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Sanierung: Spritzkarspitze (2606m) – Nordwest-Verschneidung (VI+, V+/A0, 1100m, 26SL) - Druckversion

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Sanierung: Spritzkarspitze (2606m) – Nordwest-Verschneidung (VI+, V+/A0, 1100m, 26SL) - Tobias - 08.10.2021

An insgesamt drei langen Klettertagen im September 2019 und 2020 wurde die Nordwest-Verschneidung an der Spritzkarspitze von Joachim Hagel und mir grundlegend sanft saniert. Bei der Nordwest-Verschneidung an der Spritzkarspitze im Karwendel handelt es sich um eine hervorragende, lange, klassische Karwendelroute mit großartigem Nordwandambiente hoch über der Eng und in direkter Nachbarschaft zu den legendären großen Karwendel Nordwänden, Grubenkarspitze, Dreizinkenspitze, Laliderer Wand und Laliderer Spitze. Die Route wurde am 12.09.1979 von Franz Baumann und Annelotte Rosenhagen erstbegangen. Die Zahlen und Fakten zur Tour sind 1100 m Kletterlänge 800m Wandhöhe, 26 Seillängen, Schwierigkeiten der Schlüsselstelle 6+ (5+obl.) der überwiegende Teil der Route verläuft jedoch im 4. und 5 Schwierigkeitsgrat. Zu dem klettert man bei dieser Route auf fast ausschließlich gutem und festen Kalk Gestein, was in diesem Schwierigkeitsbereich für Karwendel-Verhältnisse doch eine große Besonderheit darstellt. Lediglich ganz wenige und wenn dann kurze Abschnitte sind etwas brüchig. Die Nordwestwand der Spritzkarspitze ist in dem Bereich auf nahezu der gesamten (!) Wandhöhe von 800m durch eine offensichtliche Riesenverschneidung durchzogen. Man darf sich also durchaus wundern warum diese offensichtliche Linie bis ins Jahr der Erstbegehung 1979 unversucht blieb. Zumal schon Jahrzehntelang zuvor die alpine Kletterelite der 20er, 30er, 40er, 50er und 60 er Jahren, ausgestattet mit sicherlich sehr wachem Auge für große logische Linien, von den Engalmen übers Hohljoch den Laliderer Wänden entgegen gepilgert ist.
 
Kurzum, es handelt sich bei dieser Route, nicht nur unter klassischen Gesichtspunkten, um ein echtes Karwendel Highlight im mittleren Schwierigkeitsbereich mit dem begeisternden, vergleichbar strengen Nordwand-Ambiente einer klassischen Laliderer Route. Das Ganze kann nun aber bei einer absolut soliden Grundabsicherung in vollen Zügen genossen werden.
 
Eine weitere Besonderheit ist der äußerst, kompakte und plattige Fels im Bereich der offensichtlichen, und namensgebenden Riesenverschneidung der unteren Wandhälfte. Das bedeutet, das mit Keilen und Friends nicht viel anzufangen ist und für den geringen Schwierigkeitsgrad eher selten zusätzlich abgesichert werden kann.
 
 
   
Ein Archiv Bild von Franz Baumann aus den 1950er Jahren mit nachträglich eingezeichneter Linie, welches bei Franz zu Hause groß im Bilderrahmen hängt. Schon damals als er im Karwendel erste große klassische Nordwandtouren an Laliderer oder Grubenkarspitze kletterte war die NW Verschneidung der Spritzkarspitze scheinbar von seinem Interesse, wie die Szene der zwei jungen Burschen in den 1950er Jahren zeigt.
 
 
   
Ein Bild aus dem Jahre 2012. Franz Baumann mit über 70 Jahren vor „seiner“ Nordwest-Verschneidung
 
 
Die Route lässt sich grob in drei Abschnitte unterteilen:
  • Unterer Teil, Seillängen 1-9:
mehr oder weniger entlang der offensichtlichen, und namensgebenden Riesenverschneidung bis in die Gufel mit dem alten Wandbuch Platz. Immer im meist plattigen, kompakten Wandbereich links des Verschneidungsgrundes
  • Mittlerer Teil, Seillängen 9-20:
ein großer sperrender senkrechter Wandbereich wird auf dem logischen leichtesten Weg in vielen Seillängen links umgangen. Erst am Stand vor der Schlüsselseillänge wird der zentrale Verschneidungsgrund der Riesenverschneidung wieder erreicht. Die Schlüsselseillänge (20. Seillänge) führt nun auf ein paar Metern steil und athletisch empor bis unter ein großes markantes Dach. Neuer Wandbuchplatz.
  • Oberer Teil, Seillängen 21-26:
Die Route führt nun durch einen horizontalen zwei Seillängen Quergang nach rechts und somit endgültig aus der zentralen Verschneidung heraus. Nachdem Quergang folgen noch vier Seillängen bis zum Ausstieg in einer Gratscharte im West-Südwest Grat, ca. 70 Hm unter dem Gipfel der Spritzkarspitze.
 
 
   
Das aktuelle Wandbild mit exaktem Routenverlauf und Standplätzen nach der Sanierung im Jahre 2019 und 2020.
 
 
Die Route wurde am 12.09.1979 von Franz Baumann und Annelotte Rosenhagen erstbegangen, mit Biwak im Abstieg im Bereich des Hochglückkar. Ein erster richtiger Anlauf der beiden bis nach der Schlüsselseillänge war wenige Tage zuvor vorrausgegangen. Bei diesem ersten richtigen Anlauf biwakierten die beiden beim Abseilen frierend in der Gufel des späteren Wandbuchplatzes. Franz Baumann, vielen auch bekannt als der „Karwendel-Franz“, hat alleine im Karwendel über ein Dutzend große und lange Routen erstbegangen. Bereits in den frühen 90er Jahren hat er damit begonnen die Nordwestverschneidung zu sanieren (je ein Tag im Jahr 1995 und 1996) und hat im unteren Teil bis zur 12. Seillänge bereits einige geklebte Gerüstösen gesetzt. Vermutlich waren dies im gesamten zentralen Karwendel die ersten Bohrhaken im alpinen Gelände. Bei einer aufwendigen Solo-Aktion hat sich Franz 1997 von oben kommend über die Route abgeseilt und eine Abseilpiste mit je einem selbstgebauten Alu-Bohrhaken (später dazu mehr) eingerichtet. Mit zunehmendem Alter konnte er aber die Sanierung nicht mehr selber abschließen. Über 20 Jahre lang sollte es ein Traum von Franz Baumann bleiben…
 
 
Wie kam es zu dieser Sanierungsaktion?
 
