„Wir wussten wenig über diese Route, außer was wir in dem Bericht über die Zweitbegehung durch Brehm und Heckmaier gelesen hatten ... In diesem Bericht der Bayern war die Rede von Seillängen, die verwickelte Seiltaktiken verlangten, von abdrängenden grifflosen Platten, von Feinheiten in der Kunst des Kletterns, die nur durch fortgeschrittene Technik gemeistert werden konnten. Angesichts des Rufes dieser beiden berühmten Asse der Münchner Schule wurden wir sehr nachdenklich gestimmt.“
aus: Giusto Gervasutti – Bergfahrten. Anlässlich der 4. Begehung 1932
„Eine der größten Dolomitenwände war gefallen [1926]. Etwas vor ihrer Zeit, möchte man sagen. Lange Zeit war sie gefürchtet, ja vernachlässigt wegen des da und dort brüchigen Felsgesteins.“
„In halber Finsternis löste Solleder die entscheidenden Probleme: rechts heraus aus der Verschneidung, Umgehung des untersten Abbruchs durch zwei kühne Quergänge, dann unter dem Dach wieder in die Verschneidung zurück. Diese Umgehung im Halbdunkel bedeutete eine wahre klettertechnische Odyssee, sie bedeutete die verwegenste Schlüsselstelle ihrer Zeit – im Zeichen der Freikletterei “
„Mit brennender Laterne zwischen den Zähnen fiel die lange Kaminreihe in der Verschneidung, in vollkommener Finsternis quälten sich die beiden Männer die lange Rampe hinauf und erreichten den Gipfel. Hier wurde auf die armseligste Weise biwakiert und gefroren. Verschiedene Dinge, die heute ein Biwak zum bequemen Abenteuer machen, gab es damals noch nicht. Außerdem hätten Solleder und Kummer sicher kein Geld dafür gehabt.“
aus: Walter Pause - im extremen Fels.
Die “Solleder” in der berühmt berüchtigten Ostwand des Sass Maor dürfte unter geschichtlichen und alpinistischen Gesichtspunkten zu den großen Dolomitentouren zählen. Nach dem bereits mehrere Größen der damaligen Zeit an den Schwierigkeiten gescheitert waren, kamen der Münchner Emil Solleder und der Rosenheimer Franz Kummer im Sommer 1926 an die umworbene Ostwand des Sass Maor. Die enormen Schwierigkeiten in der zentralen Verschneidung trieben Solleder zu den kühnen und ausgesetzten Quergängen, die das Herzstück der Tour darstellen. Mit dem drohenden Biwak im Nacken und der Laterne (!) zwischen den Zähnen erreichten sie den Gipfel. Wenn wir heute so in solch alten Touren klettern frage ich mich schon immer was waren das für wilde Typen???
Wie kommt dieser Emil Solleder mit dem Hanfseil um den Bauch auf die Idee nach rechts hinaus in vogelwildes und damals wahrscheinlich noch viel brüchigeres Gelände zusteigen. Irgendwo dort draußen im völlig unbekannten Gelände im obersten VI. Grad eine Seillänge senkrecht nach oben zusteigen und über zwei sehr exponierte Seillängen wieder in die zentrale Riesenverschneidung der Ostwand zurück zu klettern??? Einfach unvorstellbar und dass im Jahre 1926...
Sass Maor – Ostwand
Sass Maor – Ostwand „Solleder“, Routenverlauf im zentralen Wandbereich
Nachdem ich letztes Jahr mit meinem Vater die Schleierkante an der benachbarten Cima della Madonna gegangen bin war mir die Gegend schon etwas bekannt. Zumal wir damals vom Cant di Gal über den Sentiero del Cacciatore (Jägersteig) zum Refugio Velo della Madonna zugestiegen sind. Somit hatte ich Gelegenheit die Wand super einzusehen und den Zustieg zur „Banca Orba“, dem Grassattel am Beginn der Kletterei, zu erkunden. Von damals stammen auch die ersten drei Bilder dieses Eintrages. Prinzipiell gibt es zwei mögliche Ausgangspunkte die Ostwand anzugehen. Entweder vom Cant di Gal oder vom Refugio Velo della Madonna.
