Dieses Forum nutzt Cookies
Dieses Forum verwendet Cookies, um deine Login-Informationen zu speichern, wenn du registriert bist, und deinen letzten Besuch, wenn du es nicht bist. Cookies sind kleine Textdokumente, die auf deinem Computer gespeichert sind; Die von diesem Forum gesetzten Cookies düfen nur auf dieser Website verwendet werden und stellen kein Sicherheitsrisiko dar. Cookies auf diesem Forum speichern auch die spezifischen Themen, die du gelesen hast und wann du zum letzten Mal gelesen hast. Bitte bestätige, ob du diese Cookies akzeptierst oder ablehnst.

Ein Cookie wird in deinem Browser unabhängig von der Wahl gespeichert, um zu verhindern, dass dir diese Frage erneut gestellt wird. Du kannst deine Cookie-Einstellungen jederzeit über den Link in der Fußzeile ändern.

Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Große Zinne - Comici (VII / VI-A0, 550 m, 17 SL), Dolomiten 22.08.11
#1
Über den Nimbus dieser Tour schreibt schon Gaston Rébuffat anlässlich einer Begehung im Jahre 1949 mit Gino Soldà:


„Die Nordwand der Großen Zinne ist eine der berühmtesten und besonders typisch unter allen großen Nordwänden in den Dolomiten. Manche sind noch höher und schwieriger, aber... ist es der Name, die Lage, die Geschichte, die Persönlichkeit der Erstersteiger? Es ist die Wand, die am meisten begehrt und am häufigsten durchklettert wird.“
„Die Höhe der Großen Zinne beträgt nur 2998 m und die Nordwand ist nur 550 Meter hoch, aber die ersten 220 Meter hängen tatsächlich über, und der Rest ist senkrecht. Ist es möglich, eine Platte zu erklettern, die auf 220 Meter regelrecht überhängend ist?“


aus: Gaston Rébuffat – Sterne und Stürme


    Blick vom Paternsattel
    Große und Westliche Zinne

Das die Begehrtheit dieser Tour auch im 3. Jahrtausend nicht gerade abgenommen hat ist allgemein bekannt und dürfte Rébuffat´s Vorstellungen noch bei weitem Übertreffen. Die Kletterei in der Comici ist im unteren Teil begeisternd, größtenteils richtig genial und beeindruckend steil. Trotz der unglaublich vielen Begehungen hält sich die Abgespecktheit im Großen und Ganzen in Grenzen. Die eine oder andere Stelle ist aber doch so abgespeckt, das eine Rotpunktbegehung nicht gerade erleichter wird. Der obere „leichte“ Teil ist aber mindestens genauso anspruchsvoll. Unten stecken derart viele Haken, dass man selten weit vom Haken wegsteigen muss. Natürlich sind die alten Haken in jeglichen Qualitäten vorhanden, aber Cams und Keile gibt es ja auch noch. Stände lassen sich mit Cams und Keilen auch gut aufbessern. Insgesamt lässt sich der untere Teil also sehr gut absichern. Oben werden die Haken einerseits deutlich weniger und anderseits noch schlechter. Vor allem bei Nässe, welche man in den oberen Verschneidungen oft antrifft, ist der obere Teil sicher kein Genuss.

Nachdem Ebe schon viele Touren an den Zinnen gemacht hat, die Comici aber noch fehlte stand sie weit oben auf seiner Liste. Viel Überzeugungsarbeit war bei mir nun allerdings auch nicht zu leisten und so stehe ich 10 Tage nach der
„Cassin“ an der Westlichen Zinne
wieder unter einer dieser beeindruckenden Zinnen-Wände. Wir sind am Abend nach dem
Ypsilon Riss an der Seekarlspitze im Rofan
noch zum großen Parkplatz bei der Auronzohütte gefahren. Beste trockene Verhältnisse, stabiles Hochdruckwetter bei geringer Gewittergefahr, weniger Leute da Montag und einer der heißesten Tage des Jahres erwarteten wir für den nächsten Tag. Zu mindestens der Punkt mit den Leuten war ein großer Irrglaube...

    Große Zinne Nordwand - Comici

Noch in der Dämmerung stehen wir um Punkt 6 Uhr am Einstieg der Comici. Unglaublich aber es sind schon drei Seilschaften vor uns!! Ohne groß Stress zumachen reihen wir uns brav hinten an. Plötzlich taucht ,wie aus dem Verdeck kommend, ein Bergführer auf wirft einen Halbseilstrick hin bindet sich ein und rennt den Vorbau hinauf. Der alles andere als sportlich aussehende Kunde hechelt irgendwo hinter her, bindet sich halblebig ins Seil ein und schruppt völlig außer Atem den Vorbau hinauf. Durch dieses Manöver haben sie also mal schnell zwei Seilschaften überholt und sind auf dem 3. Platz. Wir hoffen nur dass der Kunde halbwegs flott durch die schweren Längen kommt.

