„Der Paukenschlag, mit dem die zwei Münchner Hoch-Empor´ler Emil Solleder und Gustl Lettenbauer 1925 die Civetta zum weltläufigen Begriff für alle Kletterfreunde machten, hallt heute noch nach.“
„Was auch noch alles entdeckt, gesucht und erstbegangen wurde … in diesen Kämmen … nichts hält stand gegen jene Nordwestwand. Dabei gibt es wahrhaftig viel schwierigere Führen nebenan … als jene „Solleder“, die am 7. August 1925 in 15 Stunden bezwungen wurde, in einem Zuge, ohne Biwak, mit 12 Haken für Sicherungszwecke…“
„Diese „Solleder“ die wenig sehr schöne Kletterei bietet, die teilweise brüchig und oft schwer zu finden ist und die obendrein eine Wassertaufe bereithält in ihrer Hauptschlucht, ist eine der ganz großen Unternehmungen in den Alpen … die immer noch den härtesten Einsatz über 1100 m Wandhöhe verlangt … Strenger Ernst zeichnet die gewaltige Civettamauer aus … immer wird in ihren Führen das Äußerste gefordert.“
„Die Wand ist gefährlich, Steinschlag und Wasserstürze drohen, jeder muß froh sein, wenn er sich heil in die kleine Torranihütte retten kann.“
„Tiefer Respekt, größte Vertrautheit mit der Wandstruktur und den Erfahrungsberichten, eine perfekte Ausrüstung und ein eminentes technisches Können – daß alles kann nicht genug sein, wie vielfach Erfahrung beweist. Hier ist der ganze Mensch gefordert und eine große Portion Bergsteigerglück dazu.“
aus: Walter Pause - im extremen Fels.
Civetta – Nordwestwand, das „Königreich des sechsten Grades“
Mit diesem absoluten Megaklassiker der Alpingeschichte ging für Florian und mich ein großer Traum in Erfüllung. Die “Solleder“ in der berühmt berüchtigten Civetta Nordwestwand, dem „Königreich des sechsten Grades“, zählt vom Nimbus und alpinhistorischen Stellenwert her nach wie vor zu den absoluten Toptouren unserer Alpen und stellte einen gewaltigen Meilenstein des Alpinismus dar. Insgesamt war dies für uns beide zufällig gleichzeitig die 37. Pausetour „im extremen Fels“, bereits unsere 10. gemeinsame in diesem Wahnsinns-Sommer-2013, bei mir die 8. alleine im Monat August und die bisher 17. im Jahr 2013.
Civetta – Nordwestwand „Solleder“
Was Emil Solleder und Gustav Lettenbauer von der hochangesehenen Münchner extremen Alpenvereinssektion „Hochempor“, an jenem 7. August 1925 vollbrachten ist so unglaublich wie unvorstellbar. Im Jahre 1925 den Mut aufzubringen in diese wilde, damals noch undurchstiegene, Wand der Wände einzusteigen, mit 12 Haken, der damaligen Ausrüstung und dann auch noch an einem Tag ohne Biwak in 15 h Kletterzeit durchzurennen, ist eine Leistung die sehr lange Zeit ihres gleichen suchen sollte. Zumal sie dabei quasi beiläufig auch noch den VI. Grad in den Dolomiten eröffneten. Schon vor zwei Jahren als ich zusammen mit Jochen die
„Solleder“ in der Sass Maor Ostwand
kletterte war ich von der Person Emil Solleder fasziniert. Was war das für ein Typ?!? Auf jeden Fall war er seiner Zeit um Welten voraus. Man hätte vermutlich auf weitere große Taten und Meilensteine gespannt sein können wäre er nicht im Alter von gerademal 31 Jahren in der Dauphiné an der Meije tödlich abgestürzt als sich ein Abseilblock löste…
Emil Solleder (Quelle:
www.kletterphoto.de
)
Den epischen, wenngleich etwas heroischen Zitaten aus Walter Pauses „im extremen Fels“ aus den 1970er Jahren ist auch heute im Jahre 2013 nicht viel hinzuzufügen. Natürlich leben wir in einer völlig anderen Welt, die Ausrüstung ist viel leichter, besser, sicherer, die Wettervorhersagen sind präzise, es gibt tausende Webcams und die Informationsdichte erreicht in Zeiten des WorldWideWeb bisher unbekannte Dimensionen, doch die Route und die Kletterei ist seit damals immer noch gleich wild, vom ersten bis zum letzten Meter anspruchsvoll und die gefühlt unendlich langen meist brüchigen 1100 m Wandhöhe wollen einfach erst mal geklettert und vor allem auch gefunden werden.
Zum Bericht unserer Begehung:
Aufgrund dessen, dass wir am Vortag quasi im Zustieg zur Tissi-Hütte noch die schöne, absolut lohnende aber auch nicht zu unterschätzende
„Carlesso“ am Torre di Valgrande
kletterten, kamen wir erst am späten Abend auf der wunderschön gelegene Tissi-Hütte an. Während des langen abendlichen Weges unter der Civetta hindurch und dem Gegenanstieg zur Hütte konnten wir glücklicherweise noch die berühmten und unvergesslichen Blicke auf die am Abend feuerrotleuchtende Civetta Nordwestwand genießen. Einfach herrlich! Zum Glück ist die Tissi-Hütte durch und durch ein Kletterhütte und auch den spätankommenden Civetta-Aspiranten wohlgesonnen gegenüberstehend. So bekommen wir auch um 20:30 Uhr noch ein leckeres warmes Abendessen.
Civetta – Nordwestwand im leuchtenden Abendrot
Manche Seilschaften brechen am nächsten Morgen schon um 04:00 Uhr auf. Bei uns klingelt der Wecker aber erst gegen 05:00 Uhr. Da haben wir etwas länger Schlaf, es ist auf jeden Fall schon hell am Einstieg, die frühmorgendlich zu ertragende Kältezeit ist kürzer und zudem könnte mal wieder ein „Letzter-Erster-Tag“ (O.-Ton Florian) sein. Soll heißen als letzte Seilschaft in die Wand einsteigen und als erste oben austeigen. Insgesamt ist an diesem Tag doch einiges an der Civetta los und mehrere Seilschaften wollen die Gunst der Stunde nutzen, denn wer weiß wie viele große Civetta-Tage es dieses Jahr noch geben wird. Eine weitere Seilschaft ist mit uns in der „Solleder“, drei Seilschaften steigen in die „Philipp-Flamm“ ein und eine Seilschaft ist am Vorbau der Punta Civetta zusehen, also vermutlich „Aste-Susatti“ oder „Andrich-Faè“.
