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Scheideggwetterhorn - Direkte Nordwand (VI A2, 1300 mH) 02.-03.08.13
#1
„Von Grindelwald oder der GrossenScheidegg aus betrachtet, hinterlässt das Scheideggwetterhorn mit seinen gewaltigen NO-NW Abstürzen einen unauslöschlichen Eindruck. Die gegen 1300 m hohe N-Wand gliedert sich deutlich in zwei Teile…“

„Die Anstiege durch diese Steilwände zählten bereits vor Jahrzehnten zu den grössten Kletterfahrten in den Schweizer Alpen.“


aus: SAC Clubführer – Berner Alpen 5


„Die Durchsteigung der direkten Nordwandführe gehört zu den schwierigsten, längsten und damit unbedingt vom sicheren Wetter abhängigen Anstiegen dieses Buches“

„Völlig zu Unrecht steht sie im Schatten des Eigers und seiner gefährlichen Nordwand. Vielleicht ist die Wetterhorn-Nordwand nicht so begehrt … wie viele Bergsteiger durchsteigen „gerade noch“ die berühmt-berüchtigte Eigerwand, weil es eben Wind „macht“. Die Wetterhornwand gibt der Eigerwand nichts an Schwierigkeiten nach, im Gegenteil. Sie ist klettertechnisch schwieriger… “


aus: Walter Pause - im extremen Fels.


„Scheideggwetterhorn – Direkte Nordwand“, beim Gedanken an dieses furchteinflößende Gemäuer, kann einem schon mal etwas flau in der Magengegend werden. Den epischen Worten aus Pauses „im extremen Fels“ und dem SAC-Führer kann auch heute fast 60 Jahre nach der Erstbegehung nichts hinzugefügt werden. Diese Tour ist und bleibt ein extrem anspruchsvolles, heikles und mitunter nicht ganz ungefährliches Alpinabenteuer, welches man nie vergessen wird!!! Diese „Direkte Nordwand“ der großen Schweizer Extrembergsteiger Max Niedermann und Seth Abderhalden aus dem Jahre 1954 gehört zu der Kategorie von Touren die ein Alpinist gerne als Rarität in seinem Tourenbuch stehen haben will aber mit Sicherheit nicht unbedingt ein zweites Mal klettern will. Nach mehr oder weniger wochenlanger Trockenperiode im Juli 2013, bei bester stabilster Wettervorhersage und einem sowohl körperlich wie mental perfekten Zustand wagen Florian und ich uns in diese berüchtigte Nordwand des „WeideggSchetterhorn“ wie es zwei gute Freunde von mir zu sagen pflegen. Laut Hüttenwirt der Glecksteinhütte war dies die erste Begehung in diesem Jahr. Ein Versuch Mitte Juli endetet nach Sturz leider schwerstverletzt mit Hubschrauber und Rettungseinsatz. Laut SAC-Führer wird die Wand 3-4-mal pro Jahr durchstiegen. Wobei das vermutlich in den letzten Jahren bei weitem nicht der Fall war.

Persönlich freut es mich natürlich sehr, dass es gerade zum kleinen Jubiläum meiner 30. Pausetour „im extremen Fels“ und 10. in diesem Jahr ein solches Highlight wurde. Bis auf die furchtbar brüchige und fast zwingend technisch zu kletternde Schlüsselstelle konnte Florian alles OnSight klettern!!! Dank Florians enormen Kletterkönnen und Geschwindigkeit auch in heikelstem Gelände und durch vermutlich ideale Verhältnisse in der Wand, konnten wir die Tour sogar an einem Tag, also ohne meist übliches Wandbiwak, in knapp 15,5 h Kletterzeit durchsteigen und erreichten gegen 21:00 Uhr erschöpft aber überglücklich den Gipfel des Scheideggwetterhorn. Unsere Taktik schnell und leicht ging voll auf. Zwar mussten wir dies in Form eines kalten und spartanischen Gipfelbiwaks bezahlen, denn wir hatten weder Schlafsäcke, Essen noch Kocher dabei, aber einen Tod muss man für diese Wand sterben. Die Taktik beinhaltete außerdem das Florian die meisten heiklen Seillängen ohne Rucksack sicher und zügig durchsteigt und ihn nachzieht, bzw. ich mich mit dem sich ständig verhängenden nachgezogenen Rucksack von Florian und meinem auf dem Rücken durch die Kamine schinde. In wenigen Seillängen haben wir auch beide Rucksäcke hinterhergezogen.