Das ist eine längere Sache, dessen Vorgeschichte schon einige Jahre zurückliegt. Ich versuche mich kurz zu halten:
 
Schon seit meinen frühen Kindheits- und Jugendtagen in der Jugendgruppe der DAV Ortsgruppe Laupheim war Franz Baumann für mich immer ein Förderer und alpines Vorbild. Er nahm mich in dieser Zeit öfters mit zum Klettern ans Kletterviadukt Laupheim, ins nahegelegene Blautal oder in umliegende Kletterhallen. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Durch Steigendes alpines Niveau meinerseits, trat Franz schon im Jahre 2011-2012 das erste Mal an mich heran, ob nicht diese Tour und die abschließende Sanierung dieser, seiner Karwendel-Perle, mal was für mich wäre. Doch wie es so ist, die Jahre gingen ins Land und viele viele andere Routen und Projekte standen auf meiner, irgendwie immer viel zu vollen, Alpinen-To-Do-Liste. Zudem tauchten im Jahre 2013 von Ralf Sussmann gesammelte Informationen zu einem unklaren Zustand der Schlüsselseillänge mit evtl. Felsausbruch, rausgestürzten Haken und ausgenagelter Schlüsselseillänge auf. Diese Informationen wurden damals auch hier im Rocksports-Forum durch mich und auf dem Blog der Tiroler Alpinen Bande durch Sebastian Posch veröffentlicht.
 
Den sprichwörtlichen Stein ins Rollen oder in diesem Fall eben den Bohrer zum Drehen brachte nochmal jemand ganz anderes: Achim Pasold vom Panico Alpin-Verlag. Im Zuge der umfangreichen Recherchen und Arbeiten für die im Frühjahr 2020 veröffentlichte 5. Auflage des Panico Karwendel-Führers, in welche ich auch an vielen Stellen stark beteiligt war, kam Achim Pasold auch bezüglich der Spritzkarspitze Nordwest-Verschneidung auf mich zu. Er bat mich um einen „Erkundungstrip“ über den Zustand dieser Route. Denn Aufgrund der damaligen Informationslage durch die Infos von Ralf Sussmann wäre die Route vermutlich aus dem Führer rausgeflogen. Nun muss man Wissen das Franz Baumann und Achim Pasold alte Wegbegleiter und Kompagnons aus den Anfängen des Panico Alpinverlages in den frühen 1980er Jahren sind. Unter anderem die 1. Auflage des Blautal-Kletterführer 1983, einer der ersten Kletterführer des jungen Verlages aus der Reihe Kletterführer Schwäbische Alb, ging auf die maßgebliche Mithilfe von Franz Baumann zurück. So wollte also Achim nichts unversucht lassen und nicht so einfach die Route von Franz aus dem Führer werfen. Auch war ich inzwischen hochmotiviert für diesen „Erkundungstrip“ ins Ungewisse. Weitere Gespräche folgten und so wurde irgendwann aus dem reinen „Erkundungstrip“ im September 2019 gleichzeitig ein erster „Sanierungstrip“ in die Nordwest-Verschneidung der Spritzkarspitze. Alle Bohrhaken für die gesamte Aktion spendete der Panico Alpinverlag (Einen ganz großen Dank dafür!!!). Da uns die Fahrtkosten und Spesen auch noch von Franz Baumann gespendeten wurden, fühlte es sich fast so an wie auf Dienstreise. „Nur“ Bohrhaken, Bohrmaschine, Akkus und Schraubglieder schleppen und natürlich Klettern mussten wir dann schon noch selber😉. Mit Joachim Hagel (ebenfalls aus der DAV Ortsgruppe Laupheim) fand sich der perfekte und hochmotivierte Partner für dieses Projekt. Vielen Dank Joachim!
 
Sämtliche Aktionen der Sanierung erfolgten auf ausdrücklichen Wunsch und in enger Abstimmung mit dem Erstbegeher Franz Baumann.
 
Ganz unten am Ende dieses Forum Eintrages habe ich auch die komplette Geschichte der Spritzkarspitze Nordwest-Verschneidung von 1979 bis 2021 ausführlich niedergeschrieben.
 
   
Ein Bild von Franz und mir vom August 2012 vor den Laliderer Wänden. Als Ebe und ich damals die berühmt berüchtigte
„Schmid-Krebs“ in der Laliderer Nordwand
kletterten, begleitete uns Franz ins Karwendel und bis zur Falkenhütte. Als Ebe und ich tags drauf die Wand durchstiegen beobachtete uns Franz in den Latschen liegend den ganzen Tag mit dem Fernglas und schwelgte in Erinnerungen an seine großen Tage in diesen Wänden.

 
 
Wie und was wurde saniert?
 