Nach knapp 45 min sind wir am Beginn des markanten Vorbaus und komischerweise kommt uns eine Seilschaft über den Vorbau entgegen. Die haben sich gewaltig verhaut, denn der „Philipp-Flamm“ Einstieg ist nun mal definitiv nicht am Solleder-Vorbau! Alles andere als gute Voraussetzungen… Anhand der größtenteils sehr sehr guten Text-Beschreibungen im alten Civetta AV-Führer ist der Weg über den Vorbau bis zum Einstieg gut zu finden. Zunächst in die Scharte zwischen gelb grauem und schwarzen Turm hinein und danach hinter demschlanken schwarzem Turm hindurch. Zwar alles sehr brüchig aber der beste Weg. Am Einstieg haben wir die Seilschaft vor uns eingeholt und freundlicherweise lässt uns der Südtiroler Bergführer gleichmal den Vortritt. Alles klar! Gegen 06:45 Uhr greift Florian an der berühmten dröhnenden lehmigen Einstiegsschuppe (VI-) an. Geologisch ist diese erste Seillänge sicher höchst interessant. Als Kletterer denkt man sich eher hoffentlich hält der ganze Dreck/Lehm mit seinen Steineinlagerungen zusammen. Treffender könnte der Start in diese Wand nicht sein, das Abenteuer Civetta Nordwestwand „Solleder“ kann beginnen…
Blick vom Vorbau in das erdrückende Gemäuer
die berühmte lehmige Einstiegsschuppe
die berühmte lehmige Einstiegsschuppe
die berühmte lehmige Einstiegsschuppe – gut zu erkennen auch der schlanke schwarze und der gelb graue Turm am Vorbau
Nach dieser lehmigen Einstiegsschuppe folgen zwei leichtere lange Seillängen (V und IV+) bis an den Beginn des berüchtigten „Blockkamins“. Beim ersten Anblick wirkt er schon etwas furchteinflößend und es ist nur allzu gut vorstellbar warum die in diesem Bereich vorhandene „Hiebeler-Umgehungsvariante“ beliebt ist und nicht nur bei Nässe oder Vereisung im Kamin gerne geklettert wird. Bei uns ist er aber zum Glück komplett trocken, und so bleiben wir auf der Originalführe. Es geht hier aber ordentlich zur Sache. Zunächst in die Gedärme des Berges hinein und dann an der linken Kaminwand, später an der Kaminwandkante empor V+ A1 (??? eigentlich nicht wirklich Haken vorhanden) oder mindestens VI und brüchig.
der berüchtigte „Blockkamin“
Traumfels am Beginn des Blockkamins – what´s this?!?
Ausstieg aus dem berüchtigten „Blockkamin“
Nach dieser Seillänge geht es zunächst noch weiter im Kamin, aber deutlich leichter (ca. IV), bis man auf eine Art Schutt- und Schrofenstufe trifft welcher von einer steilen, kompakten, plattigen Wandstufe abgeschlossen wird. Oberhalb der Wandstufe ist der Quergang nach rechts bereits gut zu erkennen und logisch. Wie man aber über die Wandstufe kommt ist alles andere als logisch und der beste Weg ist schwer auszumachen. Diverse Variationen mit Haken zeugen von dieser Unklarheit. Relativ links sieht es zwar am einfachsten und strukturiert, dafür aber wasserüberflutet und moosig aus. Rechts davon trockener, dafür aber kompakter, steil, schwer und ebenfalls mit Haken. Oder sollte man viel weiter nach rechts? Wir entscheiden uns für die Variante trocken aber schwer. Hier muss für einen VIer richtig schwer geklettert werden und so kompakt wie es aussah war es im Endeffekt auch nicht.
kurz unterhalb der schweren Wandstufe vor dem Rechtsquergang
schwere Wandstufe vor dem Rechtsquergang
Auf dem Band geht es nun ca. 60-70 Meter leicht fallend nach rechts bis zu einer Art Kante/Rücken. Nach dieser Querung geht es über eine kompakte, unübersichtliche und plattige Wandstufe in ca. 2 Seillängen relativ wahllos gerade nach oben. Wo genau hier die „beste“ Route ist, ist schwer zu sagen denn stecken tut auch nicht wirklich was. Danach erreicht man eine geneigte und nach rechts Richtung Firnfeld ziehende große Rampe.
leicht fallender Rechtsquergang 60-70 m
unübersichtliche plattige Wandstufe nach dem Rechtsquergang
auf der nach rechts Richtung Firnfeld ziehenden großen Rampe
beeindruckende Wandfluchten – Blick in die zentralen „Philipp-Flamm“ Verschneidungen
Im Bereich des nun folgenden großen Wandaufschwungs haben wir einen gewaltigen Verhauer eingebaut. Die in der Beschreibung erwähnten „zwei links aufwärtsziehenden Risssysteme“ waren nicht eindeutig identifizierbar und das gesamte Gelände sah nicht allzu einladend und rotbrüchig aus. So kletterten wir in der Hoffnung auf Besserung fälschlicherweise zunächst viel zu weit nach rechts Richtung Firnfeld. Relativ bald war dann aber anhand der Wandbilder schon klar dass wir falsch und zu weit rechts sind. Der eine oder andere Haken zeigte, dass hier wohl schon mehr umhergeirrt sind. Gleich wieder etwas abseilen und nach Links queren stand jetzt auch nicht mehr zu Debatte und so erfolgte die Flucht nach vorne. Durch furchtbar brüchiges Scheißgelände klettern wir irgendwo in den Weiten dieser riesigen Wandstufe diagonal nach links. Nach 3,5 Seillängen, die wirklich ein katastrophaler Bruchhaufen und sehr heikel waren, stehen wir auf der großen Rampe die in diesem Wandbereich diagonal nach rechts oben in die Scharte zwischen Civetta-Hauptgipfel und Kleiner Civetta führt. Beim Blick über die Rampe nach unten zum eigentlichen Beginn der zentralen „Solleder“ Ausstiegsschlucht bekommen wir leider gnadenlos aufgezeigt wir groß unser Verhauer war. Da ja anscheinend schon mehr hier herum geirrt sind ist auch gleichmal ein brüchiges Köpfl mit Kevlarschlinge und Schraubglied vorhanden. Also abseilen, hilft ja nix und über die Rampe raus “ flüchten“ kommt nicht in Frage. Die nach 50 m vorhandene zweite „Abseilstelle“ an einem im Dreck aufliegenden fraglichen Block, bauen wir gleich mal ab, sponsern zwei Normalhaken, Kevlarschlingen und bauen aus dem Zeug einen perfekten und Steinschlag geschützten Abseilstand. So stehen wir nach 2 x 50 m abseilen wieder auf der richtigen Route und somit quasi am Beginn der zentralen Ausstiegsschlucht. Das Ganze Verhauer-Manöver hat außer Nerven, etwas Material und 100m Abseilen vor allem viel Zeit verschlungen. Die nachfolgende Seilschaft hatte wohl den richtigen Weg gefunden und ist nun zunächst wieder direkt hinter uns.