    Scheideggwetterhorn

Die folgenden beiden Bilder stammen vom Tag unseres Wanddurchstieges (02.August.2013) von folgender genialen 360° interaktiven Webcam Grindelwald First (da kann man sogar reinzoomen!):
http://panocam.panomax.at/firstbahn


    Scheideggwetterhorn und Wetterhorn, rechts das Schreckhorn
    Scheideggwetterhorn - Direkte Nordwand


Zum Bericht unserer Begehung:

Am späten Donnerstagabend fahren wir nach Grindelwald und weiter bis zur Großen Scheidegg. Womit allerdings schon eine nicht unerhebliche organisatorische Hürde wartet, denn höchst offiziell ist die Straße zur Großen Scheidegg gesperrt. Es empfiehlt sich mit dem freundlichen Hotelbesitzer einen Deal zu machen und so haben wir offiziell im Hotel übernachtet. Zumindest bei der Taktik an einem Tag durch die Wand zu wollen, sind alle anderen Optionen mit dem Postbus viel zu spät und nicht interessant. Wer natürlich zwei Tage plant kann am großen Parkplatz beim Hotel Wetterhorn oberhalb von Grindelwald parken und mit dem Postbus zur Großen Scheidegg hochfahren. Eine Option wäre vielleicht noch sich am Vorabend eine hübsche Grindelwalderin anzulachen, die einen am nächsten Morgen hochfährt, denn die Talbewohner können eine offizielle Bewilligung zum Befahren der Straße bekommen.

Gegen 04:45 Uhr starten wir und es geht immer mehr oder weniger direkt über den Grasrücken in 45 min zum Einstieg unter die Wand.

   
    Blick vom Einstieg auf beeindruckende 1300 m Wandhöhe

Vom Einstieg geht es zunächst durch eine markante Rinne mit diversen alten Fixseilen (III-IV) hinauf und nach rechts über teils schuttbedeckte Platten unter die zwei riesigen, an die Wand gelehnten Felspfeilern. Zunächst zum tiefsten Punkt zwischen den beiden Felspfeilern hinaufklettern (IV-V) und nach links durch einen Kamin auf den Kopf des linken Felspfeiler. Bis auf die letzte Seillänge vor dem Pfeilerkopf klettern wir alles seilfrei, was auch aus zeitlichen Gründen unbedingt zu empfehlen ist.

    die markante Rinne mit alten Fixseilen
    über Platten nach rechts unter die beiden Felspfeiler
    über Platten nach rechts unter die beiden Felspfeiler
    auf dem Weg zum linken Felspfeiler, noch seilfrei
    letzte Seillänge vor dem Pfeilerkopf

Mit einem Spreizschritt nach links in die Wand hinein und der erste Prüfstein wartet auf die Bewerber. In schöner und bei uns trockener Wandkletterei geht es hinauf. Eine der schönsten Seillängen der ganzen Wand. Ein richtiger Spreizschritt ist es aber nicht, eher ein kleiner Schritt. Die im Tschechen-Topo angegeben Freikletterbewertung VIII dürfte etwas übertrieben sein. Es ist eher VII oder VI- A1. Im Vergleich zur restlichen Wand bestens mit Normalhaken abgesichert. Danach folgt eine steil und schwer aussehende Verschneidung, welche sich aber dann super ausspreizen lässt. Nach der Verschneidung mache ich keinen Stand sondern wir geben gleich etwas Gas und klettern bis kurz vor die steile Stufe zwischen 1. und 2. Terrasse am langen Seil. Von der 1. Terrasse kann man das Gefühl bekommen alles ist so nahe und man ist bald schon im zentralen Wandteil. Doch die Dimensionen dieser Wand werden einen bald eines Besseren belehren.

