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Eiger Nordwand - Heckmair-Route (TD, V, 80°, 1800 mH), Mai 2014
#1
„Die Faszination Eiger besteht bis heute, auch wenn der Mythos, das Geheimnisvolle und das Tabu des „Ungeheuers“ einer realistischen Verwertung gewichen sind. Geblieben ist der Respekt vor dieser einmaligen Wand. Man hat begriffen, daß sich kein Berg, keine Wand, die Natur schlechthin erobern oder besiegen läßt“

„Die wahre Geschichte der Eiger-Nordwand ist furchtbarer und großartiger, als Menschen sie je erfinden könnten. Ich gehöre zu den vieren, die im Juli 1938, die Eigerwand als erste durchsteigen haben. Die Erinnerung daran hat mich bis heute begleitet. Sie wurde auch durch das große Erlebnis Tibet und meiner schwersten Expedition nach West-Neuguinea nicht ausgelöscht“

„[Mir scheint die] Weiße Spinne wie ein Symbol für die Eigerwand. Ihre Gefahren hat der Bergsteiger erst im letzten Drittel der Wand zu bestehen, nachdem er von vielen Stunden und Tagen anstrengender Kletterei ermüdet, vom kalten Biwak geschwächt ist. Aber wer dort müde wird, darf nicht rasten“


aus: Heinrich Harrer – Die Weisse Spinne / Das große Buch vom Eiger



„Anderl Heckmair ist der Prototyp des Bergvagabunden. Auch er fand seinen Weg zwischen Kampf und Spaß, zwischen Weltwirtschaftskrise und Nazizeit, zwischen Karakorum und Anden. Und nur er fand 1938 den Weg aus der Eigernordwand heraus. Wie er die Viererseilschaft zuletzt durch den Götterquergang, die Spinne und die Ausstiegsrisse führte – verläßlich und eigenwillig, verantwortungsbewußt bis zur Selbstaufopferung –, das gehört zu den Sternstunden der Alpinistik.“

„Anderl Heckmair hat auf dem Eigergipfel keine Fahne gehißt. Dem Triumph, den andere für ein Land, eine Ideologie, eine Rasse zu nutzen versuchten, hat er sich zwar nicht entgegengestellt, aber er verstand ihn nicht als Propaganda für das Dritte Reich. Sein gefährliches Spiel zwischen dem Hinterstoißer Quergang und dem Gipfeleisfeld war getragen vom Können und vom Willen, sein eigenes Ziel zu verwirklichen. Dabei ist ihm die Spitzenleistung seines Lebens geglückt…“

aus: Anderl Heckmair – Eigernordwand, Grandes Jorasses und andere Abenteuer. Aus dem Vorwort von Reinhold Messner



„Man ist in dieser Wand lange nicht mehr so weltentrückt, wie man es bis Ende der fünfziger Jahre war. Was bleibt, ist aber noch immer das ganz große Abendteuer, ist die äußerste Probe der Fähigkeiten und des Charakters“

aus: Erich Vanis - im steilen Eis.



    der berühmte Blick von der Kleinen Scheidegg auf die Eiger Nordwand
    Eiger Nordwand – Heckmair-Route

Mit der Begehung der „Eiger – Nordwand“ konnten Jürgen und ich nicht nur eine der ganz großen Alpentouren klettern, sondern es ging für uns beide hier schlichtweg auch ein großer Traum in Erfüllung, ja sogar Kindheitstraum. Die berühmten und teilweise legendären Wandstellen, 1. Pfeiler, Zerschrundener Pfeiler, Schwieriger Riss, Hinterstoißer-Quergang, 1. Eisfeld, Eisschlauch, 2. Eisfeld, Bügeleisen, Todesbiwak, Rampe, Wasserfallkamin, Rampeneisfeld, Brüchiges Band, Brüchiger Riss, Götterquergang, Spinne, Quarzriss, Ausstiegskamine, Gipfeleisfeld einmal selber live zu sehen und Hand anzulegen war ein Erlebnis der ganz besonderen Art. Zudem lebt hier wie kaum sonst wo die Alpingeschichte. Von den verwegenen Bergvagabunden in den 1930ern, der ersten Winterbegehung und dem ersten Alleingänger in den 1960ern, über die großen Enchaînements in den 1980ern und den unvorstellbaren Speedbegehungszeiten in den letzten Jahren, um nur Mal ein paar Meilenstein zu nennen.

