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Normale Version: Hoch Ducan, Nordgully, 23.3.13
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M5, WI4

Nachdem Bene mich bereits letztes Jahr mit einem tollen Foto vom Nordgully am Hoch Ducan für dieses Projekt begeistert hatte klappte ein gemeinsamer Begehungsversuch entweder aufgrund schlechten Wetters nicht oder mangelnder Zeit meinerseits. Da die Route nun am vorangegangenen Wochenende von Jonas, Bene und Felix begangen wurde und ich Infos aus ersten Hand hatte schien sie ein attraktives Ziel zu sein. Zudem ließ der Wetterbericht und die Lawinenwarnstufe nur wenige alpine Gebiete zu und um Davos sollte angeblich etwas Sonne drin sein und die Lawinenwarnstufe lag bei 2. Mit Philipp war ich bereits im Januar in Sertig gewesen und er war damals einem gemeinsamen Begehungsversuch der Tour mit Bene nicht abgeneigt gegenübergestanden. Entsprechend schön, dass wir zusammen nun die Tour wiederholen wollten. Wir fanden uns bereits um 6 Uhr am Parkplatz am Walserhus in Sertig ein. Kurz nach halb 7 ging es dann mit Tourenski los. Nach einem kurzen flachen Stück in Richtung der Eisfälle stiegen wir steil in engen Spitzkehren auf einer alten Spur durch den Wald auf bis man oberhalb dessen in eine Verflachung kommt. Hier zog sich die Spur nun in Aufstiegsrichtung links des Bachbettes flach ins Tal hinter. Mit ab hier gutem Blick auf den Hoch Ducan gings einsam weiter das Tal hinter. Als das Nordgully ins Blickfeld rückte stiegen wir schräg ansteigend links bergauf darauf zu. Aufgrund der Neuschneemenge von ca. 20cm der letzten Tagen und Windverfrachtung machten wir den einen oder anderen Bogen um eingewehte Mulden. Im Nachinein wäre schlauer gewesen weit in das Tal hinter zu steigen und dann erst schräg ansteigend zurück zum Nordgully hochzusteigen da hier weniger Hangmulden zu queren wären. Der Zustieg zum Nordgully hat eine max. Steilheit von etwa 30 Grad. Je nachdem wie weit mit Tourenski aufgestiegen wird bzw. wie die Spuranlage ist sind Stellen bis ca. 35 Grad dabei.
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im Zustieg zur Route

Die 4h Zustieg die Bene uns erzählt hatte hofften wir deutlich unterbieten zu können und waren erstaunt, dass trotz konstantem Laufen wir dennoch auch 3 1/4h benötigten. Wie gesagt, besser ist ins Tal hinterzulaufen und dann schräg zurück zum Nordgully hochzulaufen und damit weniger Zeit für eine sichere Spuranlage verwenden zu müssen.

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unterhalb des Einstieges sieht man dann die ersten 3 Längen der Tour

Direkt unterhalb des Nordgullys konnte man nun so langsam die Steilheit der Route auf sich wirken lassen. Die Einstiegssäule wurde mir als Crux beschrieben und der kleine Eisvorhang in der 3.Länge schien auch nochmal pumpig zu sein. Diesen sieht man übrigens unter der Tour stehend nicht da er rechts hinten im Winkel versteckt ist. Also nicht abschrecken lassen wenn man am Einstieg nur einen frei hängenden Zapfen sieht. Von der zweiten und dritten Länge wußte ich von Bene dass diese wieder einigermaßen absicherbar war. Die Einstiegssäule sah zwar schwer aus aber dafür recht kurz, eher eine Eiskletterboulderstelle, zumal ich davon ausging die ersten Meter seitlich links etwas emporzukommen. Aufgrund des Tourenbericht von Jonas machte mir vielmehr die Meter oberhalb der Einstiegssäule Kopfzerbrechen. Es war vom Einstieg deutlich zu sehen, dass hier das Eis nur kleckerleweise vorhanden war und dies auch nur wenige Zentimeter dick war. Das Gelände war aber geneigt. Also vermutlich einigermaßen zum Stehen aber wenig für die Eisgeräte. Der Fels sah sehr geschlossen aus und Risse zum Hooken, Friends legen oder Keile konnte ich auch nicht erkennen bis auf einen halb offenen Riss oben rechts der wie ein halblebiges 2er-Cam-Placement aussah. Beruhigend zu wissen, das da neulich schonmal einer drübergeklettert ist und irgendwie hochkam ohne diese Meter als Erstbegeher im Nachhinein zusätzlich mit einem Bolt oder Felshaken abzusichern. Da ich Jonas Mixed- und Eiskletterkönnen jedoch nicht genau einzuschätzen wusste nahm ich alle kleinen Schrauben und all unsere Cams mal mit.
Glaub so gegen 10:30 stiegen wir dann in die Tour ein mit dem Plan oben noch weiter bis zum Gipfel weiterzuklettern und via der Route abzuseilen.

