VII+,A0)“ beginnen. Stand nach der 4.SL an 3 NH

    4.SL

In der 5.SL (VI- / 50 m / 1NH) folgt ein weiteres Highlight. Ein ca. 40 m langes riesiges Schrägdach definiert den Weiterweg. Wer vom Stand weg gleich diagonal nach links auf das Dach zu klettert kommt noch am einzigen NH der Länge vorbei. Am Dach entlang lässt es sich sehr gut absichern und herrlich klettern. Die größeren Cams sollten aber nicht zu früh verbraten werden. Die 6.SL (II-III / 15 m) führt auf Bändern nach rechts zum Stand an einer massiven Sanduhr.

    5.SL
    5.SL

Wir fassen die 7.und 8.SL zusammen (VI- / 65m / 2NH), da der im Topo erwähnte Schlitz für einen einzigen Cam3 erstmal im Meer der Wasserrillen gefunden werden muss und zudem sicher nicht gerade bequem ist. In dieser Länge gilt es dann wie schon erwähnt über 20m in Wasserrillen vom letzten Normalhaken wegzusteigen ohne was legen zu können! Damit Ebe den Stand erreichen kann muss ich schon ca. 5m simultan nachklettern. Am Stand unter einem Dach steckt dann nur noch ein frafgwürdiger, von unten nach oben geschlagener, Normalhaken. Zwei zusätzliche nicht perfekte Cams müssens richten.

    7.und 8. SL – langer Runout

Etwas beunruhigt hängt Ebe in seinem Stand, zumal beim Blick nach rechts in den 45m Quergang klar wird, dass sich auf den ersten 10-15 m nichts legen lässt. Zum Glück „nur “ V. Aber da hilft alles beten nix...ich starte nach rechts. Gleich zu Beginn dieser 9.SL (V / 45 m / keine Haken), nach ca. 5m muss eine schwerere Stelle genommen werden. Der eigentlich vorhandene waagrechte Riss des Wandabsatzes lässt erst nach 15m den ersten, noch nicht sehr guten Cam0,3 zu. Im weiteren Verlauf werden die Sicherungsmöglichkeiten aber immer besser bis am Ende sogar noch der Cam4 zum Einsatz kommt. Stand ist gemeinsam mit der „linken Südwand“, was bedeutet mal zur Abwechslung einen soliden Bohrhaken klippen zu können. Komme mir fast kurz wie in einer anderen (Plaisir-)Welt vor, zumal man auf der rechten Seite sogar noch den nächsten gebohrten Zwischenhaken der „linken Südwand“sehen kann. Mit herrlichen Blicken auf den Quergang und auf die umliegende Bergwelt (auf den nächsten 3 Bildern die Vorderseespitze) genieße ich Ebes Nachstieg.

    9.SL – herrlicher Quergang
    9.SL – herrlicher Quergang
    9.SL – herrlicher Quergang

Das letzte Highlight des „Sonnengesang“ bildet die 10.SL (VI+ / 50 m). Beeindruckend schlängelt sie sich durch eine Dächerzone wieder nach links um am Ende über einen nicht einfachen Plattenquergang leichteres Gelände zu erreichen. Ebe startet mit allen Cams und Keilen in Richtung des zu Beginn waagrechten Riss unter dem Dach. Der erste Haken kommt erst nach ca.30m am Beginn des Plattenquergangs. Tolle klassische und auch etwas pumpige Risskletterei mit nochmaliger harter Belastung für Haut, Kleidung und Rucksack auf Grund des enorm rauen und scharfen Fels ;-) Der Riss ist sehr absicherungsfreundlich. Vor es in den Plattenquergang geht stecken zwei Haken nebeneinander. Der Quergang zeigt dann nochmal seine Zähne bevor Ebe auf schmalem Bändchen an 3 NH Stand bezieht.

    10.SL – zu Beginn
    10.SL – Dachkante
    10.SL – Dachkante
    10.SL – Plattenquergang
    10.SL – hinten die Parseierspitze
    Am Stand nach der 10.SL

Die 11. und letzte SL (35m / IV+) ist bald hinter mir und ich baue an kompakten Rissen mit 2 Cams den letzten Stand. Geschafft...der „Sonnengesang“ liegt hinter uns

    11.SL
    Am Ausstieg
   

Abstieg über die Abseilmöglichkeiten am westlichen, linken Ende des Mergelbandes (2x). Der zweite Abseilstand wartete noch mit einer kleinen Überraschung. Der linke Haken von drei ließ sich von Hand einfach rausziehen. Letze Woche nach der Schreck-Heel ging ja auch alles gut (da ist es mir aber gar nicht aufgefallen) und außerdem ist die Belastungsrichtung absolut ideal. Also kein Aufregung ich stecke ihn einfach wieder in den Riss und schlag mit einem kleinen Stein ein paar mal drauf...

    Zweites Abseilstück...
    ...vom erwähnten Stand
    Abstieg durch die steilen Mergelrinnen

Über den Mergelgrat zum tiefsten Punkt, der Freispitzscharte. Vom großen Block mit Seilen 60m über en steilsten Teil des Mergels hinab. Weiter zum Rucksackdepot und den weiten Weg zurück zum Augangspunkt.

Facts Sonnengesang (VI+ / E4-):
- Fantastische Platten- und Risskletterei mit mehreren tollen Quergängen in allerbestem Freispitz-Fels. Durch die derzeitige Absicherung durchaus ernster Charakter...E4 eben
- VI+ in 3 Längen, sonst V und VI-
- Kletterlänge 400m
- Unsere Cams: 0,3-4 plus zwei Linkcams in den Cam-Größen 0,5 und 2(4er nicht zwingend, dann aber zwei 3er von Vorteil)
- 1 kompletter Satz Keile 1-11
- 10 Express
- 60 mDoppelseil
- 6-7 Bandschlingen


Viele Grüße
Ebe und Tobias
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Freispitze, Sonnengesang (VI+), Lechtaler Alpen 15.10.10 - von Tobias - 18.10.2010, 18:42

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