dort irgendwo wäre es vermutlich richtigerweise hochgegangen
furchtbarer Bruch auf der Verhauervariante
furchtbarer Bruch auf der Verhauervariante
furchtbarer Bruch auf der Verhauervariante
2x 50 m Abseilen und viel Zeit kostete uns dieser Verhauer
die nachfolgende Seilschaft hatte den richtigen Weg gefunden und steigt hier gerade aus der großen Wandstufe aus
Die grobe Richtung ist nun wieder klar, doch im Detail auch mit der Text-Beschreibung gleich mal wieder nicht leicht zu finden. Das Topo ist hier mal wieder unterirdisch gut und so geht es wie meist eher der Nase nach. Am besten von der Schrofenrampe über steile Schuttschrofen in eine Art gelbe Gufel, hier Stand. Aus der Gufel zieht schräg nach links oben die in der Beschreibung vermutlich gemeinte kurze Schrägverschneidung (V, A0). Nach der Schrägverschneidung folgt noch eine Art Hangelquergang bis der nächste Stand erreicht ist. Vom Stand weg folgt noch ein ausgesetzter Wulst (VI-, V A0) und der Weg in die Schlucht ist frei. Es waren also ab der Schrofenrampe drei Seillängen. Nun steht man das erste Mal direkt in der zentralen Ausstiegsschlucht und es folgt der berühmt berüchtigte Wasserfallkamin.
die Seillänge vor dem Wasserfallkamin, hier kurz nach dem Wulst (VI-, V A0)
die Seillänge vor dem Wasserfallkamin
Links vom Stand fließt ein ordentliches Bächlein und oben im Kamin plätschert es gewaltig. Na das kann ja heiter werden. Doch dieser erste Eindruck sollte sich zum Glück etwas relativieren und zu mindestens der häufig zwingende Duschgang bleibt uns erspart. Dennoch war der abschließende Wulst/Überhang komplett feucht und schmierig. Florian der die ganze Tour Onsight klettern konnte empfand diesen Überhang unter diesen Umständen als eine der schwersten Freikletterpassagen der ganzen Tour. Die Haken zum A0 klettern sind aber vorhanden und nur in allzu verlockender Nähe.
Blick in den Wasserfallkamin
im Wasserfallkamin
die heikelsten Meter im berühmt berüchtigten Wasserfallkamin
Blick aus dem Kamin zur Tissi-Hütte
Nun folgen noch zwei weitere steile Aufschwünge die entweder in einer langen oder zwei kürzeren Seillängen geklettert werden können. Vor einem weiteren irgendwie schlimm aussehenden steilen Kamin verlässt man die Schlucht auf einem breiten Bändchen nach links bis an dessen Ende zu Stand, am Fuße einer steilen Verschneidung. Über die steile Verschneidung (V) empor. Es ist nun ca. 15:15 Uhr und wir bekommen die ersten angenehmen Sonnenstrahlen des Tages ab.
einer der nachfolgenden Kaminaufschwünge nach dem Wasserfallkamin
auf gutem Band nach links aus der Schlucht heraus
die steile Verschneidung nach dem Band
Ausstieg aus der Verschneidung
Nach der Verschneidung neigt sich das Gelände etwas zurück und man hat das erste Mal einen Übersichtsblick auf den oberen Wandteil. Leider handelt es sich bei diesem Blick (siehe nächstes Bild) nur um einen kleinen Abschnitt des oberen Wandteils, viele Seillängen sind noch verdeckt und es sollte sich noch gewaltig ziehen. Nach der Verschneidung klettern wir in drei langen Seillängen immer dem leichtesten Weg folgend bis in eine Art Geröllkessel in dem gelb, schwarze Überhänge den Weg versperren. Hier unbedingt über eine gelbsplittrige Wand rechts raus klettern.
erster Teil-Blick auf den oberen Wandteil
die Schneeflecken werden mehr, Blick auf Alleghe und seinen schönen See
über gelbsplittrige Wand rechts raus aus dem Geröllkessel
In der Folge wird alles irgendwie noch undefinierter, sowohl in Beschreibung wie im Topo. Man verlässt sich am besten nur noch auf den eigenen Routeninstinkt für den besten Weg und dann geht es eigentlich ganz gut. Es folgen eine Passage direkt ausgesetzt über der Zentralschlucht und ein mit Haken ausgestatteter Wulst. Wir klettern nicht wirklich am langen Seil, auch wenn es das Gelände locker zulassen würde, denn die Beine und Sinne sind langsam etwas müde, zumal die „Carlesso“ am Torre di Valgrande vom Vortag auch noch etwas zu spüren ist. Der Schnee auf den Absätzen nimmt auf diesen 6-7 letzten Seillängen deutlich zu, stellte aber nirgends ein größeres Problem dar, denn die wirklichen Kletterstellen waren schneefrei.
im oberen Teil
im oberen Teil, immer auf dem leichtesten Weg durch diese lange Schlucht
so langsam etwas lahm in den Beinen…
In der allerletzten Seillänge kommt noch eine letzte Hürde in Form eines steilen 6 m Aufschwungs (ca. V+, 2-3 Haken). Die Gratkante ist nun schon zum Greifen nahe, doch hier gilt es sich nochmal zu konzentrieren.
die letzte Hürde
Tiefblick auf den letzten Standplatz
Auf den nachfolgenden einfachen Metern bis zur Gratkante ist klar wir haben es geschafft und eine der ganz großen Alpenwände liegt hinter uns. Die Anspannung des Tages fällt von uns ab und es stellte sich dieses Wahnsinns-Gefühl, tiefster innerer Glücklichkeit und Zufriedenheit, nach erreichten Zielen ein. Überglücklich stehen wir nach 12 h anstrengender Kletterzeit am Ausstieg der „Solleder“ und wenige Minuten später im herrlichsten Abendlicht gegen 19:00 Uhr auf dem höchstens Punkt der Civetta (3218 m). Ein großartiger Moment…
Was eine Tour...!!!
