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Medale - Spigolo Bonatti (VI+, A0, 200 m), Lecco 31.05.13 - Druckversion

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Medale - Spigolo Bonatti (VI+, A0, 200 m), Lecco 31.05.13 - Tobias - 07.06.2013

Mit dem Wetter ist es den bisherigen Frühjahr 2013 über äußerst schwach bestellt und seit Wochen jagt eine instabile Wetterlage und eine Kaltfront mit massiven Schneefällen nicht nur im Hochgebirge die andere. Die vereinzelten guten Tage lagen natürlich meist immer schön unter der Woche und nachdem die vergangene ganz besonders schlechte Wetterphase auch noch das verlängerte Fronleichnam Wochenende versaut hat ist es nun mit den Feiertagen auch erst mal vorbei. Kurzum es ist zum Heulen.
Nicht nur um dem Wetter- und Regendrama zu entfliehen (Auslöser des „Jahrhunderthochwasser 2013“ in vielen Teilen Bayerns und Ostdeutschlands) ging es über Fronleichnam zum Sportklettern Richtung Lecco. Doch ganz ohne der alpinen Leidenschaft nach zu gehen ging es dann doch auch nicht und so folgte mit der „Spigolo Bonatti“ am Medale bei Lecco sogar eine namhafte Tour und sozusagen meine erste Bonatti-Tour.

Die bis zu 400 m hohe Felswand des Corna di Medale ist einer der Blickfänge im Raum Lecco und wohl in Italien eine der bekanntesten Felswände in Talnähe. Sie ist vielleicht von der Lage her etwas mit dem Colodri in Arco zu vergleichen. Die Lage kann schon fast urban genannt werden. Über den Dächern von Lecco ist die Wand auch gut von den zentralen Plätzen oder der Uferpromenade aus zu sehen. Schon früh erregte die Wand gewisses Aufsehen. Die erste Durchsteigung am 12.August 1931 gelang nach mehreren Anläufen, unter großer Begeisterung der Bevölkerung, keinen geringeren wie Riccardo Cassin und Mario Dell ´Oro. Die »Ragni di Lecco« (die »Spinnen von Lecco«) hatten wieder zugeschlagen.

    Corna di Medale (Hauptwand) und Antimedale (links vorgesetzt) oberhalb von Lecco

Nachdem 2. Weltkrieg verewigte sich aber mit Walter Bonatti auch der wohl bedeutendsten Alpinisten der Nachkriegsgeschichte am Medale. Zusammen mit Carlo Casati durchstieg er 1950, also mit gerademal 20 Jahren, als erster den linken, gelblichen und steileren Wandteil. Die Tour ist mit 6 Seillängen leider nicht allzu lang, dafür aber von besonderer Schönheit. Ausgesetzte, steile und geniale Kletterpassagen an wahnsinnig strukturiertem und rauem Fels. Der Name „Bonatti“ hat natürlich in solchen Gefilden, bei überschaubaren Schwierigkeiten und inzwischen guter Absicherung zur Konsequenz dass massivste Abnutzungserscheinungen am Fels zu sehen sind. Man hat aber meist so gute Griffe und Tritte zur Verfügung dass dies eigentlich nirgends wirklich stört.

Der Hauptwand des Medale ist im linken Teil der Antimedale vorgelagert. Die Felswand des Antimedale überwindet man entweder kletternd auf einer eigenen Tour oder wie üblicherweise und schneller auf dem vielbegangenen Klettersteig. Beim flacheren Stück zwischen Antimedale und Medale verlässt man den Klettersteig nach rechts und es geht hinaus auf einen kleinen Vorbau am Fuße der steilen Wand.

   
    über den Klettersteig zum Einstieg
    über den Klettersteig zum Einstieg
    Blick auf den Wandbereich der Spigolo Bonatti

Vom Vorbau geht es in der 1. SL (V-) ganz gemütlich bis an den Beginn der ersten 6a Länge.

    auf dem Vorbau
    1. SL (V-)

Mit der 2 .SL (VI+) folgt die große Diagonaltraverse nach rechts oben mit der Bonatti ganz geschickt ein weiter rechts liegendes Verschneidungssystem erreicht hat. In absolut begeisternder ausgesetzter und steiler Kletterei geht es nach rechts hinaus. Ca. 5 m vor dem Stand folgt die schwerste Passage. Ein vorhandener Seilstrick kann hier aber gut als Problemlöser für die glatte Querung dienen. Freikletternd geht es aber auch gut. Ich bin vom Haken an dem der Seilstrick hängt 1,5 m abgeklettert um dann an scharfen und rauen Tropflöchern nach rechts queren zu können. Danach wieder problemlos nach oben zur eigentlichen Linie und nach rechts zum Stand.

    zu Beginn der 2 .SL (VI+)
    zu Beginn der 2 .SL (VI+)
    2 .SL (VI+) - die schwersten Meter
    2 .SL (VI+) - die schwersten Meter

Die 3. SL (VI+) folgt nun der steilen aber genialen und auf den ersten 10-15 m leicht überhängenden Verschneidung. Ausspreizen heißt die Devise! Die Absicherung ist hier mit mehreren gebohrten Zwischenhaken sehr gut.

    3. SL (VI+)
    3. SL (VI+)

Mit der 4. SL folgt die letzte VI+ Länge. Die glatte Rissverschneidung vom Stand weg lässt sich besser klettern wie es aussieht. Erst kurz vor dem die Rissverschneidung abschließenden Dächlein, welches rechtsquerend umgangen wird, wird es nochmal schwerer.

    die glatte Verschneidung zu Beginn der 4. SL (VI+)

In der 5. SL (V-) und 6. SL (VI-) legt sich das Gelände wieder etwas zurück und die Vegetation ist wieder deutlich stärker vorhanden. Es sieht nun vielleicht optisch und auf den Bildern eher nach „Gemüse-Seillängen“ aus. Doch auch wenn die Schwierigkeiten deutlich zurückgehen, der Fels bleibt unverändert gut und bietet beste Strukturen, Schuppen und Tropflöcher (siehe Bild). In der 6. und letzten Seillänge sollte man sich die rechte schwerere Variante (VI-) keinesfalls entgehen lassen.

    5. SL (V-)
    typische Felsstruktur,
    6. SL (VI-)

Vom Ausstieg an der Gratkante wenige Meter nach hinten absteigen und man trifft wieder auf den Klettersteig über welchen der Gipfel des Medale in wenigen Minuten erreicht ist.

    Blick auf Lecco
    über den Klettersteig in wenigen Minuten zum Gipfel
    über den Klettersteig in wenigen Minuten zum Gipfel

Zumal wir eh die Rucksäcke beim grasigen Absatz zwischen Antimedale und Medale in der Nähe des Klettersteiges versteckt hatten stiegen wir auch über den Klettersteig wieder ab. Wenig später stehen wir in Lecco am Auto und noch ein paar Minuten später stürzen wir uns genussvoll in die Fluten des Comersees.


Kletterführer:
Arrampicate Sportive e Moderne - Fra Lecco e Como
1.Auflage 2006
Versante Süd


Viele Grüße
Nina und Tobias