Im Allgäu hat es viele steile und grimmige Abfahrten. Neben einzelnen bekannten steilen Rinnen gibt es auch einzelne Wände, in denen eigentlich nur eine einzige Linie fahrbar ist. Sofern man die entsprechende Wand nicht im Winter selbst gesehen hat kann man sich nur schwer die Eleganz und den Reiz einer solchen Linie vorstellen. So ähnlich ging es uns mit der Nebelhorn Nordwand. Lange Zeit wusste ich gar nicht, dass dort eine anspruchsvolle Steilabfahrt mit Abseilstelle existiert da man sich im Winter nur selten ins Rettenschwangertal oder auf den Entschenkopf verirrt. Tobias fand nähere Informationen vom Hörensagen über Bekannte und brachte mit einem Wandbild (vom Entschenkopf aufgenommen) die Idee einer gemeinsamen Abfahrt ins Rollen. Bereits im Vorwinter fuhr dann ein Freund von mir diese Linie und bereicherte uns mit weiteren Details. So langsam konkretisierte sich die Idee und das Projekt einer Skibefahrung. Per Zufall mehr entdeckte ich dann Ende Januar gar zwei Videos von Bergführer aus Hindelang die diese Wand schon befahren haben und dabei mit Helmkameras zwei gute Kurzfilme erstellt hatten. Die letzte Abfahrt hatten sie am 16.01.2012 gemacht, da schien es perfekt viel Schnee und vermutlich gute Verhältnisse gehabt zu haben. Optimistisch, dass ca. 3 Wochen später aufgrund der Kälte immer noch passable Verhältnisse vorliegen sollten oder zumindest ausreichend Schnee, entschlossen wir uns einen Versuch zu unternehmen.
Gleich in der Früh musste Tobias die erste Hürde bei ca. -24 Grad nehmen und erst einmal ein Auto finden das ansprang. Erst das dritte Auto (Leihauto) wollte ihn dann mitnehmen, denn anderen war´s zu kalt. Mit etwas Verspätung fanden wir uns dann in Oberstdorf an der Nebelhornbahn ein. Von dem Geld einer Bergfahrt hätten wir uns dann gleich eine ganze Tageskarte leisten können und checkten gegen 10 Uhr in der Gipfelstation dann nochmal unser Material und richteten uns her für die Abfahrt.
Leider hatte ich meine Helmcam vergessen und mein Photoakku schwächelte in der Kälte wiederholt. Direkt hinter der Gipfelstation ging die Abfahrt direkt vom Geländer beim Gipfelkreuz aus los.
Wir konnten sogar noch Spuren von zwei Vorgänger erkennen die wohl ins Rettenschwangertal abgefahren sind und daher erst kürzlich ebenfalls diese Abfahrt unternommen haben müssen. Wir hatten 2x 60m Seil dabei und legten das Seil an die Basis einer Längsstrebe des Geländer. Nachdem ich erst seit Kurzem auf Dynafit-Bindung umgestiegen bin testete ich, skeptisch ob ihrer Zuverlässigkeit, im Gipfelbereich noch ausgiebig ob die Bindung im arretierten Zustand auch wirklich nichtmehr auslöst.
Nach einer Weile war ich überzeugt und stieg angeseilt über das Geländer. Zum Erreichen der Abfahrt ist ein Einseilen von mindestens 25m vom Gipfel über zwei kleine Wandstufen notwendig.
Nach 25m steht man aber immer noch extrem exponiert und unangenehm da, dass wussten wir bereits von einem Freund. Daher hatten wir 2x 60m Halbseil dabei und ich konnte damit noch durch die erste sehr steile obere Engstelle seilen, was uns nicht unangenehm war.
Die Ski ließen wir beim Abseilen an den Füßen und fuhren im Steilen einfach rückwärts am Seil ab, was besser geklappt hat als gedacht.
Nach genau 60m hatte ich einen guten Platz nach Aufweitung der ersten Engstelle, an welcher ich gut stehen konnte.
Als Tobias nachkam und wir das Seil abziehen wollten, ließ sich dieses jedoch keinen Zentimeter abziehen.
Dadurch dass wir es um die Basis einer Geländerstrebe gelegt hatten, hatte sich dieses so tief in den Schnee eingegraben, dass es nicht mehr zu lösen war. Besser wäre gewesen das Ganze mit Reepschnur über die Schnee/Geländekante hinaus zu verlängern oder oben vom Handlauf des Geländers abzuseilen. So blieb nichts anderes übrig als nochmal Hochzuprusiken und das Seil zu lösen. Tobias nahm sich dieser unliebsamen Aufgabe an und testete mit Steigeisen so gleich die Headwall im Aufstieg.
Ich fuhr bereits ein paar Meter ab und nahm als Tobias erneut abgeseilt war, weiter unten die Seile auf.
So nun sollte es endlich losgehen, eigentlich sah es gar nicht so wild aus so dachten wir (noch).
Wenige Meter weiter unten war schnell klar, dass hier ist kein Kinderfasching.