Civetta (3218 m) – ein Traum ging in Erfüllung
Civetta (3218 m) – ein Traum ging in Erfüllung
Kleine Civetta, u.a. Cima Su Alto und Cima de Gasperi (v.l.n.r)
Die Gedanken sind auch etwas bei den drei Seilschaften in der „Philipp-Flamm“ und vor allem bei der uns nachfolgenden Seilschaft in der „Solleder“, welche wir im oberen Teil noch einmal kurz gesehen haben, allerdings weit unten. Hoffentlich haben sie es noch im letzten Tageslicht wenigstens bis zum Ausstieg geschafft und finden im Dunkeln die Torrani-Hütte. Außer uns beiden sind noch zwei junge Italiener auf dem Gipfel. Sie kamen von der Torrani-Hütte über den Normalweg und genießen das Abendlicht. Nach diversen Fotos brechen wir auf und machen uns an den langen, langen Abstieg über den Normalweg bis zum Auto in Pala Favera (ca. 1500 m). Aufgrund des ständigen Auf und Ab in der langen Querung zur Coldai-Hütte sind das mindestens 2000 Höhenmeter. An der gut 200 Hm tiefer gelegenen Torrani-Hütte (2984 m) kommen wir allerdings nicht umher bei Venturino De Bona, dem Hüttenwirt, Civetta-Hausmeister, Extremkletterer und Erstbegeher der aktuellen Civetta-Toptour „Nuvole Barocche“ (IX A2) ein schnelles Bierchen zu trinken. Dort zu Übernachten wäre allzu verlockend gewesen, doch wir müssen weiter…
ein langer Abstieg beginnt…
Torrani-Hütte
Monte Pelmo leuchtet im Abendlicht
Kurz nachdem klettersteigähnlichen Abschnitt des Normalweges holt uns die Dunkelheit ein und es geht mit Stirnlampe weiter. In nicht enden wollendem Auf und Ab quert man im Folgenden das riesige Civetta-Bergmassiv. Gegen 22:00 Uhr erreichen wir die Coldai-Hütte (2132 m). Wieder wäre es allzu verlockend gewesen dort zu übernachten, doch wir müssen weiter und die Zeit drängt… Weiter unten auf dem Fahrweg etwas unterhalb der Alm Casere di Pioda (1816 m) haben wir Glück und ein PickUp nimmt uns mit bis zum großen Parkplatz Pala Favera (1500 m). Wir sind zwar beide platt und müde doch ein gutes Stück wollen wir gleich noch in der Nacht heimwärts fahren. Am Brenner ist aber bei beiden endgültig der Ofen aus, wir fahren auf die großen Parkplätze raus, Isomatte und Schlafsack raus und legen uns direkt neben das Auto schlafen. Es ist nun 02:00 Uhr in der Nacht und wir gönnen uns 3h Schlaf. Um kurz nach 05:00 Uhr sind wir schon wieder „on the road again“...
Der Grund für diesen Zeitdruck: Florian muss an diesem Sonntagmorgen um 12:00 Uhr in Obertrubach im Frankenjura sein. Es wartet eine Woche Bergführer-Lehrgang „Methodik“. Yeaaahhh man da kommt Freude auf...
Es liegen zwei maximal ausgenutzte große und tolle Civetta-Tage hinter uns und Florian kommt doch sogar pünktlich zum Bergführer-Lehrgang im Frankenjura und der „Solleder“-Joker fürs Zuspätkommen kann im Ärmel bleiben...
Civetta (3218 m) – Nordwestwand “Solleder”:
- EB: Emil Solleder und Gustav Lettenbauer am 07. August 1925 an einem Tag !!!
- Schwierigkeit: Das ist ein schwieriger und nicht klar zu definierender Punkt. Bei dieser Länge und den vielen möglichen Varianten und Verhältnissen wird jeder eine etwas andere Schwierigkeitswahrnehmung haben. Hängt natürlich auch davon ab ob immer den leichtesten Weg findet oder aufgrund von Nässe o.ä. überhaupt klettern kann oder auf eine schwere Linie ausweichen muss. Wie auch immer es war auf jeden Fall quasi der erste Anstieg in den Dolomiten im VI. Grad. Der AV-Führer beschreibt die Schwierigkeiten eigentlich ganz treffend folgendermaßen: VI- und V+ auf 160 m, 300 m V, Rest IV und III, 2 Stellen A1, diverse Passagen A0.
- Felsqualität: Insgesamt doch deutlich unterdurchschnittlicher Dolomitenfels auch im Vergleich zu vielen anderen Dolomiten-Extremklassikern. Teilweise sogar ganz ordentlich brüchig, teils lehmig und oft eher unangenehm zu klettern. Wenig bis gar keine richtig schöne Kletterei. Bruchklettererfahrung durchaus vorteilhaft. Diese Tour klettert man definitiv nicht wegen der Felsqualität, aber das dürfte ja jedem klar sein der hier einsteigt.
- Absicherung: In der Literatur ist oft von vielen Haken zu lesen. Das ist natürlich immer relativ aber von vielen Haken würde ich mal nicht unbedingt reden. Insgesamt ist man doch meist auf sich gestellt und auch viele Standplätze müssen selbst gebaut werden, was allerdings mit Cams und Keilen schon meist gut möglich ist. Der Südtiroler Bergführer der nachfolgenden Seilschaft hat z.B. nahezu an den meisten Ständen selber Haken geschlagen oder Haken dazu geschlagen und sein Gast hat sie wieder mitgenommen.
- Wandhöhe: 1100, Kletterlänge ca. 1300 m
- Kletterzeit: 10-12 h (Für diese Angabe aus der Literatur muss ordentlich Gas gegeben werden)
Materialempfehlung:
- 50 m Doppelseil
- 10 Exen
- 6-8 Bandschlingen
- 1 Satz Keile
- 1 Satz Cams: 0.3 bis 3
- Hammer und Haken
- das sonstige, übliche Stand- und Abseilmaterial
unser zeitlicher Tagesverlauf:
04:45 Uhr - Abmarsch an der Tissi-Hütte
05:30 Uhr - Beginn Vorbau
06:45 Uhr - Einstieg
09:00 Uhr - fallender Rechtsquergang
10:15 Uhr - auf Höhe des großen Schneefeldes
13:30 Uhr - große Schrofenrampe am Beginn der zentralen Ausstiegsschlucht (nach dem Verhauer)
15.15 Uhr - der Wasserfallkamin liegt hinter uns
18:45 Uhr - Ausstieg auf dem Grat
19:00 Uhr - Civetta Gipfel
22:00 Uhr - Coldai-Hütte
23:00 Uhr - Pala Favera, das Auto ist wieder erreicht und wir kommen noch bis zum Brenner
Kletterführer / Topos:
AV-Führer Dolomiten Civettagruppe (vergriffen)
3. Auflage 1981
Bergverlag Rudolf Rother
Andreas Kubin
Die Textbeschreibung (von Toni Hiebeler) und die Wandbilder in diesem Führer sind größtenteils richtig gut.
Dolomiten vertikal, Band Süd (unübersichtliches und ungenaues Topo)
3. Auflage 2005
Loboedition
Stefan Wagenhals & Freunde
Dieses Topo ist, wie bei Lobo-Topos von Touren dieser Kategorie leider meistens, insgesamt gesehen mit Vorsicht zu genießen. Die Schwierigkeitsangaben sind bei diesem Solleder-Topo meist eher unterbewertet und das Ganze ist total unübersichtliches und meist ungenaue. Wer nur diese Topo hat wird seine große Mühe haben hier durchzukommen. Es sind zwar immer schön irgendwelche Kamine und Verschneidungen eingezeichnet aber äußerst wenig drum herum. Gerade dies ist in dieser Tour aber ganz entscheidend, denn gefühlt besteht die ganze Civetta aus Verschneidungen und Kaminen. In der Praxis läuft es dann meist so dass man mal der Nase nach irgendwo hochsteigt und im Nachhinein dies dem Topo zu ordnen kann. Trotz alledem sollt man es aufgrund mangelnder Alternativen schon dabei haben.
