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Torre Venezia - Tissi (VI-,450 Hm, 600 m), Dolomiten 19.10.12
#1
„Nichts Schöneres ... als im Zaubergarten der Vazzolerhütte anzukommen: in dieser wunderbar heilsamen Unordnung ... mit erschreckender Heftigkeit stoßen die riesigen Felstürme gegen den Himmel ... Torre Trieste oder Torre Venezia – das ist die Frage. Welches ist der schönere Turm?“

„Wer das Gefühl erträgt, in diesem ungegliederten Wandfels zu stehen, und dann darauf vertraut, in dem herrlich griffigen, festen Fels dann doch immer noch rechtzeitig den entscheidenden Griff zu finden, der weiterhilft, für den bedeutet die „Tissi“ ein faszinierendes Klimmen, Steigen, Spreizen, eine tief befriedigende Dolomitenkletterei...“


aus: Walter Pause - im extremen Fels.

Wenn man so in der Literatur und diversen Kletterführern über den Charakter der „Tissi“ am Torre Venezia nachließt und unter anderem die Schwierigkeitsgrade betrachtet kann irgendwie der Eindruck entstehen es handele sich um eine nette Genusstour mit moderaten Schwierigkeiten die man schnell mal so mitnehmen kann. Dies mag vielleicht noch im Vergleich zu anderen Dolomiten-Pausetouren stimmen, nicht jedoch wenn man es absolut betrachtet. Bei der „Tissi“ handelt es sich schon um eine anspruchsvollere Dolomitentour in der ordentlich (frei)geklettert werden muss. Mit A0 ist hier aufgrund der insgesamt erstaunlich wenigen Zwischenhaken nicht viel los. Die 600 m Kletterlänge wollen erstmal geklettert und vor allem gefunden werden. Die Route ist nicht immer offensichtlich und ein gewisses Gespür für den Routenverlauf ist notwendig. Im unteren Teil ist der so hochgelobte Fels durchaus etwas grasdurchsetzt. Insgesamt handelt es sich aber um wirklich tollen und größtenteils auch sehr festen Fels, indem das Klettern richtig Laune macht. Was die Schwierigkeitsangaben anbelangt ist Topoguide vielleicht schon etwas über das Ziel hinaus geschossen, aber die im Rother-Dolomiten-Kletterführer und bei Loboedition angegebenen Grade dürften den klassischen guten V-er Kletterer doch etwas an die Leistungsgrenze bringen. Irgendwo dazwischen habe ich die Schwierigkeiten empfunden. Was die Topoqualität anbelangt sind natürlich Topoguide und dieses mal auch der Rother-Dolomiten-Kletterführer sehr gut. Auch nicht schlecht aber doch in einigen Punkten etwas ungenau ist das Topo von Loboedition.

Mit der “Tissi” konnte ich außerdem ein ganz kleines Pause-Jubiläum feiern. Dies war insgesamt meine 20. Pausetour „im extremen Fels“ und die zehnte in diesem tollen Bergsommer 2012. Wettermäßig war diesen Sommer doch so einiges zu machen und insbesondere die Weekends im September und auch noch der Oktober waren durchaus arbeitnehmerfreundlich. Nach dem Highlight der
“Carlesso“ am Torre Trieste
zusammen mit Jochen war dies nun vier Wochen später mein zweiter Besuch im Zaubergarten der Vazzoler Hütte
Wink
.

