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Walkerpfeiler - Grandes Jorasses Nordwand (VI+ / VI- A1 / 1200 mH) 11.07.15
#1
„Kein Zweifel mehr: Der Walkerpfeiler ist auch heute noch das begehrteste Ziel für alle Bergsteiger unter den Extremkletterern. … . Hier ist ein wahrer Pfeiler aus Urgestein, der als kolossale Säule auf breiter Basis aus den Eisdecken des Leschauxgletschers bricht, um in eindeutig gerader Linie, nach oben immer schlanker werdend, zum höchsten Punkt der schwarzen Riesenmauer aufzusteigen. Welch ein Bild!“

„Wie sonst keiner in den Alpen wirkt der gewaltige Pfeiler bestürzend und begeistern hoch, mächtig, drohend – unmittelbar über seinen Rücken drängt eine klare Führe ohne Umwege zur Gipfelwächte. Es ist die große, die klassische Granit-Eis-Führe…“


aus: Walter Pause - im extremen Fels.


„unvergleichbare Einsamkeit, düsteres, jede Form von Leben abweisendes Gelände aus Fels und Eis, das einen erschüttert. Lediglich unser Handlungsdrang und das Feuer unserer Jugend sind stärker als das Abschreckende einer solch öden und von der Sonne fast gänzlich unberührten Gegend“

aus: Riccardo Cassin – Erster am Seil.


„Ich spreche aus Erfahrung, wenn ich behaupte, daß die Bezwingung der Nordwand der Grandes Jorasses über den Nordpfeiler der Pointe Walker die Erfüllung eines der schönsten Bergsteigerträume ist. Aber wenn das Erlebnis dem Traum ebenbürtig sein soll, so muss der Bergsteiger auch hier anspruchsvoll bleiben gegen sich selbst!“

aus: Gaston Rébuffat. 100 Idealtouren im Montblanc-Massiv


    das Ziel unserer Träume

Grandes Jorasses – Nordwand „Walkerpfeiler“!!!
Der Nimbus und Ruhm dieser Tour ist wohl nicht zu überbieten und reicht weit über die Grenzen der Alpen hinaus. Ein Grandes Courses der absoluten Extraklasse, ein Highlight im Tourenbuch und zudem einer der ganz großen Pausepunkte. Zusammen mit Jürgen, Florian und Paul starte ich in das Abenteuer Walkerpfeiler und es ging an einem Tag ohne Biwak bis zum Boccalattebiwak auf der italienischen Südseite des Berges. Ein großer Traum sollte mit dieser Begehung des Walkerpfeilers in Erfüllung gehen…

Schon seit 2-3 Jahren haben wir auf die Gunst der Stunde und halbwegs annehmbare Sommerverhältnisse gewartet. Nun Mitte Juli 2015 nach fast 2 wöchiger Hitzeperiode fanden wir nicht nur halbwegs annehmbare Verhältnisse, sondern sogar ideale Verhältnisse ohne Vereisung vor und das bei megastabilem Hochdruckwetter. Vom Ende des Wandsockels bis zur Gipfelwächte konnten wir alles in Kletterschuhen klettern! Der Haken an solchen Verhältnissen ist fast gezwungener Maßen der Steinschlag. Denn den Walkerpfeiler ohne Vereisung wird es nur bei heißen Temperaturen geben und dann wird sich an diesem Berg auch immer Steinschlag lösen. Mal mehr, mal weniger und ganz unabhängig vom ausgelösten Steinschlag vorauskletternder Seilschaften, den es auch immer geben wird. Bei uns lag der Steinschlag noch im „erträglichen“ Rahmen war aber definitiv auch auf dem Pfeiler vorhanden. In den Rinnen und Flanken rechts und links des Pfeilers krachte und schepperte es eh den ganzen Tag über recht häufig. Als im Vorfeld erste positive Signale von der Leschauxhütte über möglicherweise gute Verhältnisse zu vernehmen waren, gab es kein Halten mehr und alle Hebel wurden in Bewegung gesetzt um den Traum zu verwirklichen. Doch die Gunst der Stunde am Walkerpfeiler galt es mit vielen anderen zu Teilen. Am Tag vor uns sind gar 9 Seilschaften (!) eingestiegen, bei uns waren es insgesamt 5 Seilschaften. In Kombination mit langsameren und/oder biwakierenden Seilschaften von den Vortagen ergaben sich ganz beträchtliche Wartezeiten und des Öfteren war Stau. So ergab sich am Ende des Tages 16 h Kletterzeit. Gegen 20:00 Uhr standen wir aber überglücklich auf dem Gipfel der Point Walker (4208m), dem höchsten Punkt der Grandes Jorasses.