  • Standplätze:
Es befinden sich nun durchgehend an allen 26 Standplätzen zwei Bohrhaken. An allen Standplätzen die auch bei einem Abseilen über die Tour verwendet werden, wurden diese zwei Bohrhaken jeweils mit einem Seilstück miteinander verbunden und im unteren Bohrhaken befindet sich ein Schraubglied.
  • Zwischensicherungen:
Bei den Zwischensicherungen wurde von uns ganz stark darauf geachtet den angefangenen Sanierungsstil der unteren Seillängen von Franz Baumann aus den 90er Jahren beizubehalten. Das bedeutet bei den überwiegend 40-50 Meter langen Seillängen sind meist nur 2-3 gebohrte Zwischensicherungen pro Seillänge vorhanden. Die meisten der Baumannschen-Alu-Laschen wurden durch Edelstahl-Laschen ersetzt. Bei den neuen Bohrhaken wurde selbstverständlich ausschließlich Edelstahlmaterial verwendet.
  • Wandbuch:
Das sehr gut erhaltene Wandbuch bekam einen neuen Platz und eine neue Wandbuch-Kassette. Es wurde von der Gufel nach der 9. Seillänge auf den Stand nach der 20. Seillänge (Schlüsselseillänge) verlegt.
  • Abseilpiste:
Die von Franz Baumann im Zuge seiner Sanierungsaktion 1997 eingerichtete Abseilpiste wurde 1:1 beibehalten. Es wurden aber auch alle 5 im Wandmittelteil neben der Kletterroute liegenden Abseilstände mit zwei Bohrhaken, Schraubglied und Verbindungs-Seilstück ausgestattet.
  • Gesamt verbautes Material:
An allen 3 Sanierungstagen zusammen wurden von uns 77 zusätzliche Bohrhaken gesetzt und 34 Schraubglieder angebracht. Insgesamt befinden sich auf der Route und der Abseilpiste nun 118 Bohrhaken. Allein 69 davon befinden sich an den Standplätzen und Abseilständen. Entsprechend sind es „nur“ 49 Zwischensicherungs-Bohrhaken verteilt auf 26 Seillängen und ca. 1100m Kletterlänge. Für Freunde der Statistik bedeutet das durchschnittlich 1,88 Bohrhaken pro Seillänge bei einer durchschnittlichen Seillängen Länge von 42m! Wie aus diesen Zahlen eindeutig hervor geht haben wir den sehr zurückhaltenden Stil von Franz Baumann aus den Seillängen 1-9 kompromisslos bis nach oben fortgesetzt und durchgezogen. Eventuelle Kritiker dieser Sanierungsaktion brauchen also zu mindestens vor einer übermäßigen Flut an Zwischensicherungs-Bohrhaken keine Angst haben.
  • Vergleich zum Originalzustand der Erstbegehung:
Im Vergleich zum Originalzustand aus dem Jahre 1979 hat das selbstverständlich nun aber dennoch überhaupt nichts mehr zu tun. Laut Originaltopo wurden damals lediglich 33 Normalhaken in der ganzen Wand hinterlassen! 24 Standhaken und nur 9 Zwischenhaken!!! Das war eine völlig andere Liga. Wer nun, nach der Sanierung, in den unteren Plattenseillängen 15m über dem letzten Bohrhaken im komplett kompakten und plattigen 4er Gelände die weiten Hakenabstände moniert, wird die Leistung der Erstbegeher und frühen Wiederholer anerkennen. Denn früher sah das hier folgendermaßen aus: Ein einziger Normalhaken am Stand und dann 45m nichts, überhaupt gar nichts! Hier musste einfach kompromisslos 45 m ohne Zwischensicherung bis zum nächsten Standhaken geklettert werden! Selbstverständlichen in der Hoffnung in auch erstmal zu finden!!!
  • Topo:
Im Zuge der Sanierung wurde von mir auch ein komplett überarbeitetes Topo erstellt. Wichtig zu wissen ist, dass das Topo welches im Panico Karwendelführer (5. Auflage, Frühsommer 2020) abgedruckt ist, nur den Sanierungszustand bis zur 20.Seillänge (Schlüsselseillänge) zeigt. Den weiter waren wir damals zur Drucklegung eben leider noch nicht. Leider ist im abgedruckten Topo auch noch ein Fehler im Bereich des nach der Schlüsselseillänge folgenden Quergangs. Das Topo an sich stimmt, aber an der seitlichen Seillängen-Legende, ist der Quergang fälschlicherweise als eine 25m Seillänge gekennzeichnet. Das stimmt nicht. Der Quergang sind zwei Seillängen (45 +20m). Der obere Teil wurde erst im September 2020 von uns erstmals geklettert und saniert und somit hatten wir auch diesen Quergang zum Zeitpunkt der Drucklegung eben noch nicht geklettert. Ganz unabhängig von diesem Fehler in der gedruckten Version war es mit Panico immer schon so angedacht, dass wir das komplett bis oben aktualisierte Topo auf der Panico Homepage veröffentlichen.

Das Topo steht auf der Homepage des Panico Alpinverlag gratis zum Downlaod beim
„Alpinkletterführer Karwendel“
unter der Ruprik „Updates“ zum Download bereit. Wer die Tour also klettern will soll sich unbedingt dieses aktualisierte Topo besorgen. Es zeigt nun den kompletten sanierten Zustand aller 26 Seillänge.



 
 
Die folgenden Bilder sind nach dem Routenverlauf sortiert. Das heißt es kommen von allen drei Sanierungstagen die Bilder gemischt vor:
 
   
Von der Eng aus dominiert eindeutig die Spritzkarspitze mit ihrer düsteren Nordwand das Ambiente. Die Nordwest-Wand ist die leicht besonnte Wand rechts des Gipfels
 
 
   
Auf dem Weg Richtung Enger Grund steht dann die Grubenkarspitze Nordost-Wand beeindruckend vor einem. Am 1. Sanierungstag im September 2019 sind wir erst bei Tageslicht gestartet und können so noch im Zustieg dieses Alpenglühen bewundern.
 
 
   
1.Seillänge (IV+) – Beim Durchstieg und der geplanten Sanierung des oberen Wandteils am 3. Sanierungstag im September 2020 klettern wir dagegen die ersten Seillängen noch im Dunkeln mit Stirnlampe. Wir wissen zu diesem Zeitpunkt noch nicht was uns dort im oberen Wandteil erwartet und erwarteten einen ultralangen Tag. Was sich allerdings nicht bewahrheiten sollte.
 
 
   
2. Seillänge (IV)
 
 
   
4. Seillänge (IV-) – die für den unteren Wandteil charakteristischen riesigen Plattenfluchten
 
 
   
einer der ehemaligen einzelnen Standhaken aus dem Jahr 1979
 
 
   
typischer Stand im unteren Wandteil nach der Sanierungsaktion: geklebte Gerüstöse von Franz Baumann aus dem Jahr 1995 und Expressanker mit Lasche aus dem Jahr 2019 erweitert um ein Schraubglied und verbunden mit Seilstück
 
 
   
5. Seillänge (VI, V A0) – rechts die markante riesige 1. Höhle. Joachim direkt vor dem kurzen schweren Wulst. Der Teil dieser Seillänge vor und nach dem Wulst ist im 4.Grad
 
 
   
8. Seillänge (V-) – nachdem man in der 7. Seillänge 50 m Gehgelände hinter sich gebracht folgen in der 8. SL und 9. SL zwei Seillängen entlang einer markanten Pfeilerrippe. Die auch im Panico Topo erwähnte zwei Seillängen Variante in einer plattigen Rinne links dieser Pfeilerrippe haben wir uns am 2. Sanierungstag mal angeschaut und sie geklettert. Franz hatte uns im Vorfeld vor möglichem Steinschlag von oben in dieser Rinne gewarnt. Bei uns blieb zwar alles ruhig aber einer von Franz in dieser Rinne gesetzten Alu Bohrhaken sah derart übel und vom Steinschlag malträtiert (siehe Bild weiter unten) aus, dass wir diese Variante „Kanonenrohr“ tauften und nicht (!) saniert haben. Es empfiehlt sich hier als definitiv auf der Pfeilerkante und somit auf der Hauptroute zu bleiben.
 