Wir haben die Eiger Nordwandwand ganz klassisch als Zweitagestour mit Biwak in der Wand geplant. Also mit guter Biwakausrüstung und ausreichend Essen. Am ersten Tag ging es ganz gemütlich mit der ersten Bahn von Grindelwald zur Station Eigergletscher und dann bis zum Todesbiwak. Am zweiten Tag vom Todesbiwak bis zum Gipfel und danach Abstieg über die Westflanke zur Station Eigergletscher.


Tourenbericht:


Das Abenteuer Eiger Nordwand beginnt mit der vorabendlichen Autofahrt nach Grindelwald. Nach einer Nacht im Auto fahren wir von Grindelwald Grund (943 m) um 07:25 Uhr mit der ersten Zahnradbahn zur Kleinen Scheidegg (2061 m) und nach dem Umsteigen weiter bis zur Station Eigergletscher (2320 m). Die einfache Fahrt kostete 36 CHF.

    reges Treiben beim Umsteigen auf der Kleinen Scheidegg

Kurz nach 08:00 Uhr sind wir an der Station Eigergletscher startklar und es beginnt die Querung unter die Wand. Aufgrund von übelstem Harschdeckel und ständigem Durchbrechen mühsam und zeitaufwendig auch wenn man eigentlich nur rüber quert. Schon bei dieser Querung zeigen sich die Dimensionen dieses Berges. Nach einer Stunde steigen wir schlussendlich gegen 09:00 Uhr richtig ein und es folgt der untere Teil. Eine Seilschaft ist bereits oben am Schwierigen Riss zu sehen.
Mit gutem Trittfirn und bei vorhandener Spur ging es hier schnell voran. Geneigtes Stapfgelände wechselt mit kurzen Eis oder Felsstufen ab. Eine markante offensichtliche Querung nach links und gleich ein paar Meter oberhalb wieder weit nach rechts führen zum Schwierigen Riss.

    im unteren Wandteil
    im unteren Wandteil
    perfekter Trittfirn im unteren Wandteil
    perfekter Trittfirn im unteren Wandteil
    Querung nach rechts unter den Schwierigen Riss

Nach einer Stunde stehen wir unter dem Schwierigen Riss und packen das Seil und Fels-Equipment aus. Ab hier wird es ernst und es wartet die erste Prüfung. Der Fels war hier zu Beginn leider nass und ganz leicht mit Eis überzogen. Trotz guter Griffe muss hier gleichmal ganz ordentlich im steilen Gelände zugepackt werden. Einige Hacken vorhanden. Davor und danach Bohrhakenstände.

    Schwieriger Riss
    Schwieriger Riss

Nach einem kurzen und leichten Felsriegel, welcher wohl am besten über eine kleine Verschneidung überwunden wird steht man auf dem Schneefeld welches nach links Richtung Hinterstoißer-Quergang führt. In diesem Bereich thront die gewaltige Rote Fluh beeindruckend über einem.

    kurze Verschneidung unter der Roten Fluh
    ein Kletterer ist am Beginn des Hinterstoißer-Quergangs ganz klein zu sehen

Direkt vor dem Hinterstoißer-Quergang gilt es aber nochmals einen Steilaufschwung zu überwinden. Hier gab es gutes Wassereis zum hochpickeln. Zudem hing hier ein altes Fixseil herunter. Nach dem Schwierigen Riss bis zum Beginn des Hinterstoißer-Quergang kletterten wir am langen Seil.

    Steilaufschwung direkt vor dem Hinterstoißer-Quergang
    in der Schneequerung vor dem Steilaufschwung

Nun folgt also der legendäre Hinterstoißer-Quergang hoch über den Dächern von Grindelwald, insgesamt vermutlich eine der populärsten Passagen in der Eiger Nordwand. Beide waren wir über die Länge und den gnadenlos plattigen Fels dieses Querganges verwundert! Was hat dieser damals gerademal 22 jährige Berchtesgadener Andreas Hinterstoißer im Juli 1936 hier nur für einen Mut und Können bewiesen um in diesem Gelände solch gewaltige Pendelquergänge hinzulegen. Unglaublich! Unteranderem die Tatsache, dass sie sich durch abziehen des Quergangseiles quasi den Rückweg abgeschnitten hatten führte zur berühmtgewordenen großen Katastrophe von 1936 mit vier Toten (Kurz, Hinterstoißer, Angerer, Rainer).
Heute hat es an den Ständen dort Bohrhaken es hängen Fixseile drin und die Passage bis zum nachfolgenden Schwalbennest kostete uns als Seilschaft nur ca. 20 Minuten. Die Qualität der Fixseile ist aber schon deutlich gezeichnet von Abnutzung und Steinschlag. Insbesondere bei der Einhängung am mittleren Fixierungsstand der Fixseile ist der Schraubkarabiner kaputt, weitaufgebogen und lässt sich nicht mehr schließen (siehe Bild). Auf ein allzu großes Reißen an diesen Fixseilen der ersten Hälfte sollte man derzeit also besser verzichten!!!


