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Watzmann - Ostwand „Kederbacherweg“ (IV-, 1800 mH), Winterbegehung 22.12.13
#1
„Eine Winterbegehung der Watzmann Ostwand ist ein großes alpines Unternehmen. Sie wird es bleiben...“

„Eine sorgfältige Beobachtung des Schneeaufbaus und der Wettersituation gehören zu einer Winterdurchsteigung der Watzmann Ostwand ebenso wie eine optimale körperliche Vorbereitung“

„Die beste und konditionsstärkste Seilschaft hat in der Watzmann-Ostwand keine Chance, wenn sie unmittelbar nach einem starken Schneefall oder einem Wärmeeinbruch einsteigt - sie wird von Lawinen hinunter geschwemmt werden.“


aus: Franz Rasp - Watzmann Ostwand, Gebietsführer



„Am Gipfel sitze ich unter der feuchten Hülle meines Zeltsackes. Die Uhr zeigt die vierte Morgenstunde an. Die Kälte dringt mir bis ins Mark. Doch ich will den Tag abwarten. In der Vorfreude auf die kommende Expedition vergeht mir die Nacht verhältnismäßig schnell, und bald begrüßen mich die ersten Sonnenstrahlen“

aus: Hermann Buhl - Achtausend drüber und drunter / Allein in der Winternacht-Watzmann Ostwand (es folgte 5 Monate später im Juli 1953 seine legendäre Erstbesteigung des Nanga Parbat im Alleingang)



„Der sagenumwobene Gipfel des formschönen Watzmann hoch über Berchtesgaden und Königssee wird an schönen Sommertagen von zahlreichen Bergsteigern besucht. Wenige, sehr wenige von ihnen kommen über die berüchtigte 1800 Meter hohe Ostwand. Die Wandneigung ist relativ gering, dennoch bedeutet die Durchsteigung der Ostwand ein großes bergsteigerisches Vorhaben.“

„Ich bin zweimal durch diese Wand gestiegen und jedes Mal war ich über die Länge der Tour betroffen.“


aus: Walter Pause - im schweren Fels.



    der berühmte Blick vom Königssee über St. Bartholomä auf die Watzmann Ostwand

„Watzmann-Ostwand“, die höchste und wohl auch eine der berühmtesten Wände der Ostalpen. Ihr eilt ein enormer, berühmt berüchtigter Nimbus voraus, ja das ganze Watzmann-Massiv ist legendär und sagenumwoben. Auch eine breite Masse außerhalb der alpinen Szene kann mit dem Begriff „Watzmann-Ostwand“ etwas anfangen und der Watzmann (2712 m) stellt das große Wahrzeichen von Berchtesgaden dar. Diese Berühmtheit hat mehrere Gründe. Dies sind unter anderem die reinen Dimensionen und der ostalpine Superlativ von 1800 Meter Wandhöhe, auf jeder touristischen Königssee-Schifffahrt (ca. 800 000 Personen pro Jahr) wird ausführlichst auf die Wand hingewiesen, die Zahl der tödlich Verunglückten ist höher als jene der Eiger-Nordwand und der Blick vom Königssee über St. Bartholomä (603 m) auf die Ostwand hat einfach etwas ganz Besonderes, Erhabenes und Schönes an sich. Auch Wolfgang Ambros, Manfred Tauchen und Joesi Prokopetz dürften an der Berühmtheit nicht ganz unschuldig sein, denn ihr Alpendrama und Musical „Der Watzmann ruft“ aus dem Jahr 1974 erreichte nicht nur die Bergsteiger sondern auch eine breite Öffentlichkeit im deutschsprachigen Raum und schaffte es zu Kultstatus.