    die Grandes Jorasses (4208m) von Montenvers aus
    Nahaufnahme des obersten Walkerpfeilers

Noch ein Wort zu Florian und Paul. Die beiden waren schon seit zwei Wochen beim Bergführerlehrgang in Chamonix. Am Freitag standen noch letzte Ausbildungstouren auf dem Programm (Lachenal Überschreitung + Cosmiquegrat) und sie mussten zwingend an der Abschlussbesprechung am Freitagabend teilnehmen. So verpassten sie die letzte Bahn nach Montenvers. Ein Verzicht bei diesen Verhältnissen und dem perfekten Wetter stand aber schlichtweg nicht zur Debatte und so marschierten die beiden zu Fuß am Abend und in der Nacht von Chamonix (1064m) nach Montenvers (1906m) und weiter über das Mer de Glace und den Leschauxgletscher an den Fuß der Leschauxhütte! Jürgen und ich übernachteten auf der Leschauxhütte (2431m) und so trafen wir die beiden, wie vereinbart, um 01:30 Uhr mitten in der Nacht auf dem Leschauxgletscher und die Unternehmung Walkerpfeiler konnte beginnen. Somit war dies bei den beiden der Walkerpfeiler zu Fuß von Chamonix bis zum Boccalattebiwak, wohlgemerkt an einem Stück!!!

    im Zustieg zur Leschauxhütte (2431m)
    im Zustieg zur Leschauxhütte (2431m)
    Leschauxhütte (2431m)


Tourenbericht:

Der Zustieg von der Leschauxhütte bis zum Wandfuß gestaltete sich recht gutmütig, da Spuren vorhanden waren und wir am Morgen nicht die erste Seilschaft waren. Vom tiefsten Punkt des Walkerpfeilers ging es zunächst rechts noch gut 80 Hm über Eis und eine steile, verworrene Spaltenzone nach oben. Es gilt nun an einfachster Stelle vom Eis nach links auf den eigentlichen Sporn des Wandsockels zu kommen. Wir beginnen mit der Kletterei, es ist ca. 04:00 Uhr und noch stockdunkle Nacht. Die Seilschaften haben hier teils unterschiedliche Wege eingeschlagen und es gibt prinzipiell auch mehrere Möglichkeiten. Am einfachsten dürfte ein von rechts nach links ziehende kurze Rampe sein. Der nun folgende Wandsockel kann so ziemlich überall geklettert werden. Überall ca. III+(Stellen IV-) und überall ziemlicher Bruch. Wir klettern hier natürlich noch mit Bergschuhen.