Im extremen Fels
2. Auflage 1977
Walter Pause, Jürgen Winkler
diverse sehr gute Wandbilder mit eingezeichnetem Routenverlauf sind im Internet zu finden
AV-Karten:
Tabacco Karte Nr. 15
Marmolada-Pelmo-Civetta-Moiazza
1:25000
Viele Grüße
Florian und Tobias
„Was auch noch alles entdeckt, gesucht und erstbegangen wurde … in diesen Kämmen … nichts hält stand gegen jene Nordwestwand. Dabei gibt es wahrhaftig viel schwierigere Führen nebenan … als jene „Solleder“, die am 7. August 1925 in 15 Stunden bezwungen wurde, in einem Zuge, ohne Biwak, mit 12 Haken für Sicherungszwecke…“
„Diese „Solleder“ die wenig sehr schöne Kletterei bietet, die teilweise brüchig und oft schwer zu finden ist und die obendrein eine Wassertaufe bereithält in ihrer Hauptschlucht, ist eine der ganz großen Unternehmungen in den Alpen … die immer noch den härtesten Einsatz über 1100 m Wandhöhe verlangt … Strenger Ernst zeichnet die gewaltige Civettamauer aus … immer wird in ihren Führen das Äußerste gefordert.“
„Die Wand ist gefährlich, Steinschlag und Wasserstürze drohen, jeder muß froh sein, wenn er sich heil in die kleine Torranihütte retten kann.“
„Tiefer Respekt, größte Vertrautheit mit der Wandstruktur und den Erfahrungsberichten, eine perfekte Ausrüstung und ein eminentes technisches Können – daß alles kann nicht genug sein, wie vielfach Erfahrung beweist. Hier ist der ganze Mensch gefordert und eine große Portion Bergsteigerglück dazu.“
aus: Walter Pause - im extremen Fels.
Civetta – Nordwestwand, das „Königreich des sechsten Grades“
Mit diesem absoluten Megaklassiker der Alpingeschichte ging für Florian und mich ein großer Traum in Erfüllung. Die “Solleder“ in der berühmt berüchtigten Civetta Nordwestwand, dem „Königreich des sechsten Grades“, zählt vom Nimbus und alpinhistorischen Stellenwert her nach wie vor zu den absoluten Toptouren unserer Alpen und stellte einen gewaltigen Meilenstein des Alpinismus dar. Insgesamt war dies für uns beide zufällig gleichzeitig die 37. Pausetour „im extremen Fels“, bereits unsere 10. gemeinsame in diesem Wahnsinns-Sommer-2013, bei mir die 8. alleine im Monat August und die bisher 17. im Jahr 2013.
Civetta – Nordwestwand „Solleder“
Was Emil Solleder und Gustav Lettenbauer von der hochangesehenen Münchner extremen Alpenvereinssektion „Hochempor“, an jenem 7. August 1925 vollbrachten ist so unglaublich wie unvorstellbar. Im Jahre 1925 den Mut aufzubringen in diese wilde, damals noch undurchstiegene, Wand der Wände einzusteigen, mit 12 Haken, der damaligen Ausrüstung und dann auch noch an einem Tag ohne Biwak in 15 h Kletterzeit durchzurennen, ist eine Leistung die sehr lange Zeit ihres gleichen suchen sollte. Zumal sie dabei quasi beiläufig auch noch den VI. Grad in den Dolomiten eröffneten. Schon vor zwei Jahren als ich zusammen mit Jochen die
„Solleder“ in der Sass Maor Ostwand
kletterte war ich von der Person Emil Solleder fasziniert. Was war das für ein Typ?!? Auf jeden Fall war er seiner Zeit um Welten voraus. Man hätte vermutlich auf weitere große Taten und Meilensteine gespannt sein können wäre er nicht im Alter von gerademal 31 Jahren in der Dauphiné an der Meije tödlich abgestürzt als sich ein Abseilblock löste…
Emil Solleder (Quelle:
www.kletterphoto.de
)
Den epischen, wenngleich etwas heroischen Zitaten aus Walter Pauses „im extremen Fels“ aus den 1970er Jahren ist auch heute im Jahre 2013 nicht viel hinzuzufügen. Natürlich leben wir in einer völlig anderen Welt, die Ausrüstung ist viel leichter, besser, sicherer, die Wettervorhersagen sind präzise, es gibt tausende Webcams und die Informationsdichte erreicht in Zeiten des WorldWideWeb bisher unbekannte Dimensionen, doch die Route und die Kletterei ist seit damals immer noch gleich wild, vom ersten bis zum letzten Meter anspruchsvoll und die gefühlt unendlich langen meist brüchigen 1100 m Wandhöhe wollen einfach erst mal geklettert und vor allem auch gefunden werden.
Zum Bericht unserer Begehung:
Aufgrund dessen, dass wir am Vortag quasi im Zustieg zur Tissi-Hütte noch die schöne, absolut lohnende aber auch nicht zu unterschätzende
„Carlesso“ am Torre di Valgrande
kletterten, kamen wir erst am späten Abend auf der wunderschön gelegene Tissi-Hütte an. Während des langen abendlichen Weges unter der Civetta hindurch und dem Gegenanstieg zur Hütte konnten wir glücklicherweise noch die berühmten und unvergesslichen Blicke auf die am Abend feuerrotleuchtende Civetta Nordwestwand genießen. Einfach herrlich! Zum Glück ist die Tissi-Hütte durch und durch ein Kletterhütte und auch den spätankommenden Civetta-Aspiranten wohlgesonnen gegenüberstehend. So bekommen wir auch um 20:30 Uhr noch ein leckeres warmes Abendessen.
Civetta – Nordwestwand im leuchtenden Abendrot
Manche Seilschaften brechen am nächsten Morgen schon um 04:00 Uhr auf. Bei uns klingelt der Wecker aber erst gegen 05:00 Uhr. Da haben wir etwas länger Schlaf, es ist auf jeden Fall schon hell am Einstieg, die frühmorgendlich zu ertragende Kältezeit ist kürzer und zudem könnte mal wieder ein „Letzter-Erster-Tag“ (O.-Ton Florian) sein. Soll heißen als letzte Seilschaft in die Wand einsteigen und als erste oben austeigen. Insgesamt ist an diesem Tag doch einiges an der Civetta los und mehrere Seilschaften wollen die Gunst der Stunde nutzen, denn wer weiß wie viele große Civetta-Tage es dieses Jahr noch geben wird. Eine weitere Seilschaft ist mit uns in der „Solleder“, drei Seilschaften steigen in die „Philipp-Flamm“ ein und eine Seilschaft ist am Vorbau der Punta Civetta zusehen, also vermutlich „Aste-Susatti“ oder „Andrich-Faè“.
