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Scharnitzspitze - Spitzenstätter (VII o. VI+, 260 Hm), Wettersteingebirge 09.05.13 - Druckversion

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Scharnitzspitze - Spitzenstätter (VII o. VI+, 260 Hm), Wettersteingebirge 09.05.13 - Tobias - 11.05.2013

“Neben den kompakt geschlossenen, wie gepanzerten Kalkmauern der benachbarten Schüsselkarspitze wirkt die Südwand der Scharnitzspitze fast freundlich. Das macht die üppige Struktur der Felsen, ihr verlockender Reichtum an Stufen, Bändern, Rissen, Kaminen und kleinen Verschneidungen – die Scharnitzspitze könnte auch gut im Wilden Kaiser stehen.“

„...Sie ist dennoch kein Lückenbüßer, falls das Wetter für die Schüsselkarwände zu unsicher ist. Die Führe hat Charakter, das heißt, sie ist nirgends gekünstelt, sie bietet viele eigenartige und schöne Kletterstellen ... Sie findet für extreme Ansprüche den günstigsten Weg, trotz Rechtsschleife und Hangeltraverse.“


aus: Walter Pause - im extremen Fels


    Scharnitzspitze - Spitzenstätter

An Himmelfahrt ging es zu Viert ins Wetterstein und an die wunderbaren Südwände von Schüsselkar und Scharnitzspitze. Nina und ich kletterten die bis auf eine Stelle eher gemütliche aber schöne „Spitzenstätter“ an der Scharnitzspitze. Sie wurde 1957 von Walter Spitzenstätter und H. Baldauf erstbegangen. Don Clemento und Michel de Angelo klettern derweil die „Knapp-Köchler“ an der Schüsselkarspitze. Die Verhältnisse an sich sind schon bestens und der Zustieg ist nahezu schneefrei zu gestalten. Nur direkt am Wandfuß liegt noch Schnee. Was zum perfekten Klettergenuss nur noch fehlte war die Sonne und es gab morgens etwas kalte Finger. Vom Leutascher Ortsteil Klamm (ca. 1180 m) geht es über Wangalm (1753 m), Scharnitzjoch (2048 m) und den anschließenden Rücken (ca. 2260 m) bis vor die Felsabbrüche der Östlichen Wangscharte. Hier trennen sich die Wege von uns vier, Nina und ich steigen nach links zum Einstieg der „Spitzenstätter“.

    Wangalm und Obereintal-Schrofen
    Schüsselkarspitze vom Scharnitzjoch
    Blick ins Puittal
    Querung zum Einstieg

Am höchsten Punkt des Vorbaus geht es los. Entweder man klettert die ersten beiden Längen an einem Stück oder man macht vor der ersten Hangelschuppe Stand. Alle weiteren Angaben in diesem Bericht beziehen sich auf das Topo von Topoguide. Ich mache nach der 1. SL (IV+, 15 m) Stand.

    1. SL (IV+, 15 m)
    1. SL (IV+, 15 m)

Nach dieser kurzen ersten Seillänge folgt in der zweiten Seillänge gleich die absolute Schlüsselstelle der „Spitzenstätter“. Von Stand zunächst ein paar Meter hoch um an der etwas holen Schuppe nach rechts zu hangeln. Nach der Schuppe wird es für ein paar Meter zach und heute ist es nicht nur aufgrund der Schwierigkeiten ein Kaltstart. Laut Panico Topo zwei Meter rechts der Haken nur VI+. Auf den schweren Metern stecken drei Bohrhaken und man kann es auch A0 klettern. Danach folgt schöne und weiterhin steile Kletterei im VIer Gelände. Den Abzweig nach links zur nächsten abstehenden Schuppe und zum Stand sollte man nicht verpassen. Rechts oben steckt auch noch ein verlockender Verhauerstand.