    der erste Prüfstein, die Seillänge nach dem Spreizschritt
    die steile Verschneidung danach
    Blick auf die unangenehme Stufe zwischen 1. und 2. Terrasse und den darüber liegenden Hauptteil der Wand
    typischer dachziegelartig nach unten geschichteter Fels

Wo genau die unangenehme und sicher brüchige Wandstufe zwischen 1. und 2. Terrasse richtigerweise zu überwinden ist haben wir nicht gefunden. Wir sind jedenfalls zu weit nach rechts geklettert und an einem Bohrhakenstand gelandet, relativ sicher von der Tour „Baston la baffe“. Unterhalb dieses Bohrhakenstandes und quasi am oberen rechten Ende der 1. Terrasse befindet sich ein ideal aussehender Biwakplatz (siehe Bild).

    10 m rechts von Florian befindet sich ein Bohrhakenstand der „Baston la baffe“
    Wandriegel zwischen 1. und 2. Terrasse
    idealer Biwakplatz am oberen rechten Ende der 1. Terrasse
    Wandriegel zwischen 1. und 2. Terrasse

Nach diesem Wandriegel geht es über die 2. Terrasse nach links an den Fuß von einem markanten Doppelkamin am linken oberen Ende des vermutlich immer vorhandenen Schneefeldes. Wobei „gehen“ auch eher übertrieben ist. Über schuttbedeckte nasse Platten geht es nach links zum Schneefeld. Wir haben uns dann nicht getraut unterhalb des Schneefeldes rüber zu queren (noch glattere Platten und noch mehr Schutt) sondern sind am kürzesten Stück mit den Kletterschuhen übers Schneefeld geeiert und anschließend hinter dem Schneefeld zum Beginn des Kamins. Wer bis hierher das Gefühl hat alles ist gut gelaufen und man ist schnell, muss sich bewusst sein, das hier die steile Wand eigentlich erst so richtig losgeht, und alles andere zum Aufwärmen war. Gegen 10:15 Uhr stehen wir hinter dem Schneefeld auf der 2. Terrasse.

    auf der 2. Terrasse, genau bei Florians Helm der markante Doppelkamin
    nasse, schuttbedeckte Platten auf der 2. Terrasse
    hinterm Schneefeld

Wie sehr oft in dieser Wand ist nun sonnenklar das man über diese folgenden Kamine nach oben muss. Wo aber genau, im rechten, im linken oder eine Mischung aus beiden ist einem zunächst völlig unklar und es bedarf einer gehörigen Portion Gespür für den idealen Routenverlauf. Wir sind jedenfalls zunächst im rechten Bereich eine Seillänge hoch, bis zu Bohrhakenstand im tiefen Kamin. Direkt vom Stand aber an der linken Begrenzungswand ein paar Meter hoch und Quergang nach links in den linken Kamin. In diesem linken Kamin schwer und kurz heikel nach oben. Keine Ahnung ob das der beste Weg war, aber der rechte Kamin oberhalb des Standes sieht eher noch unangenehmer und wilder aus. Danach wird es für drei lange Seillängen wieder etwas leichter (IV-V). Bevor man das zentrale Kaminsystem am westlichsten der drei gelbroten Pfeilern erreicht.