„Nach der Überwindung des schwierigen Risses unter der Roten Fluh gelingt Andreas Hinterstoißer als erstem die Querung zum Ersten Eisfeld, und zwar fast schulmäßig mit Hilfe des Seiles. Diese Technik des „Seilquerganges“ hatte der Felsenmeister Hans Dülfer schon vor dem Ersten Weltkrieg … erfunden und ausgeführt.“
„Andreas Hinterstoißer macht solch einen Quergang in der Eigerwand. Er findet den Schlüssel. Als alle darüber hinweg sind, zieht er das Quergangsseil ab. Damit hatte er den Schlüssel abgezogen. Das Tor zurück ist zugeschlagen – falls man zur Umkehr gezwungen würde … Aber wer denkt an Umkehr?“


aus: Heinrich Harrer – Die Weisse Spinne / Das große Buch vom Eiger


    der legendäre Hinterstoißer-Quergang
    man beachte die Details…

Im 1. Eisfeld liegt super Trittfirn und wir können die vor uns kletternde Englisch-Norwegische Seilschaft ein- und auch überholen. Der Eisschlauch zwischen 1. und 2. Eisfeld ist Mitte Mai auch nicht mehr allzu verlockend. Das Eis total weiß und abgelöst. Wir entscheiden uns wie in diesem Fall üblich für die Felsen direkt links davon. 10 m steile aber dankbare Mixedkletterei und drei Haken später ist die Stufe überwunden und man klettert im eigentlichen Ausstiegsbereich des Eisschlauches weiter dem 2. Eisfeld entgegen. Dass es sich hier im Sommer um richtiges Sch…gelände handelt kann sich gut vorstellen. Wir klettern zwar noch auf einer ganz dünnen weißen Eisauflage, müssen aber mit Steigeisen und Eisgeräten schon ganz schön auf dem darunterliegenden Fels rumkratzen und eine Absicherung ist auf 35-40 m quasi nicht möglich.

    unterwegs im 1. Eisfeld
    10 m steile aber dankbare Mixedkletterei links vom Eisschlauch
    Runout auf dünner schlechter Eisauflage

Das riesige 2. Eisfeld ließ sich bei Trittfirn und vorhandener Spur natürlich easy am laufenden Seil klettern. Das sind aber schon viele, viele Meter. Zunächst ganz nach oben und dann am oberen Rand des 2. Eisfeldes entlang lange Querung nach links unter das Bügeleisen. Es ist nun ca. 14 Uhr, total warm und die Schneerutsch-, Stein- und Eisschlagaktivitäten nehmen langsam zu.

    unterwegs am oberen Rand des 2. Eisfeld

Zwischen 2. Eisfeld und Todesbiwak gilt es noch eine je nach Verhältnissen gar nicht so triviale Felsstufe rechts vom Bügeleisen zu überwinden. Der Fels ist nicht der beste und bei uns ist alles total nass und der Schnee hat keinerlei Festigkeit mehr. Nach 2 Seillängen an dieser Felsstufe erreichen wir gegen 16 Uhr das berühmte Todesbiwak am höchsten Punkt des Bügeleisens.

    die Felsstufe vor dem Todesbiwak
    kurz vor dem Todesbiwak
    die nachfolgende Seilschaft im 2. Eisfeld

Der Name Todesbiwak erinnert an die beiden Deutschen Max Sedelmayr und Karl Mehringer. Sie waren es, die am 21. August 1935 als allererste in die Eiger Nordwand eingestiegen sind (allerdings nicht auf der heute üblichen Heckmair-Route) und nach Wettersturz im Todesbiwak erfroren sind.