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Die Einstiegssäule war eher dünn, unten nicht belastbar und im Schnee aufliegend
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von links konnte zw. Säule und Fels Dank guter Hookes etwas hochgeklettert werden und dann seitlich ne gute Schraube am Vorhangsanfang der Säule gesetzt werden
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Was sich oberhalb der Einstiegssäule anschloss empfand ich als psychische Crux der Tour. Ca. 15m M4-Gelände an sehr dünnen Eisglasuren (teils nur 3cm dick) bis zur Verflachung am Standplatz. In diesen 15m konnte ich nur dürftige Sicherungspunkte ( 3 abgebundene kurze Schrauben die entweder am Fels aufstanden oder im Sneis durchdrehten, 1 moralischer Spectre-Ice-Haken im Sneis und ein 2er-Camelot der laut Philipp im Nachstieg ihm entgegenkam) setzen. Einsteigen heißt hier durchsteigen. Am Ende dieser leicht nach schräg links aufsteigenden Meter war ich erleichztert meine Nomics in wieder dickes Eis schlagen zu können und kurz darüber in die Verflachung am Beginn der nächsten Länge auszusteigen. Ich bezog rechts im Eis gemütlich Stand, die gefädelte Abalakov-Sanduhr unserer Vorsteiger weist den Weg. Die erste Länge war psychisch hart. Wer hier im Vorstieg hochkommt der braucht sich vor der 3. Länge nimmer zu fürchten, die deutlich besser absicherbar ist.[attachment=7626]
In der zweiten Länge hatte es solides Eis. Seitlich rechts lies sich sogar ein 0,4er Camelot legen. Nach einem kurzen schönen 75 Grad-Aufschwung geht es flacher zu einem kleinen Eiswulst und oberhalb diesem geneigt auf einer Schneerampe nach rechts zum Eisvorhang. Ich bezog an dem Eisvorhang Stand.
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Die dritte Länge ging gleich steil wenige Meter senkrecht im Eis hoch und dann etwas flacher schräg links aufwärts bis zum Ende des Eises und Anfang der Schneerinne. Hier sollte wegen weiter oben fehlendem eis Stand bezogen werden.
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Zwischendrin war Dank kleiner Mulde sogar mal ein No-Hand-Rest möglich zum Ausschütteln der Arme und Fotografieren. Mit kleinen und mittleren Eisschrauben, die meist sogar bis ganz rein gingen war diese Länge gut absicherbar. Philipp bekam leider von mir einen Schmiß verpasst als er sich einen von mir gelösten Eisbrocken mit dem Gesicht einfing. Sorry nochmal.
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Philipp steigt die 3. Länge nach
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Vom Stand hat man herrlichen Tiefblick auf die Route
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Philipp stieg die nächsten zwei Seillängen bis zum Wandbuch vor und ich kam am langen Seil nach. Vom Ende der 3. Länge erreicht man nach ca. 50-55m einen Eiswulst an dem Bene, Felix und Jonas eine Abalakovschlinge hinterlassen haben. Von hier sind es nochmals etwa 50 leichte Meter in der flachen Schneerinne bis zum Wandbuch.
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... das Wandbuch mit kleiner Überraschung für die durstigen Nachsteiger. Merci.

Nachdem es gerade mal kurz nach 14 Uhr war und noch genügend Zeit für den Gipfel blieb wühlten wir uns im teils bodenlosen Schnee in etwa 120m anstrengender Spurarbeit den Schneehang hinauf (einmal kleine Mixedstelle M2). Am Ende erreichten wir den Gipfelgrat und über diesen nach wenigen Minuten in nun weniger tiefem Schnee den Gipfel. Vorsicht wegen Verwächtung.
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Im Abstieg ergaben sich nochmal ein paar fotogene Ausblicke
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... Rückblick auf die letzten Meter bis zum Gipfel

Wir stiegen zurück zum Gipfelgrat und seilten an einem sehr großen Felsköpfchen (8mm Seilmaterialschlinge) 60m die Schneerinne hinunter, die aber auch abgestiegen/abgeklettertw erden könnte. Mitten in der Schneerinne grub Philipp dann nochmal ein kleines Köpfchen aus dem Schnee aus an dem wir nochmal ca. 45-50m (an einer 60cm-Dynemmaschlinge die wir inkl. Karabiner hinterließen) abseilten zum Wandbuch. Ab hier vom BH-Standplatz bis zum Eiswulst etwa 55m unterhalb (evtl Stand vom wandbuch mit Schlinge wegen Seilreibung etwas verlängern), dann weitere knapp 55m die Rinne hinab zum Eis am Ausstieg der 3.Länge und an einer Abalakov fast 60m steil hinunter über den Eisvorhang (Vorsicht, keine Eiszapfen hinunterschmeißen) und die zweite Seillänge zum Stand nach der ersten Länge. Ab hier nochmal an ner Abalakov die 35-40m hinunter zum Rucksack.

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... Rückblick beim Abseilen auf den Eisvorhang der 3. Länge
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Blick beim Abseilen auf Standplatz nach erster Länge
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Blick von oben auf Mixedausstieg der ersten Länge
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Mixedbereich nach Einstiegssäule, dünne Eisglassuren auf geschlossenem Fels

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..am Wandfuß, nun folgt ne Tolle Abfahrt..

