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Laliderer Spitze - Nordkante „Herzogkante“ (V-, 600 Hm), Karwendelgebirge 15.08.12
#1
Die Laliderer Nordkante gehört wohl zu den bekanntesten mittelschweren Felstouren der nördlichen Kalkalpen und ist einer der Karwendelklassiker schlecht hin. Dem berühmten Erstbegeher Otto „Rambo“ Herzog und seinen zwei Geschwistern Christian und Paula (!) hat sie auch ihren Beinamen „Herzogkante“ zu verdanken. Bereits 1911 fand die Erstbegehung statt. Es handelt sich um eine lange, nicht zu unterschätzende, teils brüchige aber großzügige und eindrucksvolle Klettertour. Die Kante ragt über der Falkenhütte gewaltig in den Himmel und hat großes Ambiente zu bieten. Zusammen mit dem berühmt, berüchtigten Abstieg durch die Spindlerschlucht ist ein unvergessliches Alpinerlebnis vorprogrammiert.

Unsere Seilschaft brachte zusammen 99 Jahre auf den Buckel und ich möchte meinen Seilpartner Karl Bammert herzlichst beglückwünschen. Im stolzen Alter von 73 Jahren (!!!) hat er sich mit der Laliderer Nordkante noch einen riesigen Traum erfüllt und sein eh schon gewaltiges Tourenbuch erweitert. Karl war unter anderem jahrelanger Tourenpartner von Franz Baumann, einem großen Karwendel-Erstbegeher, auch bekannt unter seinem Spitznamen „Karwendel-Franz“. Die großen Sorgen von Karl bezüglich Kletterschwierigkeiten und seiner Klettergeschwindigkeit waren völlig unberechtigt und wir mussten die Laliderer-Biwakschachtel nicht in Anspruch nehmen und kamen noch bei Tageslicht wieder zurück zur Falkenhütte.

    Laliderer Nordkante hoch über der Falkenhütte

Am Vortag ging es gemütlich von der Eng (1203 m) übers Hohljoch (1794 m) und Spielissjoch (1773 m) hinauf zur Falkenhütte (1848 m). Mit dem ersten Tageslicht ging es am nächsten Tag gegen 05:30 Uhr los und in gut 45 min bis zum Einstieg auf einem Schuttband links seitlich des Einstiegsschneefeld. Der erste geklebte Bühler wird über ein ansteigendes Band erreicht. (Siehe folgendes Bild, aufgenommen im Abstieg kurz nach der Spindlerschlucht). Am besten hier anseilen. Während des Anseilens herrschte eine herrliche Morgenstimmung.

    Einstieg zur Laliderer Nordkante und die Seillängen 1-3
    Karl auf dem Einstiegsschneefeld
    morgendliche Stimmung am Einstieg
    morgendliche Stimmung am Einstieg

Die folgenden Angaben zu den Seillängen beziehen sich auf das Panico-Topo. Dieses passte auf die ganze Kante gesehen am besten. Das Topo auf wuidebuam.blogsport.com ist einerseits an vielen Stellen wesentlich detailiert und sehr genau auf der anderen Seite gibt es z.B. die dortige 5.Seillänge überhaupt nicht und im Mittelteil fehlen ein paar komplette Passagen. Mit beiden Topos in der Tasche sollte aber jeder erfahrene Alpinkletterer mit etwas Gespür für den logischen Weg locker durchfinden.

Nach der etwas grasigen Einstiegsseillänge folgt gleich in der 2. Seillänge die erste V-, eine steile Verschneidung. Stand nach dieser steilen Verschneidung an einem Normalhaken, Köpfl und super Möglichkeit für einen 3er Cam.

    1. SL (IV+, 50m)
    2. SL (V-, 40 m) - Blick auf die steile Verschneidung
    2. SL (V-, 40 m) - kurz vor dem Stand

In der 3.SL verfolgt man eine steile Rampe nach links und macht am besten, wie im Panico-Topo, nach 20 m auf einem Absatz an einem Normalhaken +Cams Stand. Danach folgt in der 4. SL die steile gelb-rötliche Verschneidung (V-). Am Ende der Verschneidung unter einem Überhang nach rechts queren bis in leichteres Gelände. Ich habe die Längen teilweise zusammengefasst musste dann aber an einem nicht idealen Köpfl, am Ende der Rechtsquerung, Stand machen.