Nach knapp 45 min sind wir am Beginn des markanten Vorbaus und komischerweise kommt uns eine Seilschaft über den Vorbau entgegen. Die haben sich gewaltig verhaut, denn der „Philipp-Flamm“ Einstieg ist nun mal definitiv nicht am Solleder-Vorbau! Alles andere als gute Voraussetzungen… Anhand der größtenteils sehr sehr guten Text-Beschreibungen im alten Civetta AV-Führer ist der Weg über den Vorbau bis zum Einstieg gut zu finden. Zunächst in die Scharte zwischen gelb grauem und schwarzen Turm hinein und danach hinter demschlanken schwarzem Turm hindurch. Zwar alles sehr brüchig aber der beste Weg. Am Einstieg haben wir die Seilschaft vor uns eingeholt und freundlicherweise lässt uns der Südtiroler Bergführer gleichmal den Vortritt. Alles klar! Gegen 06:45 Uhr greift Florian an der berühmten dröhnenden lehmigen Einstiegsschuppe (VI-) an. Geologisch ist diese erste Seillänge sicher höchst interessant. Als Kletterer denkt man sich eher hoffentlich hält der ganze Dreck/Lehm mit seinen Steineinlagerungen zusammen. Treffender könnte der Start in diese Wand nicht sein, das Abenteuer Civetta Nordwestwand „Solleder“ kann beginnen…
Blick vom Vorbau in das erdrückende Gemäuer
die berühmte lehmige Einstiegsschuppe
die berühmte lehmige Einstiegsschuppe
die berühmte lehmige Einstiegsschuppe – gut zu erkennen auch der schlanke schwarze und der gelb graue Turm am Vorbau
Nach dieser lehmigen Einstiegsschuppe folgen zwei leichtere lange Seillängen (V und IV+) bis an den Beginn des berüchtigten „Blockkamins“. Beim ersten Anblick wirkt er schon etwas furchteinflößend und es ist nur allzu gut vorstellbar warum die in diesem Bereich vorhandene „Hiebeler-Umgehungsvariante“ beliebt ist und nicht nur bei Nässe oder Vereisung im Kamin gerne geklettert wird. Bei uns ist er aber zum Glück komplett trocken, und so bleiben wir auf der Originalführe. Es geht hier aber ordentlich zur Sache. Zunächst in die Gedärme des Berges hinein und dann an der linken Kaminwand, später an der Kaminwandkante empor V+ A1 (??? eigentlich nicht wirklich Haken vorhanden) oder mindestens VI und brüchig.
der berüchtigte „Blockkamin“
Traumfels am Beginn des Blockkamins – what´s this?!?
Ausstieg aus dem berüchtigten „Blockkamin“
Nach dieser Seillänge geht es zunächst noch weiter im Kamin, aber deutlich leichter (ca. IV), bis man auf eine Art Schutt- und Schrofenstufe trifft welcher von einer steilen, kompakten, plattigen Wandstufe abgeschlossen wird. Oberhalb der Wandstufe ist der Quergang nach rechts bereits gut zu erkennen und logisch. Wie man aber über die Wandstufe kommt ist alles andere als logisch und der beste Weg ist schwer auszumachen. Diverse Variationen mit Haken zeugen von dieser Unklarheit. Relativ links sieht es zwar am einfachsten und strukturiert, dafür aber wasserüberflutet und moosig aus. Rechts davon trockener, dafür aber kompakter, steil, schwer und ebenfalls mit Haken. Oder sollte man viel weiter nach rechts? Wir entscheiden uns für die Variante trocken aber schwer. Hier muss für einen VIer richtig schwer geklettert werden und so kompakt wie es aussah war es im Endeffekt auch nicht.
kurz unterhalb der schweren Wandstufe vor dem Rechtsquergang
schwere Wandstufe vor dem Rechtsquergang
Auf dem Band geht es nun ca. 60-70 Meter leicht fallend nach rechts bis zu einer Art Kante/Rücken. Nach dieser Querung geht es über eine kompakte, unübersichtliche und plattige Wandstufe in ca. 2 Seillängen relativ wahllos gerade nach oben. Wo genau hier die „beste“ Route ist, ist schwer zu sagen denn stecken tut auch nicht wirklich was. Danach erreicht man eine geneigte und nach rechts Richtung Firnfeld ziehende große Rampe.
leicht fallender Rechtsquergang 60-70 m
unübersichtliche plattige Wandstufe nach dem Rechtsquergang
auf der nach rechts Richtung Firnfeld ziehenden großen Rampe
beeindruckende Wandfluchten – Blick in die zentralen „Philipp-Flamm“ Verschneidungen
Im Bereich des nun folgenden großen Wandaufschwungs haben wir einen gewaltigen Verhauer eingebaut. Die in der Beschreibung erwähnten „zwei links aufwärtsziehenden Risssysteme“ waren nicht eindeutig identifizierbar und das gesamte Gelände sah nicht allzu einladend und rotbrüchig aus. So kletterten wir in der Hoffnung auf Besserung fälschlicherweise zunächst viel zu weit nach rechts Richtung Firnfeld. Relativ bald war dann aber anhand der Wandbilder schon klar dass wir falsch und zu weit rechts sind. Der eine oder andere Haken zeigte, dass hier wohl schon mehr umhergeirrt sind. Gleich wieder etwas abseilen und nach Links queren stand jetzt auch nicht mehr zu Debatte und so erfolgte die Flucht nach vorne. Durch furchtbar brüchiges Scheißgelände klettern wir irgendwo in den Weiten dieser riesigen Wandstufe diagonal nach links. Nach 3,5 Seillängen, die wirklich ein katastrophaler Bruchhaufen und sehr heikel waren, stehen wir auf der großen Rampe die in diesem Wandbereich diagonal nach rechts oben in die Scharte zwischen Civetta-Hauptgipfel und Kleiner Civetta führt. Beim Blick über die Rampe nach unten zum eigentlichen Beginn der zentralen „Solleder“ Ausstiegsschlucht bekommen wir leider gnadenlos aufgezeigt wir groß unser Verhauer war. Da ja anscheinend schon mehr hier herum geirrt sind ist auch gleichmal ein brüchiges Köpfl mit Kevlarschlinge und Schraubglied vorhanden. Also abseilen, hilft ja nix und über die Rampe raus “ flüchten“ kommt nicht in Frage. Die nach 50 m vorhandene zweite „Abseilstelle“ an einem im Dreck aufliegenden fraglichen Block, bauen wir gleich mal ab, sponsern zwei Normalhaken, Kevlarschlingen und bauen aus dem Zeug einen perfekten und Steinschlag geschützten Abseilstand. So stehen wir nach 2 x 50 m abseilen wieder auf der richtigen Route und somit quasi am Beginn der zentralen Ausstiegsschlucht. Das Ganze Verhauer-Manöver hat außer Nerven, etwas Material und 100m Abseilen vor allem viel Zeit verschlungen. Die nachfolgende Seilschaft hatte wohl den richtigen Weg gefunden und ist nun zunächst wieder direkt hinter uns.
