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Normale Version: Bayerisch schottische Wintergames, 26.05.13, Westlicher Geierkopf
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Bayerisch schottische Wintergames, Westlicher Geierkopf (2145m) Nordwand


Was soll man tun, wenn im meteorologischen Spätfrühling Ende Mai die Schneefallgrenze in den heimischen Bergen auf unter 1000m sinkt und alle Gipfel in ein winterliches Gewand hüllt? Man geht nochmal Eisklettern statt Felsklettern? Naja fast. Angesichts der Wetterkapriolen mit einem kurzen winterlichen „Stelldichein“ kamen Tobias und mir fast solche Ideen. Noch einmal die Steigeisen und Eisgeräte rausgeholt und das Beste aus dem miesen Dreckswetter machen lautete die Parole. Unser Ziel waren die „bayerisch schottischen Wintergames“. Eine neue Mixed-Tour von Ralf Sussmann die im Winter 2012 in der Nordwand des westlichen Geierkopf (2145m) in den Ammergauer Bergen eingerichtet wurde und eine winterliche Mehrseillängen-Mixedkletterei auf einer logischen Linie darstellt. Florian war mit von der Partie und zu dritt starteten wir vom Parkplatz der Ammerwald Alm gegen 9.15 los. Das Wetter für heute war sehr durchwachsen angekündigt. Wir starteten mit minimalen Sonnenschein und Nieselregen.
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Gegenüber von der Ammerwald Alm (ca. 1100m) geht es bei einem Stromhäuschen weglos in den Wald und dann entlang einer schottrigen Waldschneise weglos weiter hinauf ins untere Geierkar (Schuttkar).
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Über uns konnte man schon den verschneiten Gipfel sehen und mehrere Eislinien waren gerade am entstehen. Das Schuttkar wird zunehmend flacher und läuft in Aufstiegsrichtung auf einen Bachlauf mit Steilstufe zu. Unterhalb dieser Steilstufe konnten wir in einer „rechts-links-gerade hoch und links raus-Schleife“ durch den dichten Latschengürtel steigen.
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Dank mehrerer abgesägter Latschen war hier ein relativ einfaches Durchkommen. Oberhalb des Latschengürtels lag dann im oberen Geierkar auf dem Altschnee sogar zunehmend neuer Schnee der letzten 3 Tage.
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Unser Gipfel war durch Nebel verhangen, leichter Schneefall herrschte und etwas Wind. Herrliches Nordwandwetter. Der Einstieg war schnell gefunden und in der Nähe konnten wir unsere Rucksäcke unterhalb eines überhängend Felsblockes zurücklassen. Schneeschuhe hatten wir keine dabei, da es trotz ca. 20-30cm Neuschnee eigentlich ganz gut ohne ging.
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Zunächst kletterten wir noch simultan ohne Seil ein paar Meter gerade empor und dann weit rüber nach rechts. Angesichts des Neuschnees, fehlenden Altschnees bzw. Trittfirns und sehr mangelhafter Eisqualität (wenn wunderst) war die Kletterei von Anfangs an eine Mixedkletterei. Selbst in den leichtesten Passagen musste ständig mit dem Eisgerät und den Steigeisen unter dem Schnee nach einem Hook geschart werden. So seilten wir dann schließlich doch bald an.Die erste Länge hinauf sollte eigentlich ganz einfach sein, dank der Bedingungen wars doch gleich ein kleiner Eiertanz, von Eis oder Trittschnee keine Spur. 5m unterhalb des ersten BH machte ich Stand an einem selbst geschlagenen Haken und einem Camelot. Der erste BH war zu weit entfernt, vielleicht lags an der Schneelage. Tobias und Florian kamen nach und ich stieg noch die nächste Länge weiter die sich dann deutlich besser absichern lies und auch 2BH und 1 NH enthielt an neuralgischen Stellen. Auch wenn die Seillänge nur mit M3 bewertet war kam sie uns bei den derzeitigen Bedingungen eher wie ne M3 mit Stellen M4 vor.
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Kurz unterhalb der Rampe bezog ich angesichts unserer 3er-Seilschaft ca. 5m unterhalb des richtigen Standplatzes (der liegt am Beginn der Rampenverschneidung rechts oben)an bequemer Stelle Stand an Cams. Der Schnee fehlte hier, so dass der eigentliche Stand etwas ungemütlich zu dritt aussah.
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Florian übernahm nun die Rolle des Spielleiters und führte durch die markante, von rechts unten nach schräg links oben verlaufende Rampe. Die Schlüsselpassage stellen gleich die ersten 10m nach dem Stand dar. Angesichts des fehlenden Trittschnees und mangelnder Eisqualität musste erstmal recht angagiert der erste Bolt angeklettert werden. Teilweise finden sich kleine Hooks für die Eisgeräte aber selbst mit den Monozacker-Steigeisen lassen sich auf der glatten Platte für ca. 3m kaum vertrauenserweckende Tritte finden. Recht eierig muss man also vom ersten Bolt fast waagrecht nach links zum nächsten (guten) Schlaghaken klettern.
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Hier angekommen geht es steiler (Bolt) wenige Meter empor in nun wieder etwas besser strukturiertem Fels und dann wieder leicht schräg nach rechts zurück in die Rampenverschneidung. Nach einem kurzen und leichtem flacheren Stück kommen nochmal ein paar bröselige Meter ( 2 Bolts) bis zum Standplatz an der rechten Begrenzungswand nach ca. 45m.
