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Normale Version: Totenkirchl - Westwand „Dülfer“ (VI+ oder V+/A0, 400 mH), Wilder Kaiser 09.08.14
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„Am 26. September 1913 stieg Dülfer mit Willy von Redwitz nochmals ein, mit zwei 40-Meter-Seilen, 26 Haken und - seinem phantastischen Können. Nach 7½ Stunden standen die beiden Münchner am Gipfel des Totenkirchl … Erst 1919 kamen die Zweiten.“

„Bald sammelten sich immer mehr Kletterer unter dieser Wand, begingen „17-Meter-Riß“, „Nasenquergang“, Zickzackwandl, „Schluchtquergang“ und anstrengende Ausstiegsrisse, und der Ruhm dieser Wand schwoll weit über die Voralpen hinaus.“


aus: Walter Pause – im extremen Fels.


„Wir sind durchgerumpelt, als hätten wir die Tour schon einmal gemacht. … . Ich habe Dülfer nie schnaufen gehört, auch im anstrengendsten Riss nicht.“

Willy von Redwitz


Hans Dülfer, einer der größten Klettergenies vor dem 1. Weltkrieg, lieferte hier an der Totenkirchl Westwand im Wilden Kaiser 1913 sein Meisterstück ab. Bereits im Jahr zuvor glückte ihm mit der Fleischbank Ostwand der erste große Paukenschlag. Hier wie dort benutzte er seine legendären Pendelquergänge. Höchst interessant ist auch die Tatsache, dass sich Dülfer im Vorfeld der Erstbegehung am Totenkirchl ganz alleine über gesamte Westwand abgeseilt (!) hat um die Gangbarkeit der Wand zu erkunden. Vermutlich hätte man von Dülfer noch viele weitere große Klettertaten erwarten können, wäre er nicht am 15. Juni 1915 bei Arras in Frankreich im sinnlosen Stellungskrieg der Westfront gefallen.

Überaus verwundert waren wir über die Tatsache, dass sich im altehrwürdigen „Nasenquergang“, der Schlüsselstelle dieser Route, künstlich geschlagene Tritte befinden. Eigentlich ein Absurdum Alpinistico. Nach Rücksprache mit Markus Stadler, dem Kletterführerautor und Gebietskenner par excellence, stammen diese vermutlich aus der Nachkriegszeit und die Urheber sind unbekannt. Scheinbar wurden hier die wenigen wirklich plattigen Meter rigoros leichter gemacht um auch mit dicken Bollerschuhen auf der Platte stehen zu können.

Wieder einmal stand in diesem regnerischen Sommer 2014 ein nur halbtägiges Wetterfenster zur Verfügung und es waren bereits zu Mittag Gewitter und starker Regen angesagt. Natürlich nicht gerade die besten Vorrausetzungen für so eine lange Tour mit anspruchsvollem Abstieg. So wurde hochgepokert und doch gewonnen. Denn es hat gerade so lange wie angenehm gehalten und erst kurz nach dem „Führerkamin“ (die letzte schwere IIIer Abkletter-Passage im Abstieg) öffnete der Himmel seine Schleusen und der Wind peitschte den Regen waagrecht über das Stripsenjoch.

[attachment=10502] Totenkirchl gesehen vom Stripsenjoch (die Westwand befindet sich rückseitig)
[attachment=10503] Blick aus der Winklerschlucht auf die Totenkirchl Westwand

Übernachtet wurde am Auto bei der Griesner Alm (988 m) und bereist im Dunkeln sind wir auf dem Weg zum Stripsenjochhaus (1577 m). Dort geht es westseitig wieder gut 150 Hm hinunter um schließlich unter die Totenkirchl Westwand aufzusteigen. Ab Griesner Alm hat dies 1,5 h gedauert. Herrschte im Osten schöne Morgenstimmung mit blauem Himmel, so stand im Westen bereits der erste Regenschauer mir Regenbogen am Himmel. Na toll, das geht ja schon gut los. Im leichten Regen klettern wir die Winklerschlucht hinauf und zu allem Überfluss haben wir auch noch Topo´s und Wandbilder im Auto vergessen. Glückwunsch! Doch die kurze Zwischenstörung verzog sich schnell wieder und das Manko mit dem Topo wurde mit moderner Technik erschlagen. Wenig später hatte ich das abfotografierte Topoguide-Topo auf dem Handy. Größten Dank Alban für das Topo und das ich dich aus dem Bett werfen durfte
Wink