In einer kleinen Rinne geht es ca. 60m (III) auf den Kopf des Vorbau. Von dort führt die 2.SL (IV+,35 m) entlang einer abgespaltenen Rippe auf einen breiten Absatz. Der Stand ist zum einhängen sehr hoch oben.

    Blick vom Vorbau auf den gesamten unteren Teil der Comici

Nun geht es rein ins Vergnügen. Mit der 3.SL (VII oder VI-A0, 25m) beginnen die sieben schweren Seillängen der Comici. Sofort nach dem Stand folgt eine, ja wenn nicht die, schwerste Einzelstelle der ganzen Tour. Ein ausgesetzter 4m Quergang (VII), an glatter, trittarmer und steiler Wand lässt einen Wach werden. Leider ist gerade dieser Teil massiv abgespeckt und der rote Punkt war schneller weg wie uns lieb war. Einige Haken im Quergang sorgen für Abhilfe. Diese Passage mit den Worten von Gaston Rébuffat:

„Sofort umfängt uns die besondere Atmosphäre: ein Quergang nach links und schon sind wir völlig in der Luft, schon flieht die Wand unter unseren Füßen fort. Wir brauchen uns nicht mehr umzudrehen, um die Schutthalde zu sehen, von nun an erscheint sie zwischen unseren Beinen.
Welch eine Augenweide, Soldà klettern zu sehen! Er klammert sich nicht an den Fels, er streichelt ihn nur, er berührt ihn kaum mit den Fingerspitzen und Zehen. Ohne Pause, ohne jeden plötzlichen Ruck steigend, scheint er gar nicht rasch vorwärts zu kommen, so wenig verraten seine Bewegungen irgendeine Anstrengung. Das ist Stil ! “


aus: Gaston Rébuffat – Sterne und Stürme

    3.SL (VII oder VI-A0, 25m)
    3.SL (VII oder VI-A0, 25m)

Nach dem Motto „Ist der rote Punkt erst ruiniert, lebt´s sich völlig ungeniert“ helfen uns hin und wieder die Haken etwas weiter. Der Showdown an begeisternden Seillängen kann beginnen:

    4.SL (VI+ oder VI-A0, 25m)
    4.SL (VI+ oder VI-A0, 25m)
    5.SL (VII- oder VI-A0, 30m)
    5.SL (VII- oder VI-A0, 30m)
    6.SL (VI, 25m)
    7.SL (VII-, 35m)

Unser 5. Platz bedeutete noch lange nicht die letzten zu sein. Nach uns sind noch mal vier Seilschaften eingestiegen! Insgesamt also in der Comici 9 Seilschaften! Aber auch sonst ist in der Nordwand der Großen Zinne inzwischen einiges los. 4 Seilschaften in der Hasse-Brandler, 2 in der ISO 200 und eben 9 in der Comici! Der Bergführer kam mit seinem Kunden recht flott voran und so waren es eher die Italiener direkt vor uns, die zu erhöhten Stau-Stillstandszeiten führten. Ihre Techno-Manöver mit 2 Trittleitern !! brauchten einfach viel Zeit. So ergaben sich immer wieder längere Sitzpausen an den bequemen Standplätzen. Das nächste Bild zeigt neben dem Blick bis zum Einstieg hinunter vor allem 4 wartende Seilschaften (einschließlich uns) die bequem auf ihren Absätzen rumlungern und den schönen Dolomitentag genießen. Insgesamt war die Comici so eine recht gemütliche Veranstaltung: 25-30m klettern und wieder 10 min am Stand sitzen, fotografieren und den anderen Seilschaften, z.B. in der Hasse-Brandler, zuschauen.

    Stau in der Comici
    Blick in die Hasse-Brandler

Nun sind es noch zwei Seillängen bis ans Ende der Schwierigkeiten. Die 8.SL (VII oder VI-A0, 35m) folgt zunächst einer kleinen Verschneidung. Diese ist fast „A1 ohne Felskontakt“ kletterbar, so viele Haken hat es da. Die schwerste Stelle ist am Ende der Verschneidung. Es gilt nach rechts heraus auf eine graue Platte zu kommen. Aber natürlich hängen hier einige Haken mit Schlingen herum. Die folgende graue Platte (Querung nach rechts oben) ist wesentlich freier und muss zwingend geklettert werden (mindestens VI+). Ebe bekommt mit der 9.SL (VII- oder VI-A0, 35m) nochmals eine absolute Traumlänge. Zuerst tolle Verschneidung, gefolgt von einem Quergang nach rechts und danach an begeisternden Griffen über ein Dach hinweg.