 
   
9. Seillänge (V-) – Joachim in der Gufel am Stand nach der 9. Seillänge. Diese Gufel beherbergte bis September 2020 das Wandbuch.
 
 
   
Zum Gedenken an Annelotte Rosenhagen diese 1. Seite im Wandbuch. Sie verunglückte 1994 beim Alpinklettern im Sarchatal bei Arco tödlich.
 
 
   
10. Seillänge (3+) – mit dieser Seillänge verlässt man den unteren Wandteil und man zieht nach links hinaus aus der namensgebenden Riesenverschneidung
 
 
   
10. Seillänge (3+) – beim Durchstieg und der geplanten Sanierung des oberen Wandteils am 3. Sanierungstag im September 2020 sind wir, wie schonmal erwähnt, sehr früh unterwegs. Aber nicht nur das, wir sind auch viel schneller unterwegs. Denn Erstens besitzen wir nach den vorangegangenen zwei Sanierungstagen in der Wand perfekte Routenkenntnis und Zweitens müssen wir im unteren und mittleren Wandteil nichts mehr Bohren oder einrichten. Als Folge davon klettern wir bis zur Schlüsselseillänge in der 20. Seillänge fast alles am laufenden Seil, können den Sonnenaufgang an der Grubenkarspitze (siehe Bild) nicht mehr im Zustieg wie beim 1. Sanierungstag, sondern schon in der 10. Seillänge genießen und stehen bereits gegen 10 Uhr morgens am Stand nach der Schlüsselseillänge in der 20. Seillänge.
 
 
   
12. Seillänge (V-)
 
 
   
einer von Franz Baumanns bekannten roten Normalhaken, die in vielen seiner Karwendel Erstbegehungen zu seinem Markenzeichen gehören
 
 
   
13. Seillänge (V-)
 
 
   
je höher man kommt umso imposanter werden die Eindrücke in dieser schroffen Welt der riesigen Felswände
 
 
   
Joachim am Stand nach der 17.Seillänge. Das Bild zeigt einen guten Überblick über den weiteren Routenverlauf. In der 19.Seillänge ist es ganz wichtig bis ganz nach rechts in den Verschneidungsgrund zu queren. Erst dort ist der Standplatz, auch wenn er aus der Seillänge heraus zunächst nicht zu sehen ist! Die eingezeichnete mögliche Verhauervariante rechts des Schwarzen Loches führte möglicherweise zum schweren Kletterunfall von 2008 (siehe Geschichte zur Route).
 
 
   
Die letzten Meter der besagten 19. Seillänge (VI-). Joachim hier schon am Stand im Verschneidungsgrund nach der 19. Seillänge und vor der Schlüsselseillänge.
 
 
   
20.Seillänge (VI+ oder V+, A0) – Die für einige Meter richtig steile, athletische, knackige aber gutgriffige Schlüsselseillänge. Am 1. Sanierungstag im September 2019 waren wir richtig froh die Schlüsselseillänge, wider aller Befürchtungen, in tadellosem und originalem Zustand vorzufinden. Selbst die von Franz im Originaltopo eingezeichnete Normalhakenanzahl passte noch perfekt.
 
 
   
Am Stand nach der 20. Seillänge wurde im September 2020 die neue Wandbuch Konsole angebracht. Das Original Wandbuch aus der Gufel nach der 9.Seillänge hat hier weiter oben nun einen neuen Platz bekommen.
 
 
   
Das neue Wandbuch und der Stand nach der 20. Seillänge. Am 1. Sanierungstag im September 2019 bedeutete dieser Stand unseren Highpoint und Umkehrpunkt.
 
 
   
21. Seillänge (IV) – Ab hier wartete am 3. Sanierungstag wieder komplettes Neuland auf uns und die „Sanierungs-Arbeit“ begann. Es folgt der zwei Seillängen Quergang nach rechts hinaus auf der logisch vorgegebenen bandartigen Verwerfung. Der Quergang ist teilweise brüchig aber trotzdem gut gangbar.
 
 
   
21. Seillänge (IV) – Wer vom Ausstieg über die gesamte Route bis zum Wandfuß wieder abseilen will oder muss, muss Bedenken, dass dieses 21. Seillänge in Seilschaft wieder bis zum Wandbuch zurückgeklettert werden muss. Technisch ist es zwar kein Problem und da nahezu horizontal verlaufend auch nicht schwerer wie beim Aufstieg, aber einen gewissen Handlings- und Zeitaufwand bedeutet es natürlich schon. Muss man doch aus dem Abseilmodus wieder für eine Seillänge in den Seilschaftsmodus schalten um dann wieder in den Abseilmodus zu wechseln.
 
 
   
21. Seillänge (IV) – Joachim am Stand nach der 21.Seillänge.
 
 
   
23. Seillänge (IV) – Herrliche Tiefblicke auf die grünen Almböden der Eng-Almen
 
 
   
24. Seillänge (V) – diese Seillänge wird nun im gesamten zweiten Teil der Länge brüchiger. Mit dem Höhepunkt einer doch kurz echt brüchigen Verschneidung kurz bevor man auf den zweiten Pfeilerkopf dieser Länge hochkommt. Hier hatte Franz Baumann schon 1997 während seiner Abseilaktion einen BH gesetzt. Zur zusätzlichen Entschärfung kam hier noch einer dazu. Das Bild selbst zeigt aber noch den ersten Teil dieser Seillänge.
 
 
   
24. Seillänge (V) – Joachim steigt gerade aus der brüchigen Verschneidung ganz am Ende der Länge aus
 
 
   
in dieser Seillänge haben wir den Standplatz für einmal deutlich um einige Meter in guten Felsen verlegt. Der ursprüngliche Stand war noch vor der Verschneidung und kann nun als Zwischensicherung benutzt werden.
 
 
   
25. Seillänge (III) – Nun Naht das Ende in großen Schritten und es sind nur noch 70m oder zwei Seillängen dankbares 3er Gelände bis zum Ausstieg
 
 
   
26. Seillänge (III) – der Ausstieg in der Scharte ist schon in Sicht
 
 
   
Joachim befindet sich hier im Bild noch am letzten Standplatz der Route am Ausstieg. Der gesamte obere Wandteil ab dem Wandbuch ist trotz ein paar brüchiger Passagen deutlich besser gegangen, wie wir es uns durch Franz Vorinformationen erwartet hätten. Bereits um 14 Uhr stehen wir hier das erste Mal an diesem Berg in der Sonne. Nach ausgiebiger Pause und sanieren des letzten Standplatzes geht es in ca. 20 min dem auf dem Bild sichtbaren Grat entlang (bis II) zum Gipfel der Spritzkarspitze. Es zieht sich also länger wie es auf dem Bild den Anschein hat.
 