Zustieg zur „Banca Orba“ (schwarzer Punkt) vom Sentiero del Cacciatore
Nach einer Kaltfront mit Schnee in den Hochlagen herrschte ein paar Tage später wieder bestes Hochdruckwetter und schon bei der Anfahrt über den Rollepass nach San Martino di Castrozza zeigte sich die Pala von ihrer besten Seite. Gegen 18 Uhr beginnen wir mit dem Aufstieg etwas oberhalb der Malga Zivertaghe (1375 m). Das kleiner aber sehr feine Refugio Velo della Madonna (2358 m) ist nach gut 1,5 h erreicht und wir bekommen noch was zum Essen. Sehr freundliche Hüttenwirtin mit Team!
Sass Maor (links), Cima d. Madonna und Rif. Velo (roter Kreis) von Westen
bald ist die Hütte erreicht
Refugio Velo della Madonna (2358 m), links im Profil die Schleierkante
Abendstimmung an der Hütte
Am nächsten morgen starten wir gegen 04:30 Uhr zusammen mit einer weitere Seilschaft, welche die Scalet-Biasin in der Sass Moar SO-Wand klettern wollte, von der Hütte auf. Zunächst gilt es die Cima Stanga (2550 m) zu überschreiten. Auf der anderen Seite zunächst dem Weg steil bergab folgen bis zu einer Weggabelung. Hier nach links auf den Sentiero del Cacciatore. Diese Abzweigung muss im Dunkeln zwingend gefunden werden. Nun dem Sentiero weiter bergab folgen in Richtung Sass Moar bis in das Kar des Boal die Pissòtti. Nun den Weg verlassen um den Beginn jener Rampe zu erreichen, die man rechts in den Felsen ansteigt (II-III) direkt bis zur grasigen Einsattelung „Banca Orba“. Siehe Zustiegsbild.
Zustieg zur „Banca Orba“
Zustieg zur „Banca Orba“
Sonnenaufgang an der „Banca Orba“
Im Sattel der "Banca Orba" haben wir das Kletterzeug angelegt und es konnte losgehen. Die markante Einstiegsrampe, welche die ganze Ostwand durchzieht und bis an den Beginn der zentralen Riesenverschneidung führt haben wir noch seilfrei gemacht (4 Seillängen III bis IV+) und waren dadurch relativ flott unter der ersten V+ Verschneidung (siehe Topoguide Topo). Alle weiteren Angaben zu den Seillängen beziehen sich auf das sehr gute Topoguide Topo.
Jochen an der „Banca Orba“
Blick auf die Einstiegsrampe und die SO-Wand
unterwegs auf der Einstiegsrampe
unterwegs auf der Einstiegsrampe
unterwegs auf der Einstiegsrampe
der Blick auf die gelbe Riesenverschneidung wir langsam frei
Nun geht es mit Seil weiter. Die erste, kurze V+ Verschneidung und die folgende Seillänge mit kurzem Quergang nach rechts zum Stand geht gut in einem. Mit dem kurzen Quergang zum Stand hin verlässt man schon die markante Riesenverschneidung und die großen Meter des Emil Solleder beginnen. Über wildes steiles und nachwievor etwas brüchiges V+ Gelände klettert Jochen nach rechts hinaus in die gelbe Wand. Beeindruckende Seillänge.