dort irgendwo wäre es vermutlich richtigerweise hochgegangen
furchtbarer Bruch auf der Verhauervariante
furchtbarer Bruch auf der Verhauervariante
furchtbarer Bruch auf der Verhauervariante
2x 50 m Abseilen und viel Zeit kostete uns dieser Verhauer
die nachfolgende Seilschaft hatte den richtigen Weg gefunden und steigt hier gerade aus der großen Wandstufe aus
Die grobe Richtung ist nun wieder klar, doch im Detail auch mit der Text-Beschreibung gleich mal wieder nicht leicht zu finden. Das Topo ist hier mal wieder unterirdisch gut und so geht es wie meist eher der Nase nach. Am besten von der Schrofenrampe über steile Schuttschrofen in eine Art gelbe Gufel, hier Stand. Aus der Gufel zieht schräg nach links oben die in der Beschreibung vermutlich gemeinte kurze Schrägverschneidung (V, A0). Nach der Schrägverschneidung folgt noch eine Art Hangelquergang bis der nächste Stand erreicht ist. Vom Stand weg folgt noch ein ausgesetzter Wulst (VI-, V A0) und der Weg in die Schlucht ist frei. Es waren also ab der Schrofenrampe drei Seillängen. Nun steht man das erste Mal direkt in der zentralen Ausstiegsschlucht und es folgt der berühmt berüchtigte Wasserfallkamin.
die Seillänge vor dem Wasserfallkamin, hier kurz nach dem Wulst (VI-, V A0)
die Seillänge vor dem Wasserfallkamin
Links vom Stand fließt ein ordentliches Bächlein und oben im Kamin plätschert es gewaltig. Na das kann ja heiter werden. Doch dieser erste Eindruck sollte sich zum Glück etwas relativieren und zu mindestens der häufig zwingende Duschgang bleibt uns erspart. Dennoch war der abschließende Wulst/Überhang komplett feucht und schmierig. Florian der die ganze Tour Onsight klettern konnte empfand diesen Überhang unter diesen Umständen als eine der schwersten Freikletterpassagen der ganzen Tour. Die Haken zum A0 klettern sind aber vorhanden und nur in allzu verlockender Nähe.
Blick in den Wasserfallkamin
im Wasserfallkamin
die heikelsten Meter im berühmt berüchtigten Wasserfallkamin
Blick aus dem Kamin zur Tissi-Hütte
Nun folgen noch zwei weitere steile Aufschwünge die entweder in einer langen oder zwei kürzeren Seillängen geklettert werden können. Vor einem weiteren irgendwie schlimm aussehenden steilen Kamin verlässt man die Schlucht auf einem breiten Bändchen nach links bis an dessen Ende zu Stand, am Fuße einer steilen Verschneidung. Über die steile Verschneidung (V) empor. Es ist nun ca. 15:15 Uhr und wir bekommen die ersten angenehmen Sonnenstrahlen des Tages ab.
einer der nachfolgenden Kaminaufschwünge nach dem Wasserfallkamin
auf gutem Band nach links aus der Schlucht heraus
die steile Verschneidung nach dem Band
Ausstieg aus der Verschneidung
Nach der Verschneidung neigt sich das Gelände etwas zurück und man hat das erste Mal einen Übersichtsblick auf den oberen Wandteil. Leider handelt es sich bei diesem Blick (siehe nächstes Bild) nur um einen kleinen Abschnitt des oberen Wandteils, viele Seillängen sind noch verdeckt und es sollte sich noch gewaltig ziehen. Nach der Verschneidung klettern wir in drei langen Seillängen immer dem leichtesten Weg folgend bis in eine Art Geröllkessel in dem gelb, schwarze Überhänge den Weg versperren. Hier unbedingt über eine gelbsplittrige Wand rechts raus klettern.
erster Teil-Blick auf den oberen Wandteil
die Schneeflecken werden mehr, Blick auf Alleghe und seinen schönen See
über gelbsplittrige Wand rechts raus aus dem Geröllkessel
In der Folge wird alles irgendwie noch undefinierter, sowohl in Beschreibung wie im Topo. Man verlässt sich am besten nur noch auf den eigenen Routeninstinkt für den besten Weg und dann geht es eigentlich ganz gut. Es folgen eine Passage direkt ausgesetzt über der Zentralschlucht und ein mit Haken ausgestatteter Wulst. Wir klettern nicht wirklich am langen Seil, auch wenn es das Gelände locker zulassen würde, denn die Beine und Sinne sind langsam etwas müde, zumal die „Carlesso“ am Torre di Valgrande vom Vortag auch noch etwas zu spüren ist. Der Schnee auf den Absätzen nimmt auf diesen 6-7 letzten Seillängen deutlich zu, stellte aber nirgends ein größeres Problem dar, denn die wirklichen Kletterstellen waren schneefrei.
im oberen Teil
im oberen Teil, immer auf dem leichtesten Weg durch diese lange Schlucht
so langsam etwas lahm in den Beinen…
In der allerletzten Seillänge kommt noch eine letzte Hürde in Form eines steilen 6 m Aufschwungs (ca. V+, 2-3 Haken). Die Gratkante ist nun schon zum Greifen nahe, doch hier gilt es sich nochmal zu konzentrieren.
die letzte Hürde
Tiefblick auf den letzten Standplatz
Auf den nachfolgenden einfachen Metern bis zur Gratkante ist klar wir haben es geschafft und eine der ganz großen Alpenwände liegt hinter uns. Die Anspannung des Tages fällt von uns ab und es stellte sich dieses Wahnsinns-Gefühl, tiefster innerer Glücklichkeit und Zufriedenheit, nach erreichten Zielen ein. Überglücklich stehen wir nach 12 h anstrengender Kletterzeit am Ausstieg der „Solleder“ und wenige Minuten später im herrlichsten Abendlicht gegen 19:00 Uhr auf dem höchstens Punkt der Civetta (3218 m). Ein großartiger Moment…
Was eine Tour...!!!
Civetta (3218 m) – ein Traum ging in Erfüllung
Civetta (3218 m) – ein Traum ging in Erfüllung
Kleine Civetta, u.a. Cima Su Alto und Cima de Gasperi (v.l.n.r)
Die Gedanken sind auch etwas bei den drei Seilschaften in der „Philipp-Flamm“ und vor allem bei der uns nachfolgenden Seilschaft in der „Solleder“, welche wir im oberen Teil noch einmal kurz gesehen haben, allerdings weit unten. Hoffentlich haben sie es noch im letzten Tageslicht wenigstens bis zum Ausstieg geschafft und finden im Dunkeln die Torrani-Hütte. Außer uns beiden sind noch zwei junge Italiener auf dem Gipfel. Sie kamen von der Torrani-Hütte über den Normalweg und genießen das Abendlicht. Nach diversen Fotos brechen wir auf und machen uns an den langen, langen Abstieg über den Normalweg bis zum Auto in Pala Favera (ca. 1500 m). Aufgrund des ständigen Auf und Ab in der langen Querung zur Coldai-Hütte sind das mindestens 2000 Höhenmeter. An der gut 200 Hm tiefer gelegenen Torrani-Hütte (2984 m) kommen wir allerdings nicht umher bei Venturino De Bona, dem Hüttenwirt, Civetta-Hausmeister, Extremkletterer und Erstbegeher der aktuellen Civetta-Toptour „Nuvole Barocche“ (IX A2) ein schnelles Bierchen zu trinken. Dort zu Übernachten wäre allzu verlockend gewesen, doch wir müssen weiter…
ein langer Abstieg beginnt…
Torrani-Hütte
Monte Pelmo leuchtet im Abendlicht
Kurz nachdem klettersteigähnlichen Abschnitt des Normalweges holt uns die Dunkelheit ein und es geht mit Stirnlampe weiter. In nicht enden wollendem Auf und Ab quert man im Folgenden das riesige Civetta-Bergmassiv. Gegen 22:00 Uhr erreichen wir die Coldai-Hütte (2132 m). Wieder wäre es allzu verlockend gewesen dort zu übernachten, doch wir müssen weiter und die Zeit drängt… Weiter unten auf dem Fahrweg etwas unterhalb der Alm Casere di Pioda (1816 m) haben wir Glück und ein PickUp nimmt uns mit bis zum großen Parkplatz Pala Favera (1500 m). Wir sind zwar beide platt und müde doch ein gutes Stück wollen wir gleich noch in der Nacht heimwärts fahren. Am Brenner ist aber bei beiden endgültig der Ofen aus, wir fahren auf die großen Parkplätze raus, Isomatte und Schlafsack raus und legen uns direkt neben das Auto schlafen. Es ist nun 02:00 Uhr in der Nacht und wir gönnen uns 3h Schlaf. Um kurz nach 05:00 Uhr sind wir schon wieder „on the road again“...