Diese „Watzmann-Ostwand“ im Winter zu Durchsteigen stellt natürlich nochmal einen ganz anderen, anspruchsvollen Reiz dar und nicht jeden Winter lassen die Verhältnisse eine Begehung zu. Es braucht hier schon besondere Wetterlagen. Bei einer Höhendifferenz von 2100 Höhenmeter (St. Bartholomä 603 m - Gipfel 2712 m) und der relativ geringen Neigung (Durchschnittsneigung nur 50°) ist man hier extrem von den Schneeverhältnissen abhängig. Nach langer nahezu niederschlagsloser Trockenperiode und wochenlangem Hochdruckwetter mit teilweise warmen Temperaturen in der Höhe im Dezember 2013 fieberte ich dem Winterbeginn am 21. Dezember 2013 entgegen und freute mich insgeheim wahnsinnig über den immer noch ausbleibenden großen Schnee. Doch dann ein Schock, die Wetterprognosen sagten für den 20. eine Kaltfront an. Der Schock wehrte aber nicht lange, denn als klar war, dass nahezu der gesamte Neuschnee der Kaltfront in den Westalpen hängen bleibt, gab es kein Halten mehr, viel besser wird es vermutlich nicht mehr, der Rucksack wurde gepackt und zusammen mit Jürgen fahre ich nach Berchtesgaden an den Königssee. Leider musste der dritte im Bunde, mein Spezl Florian aus dem Berchtesgadener Land der die Ostwand aus dem Effeff kennt, ganz kurzfristig verletzungsbedingt absagen. Besonders ärgerlich denn sehr gute Wandkenntnisse aus dem Sommer sind in dieser Wand für eine Winterbegehung definitiv nicht gerade hinderlich. Glücklicherweise kannte aber auch Jürgen die Wand von einer Sommerbegehung des „Salzburger Weg“ her und so starten wir zu zweit. Ich hatte die Wand zuvor noch nicht einmal live gesehen.

    Watzmann Ostwand „Kederbacherweg“

Noch eine kleine Anekdote aus dem Jahre 1963 zum Stellenwert einer Winterbegehung der Watzmann Ostwand vor 50 Jahren. Mein Bekannter Franz Baumann („Karwendel Franz“) führte zusammen mit Bruno Wimmer und Walter Ochs im Januar 1963 ebenfalls eine Winterbegehung des Kederbacherweg durch. Der Winter 1962/1963 war extrem kalt und der Königsee war zugefroren. In diesem Jahrhundertwinter war sogar der Bodensee komplett zu gefroren, das letzte Mal seither! Ein Förster hatte die Nachricht kundgemacht und sie verbreitet sich wie ein Lauffeuer nicht nur durch Berchtesgaden. Als die drei völlig erschöpft nach 1,5 Tagen in der Wand die Wimbachgrieshütte erreichten, war sogar extra wegen ihnen der Hüttenwirt im Winter hochgekommen, versorgte sie mit Essen und Trinken und wenig später trauten sie ihren Ohren nicht. Am Hüttentelefon war ein Reporter der bekannten großen deutschen „Bild-Zeitung“ und bat um Bilder und Story!!! Das Angebot wurde jedoch an Ort und Stelle aufgrund politischer Abneigung der Bild-Zeitung gegenüber abgelehnt! Zumindest lokalen Ruhm erhielten sie aber trotzdem und über ihre Winterbegehung wurde in diversen Zeitungen und sogar im Radio berichtet.


Tourenbericht:

Nachts um 04:00 Uhr starten wir hinaus in die sternenklare, kalte Nacht und der Mond leuchtet wenige Tage nach Vollmond enorm und die Konturen der Wand waren klar zu erkennen. Nach einer knappen Stunde stehen wir teilweise spurend bereits an der Randkluft oberhalb des Eiskapellenfirnfelds und mir kommen die Worte von Hermann Buhl in den Kopf der die 1. Winterbegehung des Salzburgerweg im Februar 1953 im Alleingang und komplett in der Nacht durchführte:


„Um sieben Uhr abends verlasse ich Bartholomä. Schon nach kurzer Zeit endet der bequeme Holzziehweg und somit auch jegliche Spur menschlichen Daseins. Oft versinke ich bis zu den Knien im Schnee. Hinter dem Göllmassiv tritt der Mond hervor, es ist Vollmond, und er überflutet die Umgebung mit silbernem Glanz“

aus: Hermann Buhl - Achtausend drüber und drunter / Allein in der Winternacht-Watzmann Ostwand


Die Randkluft war bei uns sehr gutmütig allerdings etwas weiter rechts als üblich zu überwinden. So galt es über brüchige Stufen und kleinere Schneeaufschwünge die 1. Grasterrasse (1050 m) zu erreichen.

    brüchige Stufen und kleinere Schneeaufschwünge oberhalb der Randkluft
    brüchige Stufen und kleinere Schneeaufschwünge oberhalb der Randkluft
    brüchige Stufen und kleinere Schneeaufschwünge oberhalb der Randkluft

Mit der exzellenten Beschreibung aus dem Rasp-Führer ist der Übergang zwischen den Grasterrassen und dem Schöllhornkar gut zu finden. Eine Querung über Eis-, Schnee- und Grasstufen bringt einen an den unteren Rand des Schöllhornkar (1300 m).