die große Quergangsseilänge nach rechts hinaus in die steile Wand
die große Quergangsseilänge nach rechts hinaus in die steile Wand
die große Quergangsseilänge, Jochen am Stand danach
Nun folgt die sehr steile Schlüsselseillänge VI+. Die Kletterei ist nicht leicht und die Absicherung eher sehr schlecht. Topoguide schreibt hier VI+ oder V+ AO. Wobei ich irgendwie keine A0 Haken sehen konnte. Insgesamt sehr wenige Haken in dieser Seillänge gefunden. Nach 8 m erreiche ich den von unten sichtbaren ersten Haken und freue mich auf ihn. Leider war die Öse schon halb durch und hatte einen Riss. Gut dann eben nicht. Wie schlagartig sich die moralische Stimmung von Vorfreude auf den Haken auf „Scheiße ich steh hier im brüchigen VI+ Gelände 8 m über dem Stand an zwei Normalhaken“ ändert ist auch interessant. Also ruhig bleiben und weiter klettern. Zum Glück passte wenig später ein super 1er Cam, den der Emil bestimmt nicht hatte! Der Solleder der wilde Hund. Ein markantes Dach wird rechts umgangen und die grobe Richtung leicht rechts aufwärts muss nach dem Dach beibehalten werden bis auf eine Art Band, dort guter Standplatz (Topoguide schriebt hier schlechter Stand, dass stimmt aber nicht [mehr]). Nach dem Dach hab ich fälschlicherweise an einem sehr guten Ringhaken und einer guten Cam Möglichkeit Zwischenstand gemacht. Immerhin konnte ich so Jochen sehr gut in der Schlüsselseillänge sehen.
die Schlüsselseillänge VI+
die Schlüsselseillänge VI+
die Schlüsselseillänge VI+
Nach einer kurzen aber tollen und wieder sehr ausgesetzten Seillänge sind wir wieder beim eigentlichen Stand.
Nun folgt der dritte und vierte Streich von Emil Solleder. Zwei äußerst luftige und tolle Quergangsseillängen führen wieder nach links zurück in die zentrale Riesenverschneidung
nun wieder nach links
die halten sich gegenseitig ;-)
zweite Seillänge nach links
Die Riesenverschneidung ist wieder erreicht und zu mindestens die Routenführung sollte nun keine größeren Probleme mehr darstellen. Es folgt eine der wenigen Passagen mit herrlichem grauem Palafels. Zwar sehr gering abgesicherte aber traumhafte Plattenseillänge! Die bei Lobo Eddition angegeben VI/VI+ Stelle kann ohne Probleme ein paar Meter weiter links umgangen werden.
toller grauer Palafels
toller grauer Palafels
Es folgen ganz klassische, steile Dolomiten-Ver-Seillängen in der Verschneidung bis es leicht rechts haltend zu einem Standplatz bei einem weißen Geröllabsatz geht.
klassische steile Dolomitenseillängen
klassische steile Dolomitenseillängen
Von diesem Geröllabsatz aus ist der markante Kamin mit Durchschlupf schon gut vorstellbar und Jochen macht sich ans Werk. Er lässt den nächsten Stand aus und steigt in den Kamin und klettert durch den Durchschlupf durch in einen Geröllkessel. In solchen Touren aus Zeitgründen ja eigentlich immer gut wenn man zwei Seillänge zusammenfasst. In diesem Fall ist es jedoch deutlich besser den Stand vor dem Durchschlupf auch zu benutzen. Beim klettern durch den Geröllkessel und durch das Seil lösen sich derartig viele Steine und treffen leider mehr oder weniger genau in den Bereich wo ich noch meinen Standplatz habe. Schwefel in der Luft und es kommen solche Steinsalven das ich meine Selbstsicherung auf 5 m verlängere und links an der Wand etwas Schutzsuche. Trotzdem trifft mich ein Brocken an der Schulter, zum Glück aber ohne größere Folgen. Wenn hier Seilschaften direkt hintereinander sind wird es echt gefährlich!!! Das kann ja heiter werden wenn ich da nachsteige und das Seil schön übers Geröll gezogen wird...
Fast schon glücklich bin ich darüber das sich das Seil im Durchschlupf dermaßen verhakt das Jochen nicht mehr einziehen kann. Also Prusik raus und weiter geht’s... etwas beschwerlicher vielleicht aber nicht ständig unter Beschuss. Der Durchschlupf ist so eng das mit Rucksack gar nix mehr geht. Neben dem Prusik Gedöns nun auch noch den Rucksack hinterherziehen. Aber gut man will ja nicht meckern ... nach etwas Schinderei hab ich mich und den Rucksack dann auch durchgequetscht und der Geröllkessel ist erreicht.