    3. SL (IV, 20 m) - steile Rampe
    3. SL (IV, 20 m) - auf der steilen Rampe
    4. SL (V-, 50 m) – steile gelb-rötliche Verschneidung
    4. SL (V-, 50 m) – Rechtsquerung aus der gelb-rötlichen Verschneidung

Von dort aus sieht man schon das markante Grattürmchen. Über leichteres Gelände (III-IV) hinauf in die Scharte hinter dem Türmchen und noch ca. 10 m höher bis zum Standhaken. An das Bild der umgeschlagenen geklebten Bühler Haken muss man sich gewöhnen. Es können aber alle benutzt werden. Entweder passt ein Karabiner gerade noch durch oder eine Schlingen durchfädeln.

    links der Bildmitte das Grattürmchen
    einer der umgeschlagenen Standhaken
    Blick vom Stand auf das markante Grattürmchen

Nun folgt auf zwei Seillängen ein weiter Rechtsbogen bis zu einem markanten Klemmblock mit Schlupf. Stand nach diesen zwei Seillängen in einer kleinen Scharte mit Blöcken direkt auf dem großen Klemmblock. Klettern kann man entweder klassisch durch den Schlupf oder besser außen in gutem Fels und über den Klemmblock drüber. Vom Stand gute Blicke nach links in die Nordwand und nach oben auf den weiteren Kantenverlauf

    6. SL (IV, 35 m) – rechts hoch durch die Rinne
    7. SL (III+, 40 m) – Blick durch den Schlupf
   

Das Panico Topo passt im Folgenden echt super und es sind hier eigentlich keine weiteren Hinweise nötig außer dass die Felsqualität im oberen Teil deutlich abnimmt.

    11. SL (III, 30 m)
    12. oder 13.SL (IV, 40 m)
    Biwakplatz unterwegs
    immer wieder beeindruckende Blicke nach links in die Nordwand...
    ...oder nach rechts
    Blick auf die 15. SL (III, 30 m) - brüchig
    teilweise direkt an der Kante
    Gipfel in Sicht
    17. SL (III, 45 m) - den besten Fels gibt es definitiv nicht im oberen Teil

Mit der 18. SL (V-, 50 m) folgt dann die eigentliche Schlüsselseillänge und so zusagen das Grande Finale der Laliderer Nordkante. Vom markanten Gratabsatz geht es luftig hinaus ein paar Meter nach links Richtung Nordwand. Im bereich der Linksquerung schienen mir drei Varianten möglich. Jeweils mit Haken. Alle ungefähr gleichschwer und gleich brüchig. Kann sich also jeder den für sich besten Weg aussuchen. In der steilen Verschneidung gibt es nur noch einen Weg und der führt nach oben. Vor dem kleinen Überhang in der Verschneidung ist es noch etwas lehmig. Trotzdem geht es in toller Kletterei an guten Griffen über den kurzen Überhang hinweg und danach noch einige Meter, immer noch steil, bis zum letzten umgeschlagenen Standhaken. Von dort konnten wir auch eine der beiden uns folgenden Seilschaften in den Flanken der Laliderkante sehen. Das Bild dürfte die Seilschaft irgendwo im Bereich der 13./14.Seillänge zeigen.

    18. SL (V-, 50 m)
    18. SL (V-, 50 m) – am Stand nach der steilen Verschnei
    Eine weitere Seilschaft an der Nordkante

Nach dieser Schlüsselseillänge folgt noch das Grande Finale der Kante was Schuttklettern anbelangt allerdings bei sehr geringen Schwierigkeiten. Nach so vielen Metern an der Kante darf einen das auch nicht mehr stören. Nach 7,5 h Kletterzeit steigen wir am Gipfel der Lalidererspitze (2583 m) aus und für Karl ist ein großer und langer Traum in Erfüllung gegangen.

    die letzten Meter der Kante
    Laliderer Nordkante mit 73 Jahren (!!!) – Herzlichen Glückwunsch Karl
    unsere 99 jährige Seilschaft am Gipfel der Lalidererspitze
    Blick zur Lalidererwand und zur Biwakschachtel (in Bildmitte)

Auf dem Weg hinunter Richtung Biwakschachtel kommt man dann noch an der bekannten Steinbrücke vorbei auf welcher auch schon der Herman Buhl gestanden hat und welche man sehr deutlich schon von der Falkenhütte aus sieht. Vielmehr Luft wird man wohl nicht gleich wieder unter sich haben. Zwischen den Beinen kann man 800 m bis zum Wandfuß schauen.