„Sie leben noch. Am fünften Tag in dieser Wand, nach vier Biwaks, trotz Kälte, Sturm, Lawinen. Sie leben, und sie klettern noch aufwärts … Man spricht nicht aus, daß man jemanden für verloren hält. Die Bergführer und Bergsteiger wissen, warum die beiden nicht umgekehrt sind: Die Lawinen, der Steinschlag bilden eine furchtbare Falle.“

„Die beiden steigen weiter. Dem steilen Grat des Bügeleisens entgegen. Der Nebelvorhang geht zu, verbirgt den letzten Akt der ersten Tragödie der Eigerwand vor den Augen der Menschen. Sturm, der die Schneeflocken waagrecht gegen die Felsen peitscht, grollende Lawinen, Sturzbäche, in die sich das Stakkato des Steinschlags mengt – das ist die Melodie der Eigerwand“

„Wochen später, am 19. September 1935, als das Wetter endlich besser geworden ist, kommt Ernst Udet, Deutschlands bester Flieger. … Bis auf zwanzig Meter flog er an die Wand heran, und da entdecken die beiden einen der Vermißten – war es Sedelmayr oder Mehringer?- bis an die Knie im Schnee steckend, stehend erfroren im letzten Biwak, an der Spitze des Bügeleisens, das seither das Todesbiwak genannt wird.“


aus: Heinrich Harrer – Die Weisse Spinne / Das große Buch vom Eiger



Mit gewisser Enttäuschung stellen wir fest, dass seit den letzten massiven Schneefällen hier am Todesbiwak niemand mehr biwakiert hat und wir vorlauter Schneewechten kaum die Biwakbohrhaken sehen. Schweren Herzens entscheiden wir uns aufgrund des durchweichten Schnees und den deutlich zunehmenden Stein- und Eisschlagaktivitäten bereits hier am Todesbiwak zu bleiben. Vom Tageslicht her hätten wir Mitte Mai ja noch 5h weiterklettern können und das hätte vermutlich noch gut bis zum Brüchigen Band oder zum Götterquergangbiwak gereicht. Zudem stellte sich natürlich die Frage wenn nicht mal das Todesbiwak (der wahrscheinlich beste und sicherste Biwakplatz der ganzen Heckmair-Route) ausgegraben ist, wie es dann um die anderen Plätze steht. So machen wir uns an die Arbeit und schicken zenterweise festgepressten Schnee nach unten. Zwei Stunden später haben wir eine schöne Fläche und können uns in der genialen Abendsonne dem Entspannen und Kräftesammeln widmen. Gegen 18 Uhr kommen auch der Engländer und Norweger hier vorbei und machen sich weiter rechts an die Arbeit. 4 Personen können hier ganz locker liegen. Vermutlich kann man auch zu sechst noch liegen.

    das Todesbiwak wird wieder ausgegraben
    Todesbiwak in der Abendsonne
    Todesbiwak in der Abendsonne
    Blick aus dem Schlafsack
    Sonnenuntergang

Nach einer sternenklaren aber nicht allzu kalten Biwaknacht sind wir am nächsten Morgen schon sehr früh wieder am Kochen und Schneeschmelzen. Es warten ja noch ein langer, langer Weg und die eigentlichen Hauptschwierigkeiten der gesamten Heckmair-Route. Mit dem ersten Tageslicht gegen 05:30 Uhr sind die Steigeisen wieder angeschnallt und wir starten die Querung über das 3. Eisfeld zum Beginn der Rampe. Eine gewisse Steifigkeit nach dem Biwak ist schon zu spüren und wir müssen erst wieder auf Touren kommen. Zum Glück stellt die Querung übers 3. Eisfeld keine großen technischen Anforderungen und ist somit ideal zum Aufwärmen.

    Querung über das 3. Eisfeld zum Beginn der Rampe
    Übersichtsbild

Im Vergleich zu den Schneeverhältnissen am vorigen Nachmittag ist es nun wieder hart und durchgefroren. Wie schön es doch ist in richtig hartem Schnee zu klettern! In drei gemäßigten aber teilweise super schönen kombinierten Seillängen geht es über die Rampe zum Beginn des berühmt berüchtigten Wasserfallkamins. Wie vermutet war das Spanierbiwak vor dem Wasserfallkamin kein Stück eingegraben.

    unterwegs auf der Rampe
    unterwegs auf der Rampe
    unterwegs auf der Rampe

Nun folgt also der berühmt berüchtigte Wasserfallkamin. Zusammen mit der nachfolgenden „Eiswulst-Seillänge“ ist das eine der entscheidenden Schlüsselseillängen in der Eiger Nordwand. Die linke Seite Wand und der gesamte Grund des Wasserfallkamins ist bei uns stark vereist. Nicht gerade optimal, doch souverän meistert Jürgen diesen heiklen Meter und kämpft sich den Wasserfallkamin empor. Schwer und ernst! Es hängt zwar die eine oder andere Schlinge und ein paar Haken stecken auch. Mit A0 komplett durchmogeln ist aber definitiv nicht!