    2. SL (VII o. VI+, 30 m)
    2. SL (VII o. VI+, 30 m) – die schweren Meter, mit kalten Fingern richtig zach
    2. SL (VII o. VI+, 30 m)
    2. SL (VII o. VI+, 30 m)
    2. SL (VII o. VI+, 30 m)

Die 3. SL (VI-, 30 m) ist ein richtiges Alpin-Highlight. Im Panico-Topo sind die dort 2. und 3. SL falsch eingezeichnet. Vom Stand auf der Schuppe und derzeit auch einem Dolennest geht es hangelnd nach links in die Verschneidung und an Riesenhenkeln der Sonderklasse steil durch sie empor. Auf den ersten Blick sieht es durchaus brüchig aus in der Verschneidung, ist aber alles sehr fest. Da hätte ich größere Sorgen das die beiden bisher gekletterten Hangelschuppen in den nächsten Jahren(zehnten) endgültig hinterlaufen und vom Wasser abgesprengt werden und irgendwann im Kar liegen.

    3. SL (VI-, 30 m) - an der Schuppe entlang nach links
    3. SL (VI-, 30 m) - herrliche, steile Verschneidung
    3. SL (VI-, 30 m) - Nina an der Hangelschuppe, wenn die mal weg ist...
    3. SL (VI-, 30 m) - kurz vor dem Stand


In der 4. SL (V+, 30 m) geht es in herrlicher steiler Kletterei weiter.

    4. SL (V+, 30 m)
    4. SL (V+, 30 m)

Die 5. und 6. SL klettern wir am langen Seil direkt bis an den Beginn des Abschlusskamins. Nicht ganz eindeutige Routenführung in diesem etwas brüchigeren Bereich. Mehrere Varianten möglich.

    Im Schutt vor dem Abschlusskamin

Nun folgt noch eine Seillänge, die 7. SL (IV, 40 m), der Abschlusskamin. Ein weiterer kurzer Hangelquergang führt in den Kamin.

    7. SL (IV, 40 m) - Querung in den Kamin
    7. SL (IV, 40 m) - Im Kamin
    7. SL (IV, 40 m)

Nach ca. 2,5h Kletterzeit stehen wir am Gipfel. Die Sonne hat sich leider noch nicht wirklich durchsetzen können und alles ist eher grau in grau un die höheren gipfeln in Wolken.

    kurz vor dem Gipfel
    Blick auf Leutascher Dreitorspitze und die Schüsselkarspitze

In Ermangelung oder Nichtfindung eines Bohrhaken am Gipfel klettern wir den letzten Zwischensicherungshaken im Abschlusskamin an und seilen in der Folge viermal über die Route ab und stehen wieder am Einstieg auf dem Vorbau. Gemütlich steigen wir wieder rüber zum Grasabsatz unterhalb der Östlichen Wangscharte und weiter zum Einstieg der Knapp-Köchler. Unsere Kameraden Don Clemento und Michel de Angelo sind aber schon im Abseilen über ihre Route beschäftigt und wenig später am Wandfuß.

   
    Querung am Wandfuß zurück Richtung Schüsselkar
    Blick auf den berühmten Plattenschuss der „Locker vom Hocker“
    Blick in die Knapp-Köchler

Da es gerade mal 14:00 Uhr ist rücke ich mit Don Clemento nochmal aus. Da uns beiden gerade noch nach vielen Metern zu Mute ist klettern wir in 2 Seillängen am langen Seil und in 30 min durch die Siemens-Wolf (IV+, 200 m) am Westgratturm. Durch den enorm diagonalen Routenverlauf hat das Abseilen über die Route ebenfalls 30 min also gleichlang wie der Aufstieg gedauert. Trotz der geringen Schwierigkeiten ist die „Siemens-Wolf“ eine tolle Tour in bestem Fels mit schönen Kletterpassagen bei sehr guter Absicherung. Perfekte Einsteigertour. Danach geht es zügig über die restlichen Schneefelder Richtung Wangalm. Inzwischen geben sich Regenschauer und Sonnenschein die Klinke in die Hand. Ja ist denn noch April...?

    Don Clemento in Aktion
    Kurz vor der Wangalm – Oberreintalschrofen, Scharnitzspitze und Schüsselkarspitze (v.l.n.r.)


Kletterführer:
Topoguide, Band 1
1.Auflage 2005
Nicole Luzar, Volker Roth

Kletterführer Wetterstein Süd
2.Auflage 2007
Panico
Eberle, Grübler, Poll

Im extremen Fels
2. Auflage 1977
Walter Pause, Jürgen Winkler


AV-Karten:
AV-Karte 4/3
Wetterstein- und Mieminger Gebirge, Östliches Blatt
1:25000


Viele Grüße
Michael, Clemens, Nina und Tobias