    Linksquerung ins Schöllhornkar

Im Schöllhornkar zeigte sich endgültig, dass die Hoffnung auf Idealverhältnisse im unteren und mittleren Teil nicht ganz unbegründet waren. Über perfekten tragenden harten Firn steigen wir die knapp 350 Hm problemlos und ohne Spuren zu müssen bis zum Beginn der Schöllhornplatte (1640 m) auf.

    Idealverhältnisse im Schöllhornkar

Auch die Randkluft zwischen Schöllhorneis und folgender kaminartiger Verschneidung stellte kein Problem dar. Durch die kaminartige Verschneidung in den oberen Wandwinkel und nun nach links an die eigentliche Schlüsselstelle der Schöllhornplatte.

    gutmütige Randkluft am Übergang zur Schöllhornplatte
    die kaminartige Verschneidung oberhalb der Randkluft
    die kaminartige Verschneidung oberhalb der Randkluft

Nun folgt die nominelle Schlüsselstelle (IV-, 20 m) des ganzen „Kederbacherweg“. Warum dieser Wandbereich aber Schöllhornplatte heißt, ist nicht gerade offensichtlich. Denn auf einer Platte klettert man hier mal definitiv nicht. Wir packen das Seil aus und überwinden die steile, klatschnasse, teilweise leicht eisüberzogene und tropfende Verschneidung. Es befindet sich jeweils ein geklebter Standringhaken unter- und oberhalb dieser Steilstufe, sowie ein gebohrter und ein geschlagener Zwischenhaken. Nachdem der Münchner Christian Schöllhorn in diesem nach ihm benannten Wandbereich im Jahre 1890 abstürzte, war es den Bergführern bis ins Jahre 1909 sogar amtlich verboten die Watzmann Ostwand zu durchsteigen.

    Schlüsselstelle „Schöllhornplatte“
    Schlüsselstelle „Schöllhornplatte“
    Schlüsselstelle „Schöllhornplatte“
    Schlüsselstelle „Schöllhornplatte“

Danach folgt eine einfache Querung nach links in den Winkel in dem der felsige Wandbereich unterhalb des Zellerlochs ansetzt. Eine markante Rampe führt diagonal von links nach rechts oben bis zum Zellerloch (1750 m), einer markanten Höhle. Das Gelände ist zwar nirgends schwer aber auf den eisüberzogenen Platten und Felsen war volle Konzentration angesagt.

    typische Wandstufen in der Watzmann Ostwand
    die markante Rampe beginnt am linken Bildrand
    unterwegs auf der Rampe
    unterwegs auf der Rampe
    unterwegs auf der Rampe
    links am Bildrand (nasse Platten) der Rampenwasserfall
    unterwegs auf der Rampe
    unterwegs auf der Rampe
    unterwegs auf der Rampe, kurz unterhalb des Zellerloch

Nach einer kurzen schweren Eis- und Mixedstelle war das große 3. Band erreicht. Auch wenn das folgende Bild zwei Eisgeräte zeigt (Jürgen hat seines nach Überwindung der Stelle kurz stecken lassen) haben wir die ganze Wand mit einem Eisgerät begangen und das mitgeführte zweite Eisgerät wäre bei unseren Verhältnissen nicht nötig gewesen.