    Auftakt zur ersten Kaminreihe
    unten die Große Scheidegg, links oben Grindelwald First
    im “leichteren“ Gelände zwischen den Kaminsystemen
    Querung nach rechts zum zentralen Kaminsystem

Nun stehen wir also unter dem berühmt, berüchtigten zentralen Kaminsystem am westlichsten der drei gelbroten Pfeilern. Zu mindestens die Verhältnisse sehen gut aus und der größte Teil dürfte trocken sein. Trotzdem beeindruckend dieses Schlünde. Die erste, von vier Kaminseillängen (alle +/- VI) ist noch die gutmütigste, wobei auch hier an einem Überhang schon ordentlich zugepackt werden muss. Diese Seillänge kletterten wir noch mit Rucksack. In den drei nachfolgenden kam die Rucksacknachzieh-Taktik zum Einsatz. Insbesondere für einen schnellen und kontrollierten Vorstieg unbedingt zu empfehlen. Der Nachsteiger muss sich dann zwar mitunter übelste mit dem sich ständig verhängenden nachgezogenen Rucksack und dem eigenen auf dem Rücken herumplagen, wuchten und schinden. Aber gut, richtigen Klettergenuss wird es in dieser Tour eh nicht wirklich geben und wenn es was zu vermeiden gilt, dann sind das Vorstiegsstürze in diesen heiklen, schlecht abgesicherten und auch schlecht absicherbaren Kaminseillängen. Die zweite Kaminseillänge stellt die schwerste dar. Entweder kletterbar als grausigen Körperriss oder wie Florian (sieh Bild) weit ausspreizend aber sehr schwer und glatt. Danach folgen noch zwei relativ ähnliche Seillängen. Die sehen zwar vom Fels her furchtbar grausig und unangenehm aus, sind aber deutlich dankbarer zu klettern wie es den Anschein hat. Trotzdem steil, schwer und anspruchsvoll.

    Auftakt im zentralen Kaminsystem
    zweite Seillänge im zentralen Kaminsystem
    dritte Seillänge im zentralen Kaminsystem
    vierte Seillänge im zentralen Kaminsystem

Gegen 14:45 Uhr steigen wir aus dem zentralen Kaminsystem aus. In den für uns ersten Sonnenstrahlen des Tages genießen wir unsere erste kurze Pause. Wir sind nun inzwischen schon über 9 h meist Vollgas am Klettern, da kommt eine kurze Pause mehr wie recht. Nach 5 Minuten geht es aber gleich weiter denn schließlich ist es noch ein langer, langer Weg bis zum Gipfel. Es folgt eine ca. 200m lange Querung auf breitem Band nach rechts. Die ca. 3-4 Seillängen liegen am langen Seil kletternd schnell hinter uns. Man kommt an einem sehr guten Biwakplatz vorbei. Dieser dürfte von Christoph Klein aus dem Jahr 2009 sein. (Eintrag auf bergtour.ch: gute Biwakstelle im Dreck gegraben).

    unser Pauseplatz auf dem Pfeilerkopf nach dem zentralen Kaminsystem
    ca. 200m auf dem Band nach rechts bis unter die Schlüsselstelle
    der Biwakplatz auf dem Band

Nun folgt also die berühmt, berüchtigte Schlüsselstelle der „Direkten Nordwand“ des Scheideggwetterhorn. Im ersten Pause Band ist sie gar noch mit dem legendären Schwierigkeitsgrad VI A3 angegeben. Im zweiten Band dann eigentlich recht treffend mit VI A2 bewertet. Im Tschechen-Topo freigeklettert mit VIII+ angegeben und somit für Florian eigentlich noch locker im OnSight Bereich. Nachdem aber sämtliche Tritte und Griffe von Florian der Schwerkraft folgten war klar dass es nicht die beste Idee ist hier frei zu klettern. Woher diese Angabe aber kommt und ob das schon jemals jemand freigeklettert hat wagen wir zu bezweifeln. Dieser Überhang ist auf den ersten Metern so furchtbar brüchig, wahrscheinlich eh meist nass und mit grausig dermaßen schlechten Haken bestückt dass man schon bei technischer Kletterei fast das Beten anfängt! Schon in Anbetracht der Haken dürfte es zu empfehlen sein das sowohl Vorsteiger wie Nachsteiger ohne Rucksack und so sanft wie möglich diese Passage begehen.
Die nachfolgende leicht überhängende Verschneidung (VII- oder VI A0) weißt dagegen sogar vertrauenerweckendere alte Bohrhaken auf und lässt sich zudem auch noch mit Cams passabel absichern.