Seillänge vor dem Durchschlupf
nun geht es hinein in den Schlund
Blick im Kamin auf den Durchschlupf und das verklemmte Seil
der wollte auch nicht immer so wie ich wollte...
Vom Geröllkessel aus entscheiden wir uns für den Originalweg nach links über eine Rampe (III bis IV-). Wir klettern nun wieder seilfrei.
die Rampe nach links
in Bildmitte der Geröllkessel
Kletterei am Ende der Rampe
unterhalb des Gipfelgrat
Nach ca. 6,5 h Kletterzeit (ab Banca Orba) sind wir glücklich über diese Tour auf dem Gipfel des Sass Maor.
Blick zur Cima Canali
Blick zur Cima della Madonna
Mehr abkletternd wie abseilend geht es steil und nicht leicht zu finden hinab in die Scharte zwischen Sass Moar und Cima della Madonna. Ab der Scharte ist mir das Gelände wieder bekannt. Durch Schluchten geht es abkletternd und teils abseilen hinab. Vom Ende der Schlucht sind es noch 5 min zum nahegelegenen Rifugio Velo, wo wir gegen 15:30 Uhr wieder eintreffen.
im Abstieg
im Abstieg
im Abstieg
im Abstieg, kurz vor der Hütte
Nach ausgiebiger Rast steigen wir zum Auto ab und machen uns noch an die lange Heimfahrt. Irgendwann um 01.00 Uhr kurz vor dem Brenner geht einfach nix mehr und wir schlafen eineinhalb Stunden im Auto bevor es wieder weiter geht. Gegen 05:00 Uhr sind wir dann bei Jochen in Ulm.
Sass Maor (2812 m) - O-Wand „Solleder“:
- EB: Emil Solleder und Franz Kummer 02.09.1926 !!!
- 2. Begehung: Anderl Heckmair und Hans Brehm 11.08.1930 (2 Monate Dolomiten-Sommer mit dem Fahrrad)
- 3. Begehung: Raffaele Carlesso und Caserta 1932
- 4. Begehung: Giusto Gervasutti und Gabriele Boccalatte im Herbst 1932
- Schwierigkeit: VI+ (in einer Seillänge), ansonsten anhaltend V und V+ in anspruchsvollem Gelände
- Felsqualität: Klassischer nicht immer zuverlässiger Dolomitenfels, nur ganz selten ist der berühmte geniale „Pala-Fels“ wie etwa an der benachbarten Schleierkante anzutreffen. Insgesamt aber dennoch nicht so schlecht wie in der Literatur beschrieben, habe es mir zu mindestens deutlich schlimmer vorgestellt.
- Absicherung: Stände nicht so schlecht und unbequem wie bei Topoguide beschrieben. Teilweise waren auch neuere Haken an den Ständen vorhanden. Ansonsten natürlich schon allerhand alter Schrott. Mit Cams und Keilen lässt sich aber schon vieles verbessern. Habe mir die Absicherung dramatischer vorgestellt.