    8.SL (VII oder VI-A0, 35m)
    8.SL (VII oder VI-A0, 35m)
    8.SL (VII oder VI-A0, 35m)
    9.SL (VII- oder VI-A0, 35m)

Das Ende der Schwierigkeiten ist erreicht. Nun nicht der verlockenden Riss-Reihe der „Costantini-Variante“ gerade aus weiter folgen sondern (10 SL, IV+, 40 m). auf den kleinen Band 10m nach links und danach in der gestuften Wand links einer Rinne aufwärts. Wir überholen die Italiener. Die 11.SL (III+, 40m) führt direkt auf die riesige Verschneidung zu, welche den ganzen oberen Teil beherrscht.

    10 SL (IV+, 40 m)
    11.SL (III+, 40m)

Am Ende der 12.SL folgt ein kurzer Quergang nach rechts bis an den Fuß einer Sekundärverschenidung. Diese düstere Verschneidung wird nun auf zwei Seillängen (13. und 14 SL) bis an deren Ende verfolgt und endet in einer nassen, dunklen und kleinen Höhle. Selbst bei unseren eigentlichen perfekt trockenen Verhältnissen war es am Ende der Verschneidung etwas und in der Höhle richtig nass.

    13.SL (V+, 30m)
    13.SL (V+, 30m)
    14.SL (IV+, 30m)
    14.SL (IV+, 30m) - Stand in der Höhle

Nun folgt der luftige 30m Quergang nach links. Zunächst aber im nassen Höhlenkamin 5m hoch um dann nach links heraus zu können und den Quergang zu beginnen. Wir machen im Quergang noch einen Zwischenstand. Die Standplätze und auch die Zwischensicherungen bauen aber gerade im oberen Teil qualitätsmäßig deutlich ab und Eigeninitiative ist sicher nicht von Nachteil. Nach dem Quergang noch zwei leichtere Längen (III- IV) und das Ringband ist erreicht. Durch die vielen Pausen hat es doch deutlich länger gedauert wie erhofft und so stehen wir nach 9 h Kletterzeit kurz nach 15 Uhr am Ringband.

    nasser Höhlenkamin
    im 30m Quergang
    Tiefblick
    Ausstieg aufs Ringband
   

Schon während der letzten Seillängen konnten wir eine beeindruckende Highline am Gipfel der Westlichen Zinne beobachten. Immer wieder bei erfolgreich geschaffter Line war lautes Gejubel zu vernehmen. Hin und Wieder mussten sie die Leine aber auch von 1m unterhalb anschauen.

    Auf dem Ringband
    Die italienische Seilschaft in der vorletzten Länge
    Highline an der Westlichen Zinne

Hier noch eine kleine Auswahl an Comici-Haken:

   
   
   
   

Auf dem Ringband nach rechts und über den nicht immer leicht zu findenden Normalweg (II Stellen III und Abseilen) hinab.

„Dann legen wir das Seil ab und laufen auf der Normalroute rasch hinunter; heute brauchen wir nicht zu biwakieren. Die Sterne leuchten in uns selbst “

aus: Gaston Rébuffat – Sterne und Stürme


    Im Abstieg
    Große Zinne von Süden

Wenig später sitzen wir im Auto, die Heimfahrt beginnt und unser kurzes zweieinhalb Tage Zeitfenster geht zu Ende.

    Misurina See



Kletterführer / Topos:

Topoguide, Band 1
1.Auflage 2005
Nicole Luzar, Volker Roth

Kletterführer Dolomiten
4.Auflage 2003
Bergverlag Rother
Anette Köhler, Norbert Memmel

Dolomiten vertikal, Band Nord
3.Auflage 2008
Loboedition
Stefan Wagenhals & Freunde


Karte:

Tabacco Karte Nr.10
Sextener Dolomiten/Dolomiti di Sesto
1:25000


Zitate:

Sterne und Stürme – Die großen Nordwände der Alpen
3.Auflage 1955
Nymphenburger Verlagshandlung
Gaston Rébuffat



Viele Grüße
Ebe und Tobias
Zitieren
#2
Hallo Tobias,
Danke für diesen ausführlichen Bericht.
Die Comici ist schon mein Traumtour seit mehr als 30 Jahren. Leider bin ich sie bis jetzt noch nicht geklettert. Dieses Jahr wollen wirs nochmal angehen, meine Frau und ich.

herzliche Grüße
Karl Wiesner
Zitieren


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste