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Normale Version: Mont Blanc du Tacul - Supercouloir direct 30.03.14
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Das Supercouloir ist zweifelsohne DIE absolute Kingline in der Ostwand des Montblanc du Tacul und was die Ästhetik der Linie betrifft wohl nicht so schnell zu übertreffen. Erstbegangen wurde dieser Chamonix-Klassiker bereits entsprechend früh und auch von keinen geringeren wie Jean-Marc Bovin und Patrick Gabarrou im Jahre 1975 (!). Die ersten beiden Seillängen (der sogenannte Direkteinstieg) sind jedoch im Vergleich zum Rest der Route technisch deutlich schwerer und weisen zudem oft schlechte Verhältnisse auf. Deshalb wird heute meist über den rechterhand liegenden Gervasuttipfeiler eingestiegen und anschließend ins Couloir gequert. Doch auch hier gilt es Felsschwierigkeiten bis 5c zu bewältigen! Die allermeisten Seilschaften dürften heutzutage auch nach dem Ende der Hauptschwierigkeiten wieder abseilen. Natürlich hätte uns alpinistisch betrachtet auch der Gesamtdurchstieg sehr gereizt, doch ist dies zweifelsohne etwas aufwendiger im Vergleich zur bequemen Abseilfahrt an Bohrhaken zurück zu seinen Ski am Einstieg.

[attachment=9644] Mont Blanc du Tacul Ostflanke
[attachment=9645] Mont Blanc du Tacul - Supercouloir

Nach dem wir uns am Samstagnachmittag noch an der Triangel du Tacul und einer Routenkombi aus
L´Infidèle und dem Chèré Gully
vergnügten wurde es am Sonntagmorgen ernst und wir starten zum Supercouloir. Nachdem das Abri-Simond-Biwak verschlossen war hatten wir auf der Cosmiques-Hütte übernachtet. So geht es noch im Dämmerlicht mit Ski von der Hütte über das große Plateau und zwischen Point Lachenal und Gros Rognon hindurch unter die Montblanc du Tacul Ostwand. Doch schon beim ersten Blick auf den Kessel unter der Wand trauten wir unseren Augen kaum. Alleine 6-7 Zelte standen herum und gefühlte 10 Seilschaften waren schon unterwegs und bevölkerten die diversen Einstiege. Nachdem Auffellen und Einbiegen in den Kessel unter dem Supercouloir war die Ernüchterung noch größer, 6 Seilschaften vor uns im Zustieg direkt auf das Supercouloir zu und eine Seilschaft bereits in der zweiten Seillänge des Direkteinstieg. Was geht hier um 06:30 Uhr eigentlich ab??? Hier geht es ja zu wie beim Comicieinstieg an den Zinnen an einem schönen Augusttag!

[attachment=9646] ganz schön was los im Zustieg

Zweifel kommen auf ob es wirklich eine gute Idee war an einem Sonntag bei guter Wettervorhersage gerade dass Supercouloir klettern zu wollen. Glücklicherweise erledigte sich aber alles von selbst und eine Seilschaft nach der anderen zweigte am Wandfuß nach rechts oder links ab. Zwei Seilschaften wollen in die „Coco Fesse“ alle anderen vier gehen nach links zum „Lafaille-Gully“ in der Wand unter dem Col du Diable und dem Teufelsgrat. Was ein Glück, uns war es natürlich mehr wie recht …

[attachment=9647] Mont Blanc du Tacul – Supercouloir Einstiegsvarianten

Der Bergschrund war ganz rechts problemlos zu überwinden. Es folgen ca. 70-80m Schneegelände (45°) bis an den Fuß der ersten Seillänge des Direkteinstieges. Gegen 07:30 Uhr geht es los und in der ersten Seillänge auch gleich mal ordentlich zur Sache. Die eine oder andere Stelle dürfte durchaus eine kratzige M6 wiederspiegeln. Insgesamt hatte es in dieser Seillänge nicht mehr allzu viel Eis und Schrauben ließ sich keine einzige mehr drehen. Dennoch gab es immer mal wieder kleine nützliche Eisbätzchen. Zur Absicherung gibt es ein paar Normalhaken und Cams können meist gut gelegt werden. Vermutlich kommen hier bei wenig Eis auch mehr Normalhaken zu Tage. Am Stand stecken zwei Bohrhaken. Allerdings sehr weit rechts und etwas unbequem auf der Platte.

[attachment=9648] 1. SL - Supercouloir Direkteinstieg
[attachment=9649] 1. SL - Supercouloir Direkteinstieg
[attachment=9650] 1. SL - Supercouloir Direkteinstieg

Auch wenn es vielleicht auf den Bildern nicht immer den Eindruck macht, die Steilheit ist doch enorm. Leider hatten wir nun mal keinen Fotografen im Formate eines Jonathan Griffith dabei der von dieser Seillänge solch spektakuläre Bilder aufnimmt wie
hier von Ueli Steck
, oder
hier
, oder
hier
findet sich auch noch ein Bild aus dem Supercouloir Direkteinstieg.

In der 2. Seillänge ist der Eisanteil deutlich höher. Besonders am Ende wartet ein Abschluss Eiswulst. Wie schon in der gesamten 2. Seillänge war das Eis auch am Wulst von eher abbauender weißlicher Konsistenz. Doch an steiler leicht überhängender Wand mit feinen Rissen klettert Jürgen souverän quasi leicht links am Eiswulst vorbei. Jürgen kletterte beide Seillängen souverän Onsight und dies mit Skischuhen! Gratulation und Respekt!

[attachment=9651] 2. SL - Supercouloir Direkteinstieg
[attachment=9652] 2. SL - Supercouloir Direkteinstieg
[attachment=9653] 2. SL - Supercouloir Direkteinstieg
[attachment=9654] 2. SL - die Steilheit ist enorm

Nun hat man den zentralen Teil des Supercouloirs erreicht und es warten viele, viele Meter genüsslicher Eiskletterei im WI 3 Bereich, ca. 7 Seillängen. Im Eis gab es überall deutliche Begehungsspuren und viele Tritte und Hooks. Insgesamt war die Eismenge überall absolute ausreichend auch wenn man beim Schraubensetzten etwas schauen musste und manchmal auf Fels traf. Im Aufstieg haben wir uns nicht immer an die vorhandenen Bohrhakenstände gehalten sondern meist volle 60 m oder gleich am laufenden Seil geklettert. Nachdem wir am Vortag an der Triangle auch noch eine unserer fünf mitgeführten Eisschrauben verloren hatten, fällt die Absicherung mit noch vorhandenen vier Eisschrauben eher etwas sportlich aus. Das Ambiente ist gewaltig und einfach großartig. Herrlich in solchem Gelände Eisklettern zu können.

[attachment=9655] Blick auf den zentralen Teil des Supercouloirs
[attachment=9656] Eisklettergenuss im Supercouloir
[attachment=9657] Eisklettergenuss im Supercouloir
[attachment=9658] Eisklettergenuss im Supercouloir
[attachment=9659] Eisklettergenuss im Supercouloir
[attachment=9660] Eisklettergenuss im Supercouloir
[attachment=9661] Eisklettergenuss im Supercouloir

Einzig die letzte reine Eisseillänge stellt sich nochmal deutlich steiler auf wie der Rest zuvor. Doch 55 m (WI4-4+) und drei Eisschrauben später ist das Ende der Hauptschwierigkeiten erreicht und eine vorhandene solide Abalakov markiert den Umkehrpunkt der meisten Seilschaften. Gegen 12:45 Uhr nach knapp 5h 15min Kletterzeit ist das „Top“ erreicht und wir freuen uns riesig ob der genialen Tour.

[attachment=9662] die letzte reine Eislänge (WI4-4+)
[attachment=9663] das „Top“ ist erreicht
[attachment=9664]

Das Abseilen an den vorhandenen Bohrhakenständen läuft wie geschmiert und bereits eine knappe Stunde später (!) stehen wir wieder am Einstieg.

[attachment=9665] Tiefblick ins Supercouloir

Schon morgens war ja, wie schon erwähnt, der Andrang am benachbarten Lafaille-Gully mit vier Seilschaften recht groß. Dies war aber noch lange nicht alles und über den Tag verteilt sind hier noch weitere Seilschaften eingestiegen. Hier mal zwei Bilder von dieser aktuell stark gefragten Tour.

[attachment=9666] Lafaille Gully
[attachment=9667] Hochbetrieb im Lafaille Gully

Da derzeit eine Skiabfahrt durchs hochgelobte Vallée Blanche über die Cabane des Mottets bis nach Chamonix bei Inkaufnahme von wenigen Tragepassagen noch bestens möglich ist folgte nach der Tour gleich noch das nächste Highlight. Über die unendlichen Weiten des Mer de Glace lässt es sich Skifahren bis die Oberschenkel glühen. Ein Traum auf Ski in herrlicher Umgebung. Ohne groß Gas zu geben, mit vielen Pausen zum Betrachten der umliegenden Bergwelt, sind wir knapp 2 h später gegen 17 Uhr schon in Chamonix.

[attachment=9668] Skiabfahrt durchs Vallée Blanche
[attachment=9669] Skiabfahrt durchs Vallée Blanche
[attachment=9670] Skiabfahrt durchs Vallée Blanche
[attachment=9671] Back in Chamonix

Auch wenn noch eine lange, lange Heimfahrt wartete der obligatorische Besuch in der Bar „Elevation 1904“ Besuch durfte natürlich nicht fehlen. Es ist Sonntagabend und nicht nur hier bei „Elevation 1904“ auch auf der Straße ist die Hölle los. Leute in Partylaune ohne Ende. Das benachbarte „Chambre Neuf“ platzt gar aus den Nähten und die Leute tanzen auf den Tischen. Die Versuchung hier mit einzusteigen und die tolle Tour zu feiern war groß, aber am Ende sitzen wir halt doch wieder im Auto und nach wenigen Stunden Schlaf am Montagmorgen am Arbeitsplatz…


Kletterführer:
Snow, Ice and Mixed – Volume 2
Auflage 2006
JMEditions
Francois Damilano


IGN-Karten:
1:25000: 3630 OT, Chamonix Massif du Mont Blanc


Viele Grüße
Jürgen und Tobias