    Torre Venezia – Tissi, Routenverlauf perspektivisch etwas verzerrt
    Torre Venezia, gesehen aus der
“Carlesso“ am Torre Trieste


Nach einer etwas missglückten Aktion in der Brenta welche nach ordentlicher Spurarbeit im Winterraum des Rifugio Agostini sang und klanglos im enormen Schnee der vorangegangenen Kaltfront unterging fahren wir noch am Donnerstagabend von der Brenta rüber in die Civetta und zum Parkplatz bei der Capanna Trieste (1135 m). Natürlich kommen wir nicht umher meiner quasi Dolomitensommer 2012 – Stammkneipe „Dolomie“ einen Besuch abzustatten. „Dolomie“ liegt zwischen den Orten Listolade und Taibon und dürfte immer einen Besuch wert sein.
Nach einer Nacht im vierrädrigen Golf-Hotel geht es kurz nach 06:00 Uhr auf den Weg durch die, um diese Jahreszeit noch stockfinstere Nacht, hinauf zum schon geschlossenen Rifugio Vazzoler (1714 m). Nach gut einer Stunde sind wir an der Hütte, packen die Klettersachen aus und deponieren einen Rucksack hinter dem Winterraum (separates Gebäude). Während des Aufstieges war bei Tagesanbruch eine gewisse winterliche Stimmung nicht mehr zu leugnen. Die schon stark verschneiten Nordflanken der Moiazza, das kühle erste Tageslicht und der beängstigend dastehende Torre Trieste sorgten für eine wunderschöne Farbstimmung. Nach weiteren 30 min ist der Einstieg unter der beeindruckenden Torre Venezia Südwand erreicht.

    winterliche Stimmung bei Tagesanbruch - Torre Trieste und Moiazza
    Torre Venezia Südwand, gesehen vom Einstieg der Tissi

Auch wenn die Schwierigkeitsangaben sicher in mehreren Seillängen sehr, sehr hart ausfallen dürften nehme ich im weiteren Verlauf dieses Berichtes aus Gründen der Zuordnungsbarkeit Bezug auf die Angaben aus dem Rother-Dolomiten-Kletterführer:

Der erste Stand wird über unschwieriges und noch gut seilfrei kletterbares II-III er Gelände von links her über gestuftes Gelände und ein schmales Bändchen erreicht. Der direkte Weg von unten zum ersten Stand sah jetzt nicht so toll aus.

    1. SL (II-III, 30 m) - Querung zum ersten Stand, gut seilfrei möglich

Bei den Seillängen 2, 3 und 4 handelt es sich dann um die nicht so berauschenden etwas grasdurchsetzten Seillängen des unteren Teils. Die Absicherung ist eher dürftig, der Fels noch nicht perfekt und die Route nicht immer klar. Hier ist also etwas „Attentione“ angesagt.

    2. SL (IV+, 35 m)
    3. SL (V+, 45 m)
    4. SL (V-, 25 m)

Mit der 5. SL (VI-, 35 m) und der 6. SL (V+, 50 m) wird der Latschenfleck am Beginn vor dem berühmten „40 m – Quergang“ erreicht. Die Kletterei ist in diesen beiden Seillängen schon richtig gut. Die 6. SL (V+, 50 m) ist aber eine der Längen wo für V+ richtig steil und hart geklettert werden muss. Nahezu während der gesamten Tour ist drüben im Südwesten mit dem Monte Agner einer der großen Dolomitengipfel im frühwinterlichen Gewande zusehen. Bei mir und Nina werden tollen Erinnerungen an die
Monte Agner – Nordkante „Agnerkante“
vor sechs Wochen wach.

    5. SL (VI-, 35 m)
    Nina am Stand nach der 5. SL, hier nicht nach rechts verleiten lassen
    6. SL (V+, 50 m), im wieder leichteren Gelände kurz vor dem Stand
   
Monte Agner
– ein nicht ganz unbekannter im frühwinterlichen Gewande

Nun folgt also mit der 7. SL (VI-, 25 m) der berühmte „40 m – Quergang“. In früheren Zeiten hat dieser Quergang wohl den extremen Ruf dieser Route verursacht. Dass von den 40 m heute nur noch 25 übrig sind dürfte allgemein bekannt sein. Diese 40 m dürften wohl zum alpinistischen Seemannsgarn gehören. Auch was die Kletterei betrifft handelt sich dabei in meinen Augen keineswegs um DIE Schlüsselseillänge. Vielmehr sind es beindruckende und herrlich zu kletternde ausgesetzte Meter in bestem Fels. Das schwerste sind noch die ersten Meter bis zum ersten Haken auf Höhe des Quergangs.