    Kletterei am Wandsockel
    Kletterei am Wandsockel
    Kletterei am Wandsockel

Drei Seillängen unterhalb der Rébuffat-Verschneidung geht die eigentliche Kletterei los. Das Schuhwerk wird auf Kletterschuhe gewechselt und die ganze Felsausrüstung angelegt. In drei Seillängen (IV-V) geht es nun bis zum Beginn der ersten schweren Seillänge, der berühmten Rébuffat-Verschneidung (VI- A1). Wobei man eigentlich nicht mehr die gesamte Rébuffat-verschneidung klettert sondern nach einigen Metern nach rechts in die Allain-Verschneidung wechselt. Wie auch immer jedenfalls ist hier gleichmal Stau angesagt. Es ist 06:30 Uhr. 2 Seilschaften stehen schon auf dem leidlichen Sitz-Biwakplatz am Fuße der Verschneidung und 1 Seilschaft ist vogelwild am Werken. Es wird mit 5m langen Seilschwänzen gearbeitet und ein nachgezogener Rucksack bombt plötzlich waagrecht durch die Luft und knallt lautstark gegen die Verschneidungswand. Eine der Seilschaften davon hat hier biwakiert und kommt erst jetzt in die Gänge, wenn schon fünf Seilschaften von unten kommend anrücken. Mein Gott, das kann ja noch heiter werden hier…
Nun gut, Jürgen schaut sich das chaotische Treiben nicht lange an, packt sein Kletterkönnen aus, und quert einfach ganz unten am Fuße der Rébuffat -Verschneidung schon nach rechts und setzt somit zum Überholmanöver von 3 Seilschaften auf einmal an. Beim Gedanke an meinen Nachstieg dieses zunächst plattig erscheinenden Querganges und die wenigen Sicherungspunkte wird mir eher Mau in der Magengegend. Alles löst sich aber super auf und das Ganze war nicht schwerer wie VI. Ich frage mich nun eher warum dass nicht immer so gemacht wird, anstatt hier technisch aufwendig in der Rébuffat -Verschneidung herum zu Werken?

    am Fuße der Rébuffat-Verschneidung – Jürgen setzt zum Überhohlmanöver an
    der Tag erwacht über dem Leschauxbecken

In den nun folgenden 2-3 „leichteren“ Längen bis an den Beginn der 75m Verschneidung galt es einen kurzen, ca. 2m breite, Eisstreifen zu queren. Mit Kletterschuhen an den Füßen erfolgte das A0 an einer Eischraube. Auf diesen Längen zeigte sich aber vor allem, dass die anderen Seilschaften im leichteren Gelände auch ein ordentliches Tempo draufhatten und sofort zum Gegenüberhohlmanöver ansetzten und so teilweise 3 Seilschaften parallel, gleichzeitig und irgendwie chaotisch in einander herumkletterten. Ist ja auch klar, denn wer in den Walkerpfeiler einsteigt sollte sich seiner Sache schon sehr sicher sein und mindestens in den „leichten“ Seillängen ein sehr schnelles Tempo an den Tag legen können. Bis zum Beginn der 75m Verschneidung hatte sich die Reihenfolge aber etwas eingependelt und in der Folge lief alles in etwas geregelteren Bahnen. Auch wenn sich das Ganze nach Streit und Stress anhört, muss ich sagen, war es mit den ausschließlich französischsprachigen anderen Seilschaften ein angenehmes, gemeinsames miteinander und nicht ein gegeneinander.

    in den leichteren Längen zwischen Rébuffat- und 75m Verschneidung
    noch liegt ein verdammt weiter Weg vor uns
    Querung an den Beginn der 75m Verschneidung

Die nun folgenden berühmte 75m Verschneidung, war viel steiler wie wir es von Bildern her erwartet hätten. Folglich ist die ganze Verschneidung und speziell die erste Seillänge davon ganz schön kraftraubend und es muss ordentlich zugepackt werden (V A1). Insbesondere in diesen steilen Seillängen ist der Rucksack deutlich zu spüren. Die Biwakmöglichkeiten am Fuße der 75m Verschneidung erschienen mir so am vorbeiklettern eher mager und sie sind vor allem völlig ungeschützt, vor Steinschlag!


    am Fuß der 75m Verschneidung
    die 75m Verschneidung in voller Pracht

In 2-3 leichteren aber teils auch recht brüchigen Seillängen erreicht man die 10 m Abseilstelle. Um den Abseilstand zu erreichen quert man aus einer Verschneidung recht plattig nach rechts. Ein Fixseil kann diese plattige Querung erleichtern. Um Zeit zu sparen, empfiehlt es sich, hier gleich gegenseitig abzulassen und nicht lange Stand am Abseilpunkt zu machen.