Belohnt wurden unsere Zustiegsmühen nun mit einem perfekten Pulverschneehang bis hinab zur Talverflachung.
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Zusammen mit der Sonnenuntergangsstimmung nochmal ein echtes Erlebnis.
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Ab der Talverflachung dann ein Mix aus Bruchharsch, schwerem Pulverschnee und Altharschdeckel zurück zum Auto und Tourenabschlussbier im Walserhus.


Bemerkung zur Tour und Schwierigkeitsbewertung:
Die Einstiegssäule muss nicht wie vorbeschrieben 9m im Steileis geklettert werden da Anfangs seitlich links neben der Säule im Presspulver igendwie hochgestemmt/gegraben werden kann bis man eine kleine Minigufel links neben der Säule erreicht. Hier hat es im Fels super Risse zum Hooken. Anhand dieser kann nun aus einigermaßen guter Position eine Schraube in die Säule gedreht werden und kleine Cams in Rissen links neben der Säule platziert werden. Die Eiskletterei an der Einstiegssäule geht dann mixed via Fels zur Linken und Eis zur Rechten nur wenige Meter empor bis man in eine kleine Verflachung oberhalb der Säule aussteigen kann. Daher eher eine M5-Stelle und keine WI5 (dafür ist die Säule auch zu kurz, wenn sie auch die Definition von nicht optimaler Eisqualität, Steilheit und Absicherbarkeit erfüllt).Die 15m Eisschleicherei oberhab der Einstiegssäule sind etwa M3/4 also deutlich leichter wie die Einstiegssäule aber wesentlich delikater abzusichern. Das Eis wird hier vermutlich nie besonders dick sein. Die zweite Eisseillänge ist etwa 75 Grad steil ohne ganz senkrechte Aufschwünge, also eher WI2+ als WI3, gut zu klettern und gut absicherbar. Die 3. Länge beginnt an einem röhrigen senkrechten Vorhang. Auch wenn es nur wenige Meter sind muss hier kurz WI4 geklettert werden. In der zweiten Hälfte der Seillänge ist es etwas flacher. Der Rest der Route erfordert kaum noch schwereres Klettern. Der Weiterweg bis zum Gipfel ab Wandbuch eher gute Kondition bei viel Schnee und leichte Felskletterstellen um M2.
Ich würde die Route daher mit M5, WI4 bewerten und auf die Ernsthaftigkeit der 15m oberhalb der Einstiegssäule hinweisen wollen. Meiner Meinung nach wird es für das Abseilen immer genug Eis für Abalakovs geben wenn das Eis gut genug zum Einsteigen ausgesehen hat.
Die Tour weist zwar eigentlich nur 3 Eiskletterlängen auf, aber stellt eine tolle Bereicherung der Tourenmöglichkeit um Sertig dar und hat großartiges Ambiente. Zusammen mit Zustiegsskitour und Weiterweg zum Gipfel eben eine kleine und durchaus auch technisch anspruchsvolle Hochtour. Laut Bene und Felix, welche die Stapfetenstrasse nebenan ebenfalls kennen ist der Nordgully deutlich anspruchsvoller zu klettern und abzusichern.

Material das unserer Meinung nach sinnvoll ist:
Ca. 9-10 Eisschrauben, davon mindestens 5 kurze. Wir hatten als kürzeste zwei 13cm- Schrauben dabei die immer noch auf dem Fels aufstanden. Einmal konnte ich den Spectre-Eishaken setzen, denke aber die Mitnahme lohnt nicht unbedingt. Besser, sofern vorhanden, wäre eine 10 bzw. 11cm-Eisschraube gewesen. Wir konnten zusätzlich den gelben Link-Cam gebrauchen (entspricht Cam-Größe 2), den 0,4er und 0,5er, sowie kleine C3-Cams an der Einstiegssäule (optional, nicht unbedingt notwendig). Haken hatten wir zwar dabei aber konnten diese erstens in der Einstiegslänge nicht schlagen und brauchten zweitens diese weiter oben nicht mehr da dort bei uns gut absicherbar. Denke aber die Mitnahme eines kleinen Sortimentes schadet nicht sofern unklar ist ob der Rückweg via Abseilen möglich ist. Abalakovmaterial und Eissanduhrenfädler, mehrere Schlingen. 10-12 Expressschlingen. 60m Doppelseil sinnvoll. 50 oder 55m wären beim Abseilen etwas knapp gewesen. Komplette Skitourenausrüstung für den Zustieg (Pieps, Sonde, Schaufel, Harscheisen..).

Weitere Bilder, Topo und ergänzende Beschreibungen siehe Bericht von Bene:

http://beneries.de/hoch-ducan-nordgully/


und den Gipfelbuch.ch-Eintrag von Jonas unter:

http://www.gipfelbuch.ch/gipfelbuch/detail/id/59498

(Homepage vom Jonas:
http://j-sp.blogspot.de/
)


Gruß Alban und Philipp