 
   
Vom Gipfel des Spritzkarspitze folgt ein sehr aufwendiger aber für Alpinkletterer und Bergsteiger wunderschöner Abstieg zurück zum Auto in der Eng. Immer in südöstlicher Richtung dem Gratverlauf entlang bis zur Hochglückscharte (2387 m). Um dorthin zukommen muss aber noch die komplette Eiskarlspitze (2610 m) in teils ausgesetzter, teils brüchiger, teils schrofiger Gratkletterei (bis II) überschritten werden. Auch wenn es sich um vielfach anspruchsvolles Gelände handelt ist das für Alpinisten bei gutem Wetter ein warer Hochgenuss, für so eine lange Strecke am Grat entlang zu schweben. Von der Hochglückscharte kann man schließlich nach Norden ins bis weit in den Sommer hinein schneegefüllte Hochglückkar absteigen. Nun sind es noch ca 1000 Hm bis zur Eng. Vom Hochglückkar zunächst weiter in nördlicher Richtung bis man beim Lärchenschloss auf den AV weg trifft und so am Kirchl zurück in die Eng gelangt. Vom Ausstieg bis zur Eng sind ca. 4-5 Stunden zu veranschlagen!!!
 
 
   
Bald steht der Aufstieg (rote Linie) auf die Eiskarlspitze an. Am Grat Ansatzpunkt auf die Eiskarlspitze bilden zwei markante Risse eine Art V. Es empfiehlt sich den linken Ast des V bis an dessen Ende zu verfolgen. Der Rest ergibt sich dann im weiteren Verlauf gut von selbst
 
 
 
   
Blick vom Gipfel der Eiskarlspitze zurück zur Spritzkarspitze. Die enormen Strecken kommen hier schon etwas heraus. Und die Eiskarlspitze ist auf dem Weg zwischen Spritzkarspitze und Hochgückscharte gerade mal die Hälfte.
 
 
   
schier unendliche Geröllhalden im Hochglückkar… doch auch jeder noch so lange Abstieg hat irgendwann einmal ein Ende und gegen 18 Uhr sind wir wieder zurück am Auto in der Eng. Glücklich über den erfolgreichen Abschluss der Sanierungsaktion, glücklich über einen herrlichen Tag in gewaltigem Ambiente der Karwendel Urwelt und glücklich darüber diese großartige Tour gemacht zu haben.
 
 
Viele Grüße
Joachim und Tobias


RE: Sanierung: Spritzkarspitze (2606m) – Nordwest-Verschneidung (VI+, V+/A0, 1100m, 26SL) - Tobias - 09.10.2021

Spritzkarspitze    –    Nordwest-Verschneidung
Erstbegehungs- und Sanierungsgeschichte
(Zusammengeschrieben von Tobias Bailer in den Jahren 2019, 2020 und 2021)
 
04.08.1979 – Franz Baumann und Annelotte Rosenhagen
-          Erkundung der ersten 6 Seillängen bis zum Band.
 
02.09.1979 – Franz Baumann und Annelotte Rosenhagen
-          Geklettert bis zum Standplatz oberhalb der Schlüsselseillänge.
-          Versuche zum Direkten Weiterweg (der eigentlich gewünschte Routenverlauf) nach der Schlüsselseillänge enden in steilstem und brüchigem Gelände erfolglos nach ca. 20m
-          ein Hexentric markiert den Umkehrpunkt. Danach Abseilen bis zur beginnenden Dunkelheit.
-          Biwak in der Gufel des zukünftigen Wandbuches.
 
12.09.1979 – Franz Baumann und Annelotte Rosenhagen
-          Erstbegehung und kompletter Durchstieg der Tour. Laut Originaltopo wurden lediglich 33 Normalhaken hinterlassen. 24 Standhaken und 9 (!!!) Zwischenhaken
-          Abstieg über Spritzkarspitze, Eiskarlspitze und Hochglückscharte zurück in die Eng. Biwak in den Latschen des Hochglückkar bei beginnender Dunkelheit.
 
August 1980 – Michael Lebun und Gefährten
-          Zweite Begehung. Biwak im Abstieg
 
September 1980 – Norbert …??? Im Alleingang
-          Dritte Begehung. Biwak im Abstieg
 
19.06.1993 – Franz Baumann und Annelotte Rosenhagen
-          Wiederholung als Eingehtour für große Touren im Sommer. Vermutlich erst 4. Begehung.
-          An einem Tag von der Eng bis zur Eng. Vermutlich erste Begehung ohne Biwak!
-          Im Nachgang dieser Begehung entstand durch Franz das Original Topo „Bau 93“ am Zeichenbrett und mit Tusche gezeichnet im Konstruktionsbüro der Firma Keckeisen in Laupheim.
 
16.08.1995 – Franz Baumann, Markus und Christian Ackermann
-          Sanierungsaktion mit geklebten Bohrhaken (Gerüstösen) begonnen.
-          Nach Felsausbruch wollen Markus und Christian (beide erst 18 Jahre jung) nicht mehr weiter und bleiben an einem geschützten Platz sitzen. Vermutlich im Bereich der 1. oder 2. Höhle. Franz geht solo noch zwei Seillängen weiter zum Bohrhaken setzten.
-          7 Haken (Alu BH M10) gesetzt
-          7 Klebehaken (M12) gesetzt
-          Gewitter in der Wand.
 
14.07.1996 – Franz Baumann und Gertrud Ackermann
-          Wandbuch und Gedenktafel für Annelotte Rosenhagen angebracht. In der Gufel am Stand nach der 9. SL
-          Tour bis zum Wandbuch weiter mit geklebten Bohrhaken (Gerüstösen) saniert. Zusätzlich wurden noch die zwei folgenden Standplätze nach dem Wandbuch mit einer Gerüstösen versehen.
-          10 Haken (Alu BH M10) + Bohrer Ø 10 + Hammer am Boden der Wandbuch Gufel deponiert (im September 2019 noch vorgefunden und belassen)
 
10.07.1997 – Franz Baumann (solo)
-          Aufstieg (solo) über die „Alte NW Wand“ (IV) zur Spritzkarspitze. Mit 2mal 50m Doppelseil, Hilti Bohrmaschine, 2 Akkus, und den Baumannschen Alu Bohrhaken, Expressankern und Hammer im Rucksack!!!
-          Vom Gipfel Abstieg zum Ausstieg der Route und anschließend abseilend saniert und Abseilpiste eingebohrt.
-          17 Haken (Alu BH M10) gesetzt
-          Kurzes aber äußerst heftiges Gewitter im unteren Wandteil. Infernale Zustände mit heftigstem Steinschlag in den riesigen Plattenfluchten. Nur dank großem Rucksack über dem Kopf halbwegs heil aus der Wand gekommen. Dennoch große Platzwunde am Kopf davongetragen und blutverschmiert zurück in der Eng angekommen.
 