Wink

Wink


[attachment=10504] Morgenstimmung – blauer Himmel im Osten
[attachment=10505] Morgenstimmung – Regen im Westen
[attachment=10506] Altschneefeld am Beginn der Winklerschlucht

Als wir dann aus der Schlucht draußen und auf der Route waren mussten wir die Drehzahl aber endlich erhöhen, denn schon genug Zeit ging ins Land und gegen Mittag war ja der große Regen angesagt. Die ersten drei Seillängen klettern wir noch seilfrei und erst ab dem „17 Meter Riss“ klettern wir in Seilschaft. Was hier teilweise für überdimensionale Schlaghaken stecken. Unglaublich. Es ging recht flott und bald sind wir am berühmten „Nasenquergang“. Alle weiteren Angaben zu den Seillängen beziehen sich auf das sehr exakte Topoguide-Topo.

[attachment=10507] Querung aus der Winklerschlucht heraus
[attachment=10508] überdimensionaler Schlaghaken im „17 Meter Riss“
[attachment=10509] Blick auf den Quergang in der 5. SL
[attachment=10510] Blick auf den Quergang in der 5. SL
[attachment=10511] 7. Seillänge
[attachment=10512] Blick auf den berühmten Kopftörlgrat

Es folgt der Nasenquergang. Wer den Quergang nicht klettern will kann weiterhin auf Dülfersspuren den Pendelquergang machen. Auch dieser weiteroben liegende Pendelstand ist eingebohrt. Dennoch schien uns das aufgrund der großen horizontal Distanz sehr kühn! Beim Klettern handelt es sich aber lediglich um 2 plattige schwere Meter kurz vor der Kante und hier steckt zum einen direkt ein Bohrhaken, zum anderen sind hier die schon eingangs erwähnten geschlagenen Tritte und zur Not hängt von einem Normalhaken auch noch eine A0 Schlinge herum. Die VII- aus dem Topoguide ist durchaus dankbar bewertet und ich denke die VI+ aus dem Panico Topo trifft es ganz gut.

[attachment=10513] der legendäre Nasenquergang
[attachment=10514] der legendäre Nasenquergang
[attachment=10515] der legendäre Nasenquergang
[attachment=10516] der legendäre Nasenquergang – das sieht hier wesentlich dramatischer aus als es ist
[attachment=10517] die geschlagenen Tritte im Nasenquergang

Es folgen „Zickzackwandl“, der „Schluchtquergang“ und eine leichtere Seillänge in der Schlucht bis zu den Wandbüchern etwas links außerhalb der direkten Kletterlinie. Nach den Wandbüchern quert man in zwei Seillängen mal wieder fröhlich nach rechts um die Ausstiegsrisse zu erreichen.

[attachment=10518] 12.SL - Querung nach rechts in die Ausstiegsrisse

Für die folgenden drei Seillängen in den Ausstiegrissen sollte man noch etwas Pulver bereit haben, denn diese Seillängen sind zwar nur mit V+ und VI- bewertet, aber wesentlich anhaltender wie alles zuvor und man wird sich das ein oder andere Mal etwas wundern was hier alles mit V+ durchgeht. Zudem gilt es auch noch auf ein paar Metern einen klassischen Kaiser-Kamin zu meistern.

[attachment=10519] 14. SL - Ausstiegsrisse
[attachment=10520] 14. SL - klassischer Kaiser-Kamin
[attachment=10521] 16. SL - kurzer Überhang in den Ausstiegsrissen

Nach knapp 5 h stehen wir am Gipfel und im Westen ist schon klar zu erkennen was uns hier bald blüht. Die dicken grauen Wolken sind nicht mehr zu leugnen. Nun ist natürlich der Abstieg vom Totenkirchl nicht gerade als Spaziergang bekannt und die vielen IIIer Kamine und Rinnen wollen ehrlich abgeklettert oder abgeseilt werden. Der Abstiegsweg ist jedoch bestens mit roten Punkten und Pfeilen markiert und so sollten wenigsten keine größeren Orientierungsprobleme aufkommen. Wir klettern alles ab und machen eine Punktlandung, denn direkt nach der letzten anspruchsvollen Abkletterpassage, dem Führerkamin, beginnt es in Strömen zu Regnen.