   

Durch die riesigen Schuttwüsten des Laliderer Südplateaus geht es nun hinüber zum Einstieg in die berühmt, berüchtigte Spindlerschlucht, welche den einzigen gängigen Abstieg nach Norden darstellt. Der Einstieg ist in der Scharte westlich des Östlichen Ladizturm bei einem markanten Felsblock mit roten Markierungen und Steinmann. 10 Meter unterhalb der Scharte ist der erste geklebt Abseilring. Charakteristik der Spindlerschlucht siehe unten. An diesem Nachmittag in der Spindlerschlucht war echt was los. Während der Zeit in der Schlucht waren ca. 10 Personen dort unterwegs. Da kann sich wohl jeder vorstellen wie es ständig gescheppert hat und wie viele Steine den Weg in die Tiefe gesucht haben. Zum Glück handelt es sich nicht um einen einzige Schlucht, vielmehr ist es ein ganzes Schluchtensystem, indem man immer wieder quert und traversiert und somit ständig die Schussbahnen wechselt.

    der markante Felsblock am Beginn der Spindlerschlucht
    Blick von der Scharte am Beginn der Spindlerschlucht zur nah Erscheinenden Falkenhütte
    mal abseilen, mal abklettern
    typisches Bruchgelände der Spindlerschlucht
    auch solche Abseilstellen gibt es! Diese Abseilstelle kann aber gut abgeklettert werden.

Vom Ende der Spindlerschlucht diagonal nach rechts zurück zum Spielissjoch und wieder hinauf zur Falkenhütte oder ins Tal. Glücklich und Zufrieden kommen wir gegen 20:00 Uhr wieder an der Falkenhütte an und werden freundlich vom Hüttenwirt begrüßt. Am nächsten morgen sind wir früh morgens zurück in die Eng abgestiegen. Noch 15 min bevor die angesagte Regenfront ihre Schleusen öffnete saßen wir im Auto.

    Laliderer Nordkante – der obere Teil in der Abendsonne
    Laliderer Nordkante und Spindlerschlucht (rote Pfeile)
    Lalidererwände


Laliderer Spitze (2583 m) - Nordkante „Herzogkante“:
- EB: Geschwister Otto, Christian und Paula Herzog 1911
- 1.Winterbegehung: Hermann Buhl und W. Gruber 1948
- Schwierigkeit: V- in drei Seillängen, sehr anhaltend im IV Grad, teils III, selten richtig leicht
- Felsqualität: Größtenteils guter, aber dennoch klassisch alpiner Fels. Gegen Ende hin nimmt die Brüchigkeit deutlich zu
- Absicherung: Stände größtenteils an geklebten aber umgeschlagenen Bühlerhaken. Es können aber alle Benutzt werden. Entweder passt ein Karabiner gerade noch durch oder eine Schlinge durchfädeln. Zwischensicherung an wenigen vorhandenen Normalhaken, die aber alle einen guten Eindruck machten. Mit Cams und Keilen zusätzliche Absicherung gut möglich.
- Kantenlänge: ca. 600 Hm, mindestens 20 Seillängen
- Kletterzeit: 6 - 8 h

Abstieg Spindlerschlucht:
- grimmiges Gelände, herb alpiner Abstieg
- 6 geklebte AV-Ringe, ca. 4-5 weitere eingerichtete Abseilstellen, an Schlingen und Normalhaken vorhanden. Für diese ist ein gewisses Maß an Gottvertrauen und fatalistischer Einstellung nicht ganz schädlich
- Abseilstellen ca. 20-25 m
- bei Benutzung aller Abseilstellen anhaltendes, brüchiges I-II er Gelände. Bei Nichtbenutzung aller Abseilstellen abklettern bis III-IV
- nicht immer einfache Orientierung, teils Steinmänner und stark verblaste rote Markierungen
- bei mehreren Seilschaften sehr große Steinschlaggefahr

Materialempfehlung:
- 50 m Einfachseil absolut ausreichend, Abseilstellen in der Spindlerschlucht ca. 20-25 m
- 10 Exen
- 8 Bandschlingen
- 1 Satz Keile
- 1 Satz Cams: 0.3 bis 3
- Hammer und Haken im Rucksack
- Leichtsteigeisen (evtl. fürs steile Einstiegsschneefeld, je nach Verhältnissen)
- das sonstige, übliche Stand- und Abseilmaterial


Kletterführer / Topos: (sortiert nach Qualität)
Kletterführer Karwendel
3. Auflage 2007
Panico Alpinverlag

Topo von Walter Lackermayr auf
http://wuidebuam.blogspot.de/


Kletterführer Bayerische Alpen, Nordtirol
1.Auflage 2004
Bergverlag Rother
Richard Goedeke


weitere Literatur:
AV-Führer Karwendelgebirge
12.Auflage 1984
Bergverlag Rudolf Rother
Heinrich Klier/Fritz März

Im schweren Fels
Walter Pause, Jürgen Winkler


AV-Karten:
1:25000: AV-Karte 5/2 Karwendelgebirge Mitte


Viele Grüße
Karl und Tobias
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