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Normale Version: Geierkopf – Midwinter Gully (M9 oder M7/A2, 500m), Ammergauer Alpen 01.02.14
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“Charakterisiert durch ein reizvoll-gruseliges Ambiente und die Vielfalt der alpinistischen Anforderungen. Während „Bayerisch Chamonix“ nebenan nur einen guten Mixed-Kletterer fordert, braucht´s hier den waschechten Alpinisten, besser Schotten. Die Route beginnt in den ersten 3 Längen … entwickelt sich in den folgenden 9 Längen zur herb-alpinen Extremroute.“

Erstbegeher Ralf Sussmann



Ich kann nur meinen besten Dank und Respekt für die Erstbegehung dieses alpinen Sahnestückchens aussprechen. Das "Midwinter Gully" ist wirklich eine alpine Mixed-Extremtour allererster Klasse und hebt sich deutlich von anderen Touren dieser alpinen Spielart in unseren nordalpinen Regionen ab! Zugegebenermaßen dürfte da keine Tour am Allgäuer Rubihorn oder Aggenstein mithalten können. Selbst im Vergleich zur Rubihorn Toptour "Ice on the Rocks" spielt das "Midwinter Gully" in einer anderen Liga. Trotz Bohrhaken liegen der herbe Duft von Abenteuer und wildem Gelände gewaltig in der Luft und das bis zur allerletzten Seillänge. Zusammen mit dem langen, mühsamen Zustieg ist man den ganzen Tag gefordert - Ausruhen ist hier definitiv erst wieder im Tal angesagt. Die Tour wurde erst im Dezember 2013 von Ralf Sussmann, Michael Warscher und Andreas Reichert eingerichtet und Erstbegangen.

Jürgen und ich haben uns am 01.02.2014 vermutlich die 4. Begehung geholt. Da ich laut der Homepage des Erstbegeher Ralf Sussmann nur von den in unseren Gefilden durchaus bekannten Zweit- und Drittbegehern David Bruder und Martin Oswald weiß gehe ich mal davon aus das wir die 4. Begehung waren. Nun aber mal zum wichtigsten
Wink
: Ralf Sussmann hatte quasi öffentlich ein Tragl Tegernseer Spezial für die erste OnSight Begehung ausgelobt. Da diese soweit ich weiß bisher noch ausgestanden ist, war es nun soweit. Mein Spezl Jürgen konnte alle Seillängen Rotpunkt und unglaublicher Weise alle Vorstiegsseillängen OnSight klettern einschließlich der garstigen M9 Länge!!!

[attachment=9469] Geierkopf – Midwinter Gully


Die Verhältnisse waren noch passabel aber das Eis hat im Vergleich zu den Bildern der Erstbegeher abgenommen und speziell die 6. SL und die 10. SL waren ohne bzw. mit wenig Eis extrem anspruchsvoll. Zudem sorgte der Neuschnee schon im Zustieg für deutliche Spurarbeit. Insbesondere aber mussten wir in den allermeisten Seillängen teilweise die Haken und vor allem vielfach die Hooks suchen und vom Schnee befreien. Im mittleren, flachen Teil nach dem eigentlichen Gully haben wir dann bis hüfttief Gewühlt und leider auch die Standplätze nicht finden können und deshalb fälschlicherweise eine kleine Variante eingebaut. Zudem hatte einer der nichtgefundenen Standplätze beim Abseilen ein etwas abenteuerliches Manöver an einer "Pulverschneebirne" zur Folge. Ansonsten Zustieg 2h 15 min, Kletterzeit 6 h und für den Abstieg mit längerer Standplatzsuche beim Abseilen 3h vom Top bis Auto.

In der weiteren Folge verwende ich exakt die Schwierigkeits- und Längenangaben aus dem Topo des Erstbegehers. Über das ein oder andere + oder- bei den Mixedangaben wird immer jemand was auszusetzten haben können aber nach inzwischen erfolgten kleineren Korrekturen sollte es sehr gut passen. Zudem sind in der Beschreibung von Ralf Sussmann unter
http://www.nordalpenklettern.lima-city.d...0Gully.htm
weitere Begehungstipps hinzu gekommen. Es lohnt sich also immer auf der Homepage das aktuelle Topo/Beschreibung zu holen.


Tourenbericht:

Schon der Zustieg ist lang und je nach Schneeverhältnissen mühsam. An den Geierfällen rechts vorbei zieht eine deutliche Steilrinne. Bis man allerdings im eigentlichen Kar unter der Wand ist zieht es sich noch ein bisschen. Im Kar geht es dann unter den Wänden nach rechts hinein in den hintersten Winkel.