[attachment=10522] von Westen kommt die Wolkenfront
[attachment=10523] Abstieg vom Totenkirchl
[attachment=10524] Abstieg vom Totenkirchl
[attachment=10525] Abstieg vom Totenkirchl im Regen
[attachment=10526] Abstieg vom Totenkirchl im Regen – im Hintergrund die Führernadeln


Literatur / Kletterführer:
Topoguide, Band 1
1.Auflage 2005
Nicole Luzar, Volker Roth

Kletterführer Wilder Kaiser
Panico Alpinverlag
Markus Stadler

Kletterführer Bayerische Alpen, Nordtirol
1.Auflage 2004
Bergverlag Rother
Richard Goedeke

Im extremen Fels
2. Auflage 1977
Walter Pause, Jürgen Winkler


Landkarten:
AV Karte 8
Kaisergebirge
1:25000


Viele Grüße
Florian, Jürgen und Tobias
Herzlichen Glückwunsch zu Eurer schnellen Begehung!

Oliver und ich hatten uns im Juni diesen Jahres nach Zeitverzug vor allem aufgrund eines kapitalen Verhauers und nach realistischer Einschätzung unseres zusätzlichen Zeitbedarfs für den Weiterweg zum Gipfel und den folgenden Abstieg erst mal zum Rückzug entschlossen,was auch wegen des Quergangs in der 5. SL eine seiltechnisch nicht ganz leichte Aufgabe darstellte,uns mit etwas Tüftelei aber dann doch gelang.Jedoch hatten wir einen erneuten Versuch in diesem Berg-Urlaub noch nicht ganz verworfen.

   Da ich mich am nächsten Morgen aber dafür nicht ausreichend fit fühlte,fiel die Wahl,nachdem wir sie 2 Tage zuvor zuerst richtig begonnen,jedoch dann in völlig falschem Gelände verloren hatten,erst noch mal wieder auf die wesentlich kürzere,für uns mit dem Quergang und gut abgesicherten 5+Riss der 4. SLzum nächsten Stand sowie der sehr kühnen,langen und teilweise recht weite Haken-Abstaende aufweisenden 4er Kamin-SL kurz vor dem Ausstieg allerdings  kaum weniger fordernde Fiechtl-Route (
www.magnesiumcarbon.at/mehrseil-a/135-totenkirchl-sockeldurchstieg-fiechtl-v-wilder-kaiser-kaisergebirge-a#comments
) im unteren NO Wand Sockel des Totenkirchls,die wir so dann komplett durch und zu Ende klettern konnten.Dies erwies sich nach dem Abstieg zum Stripsenjoch als richtige Entscheidung,da wir auf dem Weiterweg zur Griesner Alm am Nachmittag von einem mehrere Stunden andauernden Landregen eingeholt wurden,der uns in der gut doppelt so langen Dülfer-Route mit Sicherheit noch erwischt hätte.

   Für die folgenden Tage war dann wechselhaftes Wetter mit häufigen Regenschauern vorhergesagt,und so gingen wir am nächsten Tag erst einmal an der Zellerwand in den Chiemgauern sportklettern und unternahmen am Tag darauf eine Bergtour durchs Griesner Kar und einer 3 SL Route am SW Grat aufs Lärcheck im Kaiser.Am Tag danach hatten wir dann als Vorbereitung auf einen erneuten Dülfer-Versuch im Rahmen des Zustiegs zum Stripsenjochhaus,wo wir erneut übernachten wollten,einen weiteren Übungstag am Wildanger,an dem wir schon vor dem ersten Fiechtl Versuch tätig gewesen waren.Für den folgenden Tag war dann stabiles Hochdruck Wetter vorhergesagt,sodass wir da unseren 2. Versuch an der Kirchl W Wand unternehmen wollten.

