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Rädlergrat, Winterbegehung (VI, 70 Grad Gras), Allgäu 05.03.2013
#1
„Rädlergrat – Winterbegehung“ ein großes Abenteuer und auch schon länger so ein Traum ... nun war es soweit, Ebe und ich haben es durchgezogen. Dies war nun meine 3. Begehung des Rädlergrats und sie hat bezogen auf den Gesamtanspruch, Abenteuerfaktor und Wildheit selbstverständlich beide Sommerbegehung um Welten in den Schatten gestellt.

Der berühmt, berüchtigte Rädlergrat auf den Gipfel mit dem bezeichnenden Namen Himmelhorn (2113 m) ist eine der ganz großen Touren des Allgäus mit weitreichendem Ruf. An landschaftlicher Einmaligkeit und Ausgesetztheit wahrscheinlich kaum zu überbieten. Im hinteren Oytal/Käseralp sind das wilde Himmelhorn und die magische Linie des Rädlergrats am besten und beeindruckensten zu bestaunen. Er wurde bereits 1910 von Hans Rädler erstbegangen und das im Alleingang!!! Zwar hat er die Gipfelwand umgangen, allerdings durch eine nach heutigen Maßstäben noch viel wilderen senkrechten Grasrinne links der Gipfelwand. Diese majestätische Linie wurde zu früheren Zeiten häufiger auch von so prominenten Alpinisten wie Hermann Buhl und Gaston Rebuffat besucht.

Seinen großen und berüchtigten Ruf verdankt er aber leider auch den vielen abgestürzten Bergsteigern, die in den extrem steilen Flanken ihr Leben lassen mussten. Auch wenn heute im unteren Felsteil teilweise Normalhaken stecken und man mit modernen Klemmgeräten einige Stände verbessern kann und zusätzliche Zwischensicherungen anbringen kann, sind Seilschaftsabstürzte vom Grat sicher nicht an allen Stellen auszuschließen. Insgesamt sollte auch ein Nachsteiger in solchem Gelände absolut sicher sein. Man sollte an jeder Stelle einen Griff- oder Trittausbruch (Fels wie Gras) ausgleichen können.

Aufgrund der südwestseitigen Ausrichtung des Grates apert er auch im Winter nach längeren Schönwetterphasen stark aus und ändert so sein Gesicht im Verlaufe eines Winters sehr stark. Während diverser Touren im hinteren Oytal auf Ski oder im Eis in den letzten Wintern habe ich ihn immer wieder mit den verschiedenen Gesichtern gesehen. Mal tief verschneit mal gut ausgeapert (siehe Bild 1 und 2).
Das aktuelle Wandbuch geht bis ins Jahr 2004 zurück. Neben den wenigen Sommerbegehungen ist nur von einer Winterbegehung zu lesen. Dies waren Matthias und Alexandra Robl zu Heiligabend am 24. Dezember 2006. Die erste Winterbegehung erfolgte dann auf der heute üblichen Route durch die Gipfelwand durch den großen Ulmer Winterbergsteiger Georg Maier zusammen mit Hannes Niederberger in zwei Tagen am 18. und 19. März 1964.

    Himmelhorn – Rädlergrat – 31.01.2008
    Himmelhorn – Rädlergrat – 05.03.2013 (aktuell)

Für eine Tourenbeschreibung mit allen Details, wie Zustieg, Route, Seillängen, Abstieg sei auf Albans Eintrag hier im Forum verwiesen. Alban beschreibt den Rädlergrat (Begehung vom 05.08.2005) in gewohnt grandioser Präzision unter folgendem Link:


Himmelhorn Rädlergrat – 05.08.2005



Bericht und Bilder der Begehung von Christian und mir am 14.07.2010 unter folgendem Link:


Himmelhorn Rädlergrat – 14.07.2010



Bericht und Bilder der Begehung von Nina und mir am 03.09.2011 unter folgendem Link:


Himmelhorn Rädlergrat – 03.09.2011



    zu Hause in der Materialkammer


Nach sternenklarer und für die Jahreszeit sehr kalter Nacht (-8 °C in Oberstdorf) waren diesbezüglich die besten Voraussetzungen gegeben. Vom Oytalhaus bis zur Gutenalpe gab es wieder eine gute Radtrackspur und danach eine vorhandene harte und duchgefrorene Fuß- und Skispur. So ging es also vorbei am Prinzenkreuz bis zum Stuibenfall ganz gut ohne die mitgeführten Schneeschuhe. Erst danach im freien Gelände bei der Querung in den Gaisbachtobel und somit zum Fußpunkt des Rädlergrat waren die Schneeschuhe sehr angenehm.