- Wandhöhe: ca. 1000 m, abzüglich Vorbau verbleiben immer noch 600 m
- Kletterzeit: 6-8 h
Materialempfehlung:
- 50 m Doppelseil
- 10 Exen (einige davon lang)
- 8 Bandschlingen
- 1 Satz Keile
- 1 Satz Cams: 0.3 bis 3
- Hammer und 5-6 Haken
- das sonstige, übliche Stand- und Abseilmaterial
Kletterführer / Topos:
Topoguide, Band 1
1.Auflage 2005
Nicole Luzar, Volker Roth
Dolomiten vertikal, Band Süd
2.Auflage 2005
Loboedition
Stefan Wagenhals & Freunde
Im extremen Fels
2. Auflage 1977
Walter Pause, Jürgen Winkler
Langes: Dolomiten-Kletterführer 1 b
Sella-, Marmolata- und Palagruppe
7.Auflage 1974
Bergverlag Rudolf Rother
AV-Karten:
Tabacco Karte Nr.22
Pala di San Martino
1:25000
Viele Grüße
Jochen und Tobias
aus: Giusto Gervasutti – Bergfahrten. Anlässlich der 4. Begehung 1932
„Eine der größten Dolomitenwände war gefallen [1926]. Etwas vor ihrer Zeit, möchte man sagen. Lange Zeit war sie gefürchtet, ja vernachlässigt wegen des da und dort brüchigen Felsgesteins.“
„In halber Finsternis löste Solleder die entscheidenden Probleme: rechts heraus aus der Verschneidung, Umgehung des untersten Abbruchs durch zwei kühne Quergänge, dann unter dem Dach wieder in die Verschneidung zurück. Diese Umgehung im Halbdunkel bedeutete eine wahre klettertechnische Odyssee, sie bedeutete die verwegenste Schlüsselstelle ihrer Zeit – im Zeichen der Freikletterei “
„Mit brennender Laterne zwischen den Zähnen fiel die lange Kaminreihe in der Verschneidung, in vollkommener Finsternis quälten sich die beiden Männer die lange Rampe hinauf und erreichten den Gipfel. Hier wurde auf die armseligste Weise biwakiert und gefroren. Verschiedene Dinge, die heute ein Biwak zum bequemen Abenteuer machen, gab es damals noch nicht. Außerdem hätten Solleder und Kummer sicher kein Geld dafür gehabt.“
aus: Walter Pause - im extremen Fels.
Die “Solleder” in der berühmt berüchtigten Ostwand des Sass Maor dürfte unter geschichtlichen und alpinistischen Gesichtspunkten zu den großen Dolomitentouren zählen. Nach dem bereits mehrere Größen der damaligen Zeit an den Schwierigkeiten gescheitert waren, kamen der Münchner Emil Solleder und der Rosenheimer Franz Kummer im Sommer 1926 an die umworbene Ostwand des Sass Maor. Die enormen Schwierigkeiten in der zentralen Verschneidung trieben Solleder zu den kühnen und ausgesetzten Quergängen, die das Herzstück der Tour darstellen. Mit dem drohenden Biwak im Nacken und der Laterne (!) zwischen den Zähnen erreichten sie den Gipfel. Wenn wir heute so in solch alten Touren klettern frage ich mich schon immer was waren das für wilde Typen???
Wie kommt dieser Emil Solleder mit dem Hanfseil um den Bauch auf die Idee nach rechts hinaus in vogelwildes und damals wahrscheinlich noch viel brüchigeres Gelände zusteigen. Irgendwo dort draußen im völlig unbekannten Gelände im obersten VI. Grad eine Seillänge senkrecht nach oben zusteigen und über zwei sehr exponierte Seillängen wieder in die zentrale Riesenverschneidung der Ostwand zurück zu klettern??? Einfach unvorstellbar und dass im Jahre 1926...
Sass Maor – Ostwand
Sass Maor – Ostwand „Solleder“, Routenverlauf im zentralen Wandbereich
Nachdem ich letztes Jahr mit meinem Vater die Schleierkante an der benachbarten Cima della Madonna gegangen bin war mir die Gegend schon etwas bekannt. Zumal wir damals vom Cant di Gal über den Sentiero del Cacciatore (Jägersteig) zum Refugio Velo della Madonna zugestiegen sind. Somit hatte ich Gelegenheit die Wand super einzusehen und den Zustieg zur „Banca Orba“, dem Grassattel am Beginn der Kletterei, zu erkunden. Von damals stammen auch die ersten drei Bilder dieses Eintrages. Prinzipiell gibt es zwei mögliche Ausgangspunkte die Ostwand anzugehen. Entweder vom Cant di Gal oder vom Refugio Velo della Madonna.