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Diese Seillänge hatte es echt in sich gehabt und kam uns auf den wenigen Metern nach dem Standplatz deutlich schwerer wie ne M5 vor (eher kurz M6 und Rest vorwiegend M5, kurze Passagen auch leichter oben raus). In der nächsten Seillänge wäre nun das Mitführend des Topos sehr hilfreich gewesen. Nachdem diese Seillänge auf einem extra Blatt beschrieben war hatten sowohl Tobias als auch ich es leider im Rucksack vergessen. Wir glaubten, dass logischerweise die Route gerade empor vom Stand gehen würde, entlang der Rampenverschneidung. Denn links wäre bei Trittschnee vielleicht leichter, aber nicht logisch gewesen bei der Erstbegehung, so dachten wir. Florian startete also weiter gerade empor. An einem kleinen steileren Absatz kurz oberhalb des Standes kam seine Fahrt dann etwas ins Stocken.
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Im bröseligen Gestein musste unter dem Schnee nach Hooks gesucht werden und eine Absicherung mit mobilen Geräten war nicht möglich. Erst nach Überklettern der Schlüsselpassage (ca. M5, entlang unserer Linienführung) dieser Seilllänge konnte er rechts eine gute Sanduhr aus unbequemer Position fädeln. Nun ging es deutlich flacher weiter. Von der Sanduhr konnte auf einem Art Band weit nach schräg links ansteigend zur Kante geklettert werden, an der ein BH zu finden war.
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Auf den folgenden 20m liesen sich keine Bolts mehr auf der Platte finden.
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Da es keinen soliden Schnee gab folgten wir dem Weg des geringsten Widerstandes (M3) im Zickzack durch die Platten mit langem Runout zum Stand. In der darauf folgenden Länge finden sich gleich oberhalb des Standes 2 BH. Vom 2. BH würde es normalerweise links schräg ansteigend weiter gehen. Wenn Schnee auf den Platten liegt bestimmt besser kletterbar. Wir kletterten vom 2. Bolt schräg rechts weiter weniger Meter bergauf ( ca. M4/5) und dann in deutlich leichterem und geneigterem Gelände schräg nach links in eine Verflachung.
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Ab hier schräg nach rechts ansteigend über eine gut zu kletternde Stufe (ca. M3, gut mit Cams absicherbar)
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und oberhalb davon nach schräg links zu einer Art Kante, hinter der Florian einen selbst eingerichteten Stand bezogen hatte (ca. 70m).
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Den eigentlichen Stand mit 2BH an einem Felskopf war nicht zu finden, so dass Tobias und ich beide bereits simultan ein Stück nachstiegen (ca. 70m). Nun folgten auf den folgenden 60-70m lediglich Gehgelände, die hier sehr breite Rampe direkt gerade empor. An der untersten von zwei rechterhand liegenden Gufeln existiert ein BH-Stand den wir aber bewußt ausliesen und noch weiter zur nächsten Steilstufe weiterstiegen.
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Hier zieht ein Rinne, oberhalb einer 3m-Wand schräg nach rechts aufwärts. Direkt an der kleinen Wandstelle befindet sich links oben, neben dem Rinnenbeginn ein BH. Tobias stieg diese, letzte Länge vor.
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Nach einer kleinen, feinen Boulderstelle (ca. M4+) die darin bestand in die Rinne zu kommen ging es gutmütiger schräg rechts weiter und über einen letzten kleinen Aufschwung (frozen Turf wenns kalt genug gewesen wäre) zu Stand an Felsblock.
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Von hier waren es nur noch wenige Meter Gehgelände bis zum Gipfel. Sicht war gleich null und das Feeling schon sehr winterlich. Die Gipfelpause fiel daher ziemle kurz aus.
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Dank Kompass und GPS war die grobe Abstiegsrichtung bald ausfindig gemacht und kurz darauf auch das Joch gefunden.
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Dank dem Wind hier oben war der Abstieg vom Schnee recht ausgeblasen und einfach zu begehen. Am Joch angekommen lag zum Felsentor hingewand auf der Lee-Seite des Windes ordentlich eingeblasener Schnee. Wir querten daher unterhalb dieser Schneemassen einfach von der Seite her hinein.
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Nun mussten wir in hartem Pressschnee (Pickel und Steigeisen nochmal von Vorteil) ca. 10m 45 Grad steil absteigen, dann wurds rasch flacher.
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Hier lag ca. 30cm frischer Pulverschnee. Zügig und einfach gings nun problemlos zurück zu den Rücksäcken.
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Tagsüber hatte es ziemlich getaut. Mehrere Eiszapfen, die wir am Mittag noch gesehen hatten, waren nun wenige Stunden später bereits wieder am abbauen oder hatten, fragil wie sie waren, sich vom Fels gelöst. Vorbei, so schien es, war das kurze winterliche Zwischenspiel. Wir hatten es würdig genutzt. Auch im unteren Geierkar lag im Abstieg kein Schnee mehr.
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Bereits einen Tag später, am Montag hatte es wieder Sonnenschein und fast 20 Grad im Allgäu, unglaublich.
In der Ammerwald Alm, bei der wir ca. gegen 17 Uhr eintrafen kehrten wir noch auf ein Abschlussgetränk und gemütlich Kaffee/Kuchen ein.