    7. SL (VI-, 25 m) – der berühmte „40 m – Quergang“
    7. SL (VI-, 25 m) – der berühmte „40 m – Quergang“
    7. SL (VI-, 25 m) – der berühmte „40 m – Quergang“
    7. SL (VI-, 25 m) – Nina am Ende des berühmten „40 m – Quergang“

Nach dem Quergang verliert sich die Route für ein paar Seillängen im etwas unübersichtlichen Gelände. Man könnte wahrscheinlich nahezu überall hoch steigen, denn der Fels ist sehr gut, was natürlich die Routenfindung nicht gerade erleichtert. Am besten einfach vom Gefühl für den besten Weg leiten lassen. Oben müssen halt die schon von weitem sichtbaren Ausstiegskamine erreicht werden.

   
    8. SL (IV+, 35 m)
    8. SL (IV+, 35 m) – kurz vor dem Stand unter dem markanten Dach dieser SL
    der unübersichtliche Teil bis zum Beginn der Ausstiegskamine
    9. SL (V-, 50 m)
    9. SL (V-, 50 m)
    10. SL (V, 45 m) – rechts oben das kleine Dächchen der 10. SL
    11. SL (V+, 25 m)
    Blick in die Ausstiegskamine

Mit den 3 oder 4 Ausstiegsseillängen folgt quasi das tolle Finale der „Tissi“. Es handelt sich um anspruchsvolle, sehr steile und spärlich abgesicherte Kletterei in teils wilden Risskaminen. Mit der im Rother-Dolomiten-Kletterführer angegebenen V+ wird man hier sicher nur sehr schwer durchkommen, die drei VI+ Seillängen aus dem Topoguide sind meiner Meinung nach aber doch zu hoch gegriffen. Irgendwo dazwischen dürfte es liegen. Der sehr wild aussehende grottenartige Kamin in der 13. SL wir rechts in einer gelben Verschneidung (siehe Topos, bei Topoguide ist dass die 14. SL) umgangen. Nicht von einigen Normalhaken im Grottendach verleiten lassen, das würde sicher A1-2 bedeuten. Zum Stand nach links raus über gestuftes Gelände

    13. SL (V+, 40 m) – dieser grottenartige Kamin wird rechts umgangen
    13. SL (V+, 40 m) – in der rechten Umgehung
    13. SL (V+, 40 m) – kurz vor dem Stand links raus

Mit der nächsten Seillänge folgt gleich der nächste Abschnitt des wilden Risskamins. Dennoch tolle und begeisternde Kletterei. Zum Stand geht es wieder nach links über ein schmales Bändchen raus aus dem Risskamin.

    wilder Risskamin
    wilder Risskamin
    Nina noch im Risskamin

Wir haben hier im Vergleich zum Rother-Dolomiten-Kletterführer noch einen Zwischenstand eingelegt. Mit unserer nächsten Seillänge erreichten wir über einen äußerst steilen und sehr engen Kamin den kleinen Geröllkessel vor der letzten Seillänge.

    sehr enger Kamin vor dem Geröllkessel
    Ausstieg in den Geröllkessel

Rein optisch meint man vom Stand im Geröllkessel aus, dass die Sache nun gelaufen ist. Doch in dieser letzten Seillänge muss nochmal ordentlich geklettert und vor allem ausgespreizt werden. Wenig später stehen wir am Ausstieg auf dem Ringband des Torre Venezia glücklich und zufrieden über die „Tissi“ (meine 20. Pausetour “im extremen Fels“) und den herrlich warmen Herbsttag und genießen die frühwinterlichen Blicke auf Civetta, Cima della Busazza, Torre Trieste, Moiazza, Monte Agner und die Pala.

    letzte Seillänge
    Nina am Ausstieg, hinten die Civetta und rechts die Cima della Busazza
    frühwinterliche Pala mit dem Monte Agner (links)
    Torre Trieste