Zustieg zur „Banca Orba“ (schwarzer Punkt) vom Sentiero del Cacciatore
Nach einer Kaltfront mit Schnee in den Hochlagen herrschte ein paar Tage später wieder bestes Hochdruckwetter und schon bei der Anfahrt über den Rollepass nach San Martino di Castrozza zeigte sich die Pala von ihrer besten Seite. Gegen 18 Uhr beginnen wir mit dem Aufstieg etwas oberhalb der Malga Zivertaghe (1375 m). Das kleiner aber sehr feine Refugio Velo della Madonna (2358 m) ist nach gut 1,5 h erreicht und wir bekommen noch was zum Essen. Sehr freundliche Hüttenwirtin mit Team!
Sass Maor (links), Cima d. Madonna und Rif. Velo (roter Kreis) von Westen
bald ist die Hütte erreicht
Refugio Velo della Madonna (2358 m), links im Profil die Schleierkante
Abendstimmung an der Hütte
Am nächsten morgen starten wir gegen 04:30 Uhr zusammen mit einer weitere Seilschaft, welche die Scalet-Biasin in der Sass Moar SO-Wand klettern wollte, von der Hütte auf. Zunächst gilt es die Cima Stanga (2550 m) zu überschreiten. Auf der anderen Seite zunächst dem Weg steil bergab folgen bis zu einer Weggabelung. Hier nach links auf den Sentiero del Cacciatore. Diese Abzweigung muss im Dunkeln zwingend gefunden werden. Nun dem Sentiero weiter bergab folgen in Richtung Sass Moar bis in das Kar des Boal die Pissòtti. Nun den Weg verlassen um den Beginn jener Rampe zu erreichen, die man rechts in den Felsen ansteigt (II-III) direkt bis zur grasigen Einsattelung „Banca Orba“. Siehe Zustiegsbild.
Zustieg zur „Banca Orba“
Zustieg zur „Banca Orba“
Sonnenaufgang an der „Banca Orba“
Im Sattel der "Banca Orba" haben wir das Kletterzeug angelegt und es konnte losgehen. Die markante Einstiegsrampe, welche die ganze Ostwand durchzieht und bis an den Beginn der zentralen Riesenverschneidung führt haben wir noch seilfrei gemacht (4 Seillängen III bis IV+) und waren dadurch relativ flott unter der ersten V+ Verschneidung (siehe Topoguide Topo). Alle weiteren Angaben zu den Seillängen beziehen sich auf das sehr gute Topoguide Topo.
Jochen an der „Banca Orba“
Blick auf die Einstiegsrampe und die SO-Wand
unterwegs auf der Einstiegsrampe
unterwegs auf der Einstiegsrampe
unterwegs auf der Einstiegsrampe
der Blick auf die gelbe Riesenverschneidung wir langsam frei
Nun geht es mit Seil weiter. Die erste, kurze V+ Verschneidung und die folgende Seillänge mit kurzem Quergang nach rechts zum Stand geht gut in einem. Mit dem kurzen Quergang zum Stand hin verlässt man schon die markante Riesenverschneidung und die großen Meter des Emil Solleder beginnen. Über wildes steiles und nachwievor etwas brüchiges V+ Gelände klettert Jochen nach rechts hinaus in die gelbe Wand. Beeindruckende Seillänge.