    Querung in den Gaisbachtobel, Mondlicht am Rauheck

Im Tobel wurden dann die Fortbewegungsmittel wieder gewechselt. Von Schneeschuhe und Stöcke auf Steigeisen und Eisgerät. Gegen 06:30 Uhr steigen wir ein und es folgen die ersten steilen Grasflanken aus dem Gaisbachtobel heraus. Wir hatten hier gleich mit hartgefrorenem Steilgras und vollem Einsatz der Eisgeräte gerechnet. Doch wiedererwarten war das Steilgras nicht gefroren sondern bot quasi „Softgras“ Verhältnisse, äquivalent zum „Softeis“ beim Eisklettern;-) So kamen wir sehr flott voran und waren bald am bequemen, waagrechten „Frühstücksplatz“ bei der letzten großen Tanne im Steilgrasteil. Dieser Platz ist kurz vor den steilsten Abschnitten (bis 70°) des Steilgrasteiles und somit auch die letzte Möglichkeit um relativ problemlos abzubrechen, denn über Bäume und Büsche könnte man zur Not von dort wieder in den Gaisbachtobel abseilen. Wir reflektieren auch kurz: Wir fühlen uns super, der Rädlergrat scheint relativ aper mit nur wenig Eis und Schnee und wir sind super im Zeitplan. Weiter geht es…

    oberhalb des „Frühstückplatzes“ kurz vor dem steilsten Grasabschnitt
    im steilen Abschnitt
    im steilen Abschnitt

Nach dem steilsten und ausgesetzten Abschnitt legt sich das Gelände etwas zurück und man ist bald am Einstieg des Felsteils. Trotzdem handelt es sich natürlich noch überall um absolutes Absturzgelände.

    kurz vor dem Einstieg in den Felsteil
    Im Hintergrund die noch tief verschneite Höfats
    kurz vor dem Einstieg in den Felsteil

Wir legen die Kletterausrüstung an und steigen ein. Trotz der immer anspruchsvollen und brüchigen Seillängen kommen wir gut voran und der wenige Schnee/Vereisung in den nordseitig zu kletternden Gratpassagen störte nicht allzu viel. Irgendwo in der 2. Sl kam dann die Sonne hinter dem Großen Wilden hervor und wärmte uns angenehm. Plötzlich segelte direkt über unseren Köpfen eine riesiger Vogel elegant vorbei und drehte seine Runden vor der beeindruckenden winterlichen Höfats. Ich bin jetzt ja kein Ornithologe aber ich glaube vom Aussehen her war das sogar ein Adler.

    1. SL
    2. SL
    Sonnenaufgang am Großen Wilden
    Adler ? vor der Höfats
    Ebe am Stand nach der 3. SL
    eine der fotogensten Stellen am Rädlergrat
    eine der fotogensten Stellen am Rädlergrat
    4. SL
    5. SL

Nach 4 Seillängen erreichen wir die etwas flacheren und im Sommer einfachen Seillängen vor der Gipfelwand. Doch hier bekommen wir einen kleinen Schock. Es liegt unerwartet relativ viel Schnee direkt auf der Gratkante und er ist zudem auch noch nach links hängend überwechtet. Es sind nun noch drei Längen bis zur Gipfelwand und jeder von uns bekommt es im Vorstieg mit dem Schnee zu tun. Ganz vorsichtig und zaghaft, Schritt für Schritt, eine Passage sogar im Reitersitz, tasten wir uns vorwärts um nicht den dünnen Schneegrat falsch zu belasten. Die im Sommer möglichen Sicherungspunkte an Köpfl oder Wurzeln liegen leider unter dem Schnee. Ein kleiner Schock war es auch deshalb weil nun eigentlich schon klar war was uns oben nach der Gipfelwand und vor allem auf dem Verbindungsgrat im Abstieg erwarten könnte. Noch wissen wir es ja aber nicht …

    6. SL
    7. SL – Blick in die Gipfelwand
    7. SL
    Blick auf den Schneegrat

Nun steht also die Gipfelwand auf dem Programm. Immerhin die technisch schwersten Seillängen am Rädlergrat. Zwei Seillängen im V. Grad und eine im VI. Grad gilt es in nicht immer bestem Fels zu meistern. Aus Zeitgründen ziehe nur ich die Kletterschuhe an, denn das ganze Umpacken, Auspacken, Einpacken von Schuhen, Schneeschuhe usw. dauert eben auch gleich ein Zeit. Dafür steige ich die nächsten drei Längen vor und Ebe in den dicken steigeisenfesten Bergschuhen alles nach!!! Aber nicht irgendwie das es dadurch langsamer ging oder so, Ebe stieg auch die kurzzeitig leicht überhängende Schlüsselseillänge im VI. Grad total schnell und sicher nach. Respekt – alte Schule eben!