„Ein bißchen steif waren die erste Schritte wohl, der Anblick der Wand, die ich jetzt hinauf sollte, machte mir heiß. Der gestrige Wasserfall über die linke glatte Seite war nicht mehr da, dafür eine einzige Eiskruste. … Um dem Eis auszuweichen, klettere ich in der brüchigen überhängenden Wand weiter und kann … Mit der rechten Hand packte ich einen über mir befindlichen Griff. Noch bevor ich ihn überhaupt beanspruchen konnte, brach er aus, und der große Brocken im Format einer Kaffeekanne fiel mir auf den Kopf. Schon hing ich an dem guten Haken unter dem Überhang. Das war der erste Sturz: „Kann mal vorkommen“, dachte ich und packte gleich wieder an.“

aus: Anderl Heckmair – Eigernordwand, Grandes Jorasses und andere Abenteuer


    der anspruchsvolle Wasserfallkamin
    der anspruchsvolle Wasserfallkamin

Der Stand nachdem Wasserfallkamin befindet sich auf einem Absatz auf der rechten Seite, besteht aber nur aus zwei rostigen Stichtbohrhaken und ist als durchaus kritisch zu betrachten. Wie so oft in dieser Wand bleibt einem aber (auch aus Zeitgründen )nicht viel mehr übrig wie das her zu nehmen was eben da ist. Denn gerade an dieser Stelle wird man gute Risse für schnelle Cams oder Normalhaken bei Schneelage nicht gleich finden. Kritisch ist es insbesondere deswegen, da danach gleich die nächste richtig schwere und vor allem auch moralisch sehr anspruchsvolle Seillänge folgt. Gerade bei winterlichen Verhältnissen mit Schnee ist der folgende Kamin meist mit einem dicken Schneewulst komplett gefüllt. Die linke Kaminwand ist sehr glatt und so bleibt oft nicht viel mehr übrig wie in die steile, glatte Wand links vom Kamin auszuweichen. Dieser Weg ist gesäumt von zwei dicht beieinander liegenden Normalhaken. Diese Variante ist sicherlich gleichschwer wie der Wasserfallkamin aber eben noch moralischer. Nach diesen schweren Felsmetern ist das Rampeneisfeld aber noch lange nicht erreicht und es folgen in dieser Seillänge schwere Eismeter in einer gegen Ende immer enger werdenden Rinne.

Die Erstbegeher 1938 hatten im Kamin ihre große Mühe mit dem Eiswulst und Anderl Heckmair musste hier wie schon vorher im Wasserfallkamin hart an die Sturzgrenze und weit darüber hinausgehen:


„Unheimlich schaut das aus. Aber Anderl scheint von der Gefahr nicht beeindruckt; fast zentimeterweise gewinnt er an Höhe. Als er jedoch dem Eiszapfen sein Gewicht anvertraut, bricht das glitzernde Gebilde ab – Anderl kommt…
Der Sturzhaken hält“

„Und wieder die gleiche Reaktion, die wir bei ihm schon kennen. Eine so radikale Abweisung wie ein Sturz weckt in Anderl wilden Trotz. Gleich packt er den Wulst wieder an…“


aus: Heinrich Harrer – Die Weisse Spinne / Das große Buch vom Eiger


    die anspruchsvolle “Eiswulst-Seillänge”
    die anspruchsvolle “Eiswulst-Seillänge”
    steile Eiskletterei am Ende dieser Seillänge

Das Rampeneisfeld ist erreicht und es folgen nun erst mal wieder ein paar Seillängen zum „entspannen“, zu mindestens moralisch. Denn die Passage vor dem brüchigen Band und das brüchige Band selbst empfanden wir von der Brüchigkeit überhaupt nicht arg dramatisch. Nach anderen Berichten hab ich mir das viel schlimmer vorgestellt. Mit brüchigem Fels sollte man am Eiger schon etwas umgehen können. Bis zum Brüchigen Riss leicht am langen Seil möglich. Die Biwakplätze am Brüchigen Band waren ebenfalls unbenutzt, hätten aber keine großen Schneeräumarbeiten erfordert.