    beim Anblick der furchtbar brüchigen Schlüsselstelle
    die Schlüsselpassage auch technisch äußerst heikel und schwer
    wohlgemerkt ist die Schlüsselpassage auch noch massiv überhängend
    am Stand nach der Schlüsselpassage, mit Blick auf die nachfolgende leicht überhängende Verschneidung
    die leicht überhängende Verschneidung von oben
    Tiefblicke über die gesamte Wand bis zur Großen Scheidegg

Nun folgt ein ganzer Abschnitt mit wirklichem Scheißgelände der Extraklasse wie ich es auch noch selten erlebt habe. Wie auch immer über 4-5 Seillängen geht es diagonal nach links oben zu den Ausstiegsseillängen. Die Linie ist alles andere als klar vorgebeben, Material steckt rein gar nichts, das Gelände ist überaus brüchig und legen kann man aufgrund des geschlossenen Felsen auch fast nichts. Zum Glück ist das Gelände sehr leicht meist III-IV. Meist ist man froh wenn man nach 60 m irgendwo einen windigen Cams unterbringt. „Stand, nachkommen…“ Einmal kann ich auf 60 m rein gar nichts legen und auch keinen leidlichen Cam als Standplatz unterbringen, alles um mich herum fällt gefühlt auseinander. So kommen noch das erste und auch einzige Mal unsere mitgeführten Haken zum Einsatz. Dass dieser eine Normalhaken alles andere als ideal im Bruch steckte brauche ich wohl nicht näher ausführen. „Florian Stand, kannst kommen…!“ Nun gut vielleicht liegt dieser Eindruck auch etwas daran dass wir nun schon ca. 12 h anstrengende Kletterei hinter uns haben, langsam etwas müde sind und die heiße Augustsonne auch eher nervt und gnadenlos brennt.

    4-5 Seillängen diagonal nach links zu den Ausstiegrissen
    4-5 Seillängen diagonal nach links zu den Ausstiegrissen
    Blick auf die Ausstiegsrisse

Nach einer kurzen aber nötigen Pause starten wir gegen 18:30 Uhr in die Ausstiegsrisse. Diese Risse erfordern nochmal alles von einem ab. Florian steigt wieder ohne Rucksack vor, muss aber auch nochmal alles geben und fast die ersten beiden Längen zu einer ewig langen 55m Seillänge zusammen. Schwer und sehr moralisch sind diese ersten beiden zusammengefassten Seillängen. Wie man das VI A2 klettern soll (Pause-Skizze) war uns allerdings ein Rätsel. Es steckt so gut wie nichts, außer zwei windigen Bohrhaken ominöser Konstruktionsweise der Kategorie: „What the Hell, what´s this“. Laut Tschechen-Topo sind es nun noch drei Seillängen in den Ausstiegsrissen. Wir klettern aber diese folgenden Längen (V-VI) am langen Seil und erreichen gegen 20:00 Uhr das Ende der Ausstiegsrisse. Hier leidlicher Notbiwakplatz vorstellbar.

    die erste Seillänge der Ausstiegsrisse
    am langen Seil durch die letzten drei Seillängen (V-VI) der Ausstiegsrisse
    20:00 Uhr am Ende der Ausstiegsrisse

Erst jetzt sind wir uns eigentlich ganz sicher, den Gipfel noch im Tageslicht zu erreichen. Mit diesem moralischen Motivations- und Energieschub geben wir auf den letzten, laut Tschechen-Topo sieben Seillängen (III-IV, Stellen V), bis zum Gipfel nochmal Vollgas und klettern am langen Seil, obwohl der Fels, vor allem gegen Ende, wieder enorm brüchig ist.