die große Quergangsseilänge nach rechts hinaus in die steile Wand
die große Quergangsseilänge nach rechts hinaus in die steile Wand
die große Quergangsseilänge, Jochen am Stand danach
Nun folgt die sehr steile Schlüsselseillänge VI+. Die Kletterei ist nicht leicht und die Absicherung eher sehr schlecht. Topoguide schreibt hier VI+ oder V+ AO. Wobei ich irgendwie keine A0 Haken sehen konnte. Insgesamt sehr wenige Haken in dieser Seillänge gefunden. Nach 8 m erreiche ich den von unten sichtbaren ersten Haken und freue mich auf ihn. Leider war die Öse schon halb durch und hatte einen Riss. Gut dann eben nicht. Wie schlagartig sich die moralische Stimmung von Vorfreude auf den Haken auf „Scheiße ich steh hier im brüchigen VI+ Gelände 8 m über dem Stand an zwei Normalhaken“ ändert ist auch interessant. Also ruhig bleiben und weiter klettern. Zum Glück passte wenig später ein super 1er Cam, den der Emil bestimmt nicht hatte! Der Solleder der wilde Hund. Ein markantes Dach wird rechts umgangen und die grobe Richtung leicht rechts aufwärts muss nach dem Dach beibehalten werden bis auf eine Art Band, dort guter Standplatz (Topoguide schriebt hier schlechter Stand, dass stimmt aber nicht [mehr]). Nach dem Dach hab ich fälschlicherweise an einem sehr guten Ringhaken und einer guten Cam Möglichkeit Zwischenstand gemacht. Immerhin konnte ich so Jochen sehr gut in der Schlüsselseillänge sehen.
die Schlüsselseillänge VI+
die Schlüsselseillänge VI+
die Schlüsselseillänge VI+
Nach einer kurzen aber tollen und wieder sehr ausgesetzten Seillänge sind wir wieder beim eigentlichen Stand.
Nun folgt der dritte und vierte Streich von Emil Solleder. Zwei äußerst luftige und tolle Quergangsseillängen führen wieder nach links zurück in die zentrale Riesenverschneidung
nun wieder nach links
die halten sich gegenseitig ;-)
zweite Seillänge nach links
Die Riesenverschneidung ist wieder erreicht und zu mindestens die Routenführung sollte nun keine größeren Probleme mehr darstellen. Es folgt eine der wenigen Passagen mit herrlichem grauem Palafels. Zwar sehr gering abgesicherte aber traumhafte Plattenseillänge! Die bei Lobo Eddition angegeben VI/VI+ Stelle kann ohne Probleme ein paar Meter weiter links umgangen werden.
toller grauer Palafels
toller grauer Palafels
Es folgen ganz klassische, steile Dolomiten-Ver-Seillängen in der Verschneidung bis es leicht rechts haltend zu einem Standplatz bei einem weißen Geröllabsatz geht.
klassische steile Dolomitenseillängen
klassische steile Dolomitenseillängen
Von diesem Geröllabsatz aus ist der markante Kamin mit Durchschlupf schon gut vorstellbar und Jochen macht sich ans Werk. Er lässt den nächsten Stand aus und steigt in den Kamin und klettert durch den Durchschlupf durch in einen Geröllkessel. In solchen Touren aus Zeitgründen ja eigentlich immer gut wenn man zwei Seillänge zusammenfasst. In diesem Fall ist es jedoch deutlich besser den Stand vor dem Durchschlupf auch zu benutzen. Beim klettern durch den Geröllkessel und durch das Seil lösen sich derartig viele Steine und treffen leider mehr oder weniger genau in den Bereich wo ich noch meinen Standplatz habe. Schwefel in der Luft und es kommen solche Steinsalven das ich meine Selbstsicherung auf 5 m verlängere und links an der Wand etwas Schutzsuche. Trotzdem trifft mich ein Brocken an der Schulter, zum Glück aber ohne größere Folgen. Wenn hier Seilschaften direkt hintereinander sind wird es echt gefährlich!!! Das kann ja heiter werden wenn ich da nachsteige und das Seil schön übers Geröll gezogen wird...
Fast schon glücklich bin ich darüber das sich das Seil im Durchschlupf dermaßen verhakt das Jochen nicht mehr einziehen kann. Also Prusik raus und weiter geht’s... etwas beschwerlicher vielleicht aber nicht ständig unter Beschuss. Der Durchschlupf ist so eng das mit Rucksack gar nix mehr geht. Neben dem Prusik Gedöns nun auch noch den Rucksack hinterherziehen. Aber gut man will ja nicht meckern ... nach etwas Schinderei hab ich mich und den Rucksack dann auch durchgequetscht und der Geröllkessel ist erreicht.