1998 – 2010
-          23 der 29 Einträge (Stand September 2019) im Wandbuch stammen aus diesen 12 Jahren
-          die steigenden Begehungszahlen in diesen Jahren sind vermutlich auf die Veröffentlichung in der Erstauflage des Panico Karwendel Führers 1997 und den folgenden Auflagen zurückzuführen
 
09.09.2008 – Andi W. und Sebastian Brandhofer
-          Schwerer Kletterunfall im Bereich der Schlüsselseillänge.
-          Zustandsinformation anlässlich dieses Unfalls recherchieret und im Jahr 2013 veröffentlich von Ralf Sussmann:
Die Schlüsselseillänge (überhängender Verschneidungsriss) war vom Stand aus gesehen im September 2008 augenscheinlich komplett hakenfrei. Es besteht Anlass zur Vermutung, dass die Länge freigestürzt wurde.
Damals existierte eine Umgehungsvariante links davon über einen Höhlenüberhang mit 5 Schlaghaken und einer Köpferlschlinge. Diese Variante ist nach Vorstiegs-Ausbruch eines großen Blocks und nachfolgendem Reissverschlusssturz ausgenagelt worden, nur der unterste Verhauerhaken ist verbleiben. Der Unfall ist mit schwereren Verletzungen und einer komplizierten Hubschrauberbergung aus dem leicht überhängenden Wandteil ausgegangen. Potentielle Wiederholer sollten sich ggfls. auf eine Neu-Erstbegehung der Schlüsselseillänge direkt über den Verschneidungsriss einstellen und entsprechend Material mitführen.
Wir bitten ggfls. um Rückmeldungen hierzu.
Ralf Sussmann, 17. September 2013

 
20.07.2010 – Michael Hornsteiner und Daniela Blackwell
-          Schlüsselseillänge in tadellosem Zustand
-          Geklettert bis zum Gipfel
-          Abstieg über Eiskarle und abgeseilt über „Weg zum Wasserfall“
 
2010 – 2019
-          9 Jahre lang kein einziger Eintrag im Wandbuch
-          abruptes Einbrechen der Begehungszahlen vermutlich aufgrund des Unfalls von 2008 und der im Internet 2013 veröffentlichten Warnung, welche mit der damaligen Informationslage aber absolut gerechtfertigt war.
 
14.09.2019 – Tobias Bailer und Joachim Hagel
-          1. Sanierungstag. Geklettert bis ans Ende der 20. Seillänge (Schlüsselseillänge).
-          Auf Initiative von Achim Pasold (Panico) und auf Wunsch von Franz Baumann wurde die Zustandserkundung und Sanierung der Route von Joachim und mir sehr gerne angegangen. Laut Franz DIE Touren die von seinem Schaffen im Karwendel auf jeden Fall übrigbleiben und geklettert werden soll. Panico hat das Material gesponsert, Franz die Fahrtkosten.
-          Zustandserkundung war nötig nachdem im Internet 2013 eine, wie schon erwähnt, mit der damaligen Informationslage absolut gerechtfertigte Warnung veröffentlicht wurde (Die Info zu der Begehung im Jahr 2010 wurden nämlich erst im Oktober 2019, also nach unserer Erkundungstour, recherchiert nachdem wir im Wandbuch davon gelesen hatten). Wir kletterten aber ohne besondere Vorkommnisse bis zum Stand nach der SSL (20. Seillänge / im Originaltopo ist vor dem Wandbuch eine Seillänge zu viel eingezeichnet). Die Schlüsselseillänge (SSL) war in tadellosem Zustand. Der Unfall im September 2008 ist vermutlich auf einen Verhauer im gelbbrüchigen Gelände links der eigentlichen SSL zurückzuführen. 
-          Insgesamt wurden an dem Tag 30 Bohrhaken gesetzt: 23 Bohrhaken an Standplätzen und Abseilständen. 5 Bohrhaken als zusätzliche Zwischensicherung. 1 Bohrhaken auf dem Einstiegsband und 1 Bohrhaken am Ende der Zustiegs-Felsstufe. Alle Bohrhaken aus A2 Edelstahlmaterial. Abseilstände mit Seilstücken verbunden.
-          16 Schraubglieder verbaut. 7 Schraubglieder am Stand nach der SSL für den obersten Wandteil deponiert. Alle Schraubglieder verzinkte Maillon Rapide.
-          Nach 40 Jahren erst der 29. Eintrag im Wandbuch. Wobei das Wandbuch bereits nach der 9 SL. angebracht war, d.h. es ist nicht mehr nachzuvollziehen wie viele dieser 29 Einträge wirklich die komplette Route geklettert haben.
 