   Nach 7.00 Uhr hatten wir das Schneefeld am Schluchteingang hinter uns,und da wir jetzt den Routen-Verlauf in der unteren Wandhälfte bereits kannten,kamen wir nun deutlich zügiger voran als beim ersten Versuch und erreichten mehr als 2 h früher den Stand vor dem Nasenquergang.
Das Gelände in dieser SL empfand ich nur rein vom Anschauen her als fürchterlich ausgesetzt und grauslich glatt.Sobald man sich der Sache jedoch erst einmal annahm,verlor auch diese Seillänge unter Verwendung einiger Sicherungspunkte als Fortbewegungshilfe für mich Ihren Schrecken.
Etwas mehr davon bereitete dann die dem Zickzackwandl folgende Seillänge im Schluchtquergang,wo nach 15 m Aufstieg eine Kante nach links überquert und dann zur Freude des einen oder anderen Nachsteigers im 6.Grad an großteils geschlagenen Haken teilweise überhängend weiter nach links ab(!!)-und zum nächsten Standplatz im Schluchtgrund hinüber geklettert werden muss.Bei uns wurde im Nachstieg ein Halbseilstrang in einen der ersten Haken zu Beginn des Quergangs gefädelt,womit sich die Begehung dieser Passage auch für den Seilzweiten(mit schwerem Rucksack!!)verantworten ließ.
Zu Beginn des Rechtsquergangs  der übernächsten SL hatten wir uns vor dem Erreichen der schwierigen Ausstiegsrisse noch mal eine knapp halbstündige Verschnaufpause,in der wir uns über unsere Verpflegung hermachten,genehmigt,bevor es in die Endrunde ging,die uns Kamin-und Riss-technisch noch mal so richtig zusetzte.
Die letzte SL führte uns dann gegen 17.00 Uhr direkt zum Gipfel,wo uns die Leistung  Willy von Redwitzs und vor allem Hans Dülfers erst so richtig bewusst wurde,dem es  mit seinem offensichtlich guten Gespür für das seinerzeit Machbare vor mehr als 100 Jahren gelang,mit einer ebenso raffinierten wie logischen Routenführung den Weg des geringsten Widerstandes durch dieses etwas unübersichtliche und abweisende Gemäuer zu finden.Einen Weg,der jedoch nach wie vor über etliche Seilängen in anspruchsvollem Gelände verläuft,mit einigen recht schwierigen Einzelstellen aufwartet und mit einer "Ausrüstung"und "Sicherungs"-Methoden erstbegangen wurde,die dieser Bezeichnung nach heutigen Maßstäben in keinster Weise genügen würden.
Um aus lauter Bewunderung vor der Leistung der Erstbegeher am Ende nicht noch am Fels anzuwachsen,schickten wir uns,nachdem das Gipfelpanorama fotografisch verewigt und die Reste unserer Verpflegung aufgebraucht waren,dann doch an,mit dem nicht eben einfachen Abstieg zum Stripsenjoch zu beginnen,wo wir nach einigen Stunden Abklettern und Abseilen kurz nach Einbruch der Dunkelheit eintrafen.

   Tags darauf stiegen wir zur Griesner Alm ab und konnten in unserer restlichen Urlaubszeit mit der Direkten N-Wand der Bernadein Wand (
www.sirdar.de/Tourenbuch/over400/438.html
) ,bei der uns Jan mit Bergfreunden Gesellschaft leisteten,und der Zwölferkante (
www.hikr.org/tour/post115652.html#comments
) mit ihrem längeren Zu-und haarsträubenden Abstieg in einer teilweise von Felsstürzen bedrohten Abstiegsschlucht(beide Kletterrouten im Wetterstein) sowie der  der S Wand(Jahnweg) an der Großen Bischofsmütze im Dachstein (
www.alpintouren.com/de/touren/klettern/tourbeschreibung/tourdaten_21000.html
) noch ein paar weitere alpine Fels-Touren unternehmen.Bei dieser letzten Unternehmung mussten wir nach der Ankunft am Gipfel allerdings fluchtartig abseilen,da eine sich verstärkende Gewitterneigung,die eigentlich etliche Stunden später angekündigt war,die Metallteile in unserer Umgebung erklingen liess.Wenig später gab es dann auch,begleitet von Böen und aufkommendem Regen,die ersten Einschläge,die wir aber durch die infolge unseres Abstiegs zunehmende Distanz nicht mehr zu spüren bekamen.Nachdem sich die Gewitterzelle kurz vor Erreichen der Hofpürglhütte verzogen hatte,konnten wir den Rest des Abstieges zur Aualm ohne weitere Zwischenfälle fortsetzen.