    Rampeneisfels
    Biwakplätze am Brüchigen Band
    Tiefblick von den Biwakplätzen auf den oberen Teil des Rampeneisfeldes
    Blick auf den Brüchigen Riss
    auf dem Brüchigen Band

Der Brüchige Riss ist zwar auch steil und es muss ernsthaft geklettert werden insgesamt aber deutlich leichter und vor allem viel dankbarer zu klettern wie die beiden schweren Seillängen am Ende der Rampe. Zählt heute ein gehobenes Kletterkönnen mit Steigeisen in schwerem Fels quasi zu den unabdingbaren Vorrausetzungen für eine sichere Begehung der Eiger Nordwand, so mussten es die Herren von 1938, mangels voriger Erfahrungen, erst in der Eiger Nordwand lernen. Zudem kletterten Heckmair und Vörg quasi erstmals mit der damaligen „Weltneuheit“ der Zwölfzacker Steigeisen, also auch mit Frontzacken. Anderl Heckmair schreibt über den Brüchigen Riss:


„Mit den vorderen Steigeisenzacken die winzigen Tritte benützend, drang ich aufwärts. Es war mir eine völlig neue Technik. Einen so vereisten Fels hatte noch keiner von uns erklettert. Was hätten wir da ohne die Zwölfzacker gemacht?“

aus: Anderl Heckmair – Eigernordwand, Grandes Jorasses und andere Abenteuer


    Brüchiger Riss
    Brüchiger Riss
    am Ende des Brüchigen Risses

Nun folgt der großartige Götterquergang. Hier zu klettern ist wirklich ein Traum und solch geniale Quergänge in klassischen alpinen Wänden sind doch das Salz in der Suppe. Bei bestem Trittfirn hoch über Grindelwald steigen wir der Spinne entgegen. Am Übergang zwischen Götterquergang und Spinne wird es wieder etwas felsiger aber immer super zu klettern und horizontal geschichtet. Ein paar Haken und ein paar Meter Fixseil waren auch vorhanden.


„Der Quergang ist nicht nur landschaftlich unbeschreiblich schön, sondern auch klettertechnisch so anregend und sicher, daß wir das nahende Gewitter fast vergessen. Ich weiß nicht mehr, wer zuerst den Namen „Götterquergang“ für diese Stelle fand. Aber er besagt alles.“

aus: Heinrich Harrer – Die Weisse Spinne / Das große Buch vom Eiger


    Götterquergang – ein wahrhaft göttlicher Quergang

Im beeindruckenden Eisfeld der Spinne hatte es zwar wenig Trittfirn, dafür aber gut kletterbares Eis. In der Spinne geht es an das rechte obere Ende. Hier vermittelt eine etwas verdeckte, leichte und geneigte Rinne den besten Weiterweg (roter Pfeil).

    unterwegs in der Spinne
    am oberen Rand der Spinne

Zwei lange kombinierte Seillängen führen an den Fuß des Quarzrisses.

    Übersichtbild
    unterwegs in der Seillänge vor dem Quarzriss

Dieser Riss bildet die letzte auch klettertechnisch richtig schwere Passage. Hier gilt es nochmals vollkonzentriert und ernsthaft zu klettern. Die Absicherung ist eher karg und schlecht und zudem ist bei uns blöderweise die gesamte linke glatte Seitenwand mit einem dünnen Eisfilm überzogen. Bei dem plattigen Fels mega unangenehm. Auch Jürgen muss hier nochmal richtig beißen. Nach ein paar gewaltigen Schreien in den Eiger-Himmel hinaus war aber auch dieser Tanz auf eisüberzogenen Platten beendet und Jürgen ruft erleichtert Stand.