[attachment=9470] Im Zustieg geht es vorbei an den Geierfällen
[attachment=9471] steil bisweilen und mühsam rechts vorbei an den Geierfällen
[attachment=9472] im hintersten Winkel startet das “Midwinter Gully”

Die 1. SL (M5, WI 4-, 60 m) macht zunächst von unten einen sehr unangenehm plattigen Eindruck. Ist es dann auch, aber irgendwie ist doch immer der passende Hook da. Von den ansscheinend 5 Bohrhaken finde ich nur 3. Der Rest ist wahrscheinlich irgendwo unter dem Schnee.
[attachment=9473] 1.SL (M5, WI 4-, 60 m)
[attachment=9474] 1.SL (M5, WI 4-, 60 m)
[attachment=9475] 1.SL (M5, WI 4-, 60 m)

Danach folgt in der 2.SL (40°, Gehgelände, 60 m) einfaches Schneegelände bis an den Beginn des zentralen Teils des Gullys. Hier haben wir keinen Stand gefunden. Jürgen bezieht Stand im Eis am Beginn der nachfolgenden Länge. Hier wäre es aufgrund der einfachen 3.SL (M4, WI4-, 30 m) besser, schneller und ohne größere Gefahrenmomente wenn der Vorsteiger nach dem Schneegelände die 3.SL gleich noch anhängt und der Nachsteiger simultan im Gehgelände nachkommt.

[attachment=9476] 2.SL (40°, Gehgelände, 60 m)
[attachment=9477] Blick auf den zentralen Teil des Gullys und die nächsten vier Seillängen
[attachment=9478] 3.SL (M4, WI4-, 30 m) - Warm Up im Gully
[attachment=9479] 3.SL (M4, WI4-, 30 m) - am Ende der Seillänge

Mit der 4. SL wird es nun aber endgültig ernst und es wartet die reinen Schwierigkeiten betreffend die absolute Schlüsselstelle der Tour. Wie schon erwähnt hat Jürgen diese Seillänge einfach OnSight weggezogen. Ich dacht ich sehe nicht richtig! Mit den Worten "Ich probiere es mal bis ich Stürze" stieg er in die Länge... und dann klippte das Seil souverän in einen Haken nach dem anderen ein und die wilden Meter waren erledigt. Respekt und Gratulation!!! Ich selbst kletterte es dann ungefähr als M7 A1.

[attachment=9480] 4.SL (M9 oder M5 A2, 30 m) - Jürgen klettert es OnSight
[attachment=9481] 4.SL (M9 oder M5 A2, 30 m) - Jürgen klettert es OnSight
[attachment=9482] 4.SL (M9 oder M5 A2, 30 m) - Jürgen klettert es OnSight
[attachment=9483] 4.SL (M9 oder M5 A2, 30 m) - Jürgen klettert es OnSight

Immer tiefer geht es hinein in den Berg. Das Ambiente ist gruselig und alpin extrem angehaucht. Die folgende 5.SL (M4+, 30 m) ist für den versierten Alpinisten der reinste Genuss und das Alpinherz darf Jubeln. Es wartet ein klassischer, wilder, steiler und bei uns etwas schneegefüllter Kamin in dem Stemmen und Spreizen angesagt ist. Der Fels nicht allzu fest aber gut zu klettern und es gibt vom Hängestand aus herrliche Tiefblicke auf den Nachsteiger.

[attachment=9484] am Stand nach der 4.SL mit Blick auf die die Längen 5. und 6.
[attachment=9485] 5.SL (M4+, 30 m)
[attachment=9486] 5.SL (M4+, 30 m)
[attachment=9487] 5.SL (M4+, 30 m)
[attachment=9488] 5.SL (M4+, 30 m)
[attachment=9489] 5.SL (M4+, 30 m)

Vom Hängestand geht es dann in der 6.SL (M7-, 30 m) per Überfall oder großem Schritt an die andere Kaminwand. Die nächsten Meter sehen eigentlich „leicht“ aus entpuppen sich aber als extrem fordernd da steil, brüchig und unangenehm. Zuweilen erfordert es ungewöhnliche Kletterstellungen. Den Spagat auf dem dritten Bild kann man allerdings nur bei Körpergröße größer 1,90 und deutlicher Gelenkigkeit anwenden. Leider hatte es hier rein gar kein Eis mehr.