29.09.2019 – Tobias Bailer und Joachim Hagel
-          2. Sanierungstag. Geklettert bis ans Ende der 18.Seillänge.
-          Auf Wunsch von Franz Baumann wurde die Gedenktafel an Annelotte Rosenhagen beim alten Wandbuch entfernt und ihm zurückgebracht
-          Insgesamt wurden an dem Tag 28 Bohrhaken gesetzt: 17 Bohrhaken an Standplätzen und Abseilständen. 10 Bohrhaken als zusätzliche Zwischensicherung. 1 Bohrhaken ersetzte eine durch Steinschlag defekte Zwischensicherung (Zweiter Bohrhaken der 1. SL). Alle Bohrhaken aus A2 Edelstahlmaterial
-          1 Normalhaken wurde in der 11. SL geschlagen und belassen.
-          4 weitere Schraubglieder an Abseilständen verbaut
-          10 Bohrhaken wurden am Stand nach der 18. SL deponiert für die Sanierung des obersten Wandteils.
-          Zusätzlich wurden 10 teils stark durch Steinschlag beschädigte Baumannsche Alu Bohrhaken Winkel durch moderne A4 Edelstahl Laschen ersetzt. Die Expressanker wurden dabei belassen.
-          Somit befinden sich nun bis zum Stand nach der 20. SL (Schlüsselseillänge) durchgehend zwei Bohrhaken an jedem Standplatz und an allen Abseilständen. An allen Abseilstandplätzen sind die beiden Bohrhaken mit einem Seilstück verbunden und ein Schraubglied ist vorhanden. Alle Standplätze die nicht zum Abseilen benutzt werden müssen haben kein verbindendes Seilstück zwischen den Bohrhaken.
-          Die auch im Panico Topo erwähnte zwei Seillängen Variante in einer plattigen Rinne links der Pfeilerrippe welche in der 8. und 9. SL eigentlich beklettert wird, haben wir uns am 2. Sanierungstag mal angeschaut und sie geklettert. Franz hatte uns im Vorfeld vor möglichem Steinschlag von oben in dieser Rinne gewarnt. Bei uns blieb zwar alles ruhig aber einer von Franz 1997 in dieser Rinne gesetzten Alu Bohrhaken sah derart übel und vom Steinschlag malträtiert (siehe Bild weiter unten) aus, dass wir diese Variante „Kanonenrohr“ tauften und nicht (!) saniert haben. Es empfiehlt sich hier als definitiv auf der Pfeilerkante und somit auf der Hauptroute zu bleiben.
-          Bei den gebohrten Zwischensicherungen wurde bewusst der sehr zurückhaltende Stil von Franz Baumann aus den Seillängen 1-9 fortgesetzt und es wurden nur ganz vereinzelte Zwischensicherungen an neuralgischen Punkten gesetzt.
-          Begehung und Sanierung des obersten Wandteils, sowie das Verlegen des Wandbuches auf den Stand nach der Schlüsselseillänge, ist geplant für den Sommer 2020.
 
Frühjahr 2020 – die 5. Auflage des Panico Karwendel Führer erscheint
-          Im Zuge der Sanierung wurde von mir über die Tour ein komplett aktualisiertes und detaillierteres Topo und ein präzises Wandbild mit Routenverlauf erstellt.
-          Das in dieser Auflage abgedruckte Topo zeigt aber selbstverständlich nur den Sanierungsstand bis zum Ende der Schlüsselseillänge. Der obere Teil war zum Zeitpunkt der Drucklegung ja noch nicht saniert.
-          Wichtig zu wissen: Leider ist im abgedruckten Topo ein Fehler im Bereich des nach der Schlüsselseillänge folgenden Quergangs. Das Topo an sich stimmt, aber an der seitlichen Seillängen-Legende, ist der Quergang fälschlicherweise als eine 25m Seillänge gekennzeichnet. Das stimmt nicht. Der Quergang sind zwei Seillängen (45 +20m). Der obere Teil wurde erst im September 2020 von uns erstmals geklettert und saniert und somit hatten wir auch diesen Quergang zum Zeitpunkt der Drucklegung eben noch nicht geklettert. Ganz unabhängig von diesem Fehler in der gedruckten Version war es mit Panico immer schon so angedacht, dass wir nach Abschluss der Sanierungsaktion das komplett bis oben aktualisierte Topo auf der Panico Homepage veröffentlichen (siehe Eintrag Herbst 2021).
 
19.09.2020 - Tobias Bailer und Joachim Hagel
-          3. Sanierungstag. Kompletter Durchstieg aller 26.Seillängen. Weiterweg zum Gipfel der Spritzkarspitze und Abstieg über Eiskarlspitze, Hochglückscharte, Hochglückkar zurück in die Eng.
-          Nachdem uns die Route inzwischen sehr gut bekannt ist und wir bis zum Stand nach der SSL nichts mehr „Arbeiten“ mussten (Bohren, BH setzten, BH am Stand mit Seilstücken verbinden, Schraubglieder anbringen usw.…), klettern wir diese ersten 20. Seillängen in nur 3,5 h
-          Wie geplant wurde das Wandbuch aus der Gufel nach der 9. SL zum Stand nach der Schlüsselseillänge (20. SL) verlegt. Die alte Wandbuch-Kassette wurde an Ort und Stelle belassen. Das sehr gut erhaltene Buch wurde am neuen Platz in einer neu angebrachten Kassette untergebracht.
-          Insgesamt wurden an dem Tag 19 Bohrhaken gesetzt: 9 Bohrhaken an Standplätzen und Abseilständen. 10 Bohrhaken als zusätzliche Zwischensicherung. Alle Bohrhaken aus A2 Edelstahlmaterial
-          4 weitere Schraubglieder an Abseilständen verbaut. Zu beachten ist das die 21.SL nicht abgeseilt werden kann, da sie nahezu 45m horizontal verläuft. Vom Ausstieg kann also nur 4-mal bis zum Stand nach der 21. SL abgeseilt werden. Danach muss die 21. SL klassisch mit Standplatzsicherung in Seilschaft horizontal zurück geklettert werden. Erst dann kann vom neuen Wandbuch weg wieder über die eingerichtet Abseilpiste (siehe Topo) abgeseilt werden.
-          Der letzte Stand am Ausstieg befindet sich vom tiefsten Punkt der markanten Gratscharte aus betrachtet ca. 4m in Richtung Spritzkarspitze und ca. 1,5m unterhalb der Gratkante bei einem kleinen Bändchen/Absatz in der Nordwestwand.
 
August 2021 – Sebastian Brandhofer und Simon ?
-          Erste Wiederholung nach der Sanierung
-          Im Nachgang dieser Begehung schreibt Sebastian Brandhofer auf seiner
Homepage
eindrücklich über die Verarbeitung der dramatischen Ereignisse des Unfalls von 2008 und die damit verbundenen Emotionen. Siehe:
Déjà vu an der Spritzkarspitze
.
 
Herbst 2021 – Panico veröffentlicht aktualisiertes Topo
-          Das Topo wurde nun auch um die Informationen und den Sanierungstand im oberen Wandteil ergänzt und von Panico auf der Homepage des Verlages veröffentlicht.
-          Das Topo steht auf der Homepage des Panico Alpinverlag gratis zum Downlaod beim „
Alpinkletterführer Karwendel
“ unter der Ruprik „Updates“ zum Download bereit. Wer die Tour also klettern will soll sich unbedingt dieses aktualisierte Topo besorgen. Es zeigt nun den kompletten sanierten Zustand aller 26 Seillängen.