Bemerkung zu den Schwierigkeiten:
Nachdem diese Tour im nächsten Eiskletterführer „ Wasserfallkletteren zw. Bregenz und Garmisch“ vermutlich auch zu finden sein wird erscheint es mir wichtig einen kleinen Vergleich zwischen den Mixedbewertungen dieser Mehrseillängen-Mixedrouten zu ziehen. Es mag vielleicht auch an den eher ungünstigen Bedingungen bei uns gelegen haben aber die von Ralf vorgeschlagene Bewertung erscheint uns durchaus etwas niedrig gegriffen. Vor allem die Schlüsselstelle der Schlüsselseillänge (vgl. oben, erste Seillänge der Rampe) war bei uns eher eine satte M6. Florian kann einen besseren Vergleich als ich oder Tobias ziehen, da er bereits mehrere alpine Mixedrouten in verschiedensten Gebieten geklettert ist die trotz vergleichbarer Schwierigkeit härter bewertet waren. Ich ziehe hier nun selbst bewußt nur den Vergleich mit den Routen am Rubihorn, Aggenstein oder Notkarspitze (zumindest die die ich selbst geklettert bin). Seillängen die mit M5 oder gar M6 an den besagten Bergen bewertet wurden sind keinesfalls schwerer wie diese Einzelstelle in den bayerisch schottischen Wintergames. Nun mag das vielleicht an den von mir selbst erstellten Topos eines Teils dieser Routen liegen bei der ich eine vielleicht zu hoch gegriffene Bewertung vergeben habe (Kuschelbewertung?). Routen wie der Schottengully (Ostterried/Blochum) oder der Isidor-Hacker-Gedenkweg (Freudig/Lehner) am Aggenstein sind jedoch von den Erstbegehern mit mehrmals V+(Isidor-Hacker-Gedenkweg) bzw. VI (Schottengully) angegeben und in keiner dieser Routen muss schwerer geklettert werden wie auf diesen wenigen Metern am Geierkopf. Beide genannten Routen am Aggenstein wurden auch im Winter erstbegangen und eingerichtet, jedoch mit einem anderen Bewertungssystem bewertet. Speziell der Isidor-Hacker-Gedenkweg ist jedoch wesentlich alpiner abgesichert, aber das darf ja eigentlich nicht mit in die Bewertung eingehen.
Unabhängig davon ob nun die bayerisch schottischen Wintergames an der Schlüsselstelle zu niedrig bewertet sind oder meine eigenen Schwierigkeitsangaben zu hoch gegriffen sind sollte bei Neuauflage des Eiskletterführers dieser dadurch entstehende Vergleich berücksichtigt werden. Im Allgemeinen ist es ja schwer Einzelstellen in Mixedrouten miteinander zu vergleichen da sie stark von den Verhältnissen abhängen. Wer eine mit M5/5+ bewertete Route am Rubihorn oder Aggenstein gerade noch so hoch kommt wird sich im Vorstieg in den bayerisch schottischen Wintergames relativ herb tun. Demgegenüber braucht derjenige sich, dem diese Seillänge der bayerisch-schottischen Wintergames leicht fiel, auch vor mit M5-6 angegebenen Seillängen am Rubihorn und Aggenstein keine größeren Sorgen machen. Wie schwer Walter Hölzler seine „Ice on the Rocks“ oder Rainer Treppte seinen „Sonntagsspaziergang“ am Rubihorn im Detail bewerten wird bleibt abzuwarten, da bei diesen Touren eine detaillierte Schwierigkeitsangabe in M-Graden (noch) nicht vorliegt. Vielleicht mehr im nächsten Eiskletterführer oder irgendwann nachzulesen hier im Rocksports-Forum. Die jüngst von Ralf Sussmann eröffnete Route: „Bayerisch-Chamonix“ dürfte demnach aber zu den schwersten und anhaltend forderndsten Routen gehören im näheren Umkreis, was auch aus dem Bericht der ersten Wiederholer (Stefan Biggel und Frank Wäckerle) heraus zu lesen ist (
http://ulmerjungs.blogspot.de/2013/04/ba...ipfel.html
).