   
    Jürgen auf dem Weg zur 10m Abseilstelle
    Quergang mit Fixseil zur 10m Abseilstelle

Nach dem Abseilen/Ablassen folgt ein weiterer plattiger Quergang nach rechts mit weiteren Fixseilen. Nach dem Quergang folgt eine kurze aber knackige Rampfstelle an einer Verengung.

    Jürgen am plattigen Quergang nach der Abseilstelle
    Rückblick auf die Abseilstelle / Paul am Seil hängend / im Hintergrund die Petites Jorasses und die Aiguille de Leschaux
    Florian kurz nach der knackigen Rampfstelle

Es folgen die „Grauen Platten“ unterhalb des Grauen Turms und somit anhaltend schweres V A0 Gelände. Die „Grauen Platten“ sind echt sehr kompakt, steil und nicht ganz ohne zu klettern. Hier dürfte der Unterschied zwischen Kletterschuhen und Bergschuhen extrem sein. 4 Seillängen gilt es in den „Grauen Platten“ zu klettern bevor man auf einer steilen Rampe unter dem Grauen Turm hindurchklettert.

    in den „Grauen Platten“
    in den „Grauen Platten“

Auf der Rampe darf man sich keinesfalls zu weit nach rechts in scheinbar einfacheres Gelände (Richtung Colton MacIntyre) verleiten lassen. Über 1-2 steile, knackige aber wunderschöne Seillängen (V+/ A1) geht es von der Rampe nach links auf den eigentlichen Pfeiler. Guter Biwakplatz am Fuße dieser Seillänge. Vor dieser schwereren Seillänge gab es mal wieder Stau.

    mal wieder Stau am Walkerpfeiler / im Hintergrund die Aiguilles von Chamonix
    zwei kurze steile Seillängen leiten wieder auf den eigentlichen Pfeiler
    zwei kurze steile Seillängen leiten wieder auf den eigentlichen Pfeiler

Auf dem Pfeilerrücken angekommen folgen zur Abwechslung mal ein paar wirklich deutlich einfachere Seillängen und man kommt etwas vom Fleck. Ca. 7-8 Seillängen im III-IV Grat unterbrochen von einer V er Stellen bringen einen zum „dreieckigen Firnfeld“/“névé triangular“ und somit an den Fuß des berüchtigten „Roten Kamin“. In diesen Seillängen können wir zum Glück nochmal eine Seilschaft aus Grenoble überholen und somit etwas Zeit gut machen. Zum richtig Gas geben fehlt aber auch bei uns inzwischen etwas der Dampf und es ist noch immer verdammt weit bis zum Gipfel. Es ist inzwischen schon ca. 15:30 Uhr, wir sind über 11h am Klettern, man hat dort ca. 900 Hm Walkerpfeiler hinter sich und man ist auf knapp 4000m.

    leichtere Seillängen am Pfeilerrücken unterhalb des „Dreieckigen Firnfeld“
    das „Dreieckige Firnfeld“ und der „Rote Kamin“ in Sicht

Das sich etwas in den Weg stellende „Dreieckige Firnfeld“ umgehen wir im Fels links. Hier gilt es zwar eine kurze knackige Kletterstelle (V+) an einer Art Wulst zu überwinden, aber somit sparen wir uns das zeitaufwendige Anlegen von Bergschuhen und Steigeisen. Manche Seilschaften haben dies aber dennoch gemacht. Nun ist der Blick in den berühmt berüchtigten „Roten Kamin“ (V+) frei und es ist einem gleich klar was einem hier blüht. Anspruchsvolle, steile Kletterei in teilweise kapitalem, rotem Granitbruch. Hier geht es nochmal echt ans Eingemachte und zu mindestens einer in der Seilschaft sollte noch ordentlich Power und eine gute Vorstiegsmoral an den Tag legen können. Diverse uralte Fixseile wild herumhängend zeugen hier davon das wohl schon der ein oder andere mit der Verzweiflung zu kämpfen hatte und sich gewisse Dramen abgespielt haben. Die Fixseile waren jedenfalls teilweise so stark beschädigt das ich es nicht mit ansehen konnte und habe eines davon abgeschlagen. Wenn einen hier ein Gewitter oder ein Wettersturz erwischt, dann gute Nacht…