Wir schenken uns den Gipfel und machen uns gleich an den Abstieg. Zunächst nach rechts dem Ringband entlang bis deutliche rote Pfeile an der linken gelben Wand die Stelle markieren von der aus ca. 10 m zum ersten der überdimensionalen Abseilringe abgeklettert werden muss. Von dort 6 x 20 m oder 3 x 40 m abseilen. Nun nach links den Markierungen und Steinmännern in die Schlucht folgen. In der Schlucht nach unten, an einer Stelle wenige Meter (II-III) abklettern. Vor einem großen Klemmblock befindet sich nochmal einer der dicken Abseilringe. An ihm 15 m abseilen und danach auf Bändern nach rechts aus der Schlucht heraus und auf einem Latschenrücken dem deutlichen Pfad folgen bis zum Fahrweg und in wenigen Schritten zurück zum Rifugio Vazzoler.

    auf dem Ringband
    die überdimensionalen Abseilringe
   
    Abkletterstelle (II-III) in der Schlucht

Inzwischen wird es schon langsam dunkel und wir schlendern gemütlich auf dem breiten Fahrweg hinunter zum Auto bei der Capanna Trieste (1135 m).

    die verschneite Moiazza


Torre Venezia (2337 m) -Südwand „Tissi“:
- EB: Attilio Tissi, Giovanni Andrich und Attilio Bortoli 20.08.1933
- Schwierigkeit: mehrere Passagen VI- (evtl. auch VI), ansonsten sehr anhaltend im V. „Dolomiten“-Grad
- Felsqualität: Insgesamt sehr guter und griffiger Dolomitenfels. Die ersten Längen sind allerdings durchaus grasdurchsetzt.
- Absicherung: Stände i.d.R. ordentlich mit 2 Normalhaken eingerichtet und mit Cams und Keilen meist verbesserbar. Einige Standplätzen auch an dicken Latschen oder an Sanduhren. Für solch eine häufig begangene und berühmte Tour aber erstaunlich wenige Zwischensicherungen vorhanden. Diese machten aber einen passablen Eindruck und es war wenig richtiger Schrott zu finden. Trotz größtenteils sehr griffigem und gut strukturiertem Fels kann in den Seillängen nicht immer zusätzlich mit Cams und Keilen abgesichert werden, denn in einigen Seillängen ist der Fels etwas geschlossen.
- Wandhöhe: 500 Hm, Kletterlänge ca. 600 m
- Kletterzeit: 6-7 h


Materialempfehlung:
- 50 m Doppelseil
- 10 Exen (einige davon lang)
- 6-8 Bandschlingen
- 1 Satz Keile
- 1 Satz Cams: 0.3 bis 3
- das sonstige, übliche Stand- und Abseilmaterial


Kletterführer / Topos:

Kletterführer Dolomiten (Topo sehr gut, Schwierigkeitsangaben teilweise sehr hart)
4.Auflage 2003
Bergverlag Rother
Anette Köhler, Norbert Memmel

Topoguide, Band 1 (Topo sehr gut, Schwierigkeitsangaben teilweise zu hoch)
1.Auflage 2005
Nicole Luzar, Volker Roth

Dolomiten vertikal, Band Süd (nicht ganz schlecht, aber in einigen Punkten einfach ungenauer wie die beiden anderen)
2.Auflage 2005
Loboedition
Stefan Wagenhals & Freunde

Im extremen Fels
2. Auflage 1977
Walter Pause, Jürgen Winkler


AV-Karten:
Tabacco Karte Nr.15
Marmolada, Pelmo, Civetta, Moiazza
1:25000


Viele Grüße
Nina und Tobias
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#2
Nachdem wir uns im Juli 1991 in derRatti/Panzeri Route der Torre Venezia SüdSüdWestwand eingegangen hatten,haben auch Gregor,Milan und ich die Tissi Route in der Torre Venezia Südwand geklettert.
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