   
    Tiefblick auf Sankt Bartholomä am Königssee

Nun geht es weit, weit über das 3. Band nach links. In ordentlichem Trittschnee und ohne allzu großen Spuraufwand steigen wir bis zum Kaserereck (1970 m).

    unterwegs auf dem 3. Band
    unterwegs auf dem 3. Band
    unterwegs auf dem 3. Band

Das Kaserereck (1970 m) stellt zunächst das scheinbare Ende des 3. Bandes dar. Wir packen das Seil aus, Jürgen verschanzt sich in Ermangelung von Fels-Sicherungspunkten in ein Schneeloch und sichert mich. Vom obersten Eck geht es kurz sehr ausgesetzt nach links ums Eck und man erreicht leicht absteigend wieder leichteres Gelände bis zu einem kleinen Kessel. Danach folgte nur scheinbar leichteres Gelände, doch hier liegt der Neuschnee total haltlos auf Felsplatten und wir standen mit den Steigeisen sehr wacklig da. Wir klettern nochmal 1,5 Seillängen mit Seil nach links (Standplätze an selber anzubringenden Normalhaken).

    der scheinbar harmlose Bereich des Kaserereck
    Jürgen direkt am Kaserereck
   

Danach ist der Weg aber frei, das Ende des 3. Bandes (2120 m) erreicht, die Gipfelschlucht bereits deutlich sichtbar und zum Greifen nahe. Doch zur Vorfreude gibt es noch lange keinen Grund wie wir leider bitter erfahren mussten. Es ist noch ein langer Weg und es fehlen bis zum Gipfel stolze 600 Hm! In der Gipfelschlucht können wir auf den knapp 300 Höhenmeter bis zur Biwakschachtel (2380 m) nochmals Idealverhältnisse genießen und bei Traumfirn stapfen wir gemütlich ohne Spuraufwand nach oben. Bereits gegen 11:30 Uhr haben wir die Biwakschachtel erreicht und schreiben uns kurz ins Wandbuch ein. Die Biwakschachtel war augenscheinlich in einem Topzustand.

    der Blick auf den oberen Wandteil wird frei
    gleich ist die Gipfelschlucht erreicht
    Idealverhältnisse in der Gipfelschlucht
    Idealverhältnisse in der Gipfelschlucht
    Watzmann Ostwand Biwakschachtel (2380 m)

Bis hierher hatten wir Idealverhältnisse mit hartem Firn und gutgesetztem Schnee (Styroporschnee) und ich würde mal behaupten dass man es nicht viel besser erwischen kann. Was wir allerdings ab der Biwakschachtel antrafen dürfte eher den Alptraum einer Watzmann Ostwand Winterbegehung widerspiegeln: grundloser kalter unverfestigter Pulverschnee. Sofort schießen mir die Worte von Hermann Buhl in den Kopf, der hier anscheinend ähnliches erlebt hat:


„Ich quere nach rechts hinüber. Doch schon nach den ersten Metern schwimme ich im grundlosen Pulverschnee. Schlagartig haben sich die Verhältnisse geändert. Die Wand ist hier etwas nach Norden gerichtet und der Sonne abgewendet. Zierliche Schneegrate nehmen meine Spur auf. Sie bilden die Brücke von einem Vorsprung zum anderen. Fast tut es mir Leid, diese wunderbaren Naturgebilde zu zerstören. Aber jetzt ist nicht Zeit für ästhetische Bedenken. Ich muß weiter...“

aus: Hermann Buhl - Achtausend drüber und drunter / Allein in der Winternacht-Watzmann Ostwand


Man hat bis zur Biwakschachtel ja immerhin schon 1800 Höhenmeter ab St. Bartholomä in den Beinen und jeder sollte insbesondere im Winter hier noch genügend Power haben um solchen Verhältnissen zu widerstehen. Wir treffen sofort die Entscheidung nach links aus den eigentlichen Ausstiegskaminen heraus auf einen Felspfeiler auszuweichen. Dies bedeutet zwar etwas weniger grundlose Wühlerei, dafür aber eben auch noch ca. 3 Felsseillängen mit entsprechendem Sicherungszeitaufwand. Auf dem von uns gewählten Weg trafen wir auf Schwierigkeiten bis ca. IV+. Ein Normalhaken mit blauer A0-Schlinge zeigte das hier wohl schon öfter jemand war. Zwischen den Felsabschnitten galt es aber auch immer wieder durch grundlosen Schnee bis zur nächsten Felsseillänge zu Wühlen. Gegen Ende wurde es echt zäh und artete schon etwas zum Kampf gegen den Schnee aus. Auf den letzten 30 Höhenmetern im ganz leichten und wieder deutlich flacheren Gelände fanden wir wie als kleines Abschlussgeschenk nochmal schönen Trittfirn vor.