    der berühmt berüchtigte „Rote Kamin“
    der berühmt berüchtigte „Rote Kamin“
    am Ende des „Roten Kamin“ geht es unterhalb des „Roten Turm“ nach rechts hinaus.
    Florian und Paul am Ende des „Roten Kamin“ / Happy diesen anspruchsvollen Teil hinter sich zu haben
   

In zwei weiteren knackigen, aber deutlich festeren, V er Seillängen quert man unter dem „Roten Turm“ nach rechts und verlässt somit die schweren Felsseillängen.

    nach rechts unter dem „Roten Turm“ ins leichtere Gelände
    nach rechts unter dem „Roten Turm“ ins leichtere Gelände

Nun liegen zwar die großen Schwierigkeiten hinter einem, aber noch immer sind es fast 200 Hm über klassisches Ausstiegsgelände bis zum Gipfel. 8-9 Seillängen III-IV. Wir haben zu beißen. Flo und Paul völlig übernächtigt vom langen Zustieg von Chamonix aus, Jürgen und ich völlig unakklimatisiert. Der gute Akklimatisierungszustand vom
Cho Oyu
ist bei mir leider auch schon längst wieder verflogen…

    Ausstiegsgelände nach dem „Roten Turm“
    Ausstiegsgelände nach dem „Roten Turm“
    gewaltige Tiefblicke auf das Mer de Glace
   
    Blick auf die letzten zwei Seillängen am Walkerpfeiler
    Ausstieg aus dem Walkerpfeiler gegen 20.00 Uhr

Überglücklich, Happy und zutiefst zufrieden steigen wir gegen 20:00 Uhr aus dem Walkerpfeiler aus. Wenig später stehen wir auf der Point Walker (4208m) dem höchsten Punkt der Grandes Jorasses. Was für ein Gefühl, was für ein tolles 4er Team!

    Ausstieg aus dem Walkerpfeiler
    Ausstieg aus dem Walkerpfeiler
    Point Walker (4208m)
    Ausstieg aus dem Walkerpfeiler
    Point Walker (4208m)

Bekanntlich ist die Tour am Gipfel noch lange nicht zu Ende. Ein anspruchsvoller Abstieg wartet. Gegen 20:30 Uhr brechen wir vom Gipfel auf und machen uns an den langen Abstiegsweg über den Normalweg. Abklettern ins Firnbecken unter dem Gipfel, unter dem Grandes Jorasses Serac hindurch, rüber zu den „Rochers Whymper„. Bis jetzt war der Abstieg begleitet von einer wunderschönen Abendstimmung. An den „Rochers Whymper“ holt uns die Nacht aber endgültig ein. Unteranderem aufgrund dessen das sowohl Jürgen wie Florian den Abstieg bereits kannten ging es weiter durch die Nacht zum Boccalattebiwak (2805m). Jürgen hat letzten Spätsommer die
Colton MacIntyre
geklettert und Flo vor ein paar Jahren den Crozpfeiler (im Rahmen einer
Cappuccino-Runde
: sprich von Chamonix über den Crozpfeiler nach Italien – Cappuccino trinken – und direkt im Anschluss über den Gran Pilier d´Angle und den Mont Blanc wieder zurück nach Chamonix)

    Abstieg von der Grandes Jorasses
    Abklettern ins Firnbecken unter dem Gipfel entlang des Normalweges
    Blick auf das Abstiegsgelände
    Abendstimmung am Mont Blanc
    Abendstimmung an der Aiguille du Midi