RE: Sanierung: Spritzkarspitze (2606m) – Nordwest-Verschneidung (VI+, V+/A0, 1100m, 26SL) - Tobias - 15.10.2021

Schon mehrfach im Bericht wurden bisher die von Franz Baumann selbst gebauten und 1997 gesetzten Alu Bohrhaken erwähnt. Diese Bohrhaken Art stellt sicherlich ein großes Unikat dar, oder hat jemand schonmal irgendwo Aluminium Bohrhaken aus einem gleichschenkligen Winkelprofil 50x50x8mm gesehen?

An geschützten stellen sahen diese Bohrhaken noch aus wie nagelneu (siehe 1. Bild). Selbst die typische Baumannsche rote Farbe sieht bei diesen Haken noch teils wie neu aus. Ganz anders dagegen an manchen dem Steinschlag ausgesetzten Positionen. Solche malträtierten und optisch vogelwild aussehenden Haken habe ich doch noch nie gesehen. Durch die mit 8mm sehr dicke Wandstärke sind diese Haken sicherlich schon rein statisch, im Vergleich zu einer inzwischen üblichen 2mm BH Lasche, vermehrt dem Steinschlag ausgesetzt und mehr Steine treffen den BH. Zudem tut das „weiche“ Aluminium sein Übriges dazu, dass einige ganz zerbombte Exemplare und wild aussehende Haken von uns entfernt wurden. Bei einem Haken (siehe 2. Bild) hat sich sogar ein Felsspliter ins Aluminium des Borhakens eingearbeitet!!! Ebenfalls übel getroffen wurde der Haken (sieh 3. Bild) in der so getauften Variante „Kanonenrohr“ links der 8. und 9.SL
 
   
   
   
 
Das alles war Anlass diese Haken nach ca. 22 Jahren im Fels mal von der DAV Sicherheitsforschung unter die Lupe zu nehmen lassen. Den Untersuchungsbericht findet ihr hier als PDF.


.pdf   Untersuchungsbericht_Alu Laschen.pdf (Größe: 377,09 KB / Downloads: 505)


RE: Sanierung: Spritzkarspitze (2606m) – Nordwest-Verschneidung (VI+, V+/A0, 1100m, 26SL) - Lampi - 15.10.2021

Danke - auch wenn ich die Route trotz der BH nicht klettern kann.


RE: Sanierung: Spritzkarspitze (2606m) – Nordwest-Verschneidung (VI+, V+/A0, 1100m, 26SL) - Tobias - 25.07.2024

Leider erreichte mich die Nachricht, dass es vermutlich im Juni 2024 einen größeren Felssturz in der gesamten unteren Wandhälfte der Spritzkarspitze - Nordwest-Verschneidung gegeben hat. Siehe Bilder. Betroffen sind die Seillängen 1-14 !!!. Das heißt wirklich ein sehr großer Teil der Tour.

Wie groß der Schaden an der Tour ist kann aktuell natürlich noch nicht gesagt werden. Mehr wie die angehängten Bilder weiß ich auch noch nicht. Aktuell muss aber vor einer Begehung dringend abgeraten werden!!! Es empfiehlt sich mindestens ein Jahr abzuwarten und selbst dann muss mit äußerster Vorsicht vorgegangen werden.

An Hand der Bilder ist mir auch nicht so ganz klar was hier wirklich passiert ist. Der braune Streifen beginnt auf einem eher plattigen, kompakten rampenartigen Wandbereich, wo ich mir nur schwer vorstellen kann das einen klassischen Felsaubruch gegeben hat. Auch irritiert mich sehr, die eher braune Farbe des Ausbruches! Felsstürze im Kalk haben doch meist eher eine weißliche, gräuliche oder gelbliche Farbe. Alles also etwas merkwürdig und mit vielen Fragezeichen versehen!

Wenn hier einige Sommergewitter und ein Winter drüber sind werde ich vorraussichtlich im Jahr 2025 mal einsteigen und schauen wie groß der Schaden ist. Ich halte euch auf dem laufenden.

   
   

Viele Grüße
Tobias


RE: Sanierung: Spritzkarspitze (2606m) – Nordwest-Verschneidung (VI+, V+/A0, 1100m, 26SL) - Tobias - 02.10.2024

Es gibt sehr gute Nachtrichten von der Spritzkarspitze! Die Nordwest-Verschneidung ist (Stand Ende August 2024) wieder einwandfrei kletterbar!!!

Aber der Reihe nach. Schon Anfang August erreichten mich neue Bilder von der Spritzkarspitze Nordwestwand auf denen von dem markanten braunen Streifen im Bereich der Nordwest-Verschneidung nichts mehr zu sehen war. 

    Anfang August 2024 - schon damals keine Anzeichen mehr von einem Bergsturz äußerlich zu sehen
    Anfang August 2024 - schon damals keine Anzeichen mehr von einem Bergsturz äußerlich zu sehen

Schon damals war also die Hoffnung da, dass es sich doch nicht um einen größeren Felssturz gehandelt hat. Die letztliche Bestätigung kam Ende August durch eine interessante Begebenheit. Ein Rosenheimer Kletterer kontaktierte mich Ende August telefonisch und erzählte mir, dass er am Vortag die komplette Nordwest-Verschneidung geklettert hat und vor Ort in der Wand überhaupt keine Anzeichen eines Felssturzes mehr bemerkt hat. Er wusste überhaupt nichts davon und hat erst am Tag nach der Tour die Bilder meines Post hier bei Rocksport gesehen und war dann natürlich sehr verwundert wie es in der unteren Wandhälfte im Frühsommer 2024 noch ausgesehen hat.

        Ende August 2024 - Bilder von Julians Begehung

Vermutlich war der braune Streife also doch eher von sandig, erdiger oder lehmiger Natur und nach ein paar Regenfällen wieder verschwunden. Woher diese großen Mengen allerdings kamen, die immerhin eine Wandhöhe von ca. 14 Seillängen massiv eingefärbt haben, und was es genau war, bleibt noch immer rätselhaft und wird wohl das Geheimnis der Spritzkarspitze bleiben!

Fazit: Die Nordwest-Verschneidung der Spritzkarspitze ist (Stand Ende August 2024) wieder einwandfrei kletterbar!!! Während einer Begehung Ende August 2024 wurden in der Wand überhaupt keine Anzeichen eines Felssturzes mehr bemerkt. Alle Bohrhaken und auch die Verbindungsseilstücke an den Standplätzen zwischen den beiden Stand Bohrhaken waren in einwandfreiem Zustand!
 
Viele Grüße
Tobias