Material: 2x60m Halbseil (falls man abseilen will/muss), 10 Expressen, keine Eisschrauben, keine Snargs (kaum Grasbestand), Steigeisen, 2x Eisgerät. Kleines Hakensortiment (BH im mittleren und oberen Teil der Rampe wegen plattiger Wandstruktur nicht immer unter Schnee auffindbar und zusätzlich manchmal auch keine Möglichkeit für Cams). Camelots bis Größe 2. Kompass für Abstieg sofern wie bei uns fehlende Sicht.

Unsere Bewertung:
Bayerisch schottische Wintergames, Westlicher Wengenkopf (2145m), Ammergauer Alpen
M3-4 im Zustieg zur Rampe und in der letzten Seillänge. Erste Seillänge der Rampe mit Einzelstelle M6, sonst in dieser Länge mehrheitlich M5. Zweite Länge der Rampe nochmal M5 an Einzelstelle. Dritte Seillänge der Rampe auf unserer Linienführung mit Einzelstelle M5 (nach Standplatz) sonst deutlich leichter. Vorletzte Seillänge Gehgelände im Schnee. Leichter, einfacher Abstieg. Tour mit Zustieg und Abstieg gut bei Tageslicht zu schaffen. Insg. 7-8 Seillängen.
Lohnende, alpine Route auf logischer Linie in nicht immer ganz festem Fels. Dank eingerichteter Standplätze, Zwischen-BH und auch wenigen NH relativ gut abgesichert. Für zusätzliche Absicherung (speziell Zustieg zur Rampe und oberer Teil Rampe) muss bei Bedarf selbst gesorgt werden. Auf Lawinensituation achten wegen kurzer steiler Stelle im Abstieg am Felsentor.
Ca. 600Hm Zustieg, insg. etwa 1150Hm bis Gipfel.

Weitere Infos, Bilder und Topo zur Tour vom Routenerschließer:

http://www.nordalpenklettern.lima-city.de/Geierkopf.htm


Weitere Begehungsberichte, Beschreibungen und Bilder u.a. unter folgenden Links:

http://alpini.wordpress.com/2013/03/24/w...ter-games/


https://philippabels.wordpress.com/2013/...geierkopf/


http://www.draussen-unterwegs.de/Tourenb...s/trip.htm


http://www.bergtour.ch/tourenfuehrer/routen/id/7681





Schöne Tour wars

Gruß

Tobias, Florian und Alban