Über die „Rochers Whymper„ ein paar Mal Abseilen ins steile Firnbecken unterhalb der Point Croz. Danach rüberqueren zu den „Rocher du Reposoir“. Bevor man den felsigen Teil der „Rocher du Reposoir“ erreicht gilt es den kurzen Gletscherbruch am oberen Ende der „Rocher du Reposoir“ zu überwinden. In unserem Fall abseilend an vorhandenen Abalakovs. Nun die schier endlos langen „Rocher du Reposoir“ hinab kraxeln und gegen Ende einige Male Abseilen. Im Anschluss daran gilt es den ordentlich spaltigen Glacier de Planpincieux hinab zu laufen und das Boccalattebiwak (2805m) zu finden. Nachdem es nun eh schon längst Dunkel war haben wir uns für den weiteren Abstieg viel Zeit gelassen und immer wieder Pausen eingelegt. So erreichen wir mitten in der Nacht gegen 02:30 Uhr und 25 Stunden nach dem Start an der Leschauxhütte das Boccalattebiwak (2805m).

    Abseilen im Gletscherbruch oberhalb der „Rocher du Reposoir“
    Nachts um 02:30 Uhr am Boccalattebiwak (2805m) – vom Walkerpfeiler gezeichnet


Dass das Boccalattebiwak (2805m) leider recht versifft ist und die Betten teilweise extrem von Mäusen und anderem Getier verschissen sind, ist zwar traurig, war uns aber in dem Moment völlig Wurst. Das ehemalige Refugio Boccalatte ist inzwischen weder bewirtet noch bewartet und gleicht so einer großen Biwakschachtel in typisch italienischem Zustand.
Am nächsten Morgen ging es zum Deckeltaschen Restefrühstück zügig aus dem versifften Loch heraus in die Sonne und bald weiter hinab ins Val Ferret nach Planpincieux (1580m). Dort galt es den Bus nach Courmayeur und von dort weiter nach Chamonix zu erwischen.

    Boccalattebiwak (2805m)
   
    Frühstück nach dem Walkerpfeiler
    Warten auf den Bus im Val Ferret – vom Walkerpfeiler gezeichnet
    Blick von Planpincieux (1580m) auf die Grandes Jorasses (4208m)

Die Pizza in Courmayeur hat nach solch einer Tour natürlich ganz besonders gut geschmeckt und wenig später sitzen wir auch schon im Bus nach Chamonix und eine großartige Unternehmung geht langsam zu Ende.

Was eine Tour…!



Grandes Jorasses (4208 m) - Nordwand „Walkerpfeiler“:
- Erstbegehung: Ricardo Cassin, Luigi Esposito und Ugo Tizzoni 04.-06.08.1938
- 2.Begehung: Gaston Rébuffat und Ravanel Frendo 1945
- 1. Winterbegehung: Walter Bonatti und Cosimo Zappelli 1963
- 1. Solobegehung: Alessandro Gogna 1968
- Schwierigkeit: VI+ oder VI-/A1, sehr anhaltend V
- Felsqualität: Mehrheitlich eher brüchiger Granit. Grandioser und absolut fester Granit ist nur an ausgewählten Stellen zu finden. Besonders brüchig im Roten Kamin
- Absicherung: Die Absicherung ist für so eine große Wand sehr gut. Viele Normalhaken. Sowohl Stand- wie Zwischenhaken. Sollte mal keine fixe Absicherung vorhanden sein ist dies fast immer problemlos mit Cams und Keilen zu bewerkstelligen.
- Wandhöhe: 1200 mH
- Kletterzeit: laut AV-Führer 1-2 Tage


unser zeitlicher Tagesverlauf:
01:00 Uhr – Aufstehen Leschauxhütte (2431m)
01:30 Uhr – Abmarsch auf dem Leschauxgletscher
03:30 Uhr – am tiefsten Punkt des Walkerpfeilers
04:00 Uhr – wir betreten vom Eis den Sporn des Wandsockels und die Kletterei geht los
06:00 Uhr – drei Seillängen unterhalb der Rébuffat-Verschneidung/die Kletterei beginnt richtig
06:30 Uhr – Rébuffat-Verschneidung
08:30 Uhr – 75m-Verschneidung
10.00 Uhr – Abseilstelle
12:30 Uhr – Querung unter dem Grauen Turm
16:00 Uhr – Roter Kamin
17:45 Uhr – Querung unter dem Roten Turm
20:00 Uhr – Grandes Jorasses Point Walker (4208m)
21:30 Uhr – Rochers Whymper
23:30 Uhr – Rocher du Reposoir
02:30 Uhr – Boccalattebiwak (2805m)