    wir weichen auf den Felspfeiler in Bildmitte aus
    unterwegs auf dem Felspfeiler
    dann wieder hüfttiefe Wühlerei
    gegen Ende wurde es echt zäh...
    gegen Ende wurde es echt zäh...
    die letzten 30 Höhenmeter

Für diese eigentlich lächerlichen 300 Höhenmeter von der Biwakschachtel bis zum Gipfel haben wir sage und schreibe 3,5 h gebraucht und so erreichten wir doch erst gegen 15:15 Uhr den Gipfel der Watzmann Südspitze (2712 m), gut 11 h nach dem Aufbruch in St. Bartholomä. Überglücklich über unsere Winterbegehung des „Kederbacherweg“ konnte wir bei bestem Licht und toller Stimmung die Blicke auf die umliegende Berchtesgadener Bergwelt genießen. Ein toller Moment. Danke Jürgen, wir waren ein super Team!

    Watzmann Südspitze (2712 m)
    Watzmann Südspitze (2712 m)
    Blick auf die Watzmann Mittelspitze (2713 m)
    2100 Höhenmeter weiter unten der Königsee

Doch am Gipfel ist ja bekanntermaßen die Tour noch lange nicht zu Ende. Insbesondere gilt das auch für den winterlichen Watzmann. Erst nach weiteren ermüdenden 7 h kamen wir an unserm Auto am Königsee wieder an. Als wir am Gipfel aufbrechen haben wir noch eine gute Stunde Tageslicht. Das ist eben der Nachteil an einem der kürzesten Tage des Jahres. Zum Glück ist der größte Teil des Abstieges ins Wimbachgries südseitig ausgerichtet und so fanden wir zunächst wieder schönen tragenden Firn vor und kamen gut voran. Ein schöner Sonnenuntergang begleitete uns im Abstieg.

    im Abstieg, die ersten Meter am Grat
    Tiefblick auf nahezu den gesamten Abstieg bis zum Wimbachgries
    im Bereich des „Oberen Schönfeld“
   
   

In der letzten 560 Hm Steilstufe zwischen dem Schönfeld (2060 m) und dem Wimbachgries (ca. 1500 m) holte uns die Dunkelheit ein. Das Gelände ist hier sehr von Latschen und Bäumen dominiert. Der Weg ist in diesem Bereich zwar weiterhin sehr gut markiert. Allerdings stellen die weißen Farbpunkte an Bäumen und eingeschlagenen Holzpflöcken im Winter eine eher unglückliche Farbwahl dar. So kam was kommen musste und ca. 200 hm über dem Talboden haben wir uns endgültig nicht mehr auf dem richtigen Weg befunden. Durchs Latschendickicht führte nun unser Weg auf dem kürzesten Weg einfach direkt nach unten, was nicht unbedingt die beste Wahl war. Über einen großen Felsabbruch haben wir einfach an einer Latsche kurz abgeseilt und der Weg zum Talboden war frei. Bei diesem Abseilvorgang lösten sich aber mehrere Steine und einer pfitzte mir direkt an die Schläfe und verursachte eine kleine Platzwunde. Zum Glück nicht allzu groß und es blutete nicht sehr stark. Als kleiner Druckverband reichte ein Tempotaschentuch unter die Mütze geklemmt und weiter ging es. Im Talboden wartet dann allerding eine weitere Tortur und bis zur knapp 1,5 km entfernten Wimbachgrieshütte galt es ohne jegliche Spur knietief zu spuren. Man kommt einfach nicht voran. Aufgrund völliger Dunkelheit hatten wir immer Sorge die Hütte nicht zu finden, denn die Hoffnung auf irgendeine Art von Spur ab der Hütte war groß. Gegen 19:15 Uhr erreichten wir glücklich die Wimbachgrieshütte (1333 m). Hätte die im Winter geschlossene Hütte auch nur irgendeine Art von Winterraum wären wir wahrscheinlich dort geblieben.