    Schlüsselseillänge (VI) am Rädlergrat
    Schlüsselseillänge (VI) am Rädlergrat
    Schlüsselseillänge (VI) am Rädlergrat
    Schlüsselseillänge (VI) am Rädlergrat
    10. SL - letzte Felsseillänge und eine der schönsten am Rädlergrat
    Ausstieg aus der Gipfelwand

Wie schon vor der Gipfelwand befürchtete, so kam es auch, wenn auch nicht ganz so schlimm. Dennoch hatte der weitere Aufstieg bis zum Gipfel des Himmelhorns deutlich westalpinen Charakter mit einigem Spuraufwand im tiefen Schnee. Mit Steigeisen und Eisgerät erreichen wir gegen 14 Uhr überglücklich über die Winterbegehung des Rädlergrats den Gipfel des Himmelhorn (2113 m).

    winterlicher Aufstieg zum Himmelhorn
    winterlicher Aufstieg zum Himmelhorn
    On Top of Himmelhorn
    On Top of Himmelhorn

Doch wie so oft in den Bergen ist die Tour am Gipfel noch lange nicht vorbei und die Tour erst im Tal wieder beendet. Auch wenn dieser Satz vielleicht schon etwas abgedroschen ist, am winterlichen Himmelhorn trifft das auf jeden Fall zu, denn je nach Verhältnissen kann man da oben auch ganz schön in der Scheiße stehen. Wir entscheiden uns für den Weg direkt am Grat in Richtung Schneck Gipfel. Wiederum deutlich westalpiner Charakter in ausgesetztem Gelände. Am heikelsten war dann ,wie auf dem nächsten Bild offensichtlich, der gut sichtbare steile große Aufschwung. Es galt bei unangenehmer Schneebeschaffenheit in kombinierten Fels-Gras-Schnee-Gelände sich nach oben zu pickeln. Zum Glück hatten wir zwei Eisgeräte pro Person dabei.

    der Weiterweg am Grat entlang ist gut erkennbar
    am Grat
    am Grat
    die heikle, exponierte Passage
    die heikle, exponierte Passage
    gegen Ende des Aufschwungs wieder flacher
    am Ende des steilen Aufschwungs

Der weitere Abstieg ist geprägt von ständigem Umgehen, Aufsteigen, Absteigen von irgendwelchen wilden Anrissen. Erst queren wir rüber Richtung Schneck Sommernormalweg um dann über den Himmelecksattel wieder zurück ins Oytal zu kommen. Die durch den ganzen Rädlergrat mitgeschleppten Schneeschuhe machen sich nun endlich bezahlt und bei dem tiefen Schnee hätten wir sie nicht vermissen wollen. Ein großes Abenteuer geht langsam zu Ende auch wenn sich der Abstieg durchs Oytal wie immer gewaltig zieht.

    gewaltige Anrisse
    am Schneck sieht es aus wie im Gletscherbruch
    gleich ist der Himmeleck Sattel erreicht
    gewaltige An- und Abrisse
    Abstieg ins noch tief winterliche Oytal



was eine großartige Tour...



unser Material (auszugsweise):
50 m Einfachseil
8 Exen
4 weitere Karabiner
5 lange Bandschlingen + Prusikmaterial
Kleiner Satz Keile vier Link Cams (0.5 / 0.75 / 1 / 2) und Camalot Größe 1 von den kleinen Größen
Haken (4 Normalhaken, gemischtes Sortiment)
1 Snark
1 Spectre Ice Piton
2 Eisgeräte pro Person
Steigeisen
Schneeschuhe


Kletterführer:

Allgäu-Kletterführer
2.Auflage 1999
Akademische Verlagsanstalt (AVA), Leipzig
Stefan Meineke

AV-Führer Allgäuer Alpen
15.Auflage 1997
Bergverlag Rudolf Rother
Dieter Seibert/Heinz Groth

Kletterführer Allgäu
6.Auflage 2010
Panico Alpinverlag


Karte:
AV-Karte 2/1 Allgäuer Alpen West
1:25000


Viele Grüße
Ebe und Tobias
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