Der Schnee war sehr inhomogen in seiner Konsistenz. Teilweise pulvrig, dann wieder Deckel zum Einbrechen, zwischendurch Pulver auf Eis. Insgesamt mäßige Verhältnisse fanden wir, trotz toller Schneegesamtlage. Ein flüssiges Fahren war daher sehr schwierig, da jeder Schneemeter neu beurteilt werden musste und Fehler in diesem Gelände unverzeihlich gewesen wären.
So tasteten wir uns langsam hinunter zur nächsten spannenden Stelle, der Einfahrt in eine Steilrinne die den Übergang auf das große zentrale Rampenband ermöglichen sollte.
In der Steilrinne war der Schnee schon etwas abgeschabt von unseren Vorgängern aber noch nicht unangenehm. Angesichts der Steilheit (ca. 45 Grad) nahm ich das Eisgerät in die Hand und rutschte schräg ab.
Am Ende musste nach rechts rüber gequert werden, hier war es auf 5m nochmal richtig eisig hart.
Sobald man die Querung hinter sich hat steht man am oberen Ende einer großen Rampe welche nach schräg links abwärts die Nordwand durchläuft. Hier konnte nun für ca. 400m etwas entspannter abgefahren werden.
Als Tobias da war glaubten wir zum zweiten Mal nun mehr oder weniger die Crux bereits hinter uns zu haben und genossen ein paar weitere leichte Meter.
Die vor uns steil am oberen Ende der Rampe verlaufenden Skispuren unserer Vorgänger ließen uns aber schon wieder skeptisch werden.
Theoretisch wäre eine Querung weiter unten möglich, dies jedoch unmittelbar an der Kante zu einem weiten Felsabbruch. Angesicht der schnell wechselnden Schneebeschaffenheit und eher harschigen Bedingungen moralisch nicht ohne. Da bereits eine Spur da war, folgten wir dieser, sie schien zumindest für unsere Vorgänger möglich gewesen zu sein.
Die Querung zieht sich sehr ausgesetzt und sehr steil weit nach links hinüber bis offensichtlich der Abafhrtsverlauf wieder gerade hinunter geht.
Am Ende der Querung angekommen wartete die Crux auf uns. Nach noch wenigen chilligen Metern
musste ca. 100m weit hinunter abgerutscht werden und dann auf der Schneide zwischen zwei angedeuteten Rinnen in den linken Hang gewechselt werden. Diese 100m waren sehr hart und eisig, teilweise gar auf wenigen Metern steinig und ca. 45 Grad steil. Mit Hilfe des Eispickels tasteten wir uns Meter für Meter hinunter, an ein Abspringen wäre bei den Verhältnissen nicht zu denken gewesen. Dadurch, dass bei einem Sturz in der oberen Hälfte dieser 100m man zwangsläufig in die rechte Rinne gerutscht wäre, welche in einen 15m hohen Felsabsatz oberhalb des auslaufenden Wandfußhangs mündete kam hier noch keine Feierabendstimmung auf. Erst nach etwa 2/3 der Strecke, als wir uns mehr auf der linken Seite und damit oberhalb des frei auslaufenden Wandfußhanges befanden entspannte sich die Psyche. Ein Sturz wäre hier nur noch sehr unangenehm gewesen, aber nicht mehr tödlich.
Im Abschlusshang angekommen war dann klar, nun ist die Abfahrt geschafft, der Rest nun endlich auch mal Genuss
Wir lösten wieder die Arretierung unserer Dynafitbindung um sie so wenigsten wieder zu einer Sicherheitsbindung zu machen und schwangen den restlichen Hang noch ab.
Mit staunendem Blick zurück betrachteten wir unsere Abfahrt.
Die Spur unserer beiden Vorgänger ging rechts das Rettenschwangertal hinaus, wir peilten eine Scharte zwischen Entschenkopf und Nebelhorn an, das „Gängele“.
Es ist dies nicht die tiefste Scharte sondern zwei weiter links vom tiefsten Punkt. Alte Abfahrtsspuren erleichterten uns die Wegfindung. Tobias spurte steil hinauf zum "Gängele".
Nach oben steilte sich der Hang immer mehr auf, die Spuranlage war zeit- und karftraubend. Irgendwann kommt man aber fast immer an und wir stiegen über die Wächte aus in den Sattel und damit endlich in die Sonne und die Wärme.
Grandios der Platz hier, im Profil konnten wir gerade noch die Nebelhorn Nordwand erkennen und gegenüber lockte bereits ein anderer Berg, welcher auch eher nicht als Skitourenberg bekannt ist und unser Nachmittagsziel darstellte.
Aber erstmal gab es eine kleine Pause und wir mussten ernüchtert feststellen, dass es bereits knapp 14 Uhr war. Die Abfahrt hatte uns doch mehr Zeit gekostete wie gedacht. Schnell wurde noch ne SMS an die Liebsten verschickt, dass wir heil vom Nebelhorn zurück sind
und dann gings weiter……….
(Vgl folgender Bericht von Tobias)
Gruß Alban und Tobias (Rocksportsteam)