    die letzten Seillängen vor dem Gipfel
    die letzten Seillängen vor dem Gipfel
    die letzten Seillängen vor dem Gipfel

Nach diesem letzten Schlussspurt am langen Seil erreichen wir überglücklich und nach 15,5 h Kletterzeit gegen 21:00 Uhr den Gipfel des Scheideggwetterhorns (3361 m). Ein großartiges Gefühl!!! Natürlich sind wir schon auch ein klein wenig stolz darauf die berühmt berüchtigte „Direkte Nordwand“ des Scheideggwetterhorn durchstiegen zu haben und das auch noch an einem Tag bis zum Gipfel.

    die letzten Bruchmeter vor dem Gipfel
    On Top of Scheideggwetterhorn (3361 m)

Zum Glück befindet sich ca. 10 m westseitig unterhalb des Gipfels ein super Biwakplatz für zwei Personen. Unser spartanisches Nachtlager ist bald „aufgebaut“ und besteht aus je 60 m Seil, je einem Rucksack, ein paar Falten einer Z-lite Isomatte und bei mir aus dem Bivi von Mountain Equipment und bei Florian sogar nur aus einer Rettungsdecke in die er sich einwickelt. Mit ein paar Riegeln und ein paar verbliebenen Schlücken zu Trinken ist auch das Abendessen bald erledigt und bei auffrischendem Wind versuchen wir einzuschlafen. Natürlich ist ein Biwak in fast 3400 mH mit nur Biwaksack oder Rettungsdecke eher kalt und mit Schlafen nicht allzu viel los. Man hat also genügend Zeit das am Tag erlebte zu verarbeiten. Gegen Ende der Nacht zieht auch noch eine kleine Störung durch und bringt ein paar Regentropfen. Trotz Wolken und etwas Regen genießen wir das Erwachen des Tages und die beeindruckenden Blicke auf Mönch, Eiger und andere große Berggipfel des Berner Oberland.

    unser Biwakplatz
    Gute Nacht…
    Guten Morgen… Biwakplatz mit Eigerblick
   

Der Abstieg vom Scheideggwetterhorn zur Glecksteinhütte ist dann auch nochmal ein Kapitel für sich und rundet das Gesamterlebnis der Unternehmung entsprechend ab. Die verschiedenen Beschreibungen im SAC-Führer, im Eintrag von Christoph Klein auf bergtour.ch von 2009 und im Info Teil auf extrem-collect.de von Nihat Knispel weichen schon etwas voneinander ab und so sind wir nicht so ganz schlüssig wie, was und wohin. Zunächst vom Gipfel immer direkt am Grat entlang bis in die erste markante Scharte welche man durch 10 m Abseilen erreicht. Von hier sieht der Weiterweg am Grat (SAC-Führer) entlang zwar gut möglich aber aufwendig aus. Das dicke Schlingenbüschel macht den Eindruck wie wenn doch die meisten gleich hier in die tiefe Schlucht abseilen. Also auch wir. Nach 60 m Abseilen sind wir hin und her gerissen den Spuren im Schneefeld (Seilschaft vom Westpfeiler zwei Tage vorher) nach links (orografisch) zu folgen oder in absolut ungut aussehendes und völlig unbekanntes Gelände von einer schon vorhandenen Abseilstelle abzuseilen. Wir entscheiden uns für die Spuren nach links. Nach einer heiklen langen Querung über steilen Schnee und brüchigen Fels erreichen wir eine Art Geländerücken. Über ihn steigen wir teils unangenehm ab bis wir weiter unten wieder auf eine Abseilstelle finden und von dieser 60 m (besser 2x 30m) bis auf den Gutzgletscher abseilen. Um etwas Licht ins Dunkle zu bringen habe ich von diesem ganzen Teil mal ein Übersichtsbild gezeichnet. Die punktierte Linie dürfte ungefähr die vermeintlich eingerichtete Abseilvariante sein (siehe Infos von Nihat Knispel auf extrem-collect). Allerdings ohne Gewähr, denn wir sind da ja nicht runter!