[attachment=9490] 6.SL (M7-, 30 m)
[attachment=9491] 6.SL (M7-, 30 m)
[attachment=9492] 6.SL (M7-, 30 m)

Danach ging dann die Wühlerei und Sucherei los. Jürgen konnte den Standplatz nach der 6. SL nicht finden und bezog an Cams stand. Auch ich konnte ihn im Nachstieg leider nicht finden. Diese Tatsache sollte uns beim Abseilen noch etwas erhöhten Adrenalinspielgel verpassen. Die kurze M5 in der 7.SL war kein Problem. Das Auffinden des Standplatzes wiederum schon. Auch war uns im deutlich verschneiten Gelände nicht ganz klar wann es am besten nach rechts unter die Gipfelwand gehen soll. Das brachte uns 1,5 Seillängen Variante und unnötige Mixedmeter ein.

[attachment=9493] Blick auf den oberen Wandteil, Jürgen am improvisierten Stand
[attachment=9494] 7.SL (kurz M5, sonst Gehgelände60 m)
[attachment=9495] irgendwo in den weiten der 7. oder 8.SL
[attachment=9496] irgendwo in den weiten der 7. oder 8.SL

Über Umwege kamen wir so an den Beginn der Gipfelwand. Nun war zu mindestens der Weiterweg wieder klar und es folgte die nächste schwere Mixedseillänge (M8- oder M5 A2, 40 m). Ein deutlich überhängender Wandabsatz gilt es zu überwinden. Auf den ersten 3 Bohrhaken schwer, danach ca. M5+ und leichtes Eis. Ohne lang zu fackeln steigt Jürgen hier wieder OnSight durch. Respekt!!!

[attachment=9497] 9.SL (M8- oder M5 A2, 40 m)
[attachment=9498] 9.SL (M8- oder M5 A2, 40 m)
[attachment=9499] 9.SL (M8- oder M5 A2, 40 m)

Schon beim Blick auf die 7. Seillänge (M7, WI5-, 40 m) war klar hier haben die dünnen Eisglasuren deutlich abgebaut und das wird sehr anspruchsvoll. Zudem hat auch schon David Bruder gemeint, dass dies mit die heikelste Länge war. So kam es auch: Rein von den Schwierigkeiten „nur“ M7 und schon deutlich leichter wie die anderen schweren Mixedseillängen. Doch ein zur Höchstform auflaufender Jürgen knackte auch diese heikle Nuss.

[attachment=9500] Blick auf die anspruchsvolle 10 .SL (M7, WI5-, 40 m)
[attachment=9501] 10 .SL (M7, WI5-, 40 m)
[attachment=9502] 10 .SL (M7, WI5-, 40 m)

Die 11 .SL (M6-, 30 m) ist wieder deutlich geneigter. Dafür aber ganz schon plattig und in Kombination mit dem überall liegenden Schnee auch nicht gerade einfach.

[attachment=9503] 11 .SL (M6-, 30 m)

Nun ist es noch ein Seillänge und die hat noch ein kleines Abschlussspektakel parat. Es folgt zunächst ein ausgesetzter 8-10 m Quergang über der Kante eines großen Daches und wenig später ist das Top erreicht.

[attachment=9504] 12 .SL (M6-, 40 m) - das Abschluss Spektakel

Abgeseilt wird direkt über die Route. Wobei mehrfach zwei Seillängen auf einmal abgeseilt werden können. Wie schon erwähnt haben wir ja im Aufstieg im Mittelteil zwei Standplätze nicht gefunden. Den Stand nach der 7.SL hab ich dann glücklicherweise ganz zufällig beim Abseilen unter dem Schnee gefunden und umgehend mit Markierungsreepschnur versehen. Beim Stand nach der 6.SL half aber auch großer Suchaufwand nichts und die Hilfe „wo hätte ich gebohrt“ nütze nichts. Nun gut dann müssen wir uns was anderes einfallen lassen. Zumal man von diesem Stand immerhin direkt in den senkrechten steilen zentralen Gullyteil hineinseilt. Cams hinterlassen stand nicht zur Debatte ein passendes Köpfl konnte auch nicht im Schnee gefunden werden. So folgte das Austreten einer „Birne“. Blöd nur wenn der Schnee keine schöner Firn ist sondern eher Pulver. In den birnenförmigen Schneegraben wird dann einfach direkt das Seil gelegt und daran abgeseilt. So abseilend ging es mit etwas erhöhtem Adrenalinspiegel bis zum letzten Zwischensicherungsbohrhaken. Von da weg ohne weitere Zwischenfälle abseilend zum Einstieg. Hier wurde es langsam dunkel und eine große und tolle Tour geht langsam zu Ende…

[attachment=9505] zurück am Einstieg
[attachment=9506] ein große und tolle Tour geht zu Ende…



Beschreibungen / Topo/ Hinweise:


http://www.nordalpenklettern.lima-city.d...0Gully.htm


Landkarten:
1:25000 AV Karte, BY 6, Ammergebirge West


Viele Grüße
Jürgen und Tobias

[attachment=9507]