„Die letzte Schlüsselstelle ist der Quarzriss. Vor diesem abdrängenden Riss hatte ich immer großen Respekt, ihn habe ich mir im Sommer besonders gut angeschaut. Ich wollte eine 150-prozentige Lösung. Zwei-, dreimal steht man links draußen auf der glatt polierten hellen Platte, auf winzigen Leisten, während der rechte Fuß im Riss sitzt. Weil die Wahrscheinlichkeit, dass der linke Fuß abrutscht, ziemlich hoch ist, müssen die Eisgeräte umso besser im Riss verkeilt sein, denn wenn es dazu kommt, sind die Pickel die einzige Lebensversicherung.“

aus: Ueli Steck – Speed / Die drei großen Nordwände der Alpen in Rekordzeit. Anlässlich seiner Rekordbegehung vom 13.02.2008 in unglaublichen 2h 48min!


    Quarzriss
    Quarzriss
    auf der gesamten linken Seitenwand ist der spiegelnde Eisfilm zu erkennen
    die schwersten Meter des Quarzrisses sind schon vorbei

Eine leichte aber an einer Stelle etwas unangenehme Querung leitet nun nach links auf die markante Kanzel des Cortibiwaks. Wobei hier bei Schneelage der Begriff Biwak mit Vorsicht zu genießen ist. Claudio Corti wurde im August 1957 nach 8 Tagen in der Wand von dieser Kanzel mit Stahlseil und Winde vom Gipfelgrat aus gerettet. Die erste Lebend-Rettung aus der Eiger-Nordwand. Viele Rätsel, Widersprüche und Anfeindungen entstanden um dieses große Drama von 1957. Die Deutschen Günter Nothdurft und Franz Mayer sowie Corti´s Seilgefährte Stefano Longhi kamen ums Leben. Vom Cortibiwak führt ein leicht fallender mit Fixseilen ausgestatteter Quergang an den Beginn der berühmten Ausstiegskamine.

    in der Querung zum Cortibiwak (die Schneekanzel am oberen Bildrand)

Die Ausstiegskamine sind eigentlich gar nicht so schlimm zu klettern, eher bescheiden absicherbar. Gutes Eis ist hier Mitte Mai auch nicht mehr existent. Es erreichen uns die ersten Sonnenstrahlen an diesem zweiten Tag. Zwei Seillängen durch diese Ausstiegskamine führen uns auf den gratartigen Absatz. Hier legt sich das Gelände deutlich zurück und wir nehmen das Seil weg und auf den Rucksack. Über nicht allzu dramatisches kombiniertes Gelände steigen wir eher linkshaltend einem Rücken entgegen. An dieser Stelle klettern viele Seilschaften auch eher rechtshaltend geradewegs auf das Gipfeleisfeld zu. Hier kann man sicher keine pauschale Aussage treffen was der bessere Weg ist. Je nach Verhältnissen, Schnee und Eismenge.

    erste Seillängen in den Ausstiegskaminen
    Übersichtsbild oberster Wandbereich
    ab hier geht es ohne Seil weiter
    leichtes kombiniertes Gelände
    Blick auf die eigentliche Gipfeleiswand, die wir leicht rechts liegen lassen
   
    linke Gipfeleiswand

Auf dem Rücken angekommen folgt die deutlich geneigtere linke Gipfeleiswand. In der heißen Nachmittagssonne darf man hier nochmal ganz schön kämpfen. Ein unbeschreibliches Gefühl ergreift mich beim Ausstieg auf den Mittellegigrat, die Anspannung von zwei langen Tagen beginnt sich in diesem Moment zu lösen. Bis zum Gipfel sind es wie so oft an diesem Berg doch noch einige Meter. An einer Stelle des Grates ist der Biwakplatz der Seilschaft die am Vortag an einem Tag durch ist gut zu erkennen. Gegen 16:00 Uhr erreichen wir höchstzufrieden, überglücklich und auch ein klein wenig stolz den Gipfel des Eiger (3970). Für große Freudentänze sind wir einfach viel zu platt aber die Freude ist riesig. Auch wenn wir definitiv keinerlei Bestzeit hingelegt haben sind wir einfach nur glücklich darüber die EIGER NORDWAND durchstiegen und einen großen Traum geträumt zu haben.

    die letzten Meter über den Mittellegigrat zum Gipfel
    On Top of EIGER (3970 m)
    On Top of EIGER (3970 m)

Nach kurzer Pause und einigen Fotos geht es an den Abstieg durch die Westflanke. Zunächst am Grat entlang und dann je nach Verhältnissen an geeigneter Stelle nach links in die Westflanke. Die Anspannung ist sofort wieder da, denn erlauben darf man sich hier im oberen Teil der Westflanke nicht viel. Zudem bereiten mir im oberen Teil das total durchfaulte Eis und später die grundlos aufgeweichten Schneeflanken einige Sorgen. Die warmen Temperaturen und die schon seit Stunden volle Sonneneinstrahlung haben hier leider mächtig gewirkt. Weiter unten ist man über mehrere 100 Hm noch dem Eisabbruch in der Westflanke ausgesetzt.

    im obersten Teil der Eiger Westflanke
    im tiefen Sulz der Westflanke
    kurz vor der Station Eigergletscher

Was eine Wand, was eine Tour...