    erschöpft an der Wimbachgrieshütte

Nun folgen noch ermüdende und nicht enden wollende 9 km (!) das ganze Tal hinaus bis zur Straße an der Wimbachbrücke. Wenigstens trat unsere Hoffnung ein und es führte eine Schneeschuhspur talauswärts. Ich glaube ich war noch nie so froh an einer vorhanden Schneeschuhspur wie in diesem Moment
Wink
!!! Die Spur hat zwar auch nicht immer getragen, war aber besser als kilometerlanges komplettes Spuren. Nachdem der Weg mit Spur erreicht war und die Dunkelheit ja eh schon längst eingetreten war, hatten wir zu mindestens keine Zeit- oder Orientierungssorgen mehr und so gönnten wir uns viele Pausen und legten uns einfach immer wieder direkt auf die Schneedecke und „genossen“ so den Ausklang dieser Unternehmung.

    kleine Siesta im Schnee

Unten an der Wimbachbrücke waren natürlich sämtliche Busse auf dem Fahrplan schon längst abgefahren und wir fuhren kurzer Hand mit dem Taxi (20€) zurück zum Auto am großen Parkplatz beim Königsee. Eine tolle Unternehmung endete nach rund 18 h gegen 22 Uhr.

Was eine Wand, was eine Tour...


Watzmann (2712 m) - Ostwand „Kederbacherweg“:
- EB: Johann Grill (Kederbacher) und Otto Schück am 6. Juni 1881 (nach mehrjährigem Wandstudium)
- Schwierigkeiten (im Sommer): IV- auf 20 m im Bereich der Schöllhornplatte, eine Stelle III+, stellenweise III, überwiegend II
- Wandhöhe 1800 m
- Kletterlänge: 3000 m
- Kletterzeit (im Sommer): 6-8 h


Materialempfehlung:
- 40 m Einfachseil
- 4 Karabiner
- 4-6 Bandschlingen
- 4 Cams zwischen 0.3 und 1
- Keile hatten wir dabei aber nicht eingesetzt
- mehrere Haken
- 1-2 Eisgeräte pro Person je nach Verhältnissen (bei uns hätte locker eines pro Person gereicht)
- Steigeisen
- das sonstige, übliche Stand- und Abseilmaterial in ausgedünnter Form


unser zeitlicher Tagesverlauf:
04:00 Uhr - Abmarsch St. Bartholomä
05:00 Uhr - Randkluft Eiskapellen Firnfeld
07:30 Uhr - Schöllhornplatte
08:30 Uhr - Zellerloch
11:30 Uhr - Biwakschachtel
15:15 Uhr - Gipfel Watzmann Südspitze (2712 m)
16:15 Uhr - Schönfeld
19.15 Uhr - Wimbachgrieshütte
21:30 Uhr - Wimbachbrücke
22:15 Uhr - Parkplatz am Königsee/Jennerbahn



Kletterführer / Beschreibungen / Hinweise:
Gebietsführer Watzmann-Ostwand
3. Auflage 2007
Bergverlag Rudolf Rother
Franz Rasp

AV-Führer Berchtesgadener Alpen
16. Auflage 1990
Bergverlag Rudolf Rother
Max Zeller / Hellmut Schöner

Im schweren Fels
1. Auflage 1970
Walter Pause

Achtausend drüber und drunter
Allein in der Winternacht-Watzmann Ostwand
Piper Verlag GmbH
Hermann Buhl

Ein äußerst lesenswerter Bericht über eine Winterbegehung der Watzmann Ostwand im Februar 1997 findet sich auf der Homepage von Albert Hirschbichler:

http://www.albert-hirschbichler.de/texte/text1.htm



Landkarten:
1:25000 BLV Karte, UK 25-1, Nationalpark Berchtesgaden
1:25000 AV Karte, BY 21, Nationalpark Berchtesgaden, Watzmann


Viele Grüße
Jürgen und Tobias
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#2
Hallo Tobias und Jürgen

Saustark. Klasse Unternehmung von euch. Die Watzmann Ostwand ist schon eine gewaltige Wand und selbst im Sommer ob ihrer Dimensionen eine eindrückliche Tour, egal auf welchem Weg. Eine Wand, die jeder Alpinist mal gemacht haben will. Gratulation zur anspruchsvollen Winterbegehung.

Gruß Alban
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