Materialempfehlung:
- 50 m Doppelseil
- 10 Exen
- 6-8 Bandschlingen
- 1 Satz Cams: 0.3 bis 2 + zwei kleinere wie der 0.3er
- kleines Set Keile
- kleines Hakensortiment
- das sonstige, übliche Stand- und Abseilmaterial
-1 Paar Steigeisen
-1 Eisgerät
-1 Eischraube


unser minimalistisches Not-Biwakmaterial für 4 Personen:
- 2 halbe Z-Lite´s
- 1 Schlafsack (500g)
- 2 Bivi´s
- 1 Mini Kocher + Gas (kein schwerer Jetboil o.ä.)
-2 Tütensuppen


Kletterführer / Topos:
AV-Führer Mont-Blanc-Gruppe
10. Auflage 2005
Bergverlag Rother, München
Hartmut Eberlein

Mont-Blanc - Die schönsten Touren in Fels, Eis und Schnee
1. Auflage 2013
Delius Klasing
Philippe Batoux

Grandes Jorasses Face Nord
1. Auflage 2013
JMEditions
Julien Désécures

Im extremen Fels
2. Auflage 1977
Walter Pause, Jürgen Winkler

Die 100 Idealtouren im Montblanc-Massiv
Deutsche Ausgabe 1975
Gaston Rébuffat

Diverse weitere gute und weniger gute Topos und Wandbilder sind im Internet zu finden.


IGN-Karten:
1:25000: 3630 OT, Chamonix Massif du Mont Blanc


Viele Grüße
Florian, Paul, Jürgen und Tobias
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#2
Hammertour mit einem super Bericht.
Gratulation!!
Gruss Thomas
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#3
Gratulation zu dieser super Tour, für mich unvorstellbar und dann auch noch vom Tal, echt krass.
Wir wollen in 2 Wochen den Normalweg von der Südseite machen, für uns schwer genug. Wie schätzt ihr den Durchstieg durch den Gletscherbruch am Ende der Reposoirfelsen ein. Muss man da senkrechtes Eis klettern oder handelt es sich eher um flacheres Gelände? Welche Länge hat die Eiskletterstrecke? Danke für die Info.
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#4
Danke!
An der Stelle an der wir dort knapp 25m abgeseilt haben war es ca. 3-4m 80° gleich unterhalb der Abalakov. Der Rest war nicht mehr wie 50°. Vom Gefühl her (im Schein der Stirnlampe) würde ich aber behaupten dass man das steilste Stück im Aufstiege auch hätte umgehen können. Allerdings waren wir dort mitten in der Nacht, es war somit stockdunkel, wir waren etwas platt und ich habe nicht expilzit nach Umgehungsmöglichkeiten geschaut. Prinzipiell ist es aber nun auch schon wieder fast 2 Wochen her, diese 2 Wochen waren sehr heiß und dies ist voll südseitig. Sprich, das kann sich auch schon wieder etwas verändert haben.

Wünsche euch jedenfalls viel Erfolg an der Grandes Jorasses!!!

Grüße
Tobias
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#5
Hi Tobias,
danke für die detaillierte Info. Das sollte für uns machbar sein. Logisch dass sich die Situation geändert haben kann das müssen wir vor Ort mal sehen. Ich habe dir auch noch eine Mail geschrieben, da brauchst du dann nichts mehr schreiben. Also nochmal vielen Dank. Wir werden sehen ob es klappt.
Grüß Richard
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