Eiger (3970 m) - Nordwand „Heckmair-Route“ / Zahlen und Namen(Auszüge):
- 1. Begehung: Andreas Heckmair und Ludwig Vörg (Deutschland), Fritz Kasparek und Heinrich Harrer (Österreich) 21.-24. Juli 1938
- 2. Begehung: Lionel Terray und Louis Lachenal (Frankreich) 14.-16. Juli 1947
- 3. Begehung: Hans und Karl Schlunegger, Gottfried Jermann (Schweiz) 04.-05. August 1947
- 4. Begehung: Leo Forstenlechner und Erich Waschak (Österreich) 26. Juli 1950 (erste Eintagesbegehung in 18h)
- 8.Begehung: Herman Buhl und Sepp Jöchler (Österreich), Otto und Sepp Maag (Deutschland), Gaston Rébuffat, Guido Magnone, Jean Bruneau, Paul Habran und Pierre Leroux (Frankreich) 26.-29. Juli 1952
- 1. Winterbegehung: Toni Kinshofer, Anderl Mannhardt, Toni Hiebeler (Deutschland) und Walter Almberger (Österreich) 06.-12. März 1961
- 1. Alleinbegehung: Michel Darbellay (Schweiz) 02.-03. August 1963
- Reinhold Messner (Südtirol) und Peter Habeler (Österreich) in 10 Stunden am 15. August 1974
- Thomas Bubendorfer (Österreich) in 4h 50 min am 27. Juli 1983
- Christoph Hainz (Südtirol) in 4h 30 min am 24. März 2003
- Ueli Steck (Schweiz) in 2h 48 min am 13. Februar 2008
- Roger Schäli (Schweiz) und Simon Gietl (Südtirol) Seilschaftsrekord in 4h 25 min am 09. Februar 2011
- Michael Wohlleben und Fritz Miller, Deutsche Seilschaftsrekordzeit in 5h 10 min am 10. Februar 2011
- Dani Arnold (Schweiz) in 2h 28 min am 20. April 2011


unsere Material (nur Kletterausrüstung):
- 60 m Doppelseil
- Steigeisen und zwei Eisgeräte pro Person
- 4 lange (120cm) und 3 (60cm) kurze Bandschlingen
- 5 Expressschlingen
- 4 Normalkarabiner
- 5 Cams zwischen 0.3, 0.4, 0.5, 0.75, 1 und 2
- der ganz kleine Totem New Basic Cam
- kleines Keilset (nur kleine Größen)
- 5 Normalhaken, unterschiedliche Ausführungen (wurden jedoch nicht benutzt)
- 4 Eisschrauben (zwei 10 er, eine 14er und eine 18er)
- ca. 6m Prusikmaterial für die Seilschaft
- 2 Tiblocs (wurden jedoch nicht benutzt)
- das übliche persönliche Standplatzmaterial aus Schraubkarabinern und Sicherungsgerät


die Zitate wurden folgender Literatur entnommen:
Die Weisse Spinne, Das Grosse Buch vom Eiger
8. Auflage 2010
Ullstein Verlag
Heinrich Harrer

Anderl Heckmair – Eigernordwand, Grandes Jorasses und andere Abenteuer
5. Auflage 2008
AS Verlag
Andreas Heckmair

Im steilen Eis - 80 Eiswände in den Alpen
Neuausgabe 1980
Erich Vanis

Speed / Die drei großen Nordwände der Alpen in Rekordzeit
54. Auflage 2012
Malik, National Geographic
Ueli Steck


Landkarten:
1:25000 SAC Karte 1229, Grindelwald


Viele Grüße
Jürgen und Tobias
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#2
Hallo Tobi,

herzlichen Glückwunsch zur Traumtour !!!

Super Bericht und Bilder, wäre gerne dabei gewesen!!!

Gruß, Jochen
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