Der Grund für diesen Zeitdruck: Florian muss an diesem Sonntagmorgen um 12:00 Uhr in Obertrubach im Frankenjura sein. Es wartet eine Woche Bergführer-Lehrgang „Methodik“. Yeaaahhh man da kommt Freude auf...
Es liegen zwei maximal ausgenutzte große und tolle Civetta-Tage hinter uns und Florian kommt doch sogar pünktlich zum Bergführer-Lehrgang im Frankenjura und der „Solleder“-Joker fürs Zuspätkommen kann im Ärmel bleiben...
Civetta (3218 m) – Nordwestwand “Solleder”:
- EB: Emil Solleder und Gustav Lettenbauer am 07. August 1925 an einem Tag !!!
- Schwierigkeit: Das ist ein schwieriger und nicht klar zu definierender Punkt. Bei dieser Länge und den vielen möglichen Varianten und Verhältnissen wird jeder eine etwas andere Schwierigkeitswahrnehmung haben. Hängt natürlich auch davon ab ob immer den leichtesten Weg findet oder aufgrund von Nässe o.ä. überhaupt klettern kann oder auf eine schwere Linie ausweichen muss. Wie auch immer es war auf jeden Fall quasi der erste Anstieg in den Dolomiten im VI. Grad. Der AV-Führer beschreibt die Schwierigkeiten eigentlich ganz treffend folgendermaßen: VI- und V+ auf 160 m, 300 m V, Rest IV und III, 2 Stellen A1, diverse Passagen A0.
- Felsqualität: Insgesamt doch deutlich unterdurchschnittlicher Dolomitenfels auch im Vergleich zu vielen anderen Dolomiten-Extremklassikern. Teilweise sogar ganz ordentlich brüchig, teils lehmig und oft eher unangenehm zu klettern. Wenig bis gar keine richtig schöne Kletterei. Bruchklettererfahrung durchaus vorteilhaft. Diese Tour klettert man definitiv nicht wegen der Felsqualität, aber das dürfte ja jedem klar sein der hier einsteigt.
- Absicherung: In der Literatur ist oft von vielen Haken zu lesen. Das ist natürlich immer relativ aber von vielen Haken würde ich mal nicht unbedingt reden. Insgesamt ist man doch meist auf sich gestellt und auch viele Standplätze müssen selbst gebaut werden, was allerdings mit Cams und Keilen schon meist gut möglich ist. Der Südtiroler Bergführer der nachfolgenden Seilschaft hat z.B. nahezu an den meisten Ständen selber Haken geschlagen oder Haken dazu geschlagen und sein Gast hat sie wieder mitgenommen.
- Wandhöhe: 1100, Kletterlänge ca. 1300 m
- Kletterzeit: 10-12 h (Für diese Angabe aus der Literatur muss ordentlich Gas gegeben werden)
Materialempfehlung:
- 50 m Doppelseil
- 10 Exen
- 6-8 Bandschlingen
- 1 Satz Keile
- 1 Satz Cams: 0.3 bis 3
- Hammer und Haken
- das sonstige, übliche Stand- und Abseilmaterial
unser zeitlicher Tagesverlauf:
04:45 Uhr - Abmarsch an der Tissi-Hütte
05:30 Uhr - Beginn Vorbau
06:45 Uhr - Einstieg
09:00 Uhr - fallender Rechtsquergang
10:15 Uhr - auf Höhe des großen Schneefeldes
13:30 Uhr - große Schrofenrampe am Beginn der zentralen Ausstiegsschlucht (nach dem Verhauer)
15.15 Uhr - der Wasserfallkamin liegt hinter uns
18:45 Uhr - Ausstieg auf dem Grat
19:00 Uhr - Civetta Gipfel
22:00 Uhr - Coldai-Hütte
23:00 Uhr - Pala Favera, das Auto ist wieder erreicht und wir kommen noch bis zum Brenner
Kletterführer / Topos:
AV-Führer Dolomiten Civettagruppe (vergriffen)
3. Auflage 1981
Bergverlag Rudolf Rother
Andreas Kubin
Die Textbeschreibung (von Toni Hiebeler) und die Wandbilder in diesem Führer sind größtenteils richtig gut.
Dolomiten vertikal, Band Süd (unübersichtliches und ungenaues Topo)
3. Auflage 2005
Loboedition
Stefan Wagenhals & Freunde
Dieses Topo ist, wie bei Lobo-Topos von Touren dieser Kategorie leider meistens, insgesamt gesehen mit Vorsicht zu genießen. Die Schwierigkeitsangaben sind bei diesem Solleder-Topo meist eher unterbewertet und das Ganze ist total unübersichtliches und meist ungenaue. Wer nur diese Topo hat wird seine große Mühe haben hier durchzukommen. Es sind zwar immer schön irgendwelche Kamine und Verschneidungen eingezeichnet aber äußerst wenig drum herum. Gerade dies ist in dieser Tour aber ganz entscheidend, denn gefühlt besteht die ganze Civetta aus Verschneidungen und Kaminen. In der Praxis läuft es dann meist so dass man mal der Nase nach irgendwo hochsteigt und im Nachhinein dies dem Topo zu ordnen kann. Trotz alledem sollt man es aufgrund mangelnder Alternativen schon dabei haben.
Im extremen Fels
2. Auflage 1977
Walter Pause, Jürgen Winkler
diverse sehr gute Wandbilder mit eingezeichnetem Routenverlauf sind im Internet zu finden
AV-Karten:
Tabacco Karte Nr. 15
Marmolada-Pelmo-Civetta-Moiazza
1:25000
Viele Grüße
Florian und Tobias