Über den Gutzgletscher ging es problemlos hinüber bis unter die Chrinne und wiederum problemlos konnten wir im Schnee bis zur Chrinne (3058 m)aufsteigen. Von dort aber zunächst noch ca. 100 m auf dem Grat nach rechts bis zu einem Block mit mehreren Schlingen und (nun wieder) aufgebautem Steinmann. Vom Block mit den Schlingen seilten wir ca. 55 m bis zu einer weiteren eingerichteten Abseilstelle (schwarzes Fixseil). Von dort in vollen 60 m + 5 m abklettern erreichten wir eine bequeme Terrasse welche den problemlosen Übergang auf den Chrinnengletscher ermöglichte.


    Abseilen von der tiefen Scharte
    unsere Querung nach links (orografisch)
    auf dem Geländerücken
    letzte Abseilstelle auf den Gutzgletscher hinab
    auf dem Gutzgletscher, hinten Eiger und Mönch
    Aufstieg zur Chrinne
    Übersichtsbild – Abstieg auf den Gutzgletscher
    Abseilen von der Chrinne

Von nun an war der Weg also frei und die Glecksteinhütte zum Greifen nahe. Zum Glück liegt dieses Jahr noch verhältnismäßig viel Schnee und so können wir zügig über den Altschnee nach unten surfen. Gegen 11:30 Uhr erreichen wir die Glecksteinhütte und verhaften riesige Portionen wohlschmeckendes Gletscher-Rösti.

    Abstieg zur Glecksteinhütte
    Glecksteinhütte

Der weitere Abstieg in der Mittagshitze zieht sich mit müden Beinen gewaltig in die Länge. Unten an der Straße angekommen fährt uns auch noch der stündlich verkehrende Bus um 30 Sekunden vor der Nase weg. Doch was sollen wir uns nach solch einer Tour und solchen Erlebnissen wegen eines verpassten Busses aufregen. Völlig entspannt legen wir uns in bester Bergvagabundenmanier in die Wiese, genießen „dolce far niente“, beobachten die sich abmühenden Fahrradfahrer und dösen mit Blick aufs Scheideggwetterhorn genüsslich ein. Eine ganze Stunde müssen wir aber nicht warten, denn eine hübsche Grindelwalderin mit Fahrbewilligung nimmt mich per Anhalter mit zur Großen Scheidegg und ich kann das Auto holen. Eine großartige Unternehmung geht zu Ende!

Was eine Tour …

    im Abstieg von der Glecksteinhütte

Nach einem erholsamen Nachmittag bei Rosenlaui folgt bereits am nächsten Tag in den Engelhörnern mit der „Steuri“ in der Kingspitze NO-Wand der nächste Pausepunkt. Nach drei Seillängen am langen Seil und 2 h 30 min stehen wir am Gipfel der Kingspitze.


Scheideggwetterhorn (3361 m) - Direkte Nordwand:
- EB: Max Niedermann und Seth Abderhalden 12.-13. August 1954
- Schwierigkeit:VI A2 in der Schlüsselpassage, anhaltend im V. und VI. Grad, überwiegend anspruchsvolle, heikle und rucksackfeindliche Kamin Rampferei. Selten schöne Kletterei
- Felsqualität: In den schweren Passagen (bis auf die eigentliche Schlüsselstelle) fester kompakter Fels. In der fast zwingend technisch zu kletternden Schlüsselstelle furchtbar brüchig (gut nur das man da eh den Fels nicht allzu viel berührt und nur hofft das die Haken halten).Auf den Terrassen teils unangenehme, geröllbedeckte und abwärtsgeschichtete Platten. Dazwischen immer wieder absicherungsfeindliches Bruch- und Scheißgelände diverser Kategorien insbesondere vor den Ausstiegskaminen.
- Absicherung: Wenig fixes Material vorhandenen. Auch an den Standplätzen ist oft Eigeninitiative gefragt. Zwischensicherung auch in den schweren Kaminseillängen äußerst spärlich. In der Schlüsselseillänge grausig, schlechte alte Haken. Nicht immer und überall kann mit mobilen Sicherungsmitteln vernünftig gearbeitet werden.
- Wandhöhe 1300 m, Kletterlänge deutlich mehr
- Kletterzeit: 18-20 h