Seillänge vor dem Durchschlupf
nun geht es hinein in den Schlund
Blick im Kamin auf den Durchschlupf und das verklemmte Seil
der wollte auch nicht immer so wie ich wollte...
Vom Geröllkessel aus entscheiden wir uns für den Originalweg nach links über eine Rampe (III bis IV-). Wir klettern nun wieder seilfrei.
die Rampe nach links
in Bildmitte der Geröllkessel
Kletterei am Ende der Rampe
unterhalb des Gipfelgrat
Nach ca. 6,5 h Kletterzeit (ab Banca Orba) sind wir glücklich über diese Tour auf dem Gipfel des Sass Maor.
Blick zur Cima Canali
Blick zur Cima della Madonna
Mehr abkletternd wie abseilend geht es steil und nicht leicht zu finden hinab in die Scharte zwischen Sass Moar und Cima della Madonna. Ab der Scharte ist mir das Gelände wieder bekannt. Durch Schluchten geht es abkletternd und teils abseilen hinab. Vom Ende der Schlucht sind es noch 5 min zum nahegelegenen Rifugio Velo, wo wir gegen 15:30 Uhr wieder eintreffen.
im Abstieg
im Abstieg
im Abstieg
im Abstieg, kurz vor der Hütte
Nach ausgiebiger Rast steigen wir zum Auto ab und machen uns noch an die lange Heimfahrt. Irgendwann um 01.00 Uhr kurz vor dem Brenner geht einfach nix mehr und wir schlafen eineinhalb Stunden im Auto bevor es wieder weiter geht. Gegen 05:00 Uhr sind wir dann bei Jochen in Ulm.
Sass Maor (2812 m) - O-Wand „Solleder“:
- EB: Emil Solleder und Franz Kummer 02.09.1926 !!!
- 2. Begehung: Anderl Heckmair und Hans Brehm 11.08.1930 (2 Monate Dolomiten-Sommer mit dem Fahrrad)
- 3. Begehung: Raffaele Carlesso und Caserta 1932
- 4. Begehung: Giusto Gervasutti und Gabriele Boccalatte im Herbst 1932
- Schwierigkeit: VI+ (in einer Seillänge), ansonsten anhaltend V und V+ in anspruchsvollem Gelände
- Felsqualität: Klassischer nicht immer zuverlässiger Dolomitenfels, nur ganz selten ist der berühmte geniale „Pala-Fels“ wie etwa an der benachbarten Schleierkante anzutreffen. Insgesamt aber dennoch nicht so schlecht wie in der Literatur beschrieben, habe es mir zu mindestens deutlich schlimmer vorgestellt.
- Absicherung: Stände nicht so schlecht und unbequem wie bei Topoguide beschrieben. Teilweise waren auch neuere Haken an den Ständen vorhanden. Ansonsten natürlich schon allerhand alter Schrott. Mit Cams und Keilen lässt sich aber schon vieles verbessern. Habe mir die Absicherung dramatischer vorgestellt.
- Wandhöhe: ca. 1000 m, abzüglich Vorbau verbleiben immer noch 600 m
- Kletterzeit: 6-8 h
Materialempfehlung:
- 50 m Doppelseil
- 10 Exen (einige davon lang)
- 8 Bandschlingen
- 1 Satz Keile
- 1 Satz Cams: 0.3 bis 3
- Hammer und 5-6 Haken
- das sonstige, übliche Stand- und Abseilmaterial
Kletterführer / Topos:
Topoguide, Band 1
1.Auflage 2005
Nicole Luzar, Volker Roth
Dolomiten vertikal, Band Süd
2.Auflage 2005
Loboedition
Stefan Wagenhals & Freunde
Im extremen Fels
2. Auflage 1977
Walter Pause, Jürgen Winkler
Langes: Dolomiten-Kletterführer 1 b
Sella-, Marmolata- und Palagruppe
7.Auflage 1974
Bergverlag Rudolf Rother
AV-Karten:
Tabacco Karte Nr.22
Pala di San Martino
1:25000
Viele Grüße
Jochen und Tobias