Materialempfehlung:
- 60 m Doppelseil
- 12 Exen
- 6-8 Bandschlingen
- 1 Satz Cams: 0.3 bis 3
- Keile hatten wir dabei aber nicht eingesetzt
- Felshammer (am besten mit deutlicher Spitze damit er zur Not im Abstieg auch als Eisgerät diesen
- mehrere Haken
- ein Eisgerät mit Hammerkopf
- je nach Verhältnissen am Gletscher auch mit Zustiegsschuhen und Riemensteigeisen vorstellbar
- das sonstige, übliche Stand- und Abseilmaterial


unser zeitlicher Tagesverlauf:
1. Tag - 04:45 Uhr - Abmarsch Große Scheidegg
1. Tag - 05:30 Uhr - Einstieg
1. Tag - 07:00 Uhr - Spreizschritt vom linken Turm
1. Tag - 08:15 Uhr - Beginn der Wandstufe zwischen 1. und 2. Terrasse
1. Tag - 10:15 Uhr - am Ende der 2. Terrasse, das Kaminvergnügen kann beginnen
1. Tag - 12:30 Uhr - Beginn der zentralen Kaminreihe am westlichsten der drei Pfeiler
1. Tag - 14.45 Uhr - Ende der zentralen Kaminreihe am westlichsten der drei Pfeiler
1. Tag - 15:30 Uhr - Angriff an der Schlüsselstelle
1. Tag - 18:30 Uhr - Beginn der Ausstiegsrisse
1. Tag - 20:00 Uhr - Ende der Ausstiegsrisse
1. Tag - 21:00 Uhr - Gipfel Scheideggwetterhorn (3361 m)

2. Tag - 07:00 Uhr - Start vom Biwakplatz am Gipfel
2. Tag - 09:45 Uhr - Gutzgletscher ist erreicht
2. Tag - 09:45 Uhr - Gutzgletscher ist erreicht
2. Tag – 10:00 Uhr - Chrinne
2. Tag – 11:30 Uhr - Glecksteinhütte


Kletterführer / Topos / Hinweise:
SAC Clubführer
Berner Alpen 5

Im extremen Fels
2. Auflage 1977
Walter Pause, Jürgen Winkler

Ein tschechisches Topo und das eingescannte Pause Wandbild mit eingezeichnetem Routenverlauf ist im Internet zu finden. Diese dienen zwar sehr gut der Übersicht mehr aber auch nicht. Bei 1300 m Wandhöhe und an die 60-70 Seillängen ist das aber nicht anders zu erwarten. Der Routenverlauf mit seinen markanten Eckpunkten ist eigentlich klar und auch gut zu finden. Im Detail der einzelnen Seillängen aber oft schwer und nicht immer eindeutig oder offensichtlich klar.

Weitere Hinweise auf bergtour.ch (Eintrag von Christoph Klein von 2009) und auf extrem-collect.de (Eintrag von Nihat Knispel auch von 2009)

SAC-Karten:
1:25000: SAC Karte, 1229, Grindelwald


Viele Grüße
Florian und Tobias
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Scheideggwetterhorn - Direkte Nordwand (VI A2, 1300 mH) 02.-03.08.13 - von Tobias - 06.08.2013, 14:32

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